Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 30. Dezember 2020

Einwurf: Hat der Mandalorian Star Wars repariert?

 



Könnte einige Spoiler beinhalten. Lesen auf eigene Gefahr!


Normalerweise ist solch eine Überschrift Tabu für mich. Das sind solche Titel, die man vermutlich in seinem Google-Feed auf dem Smartphone finden wird. Das gute aber ist, erst einmal ist mein Blog nicht prominent genug für den Google-Feed und zweitens stelle ich in dem Titel eine Frage und mache daraus nicht einen Fakt, wie es bei Bloggern oder YouTubern ja schon unlängst Tradition ist. Normalerweise müsste da also stehen: "Wie der Mandalorian es geschafft hat, Star Wars zu reparieren" oder im heutigen Zeitalter wo alles schnell gehen muss: "Mando biegt Star Wars gerade".

Warum stelle also ausgerechnet ich eine Frage in der Überschrift? Die Frage, ob da was repariert werden muss. War da denn je was kaputt? Nun, wer irgendwann doch mal hier gelandet ist und einen anderen Einwurf las, wo es öfters mal um Star Wars ging, der wird wissen für wie reparaturbedingt ich Star Wars halte. Ich halte die neue Sequel Trilogie für konzeptlos und am Ende wurde es dann auch noch ideenlos. Dabei kritisiere ich nicht einmal die Machart der Filme die handwerklich einfach fantastisch sind. "Das Erwachen der Macht" halte ich sogar auch noch immer für den besten Star Wars Kinofilm nach "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" sofern es sich nur um die Skywalker-Saga handelt. "Rogue One" sehe ich immer noch recht deutlich über "Das Erwachen der Macht". Aber es war halt ein vielversprechender Auftakt, der den Weg für eine herausragende Trilogie ebnen sollte. Star Wars zurück vom kompletten Greenscreen zu echten Sets mit Charakteren zum anfassen. Das Problem mit dem fehlendem Konzept hingegen sollte diese Pläne zunichte machen. Aus Charaktere zum anfassen wurden leere Hüllen mit wirren Backstories und die Geschichte selbst zu einer Parodie von allem, was man sich über die letzten Jahrzehnte aufgebaut hat. Zähneknirschend muss ich zugeben, selbst Lucas seine Prequel-Trilogie hat hier noch mehr abgeliefert da er von Beginn an eine Story versprach, die von Anakin Skywalker und dem Untergang der Jedi sowie den Aufstieg des Imperiums handeln sollte. Lucas hatte also ein Konzept welches er lange verfolgte und vermutlich so umsetzte, wie er es geplant hatte. Die Sequel-Trilogie hingegen kann sich nicht entscheiden ob sie kopieren möchte oder lieber etwas ganz eigenständiges sein will (dazu gleich mehr). Doch auf diese Probleme bin ich schon sehr häufig eingegangen. Fakt ist aber auch: Die Sequel-Trilogie hat ihre Fans und das ist vollkommen in Ordnung und sogar gern gesehen. In dem Falle stelle ich mir daher die Frage, ob Star Wars wirklich repariert werden musste wenn die neue Spielfilmtrilogie für viele die Erwartungen absolut erfüllt hat.

Doch selbst wenn man viele Sympathien für die Sequel-Trilogie hegt, so muss man sich vielleicht eingestehen, dass es nicht unbedingt die Fortsetzung zu Episode VI ist, die man auch nur ansatzweise erwartet hat oder die das Vermächtnis verdient hat. Schriftsteller Timothy Zahn hat 1991 mit "Erben des Imperiums" in seiner berüchtigten Thrawn-Trilogie bereits bewiesen, wie man es besser macht ohne dabei das Original kopieren zu müssen. Und hier kommt der Mandalorianer ins Spiel. Als vor rund einem Jahr die erste Staffel vom Mandalorianer fast einhellig abgefeiert wurde, hatte ich mich gefragt, ob sie wirklich so gut war oder die Serie enorm von dem Unmut des Star Wars Anhangs gefeiert wurde, weil man so wenig mit der Sequel-Trilogie anfangen konnte. Ich denke es war eher letzteres. Staffel 1 vom Mandalorianer bewies natürlich, wie eine Big Budget TV-Serie aussehen kann, aber ein wirkliches Konzept fehlte auch hier noch. Bei nur 8 Episoden brachten nur wenige davon die Story wirklich weiter. Es war, als wollten Jon Favreau und Dave Filoni (der übrigens schon ne menge Erfahrung mit der Clone Wars Serie sammeln konnte) einfach mal die Wassertemperatur fühlen. Verständlicherweise. Star Wars befand sich in einem Tief, man wusste nicht wie das Serienformat ankommen würde und die sehr komplizierte Situation zum Start des Disney+ Dienstes war ebenfalls ein Hindernis. In welche Richtung sich die Story vielleicht noch entwickeln würde, war nicht abzusehen. Mit Baby Yoda hatte man natürlich ins Schwarze getroffen und zumindest bei diesem Charakter mal wieder alte Star Wars Qualitäten bewiesen: Das Merchandise anheizen! Da darf man ja keinen Hehl draus machen, Star Wars bedeutet auch Konsum und kann ein teures Hobby werden. Man hatte also Baby Yoda (oder The Child oder nun kennt man ja auch seinen richtigen Name) und der Mandalorianer Din Djarin (Pedro Pascal) eine Aufgabe: Den kleinen Kerl irgendwohin bringen wo es Jedi gibt. Wo das sein wird, wer das sein wird und wer den kleinen vielleicht ausbilden wird spielte da noch keine Rolle. Man hatte außerdem Mandos Verbündete und den Gegenspieler sowie einige ulkige wie kuriose Sidekicks, die es schon immer in Star Wars gab. Das wichtigste war es, das Grundgerüst erst einmal stehen zu haben. Über alles andere konnte man sich nachträglich Gedanken machen.

Doch man hat sich Favreu und Filoni nicht ins Boot geholt, weil einer davon das Marvel MCU erschaffen hat und der andere bereits Star Wars Fahrwasser in den Schuhen hatte. Man hat sich diese beiden Herren besonders ins Boot geholt, um eine Konstanz zu erhalten um solche Fehler wie bei der Sequel-Trilogie mit den stets wechselnden Regisseuren und fehlenden Anweisungen für den Nachfolger zu vermeiden. Man übergab Favreu das Szepter und der hat ein eingeschworenes Team rund um den Mandalorianer gegründet und arbeitet zudem noch eng mit den Schauspielern zusammen. Favreu und Filoni agieren hier mehr wie zwei Fußballtrainer, die einen kriselnden Verein zurück auf die Spur bringen wollen. Man musste ungefähr wissen, wo man bei Star Wars ansetzen muss. Da war es wichtig mit der ersten Staffel schon einmal eine Grundlage zu schaffen. Der Rest kommt später. Und genau da hat man dann mit Staffel 2 weitergemacht als das Grundgerüst stand. Die Fassade. Und wenn man die Credits nach jeder der achte Episoden mal verfolgt, wird auch schnell klar was ich mit eingeschworenem Team meinte. Neben Favreau selbst nimmt natürlich auch wieder Filoni auf dem Regiestuhl platz. Und welche andere Folge hätte es nur sein können als bei S2E5 "The Jedi". Spoiler: Es war die Ahsoka Tano Episode. Ahsoka Tano ist größtenteils Filonis Baby und auch nach der Übernahme von Disney und der damaligen Absetzung von The Clone Wars konnte sich Filoni nie so wirklich von Anakin Skywalkers einstigem Padawan trennen. Hatte ich vorher noch Skepsis geäußert bezüglich der Auswahl von Rosario Dawson als Darstellerin, war diese schon relativ früh verflogen. In S2E3 nahm erneut Bryce Dallas Howard (Rons Töchterchen) auf dem Regiestuhl platz und lieferte "The Heiress" die erste enorm starke Episode ab, die die Story erstmals ins Rollen brachte. In S2E4 "The Siege" durfte dann in einer ähnlich furiosen Episode Carl Weathers ran, den man hier sowohl als Regisseur als auch wieder als Schauspieler in seiner Rolle als Greef Karga sieht. In S2E6 "The Tragedy" kommt dann sogar Star Wars Geek Robert Rodriguez ins Spiel der hier, wie er selbst sagt, ein Last Minute Ersatz war und seinem Kumpel Jon Favreau damit einen großen Gefallen erwiesen hat (und dessen Idee für diese Episode auf das spielen mit Star Wars Actionfiguren zurückgeht). Rick Famuyiwa, der in Staffel 1 noch bei zwei Episoden Regie führte ist auch hier wieder bei S2E15 "The Believer" mit einer sehr starken Episode dabei. Der Löwenanteil mit zwei Episoden (darunter die mit einer 9,9 Sternen in der IMDb bewerteten finalen Episode S2E8 "The Rescue") geht jedoch an Peyton Reed, dem sein Durchbruch mit Ant-Man im Marvel MCU gelang.

Was bei diesem kleinen, aber eingeschworenem Team sofort auffällt sobald man etwas mehr ins Detail geht: All diese Leute wurden persönlich von Jon Favreau ausgesucht. Es sind teilweise Leute mit denen er schon zusammengearbeitet hat oder sie schon vorab aufgrund ihrer Verdienste sehr schätzt. Keine Episode ist eine arrogante One-Man-Show sondern teil eines Kollektivs, ein Konzept, was hier komplett aufgeht. Es ist ein ähnliches Konzept welches es bereits bei "Star Trek - Das nächste Jahrhundert" gab. Auch dort war es nicht ungewöhnlich, als Darsteller wie Jonathan Frakes oder LeVar Burton irgendwann auch hinter der Kamera auf dem Regiestuhl Platz nahmen. Anders als bei dem gefloppten Star Trek Nemesis Kinofilm nahm bei der Star Wars Sequel-Trilogie aber niemand auf diesem Stuhl Platz, der das Franchise nicht ausstehen konnte oder einfach keinerlei Erfahrung damit hatte. Im Gegenteil. Sowohl J.J. Abrams als auch Rian Johnson sind so große Star Wars Fans, dass sie Bedenken äußerten, die richtigen Männer für diesen Job zu sein (wenn auch die Zweifel bei Abrams deutlich größer waren). Das Problem was sich dadurch ergab war folgendes: Der eine Regisseur wollte weniger sein eigenes Star Wars als viel mehr ein Star Wars, das an alte Zeiten erinnert ohne die Formel zu sehr zu verändern. Während dies Abrams Philosophie war, wollte der andere, Johnson, sein eigenes, exotisches Star Wars haben wo einfach alles ein wenig anders war. Wenn man die Pole von zwei Magneten aneinander hält, entfernen sie sich voneinander. So ungefähr verlief es mit den Philosophien von Abrams und Johnson. Und hier wiederum kommt Favreau und sein Team ins Spiel. Größtenteils alles alte Star Wars Fans, wollen sie jedoch beide Philosophien miteinander verbinden. Man will das alte Star Wars Feeling, möchte aber auch einen vollständig eigenen Weg gehen. Dass es auch in andere Richtungen gehen kann beweist Favreau auch bei der Auswahl der Darsteller. So ist Comedian und Schauspieler Bill Burr ein bekannter Star Wars Anti-Fan (neben Harrison Ford vermutlich der zweitprominenteste Star Wars Anti-Fan der in direkter Verbindung zum Franchise steht). Etwas, was Favreau so reizvoll fand, dass er ihn in der Serie haben wollte.

Was das Team rund um Favreau und Filoni hier allmählich aufbaut entwickelt sich, ohne, dass man es so richtig bemerkt, zu dem "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" Sequel, welches sich Fans so lange gewünscht hatten. Zu verdanken hat man dies natürlich auch der Timeline, so spielt The Mandalorian nicht einmal 10 Jahre nach Episode IV, im starken Kontrast zu Episode VIII, die rund 34 Jahre nach Episode IV spielt. Die Sequel-Trilogie kämpft also mit dieser riesigen Zeitspanne, die leer bleibt und selbst durch Romane oder Comics, von dessen Existenz der gewöhnliche Zuschauer vermutlich nicht einmal etwas weiß, nicht zufriedenstellend ausgefüllt wird. Und hier komme ich nun zu dem Punkt, wo der Mandalorianer die Sequel-Trilogie, zumindest die großen zeitlichen Lücken, reparieren und füllen könnte. Sofern Disney die Sequel-Trilogie also noch nicht vom offiziellen Star Wars Canon gestrichen hat, so könnte der Weg, den man hier geht, irgendwann dorthin führen (wobei man dafür natürlich auch eine komplett eigene Serie entwickeln könnte).

Und so ist es besonders die viel besprochene letzte Episode der zweiten Staffel, die weitaus mehr als nur Fanservice und Seelenbalsam sein könnte. Denn Fevreau und sein Team haben glaube ich verstanden, dass ein alter Zaubertrick seine Wirkung schnell verliert und ein Darth Vader oder Imperator Palpatine Cameo niemanden mehr vom Sofa fegen wird. Es sei denn natürlich, man baut so etwas mit Sinn und Verstand ein und möchte somit eine ähnliche Reaktion hervorrufen wie bei dieser finalen Episode.

The Mandalorian könnte also das wichtige Reparaturkit sein, welches das Franchise alleine dafür benötigt, um den Star Wars Canon wieder in Schuss zu bringen. Aber die Serie ist so viel mehr, nämlich etwas völlig eigenständiges ohne dabei ständig einen Abgesang auf die gute alte Zeit zu veranstalten. Disneys Pläne derzeit liegen nicht bei einer neuen Filmtrilogie oder irgendwelchen Spin-Off Filmen. Man hat das derzeit perfekte Format für Star Wars entdeckt, welches auch nach aktueller Weltlage vermutlich auch am profitabelsten ist. TV-Serien. Wobei "TV" hier nur noch ein sehr vager Begriff ist, da sich zumindest The Mandalorian kaum von einem Big Budget Spielfilm unterscheidet. Man mag fast glauben, Disney habe die Essens von Star Wars endlich begriffen. Doch wie stark die Macht in diesen neuen Serien wirklich ist, wird sich ende 2021 beweisen wenn "The Bookf of Boba Fett" auf Disney+ erscheinen wird. Und auch hier werden wieder Favreau und Filoni am Werke sein, denn die Macht scheint besonders in diesen zwei Herren derzeit besonders stark zu sein.

Was The Mandalorian angeht: Es wird eine dritte Staffel geben und die Möglichkeiten sind scheinbar so unendlich wie die weit, weit entfernte Galaxis. Wenn Staffel 1 das Grundgerüst war und Staffel 2 die Fassade, dann müsste Staffel 3 nun also die Inneneinrichtung werden.

Dienstag, 29. Dezember 2020

Review: Pflicht und Schande (Giri/Haji)

 



Japan/Großbritannien 2019


Pflicht und Schande aka Giri/Haji
Idee und Drehbuch: Joe Barton
Regie: Julian Farino, Ben Cessell
Darsteller: Takehiro Hira, Kelly Macdonald, Yosuke Kubozuka, Justin Long, Aoi Okuyama
Episoden: 8
Distributor: BBC Two (Großbritannien), Netflix (International)
FSK: 16
Genre: Krimi, Unterwelt-Drama



Wenn man die babylonische Sprachverwirrung verfilmen würde, würde vermutlich die 8 teilige Crime-Series "Pflicht und Schande" dabei rauskommen. Denn dem berüchtigten Kulturschock scheinen in dieser kurzen Serie weder die japanischen, noch aber die britischen Schauspieler gewachsen zu sein.

Pflicht und Schande oder aber auch Duty and Shame, so wurde die Serie international getauft. Einfacher ist natürlich der japanische Titel der lediglich aus den Silben Giri (Pflicht) und Haji (Schande) besteht. Um mir etwas Zeit zu sparen werde ich diesen Titel für das Review benutzen.
Die Ambitionen für dieses Projekt waren durchaus groß. Ein Ensemble aus teilweise international bekannten Schauspielern und jungen Darstellern mit wenig Erfahrung, die man aus beiden Ländern hat engagiert. Das Budget ist für eine Krimiserie beachtlich und mit BBC Two und Netflix hat man nicht nur Budget im Rücken, sondern auch Aussicht auf eine Fortsetzung. Diese Hoffnungen müssen Fans aber nun begraben, im September gaben beiden Distributoren das Ende der Zusammenarbeit und somit auch von der Serie bekannt. Die Trauer wird sich vermutlich in Grenzen halten, so bleiben am Ende doch nur wenig Fragen offen und sollte man nicht auf eine komplett neue Story sowie Charaktere setzen, würde wohl die Luft aus Staffel 2 schnell raus sein.

Auf dem Papier klingt die Prämisse mal wieder besser als die Umsetzung. In den 8 Episoden von denen jede knapp eine Stunde Laufzeit vorzuweisen hat, erlebt der Zuschauer eine wilde Achterbahnfahrt an Emotionen. Positive sowie negative Erfahrungen habe ich gemacht, komme aber zum Schluss, dass das Positive sich hier am Ende noch durchsetzen konnte. Doch Giri/Haji hätte weitaus mehr sein können, hätte man die Ambitionen runtergeschraubt. Charaktere werden verheizt, Sprachbarrieren zwischen den Schauspielern scheinen die allgemeine Harmonie unter den Darstellern zu behindern und zu viele Style over Substance Elemente, die der Serie durchgehend im Weg stehen, sind ein stetiger Begleiter dieser Miniserie.

Die Story selbst ist schnell zusammengefasst. Giri/Haji möchte gerne Yakuza-Drama und Krimi in einem sein. Daher wird die Geschichte der beiden ungleichen Brüder Kenzo (ein Polizist) und Yuto (ein Taugenichts der zu einem Gangster wird) sowohl in Japan als auch in Großbritannien erzählt. Der Yakuza-Anteil spielt in den japanischen Segmenten der Serie, der vermeintliche Krimi-Anteil spielt in Großbritannien. Bei der Story selbst griff man relativ tief in die Klischeekiste, was aber gar nicht mal das Problem ist. Das Rad kann man bei solch einem Genre unmöglich neu erfinden. Es hapert eher an der Umsetzung dieser Thematik. Yuto baut Mist, flüchtet aus Japan und landet irgendwie in Großbritannien und sein großer Bruder erhält den Auftrag, Yuto wieder einzufangen. Schnell wird jedoch klar, auch Kenzo als Polizist ist kein Saubermann und schreckt nicht davor zurück, für den Schutz seines kriminellen Bruders, zu töten. Als Kenzo in Großbritannien ankommt erwartet ihn nicht nur eine düstere Such-Odyssee nach seinem Bruder, es herrscht auch ein lokaler Bandenkrieg und Kenzos familiäre Probleme werden deutlicher, als je zuvor als dann auch noch seine junge Tochter Taki sich nach Großbritannien aufgemacht hat.

Die erzählerischen Schwächen der Serie machen sich immer wieder bemerkbar. Sowohl in Großbritannien als auch in Japan herrschen erbitterte Bandenkriege. Auf die wird jedoch nur viel zu selten eingegangen. Besonders darunter leiden die verstrickten Angelegenheiten der japanischen Bandenkriege unter den verfeindeten Yakuza-Klans. Mir war es am Ende unmöglich, die Beziehungen unter den einzelnen Klans und deren Probleme nachvollziehen zu können. Doch auch die Beziehung unter den beiden Brüdern sowie Kenzos Probleme mit seinen alternden Eltern, seiner Frau und seiner rebellischen Tochter bringen strukturelle Schnitzer mit sich. Das größte Mysterium selbst war für mich jedoch Kenzo, der als sehr labiler, gleichzeitig aber gerissener und eiskalter Typ daherkommt. Mir scheint es, als konnte sich der Schreiber Joe Barton nie so richtig entscheiden, in welche Richtung es mit dieser Figur nun gehen wird. Unter der gleichen Krankheit leiden aber auch die Nebencharaktere wie die Polizistin Sarah (Kelly Macdonald), die hier als ein unsicherer, eifersüchtiger, scheinbar nymphomanischer Sukkubus dargestellt wird. Auch der quirlige, homosexuelle Toshio, der das seltsame Gespann den ganzen Weg lang begleitet, macht eine ähnliche Achterbahnfahrt mit. Ich konnte mich einfach nie entscheiden, ob die Charaktere einfach völlig unsympathisch sind und ich daher keinen Bezug zu ihnen finde, oder aber all das so gewollt ist und das ganze eine düstere Charakterstudie ist. Ich bin zum Schluss gekommen, es ist vermutlich beides. Zudem kommen die angesprochenen Probleme, wo die Schauspieler sich untereinander sprachlich nicht so ganz zu verstehen scheinen. Man versucht durchgehend zu kaschieren, dass Takis Schauspielerin Aoi Okuyama vermutlich kaum ein Wort Englisch beherrscht. So, wie die Charaktere untereinander agieren wirkt es hölzern, manchmal unfreiwillig komisch, als ob besonders die japanischen Darsteller die Regieanweisungen nicht komplett verstanden hätten. Sobald diese sich wieder in ihrer Muttersprache unterhalten, kommt die Souveränität zurück. Auch Kenzo Mori Darsteller Takehiro Hira macht bei den englischsprachigen Szenen nicht gerade das souveränste Bild.

Wesentlich interessanter hingegen waren dann die in Japan gedrehten Segmente für die Serie. Da schafft es Giri/Haji dann, wie ein traditionelles Yakuza-Drama zu wirken, oder, sagen wir, die Serie schafft es, typisch japanisch zu wirken. Die Yakuza selbst sind nur ein Element dieser Szenen. Im Fokus stehen die familiären Hintergründe der beiden Brüder, die beide unterschiedliche Wege eingeschlagen haben, sich aber doch mehr ähneln, als man zuerst denkt. Hier liegen die Stärken von Giri/Haji. Umso untröstlicher ist es, dass besonders die Bandenkriege in den Japan-Szenen so stark vernachlässigt werden. Diese Szenen gibt es übrigens ausschließlich nur in japanischer Sprache mit Untertiteln.

Sobald es zurück nach Großbritannien geht (die Serie wechselt munter hin und her, was aber bei mir nie für Verwirrung gesorgt hat), kommen auch die alten Probleme wieder. Und da ist dann Vickers (Justin Long) das nächste Problem. Das reiche amerikanische Vatersöhnchen, das auf eigenen Beinen stehen möchte. Ich würde nie auf den Gedanken kommen, Justin Long als großen Hollywooddarsteller zu bezeichnen, aber zusammen mit Kelly Macdonald dürfte er wohl der prominenteste Name unter den westlichen Darstellern sein. Wenn man sich also schon Justin Long ins Boot holt, sollte man ihn auch nutzen, denn Potential für seine Rolle war da. Sogar so viel, dass er, meiner Meinung nach, am Ende noch für viel Abwechslung und Entscheidungen hätte sorgen können. Stattdessen verfallen die Macher immer wieder in technische Spielereien die absolut nichts zur Story beitragen und vermutlich einfach cool und stylisch aussehen sollen. Doch so einfach funktioniert das halt nicht und diese Szenen tragen einen großen Anteil daran, dass es manchmal schwer ist, die Serie ernst zu nehmen, weil sie sehr gezwungen ernst und cool und stylisch wirken möchte, man damit aber eher das Gegenteil erreicht. Dies wird noch einmal deutlich, wenn man den Showdown auf dem Dach sieht und die Episode in einen Tanzspektakel ausartet.

Doch ausgerechnet die zuerst unscheinbare Geschichte mit den drei Frauen (Kenzos Frau, Mutter und die Tochter des Yakuza-Bosses, mit der Yuto ein Verhältnis hatte) und ihrem Road Trip war es, die mir persönlich mit am besten gefallen hat, da hier weitaus weniger wert auf irgendwelche hippen Fabrfilter, Kameraeinstellungen oder Gangster-Gelaber gelegt wurde.




Abschließende Gedanken

Giri/Haji kann durchaus mit vielen starken Momenten überraschen. Sein volles Potential schöpft die Serie jedoch nie aus. Das Ende finde ich jedoch überraschend zufriedenstellend und lässt eigentlich auch keinen großen Spielraum für eine Fortsetzung (zumindest nicht mit diesen Charakteren). Es ist eine ausgewogene Mischung aus beantworteten Fragen, abgeschlossenen Character-Arcs und einigen unbeantworteten Passagen, die aber wiederum eher dafür sorgen sollen, sich nachträglich noch über die Serie zu unterhalten und sich vielleicht ein Schlupfloch für eine Fortsetzung in Reserve zu halten. Wie wir nun wissen, wurde daraus nichts und BBC Two und Netflix haben die Lichter ausgeschaltet und den Rausschmeißer bereits verständigt. Wenn man vielleicht weniger mit der japanischen Filmlandschaft vertraut ist, könnte Giri/Haji durchaus besser funktionieren. Leider wollen die Macher aber zu oft die großen Vorbilder kopieren und wissen selbst nicht, was genau den Charme dieser Filme ausmacht. Da, wo Giri/Haji zu verspielt ist, hätte die Serie wesentlich bodenständiger sein müssen. Besonders die ersten fünf Folgen leiden unter dem Style over Substance Konzept. Danach fängt sich die Serie und bietet einen exotischen Ausflug in eine düstere Geschichte. Muss man mögen, könnte man eine Chance geben, aber eine klare Empfehlung kann ich hier halt auch nicht aussprechen.

Montag, 21. Dezember 2020

Gastrezension: Alice im Totenland (Mainak Dhar)

 






Alice im Totenland (Mainak Dhar)
Originaltitel: Alice in Deadland
2017
Autor: Mainak Dhar
Verlag: Luzifer-Verlag
Format: Gebunden, eBook
Genre: Horror (behauptet es)



Weihnachten steht vor der Tür, und egal ob man der Fraktion angehört, die das Haus schon vor
Wochen geschmückt hat, in selbstgebackenen Plätzchen untergeht, Weihnachten kaum noch
erwarten kann, oder aber wie ich eher so der Grinch-Kategorie (nicht das animierte Ding von vor zwei Jahren bitte) angehört, über eines sind wir uns alle einig: Bücher müssen unter dem echten oder dem fiktiven Weihnachtsbaum liegen! Mit dem Buch heute kann ich vielleicht die eine oder andere Entscheidung, welches Buch man denn nun verschenken soll, erleichtern.

Aufmerksam wurde ich tatsächlich dank eines Posts des Luzifer-Verlages, da nämlich Band 3
demnächst erscheint und die ersten beiden Bände daher eine Neuauflage des Covers bekommen
haben. Und die neuen Cover sehen auch wirklich klasse aus, die alten sind da eher so najaaa. 
Aber man soll ein Buch nicht anhand seines Covers beurteilen und so habe ich den ersten Band zu 
lesen beschlossen.

Ich sollte den Inhalt meiner Meinung vorweg stellen: Protagonistin ist die 15-jährige Alice. Es bleibt unklar, ob Alice in der heutigen Zeit oder in 15 Jahren lebt, beides ist möglich. Klar hingegen wird sehr schnell, dass die Welt von Untoten, Bitern genannt, bevölkert wird und die Menschheit um ihr Leben und vor allem ihr Überleben kämpft. Das Land ist öde und verwüstet, und neben den
Grüppchen Überlebender gibt es auch noch ZEUS. Ja, das Wort schreit tatsächlich so rum,
Abkürzungen und so. Also, vermutlich zumindest. Gleich zu Beginn stolpert Alice in ein Loch im
Boden, als sie einem Biter mit pinken Plüschhasenohren folgt. Spoiler: Der Biter ist nicht wie ein
Flummi auf Speed mit einer Taschenuhr rumgerannt und hat gerufen „keine Zeit, keine Zeit“.

Nachdem die Biter Alice aus irgendeinem bis dahin unbekannten Grund verschont haben, bringen sie sie zu ihrer Königin, die halb menschlich und halb untot ist. Sie tritt erstmal als eher durchgeknallte alte Frau auf, wedelt dauernd mit einem der letzten Bücher auf Erden – einer Ausgabe von „Alice im Wunderland“, wie sollte es auch anders sein? – und sieht in diesem Buch und im Auftauchen von Protagonistin Alice eine Prophezeiung, die sich nun erfüllt. Es wird etwas wirr – wer ist nun böse, die Biter oder ZEUS, stimmt es, dass die Biter menschengemacht sind? Das klärt sich allerdings relativ schnell – schade eigentlich, da wäre mehr machbar gewesen, statt einer so deutlichen und schnellen schwarz-weiß-Zeichnung.

Alice hat mich schon auf den ersten Seiten genervt. Sie ist in allem die Beste, die Schnellste, die
Tollste. Zufällig ist sie auch noch Tochter des Anführers ihres Dorfes. Ständig wird betont, wie viel
Erfahrung sie im Fronsteinsatz habe, wie viele Biter sie erschossen habe, wie gut sie im Nahkampf sei – besser als die erwachsenen Männer – und wie gut sie schieße – auch besser als die erwachsenen Männer. Interessanter Maßstab übrigens, aber lassen wir das an dieser Stelle. Trotzdem purzelt sie absolut dümmlich wie ein Kleinkind in ein Loch im Boden. Und lässt sich anschließend von einem als eher langsam beschriebenen Biter treten, diese nahkampferprobte Alice. An dieser Stelle möchte ich wiederholen: Alice ist 15. Und auch wenn immer wieder beschrieben wird, dass die Kinder von klein auf an den Kampf trainieren, Alice‘ Können ist übertrieben, sie wird unverdient in den Himmel gelobt. Und da das Buch in Indien spielt und sie die Tochter von Amerikanern ist, fällt sie mit ihren blonden Haaren und der hellen Haut auf – es genügt eben nicht, ihr so viel Können zuzuschreiben, auch sonst muss sie sich abheben.

Die Handlung wirkt konstruiert, auch nicht immer logisch. Und es wird immer verrückter, ich war
mehrfach an dem Punkt, an dem diese Stimme in meinem Kopf zu singen begann: „Who the f*ck is
Alice?“ Naja, eher dachte sie: „Was zum Teufel muss ich hier lesen?“ und flüchtete sich dann in
diesen ohrwurmverursachenden Songtext. Das Buch soll übrigens mit seiner Neuauflage in der
ebenfalls frisch lektorierten Form vorliegen. Also, wenn das professionell lektoriert ist, vällt mir auch nicht mehr fiel dazu ein.

Sprachlich war es auch schwer zu ertragen. Während wir nicht das Kaninchen auf Speed haben, 
ist die Story anscheinend auf Speed. Die Handlung rennt geradezu voran, am Ende vergehen 
plötzlich mehrfach mehrere Wochen in einem Satz – dass der Autor selber am Ende von seinem Geschreibsel war und es nur so schnell wie möglich fertig und aus den Augen bekommen wollte, kann ich anlässlich des bereits erschienenen und des bald erscheinenden Bandes ausschließen. Wirkliche Gespräche gibt es an den wenigsten Stellen, die bestehen meist aus einem Satz von Person A, einer Antwort von Person B und mit ein bisschen Glück antwortet Person A dann noch mal. Weit häufiger wird einfach ein Satz in Anführungszeichen eingestreut, dann rennt Alice aufgescheucht zum nächsten Handlungsort, sagt wieder einen Satz und hetzt erneut weiter. Sowas ist unglaublich anstrengend zu lesen und verhindert jedes Bisschen an Tiefe, ein Eintauchen in die Geschichte ist so nicht möglich.

Des Weiteren muss Alice mehrere Verluste hinnehmen. Vater tot? Egal. Mutter und Schwester tot?
Was soll’s. Ihr Dorf und fast alle, die sie kannte ausgelöscht? Tja, passiert eben. Jemand im Buch
beschreibt Alice als rachedurstiges Mädchen, die dann eine Entwicklung durchgemacht habe. Das
habe ich beides nicht gesehen, das war eher so ein stoisches, verstocktes Kleinkind. Das 
übrigens, und hier nehme ich mir die Freiheit heraus ein wenig zu spoilern, Anführerin des Widerstandes wird. Alle folgen einem Mädchen ohne Charakter, ohne Tiefe – da bin ich sehr froh, dass es sich lediglich um Fiktion handelt, denn wenn die letzten überlebenden Menschen wirklich so einem Gör hinterherlaufen würden, dann war es das mit der Menschheit aber ganz schnell.



Abschließende Gedanken

Das Buch wurde einfach mit jeder Seite unlogischer, es war oberflächlich, baute keine Spannung auf, war vollgepackt mit Klischees: die guten Amerikaner gegen die bösen Chinesen, die strahlendeJohanna von Orléans, die ihre Streitkräfte um sich schart und zu Sieg führt ... man verzeihe mir denironisch herbeigezogenen Vergleich, denn auch wenn der Autor Alice gern als Heilige und Überheldin sehen möchte, so ist sie beides doch nicht.Während des Lesens bin ich irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem ich nur noch weitergelesen habe, damit ich diese Rezension verfassen kann, um hoffentlich den einen oder anderen vor dem Kauf eines misslungenen Weihnachtsgeschenkes für sich selbst oder andere zu bewahren. Obwohl, wer einen Kamin daheim hat und das Buch in gedruckter Form kaufen würde, der könnte wenigstens ein schönes knisterndes Feuer für etwas Weihnachtsatmosphäre damit entfachen.
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Gastrezension: Lavandula



Lavandula gehört zum Kult der Bibliophilen und ist neben dem Studium selbst immer mal wieder als Autorin unterwegs, sofern die Zeit es zulässt. Ungefähr in einem Spektrum wie die Zeitsprünge in "Lumera Expedition: Survive" versuche ich sie bereits für einen Beitrag auf "Am Meer ist es wärmer" zu gewinnen. Ich hoffe, mit ihrem frischen Schreibstil wird sie den Blog noch häufiger bereichern.

Mittwoch, 25. November 2020

Gastrezension: Lumera Expedition: Return (Jona Sheffield)



Deutschland 2020

Lumera Expedition: Return

Autorin: Jona Sheffield

Verlag: Selbstverlag

Format: eBook, gebundene Ausgabe

Genre: Science-Fiction


Mit „Lumera Expedition: Return“ ist die Trilogie abgeschlossen – ein letztes Mal nimmt uns JonaSheffield mit Julia und ihren Freunden mit nach Lumera und auf die durch Klimawandel undNaturkatastrophen zerstörte Erde. Allerdings dürfen wir uns offenbar auf ein Wiedersehen mitLumera und einigen Charakteren freuen, denn ein weiterer Roman aus dem Lumera-Universum istanscheinend bereits in Arbeit.

Ich habe lange auf diesen Band gewartet, oder zumindest fühlte es sich so an, und als er da war, habe ich ihn direkt am Stück durchgelesen. Spannend von Anfang bis Ende und – wie es zu erwarten war –mit einem kleinen sehr überraschenden Schlenker in der Handlung, der jedoch von großer Bedeutung für alles Weitere sein wird. Besonders viel kann und will ich zur Handlung nicht sagen, da dies spoilern würde. Gesagt werden kann jedoch: Während im ersten Band vor allem der Klimawandel und dessen Folgen für die Menschheit im Fokus standen, konzentrierte sich der zweite Band aufeinen Neuaufbau einer menschlichen Zivilisation in der Fremde und den menschlichen Umgang mitfremden Kulturen. Dieser Teil beschreibt eine Zivilisation, die ums Überleben kämpft und dabei imwahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht: Die letzten Überlebenden auf der Erde sind mehr damit beschäftigt, einander zu bekämpfen, als gemeinsam ihrer aller Überleben zu sichern. Spannend, mahnend, und gar nicht einmal nur eine Fiktion, sondern vielmehr eine vorstellbare Wirklichkeit.

Nach einem Hilferuf von der Erde, versuchen Julia, John und Ethan mithilfe der Kidj’Dan dorthinzurück zu kehren um Hilfe zu leisten, soweit es ihnen möglich ist. Gleichzeitig sitzt Lenoir derwiederauferstandene und durch Hyperbots sehr mächtig gewordene Elias Fox im Nacken. Peter sucht weiterhin nach seiner mutierten und im Dschungel verschwundenen Freundin Anastacia. Zugleich gibt es einen neuen Handlungsstrang, der aus der Sicht des Mannes, der den Notruf absetzte, und seiner Tochter die Situation in einer der Kuppeln auf der Erde verdeutlicht. Und ein alter Handlungsstrang aus dem letzten Band wird ebenfalls wieder aufgegriffen und sehr elegant mit den neuen verknüpft.

Das klingt vermutlich verwirrender als es tatsächlich ist, denn dieses Mal sind keine so riesigen Zeitsprünge wie in den ersten Bänden mehr vorhanden und vieles scheint sogar annähernd parallel zu geschehen. Einzig der Prolog findet früher statt und bis ich den komplett verstanden habe, dauerte es viele Kapitel.

In ihrem flüssigen und gut zu lesenden Schreibstil verbindet Jona Sheffield alle diese Handlungsstränge allerdings auf eine passende Weise. Einzig die mehr oder weniger subtilen Hinweise auf die Anziehung zwischen Julia und John wirken teilweise etwas plump, aber das ist Klagen auf ganz hohem Niveau. Hier muss ich allerdings ergänzen: Es gibt inzwischen eine aktualisierte Version, die ich natürlich ebenfalls unter die Lupe genommen habe. In dieser hat da noch einmal eine Überarbeitung stattgefunden und damit gibt es diesen Kritikpunkt im Grunde nicht mehr; aufgenommen habe ich ihn dennoch, da ich beide Fassungen kenne und es mir wichtig ist, auf diese in meinen Augen sehr gute Änderung zu verweisen.

Im letzten Band war von diesen Kuppeln, die die Menschheit zu ihrer Rettung bauen wollte, bereits die Rede. Ich hatte mir darunter schöne Konstruktionen aus Stahl und verstärktem Glas oder derartigem vorgestellt. Stattdessen sind es Betonbauten, teilweise durch unterirdische Gänge verbunden, ohne Sonnenlicht, die Menschen sind technologisch weiter zurückgeworfen. Das war eine Ernüchterung. Aber was habe ich auch anderes erwartet, ich hätte langsam wissen sollen, dasses bei dieser Autorin nie so einfach ist.

Aber es sollte auch nicht die einzige Ernüchterung bleiben. Trotz des Krieges im vorherigen Band war dieser hier für mich persönlich grausamer. Möglicherweise, weil die Tode hier persönlicher sind. Weil Hoffnungen geweckt und dann wieder zerschlagen werden. Uff.

Im Ganzen gab es allerdings eine Situation, die mir persönlich unnötig grausam erschienen ist und der Weg dorthin wurde sich fast zu einfach gemacht. Wobei ich auch hier relativieren müsste, dassder Rückschlag, der auf diesem Weg passiert eine geplante Aktion zwar nicht wie geplant wie eine meterhohe Welle an den Strand krachen lässt, sondern zu einer sanften Welle ausläuft, diebestenfalls die Hosenbeine am Saum durchtränkt, dass dies allerdings vermutlich eher einer Realität entspringt und nicht das gestellte Konstrukt ist, das viele Autoren erzwingen wollen. Auch hier muss ich einfügen, dass es mit der oben bereits erwähnten aktualisierten Fassung eine Änderung gab. Das hat der ganzen Situation beziehungsweise einer Person viel mehr Würde gegeben, aber diese Situation auch noch härter und noch mehr zu meinem persönlichen Game-of-Thrones-Moment gemacht.



Abschließende Gedanken

Ja, ich musste durchatmen, als ich dieses Buch zuende gelesen hatte. Und ich musste ein paar Tage darüber nachdenken, ehe ich mich hinsetzen konnte, um diese Rezension zu verfassen. Aber das istauch gut so, denn es zeigt wieder einmal, dass in diesem Buch eine wichtige Botschaft verpackt ist,dass hier eine Mahnung ausgesprochen wird, die allerdings auf angenehme Weise, nämlich durch ein Buch – und seien wir mal ehrlich, wer von den Leuten, die die Rezension bis hierhin gelesen haben, liest denn nicht gerne? – vermittelt wird.

Abschließend kann ich zusammengefasst sagen: Story – top, Schreibstil – top, ich will meeeehr! Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung. Wer SciFi oder einfach gute Bücher mag, ist hier an der richtigen Adresse. Für mich ist es definitiv ein Highlight in diesem eher bescheidenen Jahr 2020.

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Gastrezensentin: Lavandula



Lavandula gehört zum Kult der Bibliophilen und ist neben dem Studium selbst immer mal wieder als Autorin unterwegs, sofern die Zeit es zulässt. Ungefähr in einem Spektrum wie die Zeitsprünge in "Lumera Expedition: Survive" versuche ich sie bereits für einen Beitrag auf "Am Meer ist es wärmer" zu gewinnen. Ich hoffe, mit ihrem frischen Schreibstil wird sie den Blog noch häufiger bereichern.

Montag, 26. Oktober 2020

Meercast im Oktober: Das große Special zu "Die Chroniken des Aufziehvogels"

 




Blut, Schweiß und Tränen sind in diese Besprechung geflossen. In dieser Zeit hätte ich vor einigen Tagen bereits alles schriftlich hochladen können. Doch die Verkettung einiger unglücklicher Zufälle sind meine persönlichen Chroniken des Aufziehvogels. Angefangen von technischen Problemen bei der Aufnahme über eine komplette Löschung meiner gesamten Aufnahme bis hin zum Upload der Datei auf YouTube, was mich rund zwei Tage puren Nervenkitzel kostete.

All das natürlich für eine sehr spezielle Besprechung. "Die Chroniken des Aufziehvogels" sind in der Neuübersetzung von Ursula Gräfe am 13. Oktober beim DuMont Buchverlag erschienen und es gab einiges zu besprechen. Nicht minder kompliziert wie die Erstellung dieses Podcasts, so hat die deutsche Veröffentlichung eines der bekanntesten Werke von Haruki Murakami ebenfalls eine komplizierte Geschichte zu erzählen. Damit ist nicht der Inhalt der Geschichte gemeint, sondern die Veröffentlichung. Bereits 1998 ist eine gekürzte Übersetzung aus der englischen Adaption bei uns erschienen. Über 20 Jahre später geht ein Wunsch der Leser in Erfüllung: Der DuMont Buchverlag hat auf rund 1000 Seiten und übersetzt aus dem Japanischen eine ungekürzte Version als Hardcover veröffentlicht.

Obwohl ich mit meinen Video-Rezensionen zu der Gesamtausgabe von "Die Chroniken von Erdsee" sowie der Jubiläumsausgabe von dem "Herrn der Ringe" schon zwei Videobesprechungen (drei, wenn man "Hyrule Historia mitzählt) veröffentlicht habe, so sind "Die Chroniken des Aufziehvogels" die erste Video-Besprechung, die als "Meercast" hier auf dem Blog erscheint. Ich plane zwar nicht monatlich einen neuen Meercast, aber aufgrund der besseren Übersicht wird fortan jedes Video mit der Erwähnung des Monats versehen. Die Idee für diese neue Rubrik kam mir erst nach der Erstellung des Videos, weshalb es in der Besprechung selbst keine Erwähnung findet.

Und mit satten 42 Minuten hatte ich auch einiges zu erzählen. In der Welt der Podcasts ist dies natürlich noch eine sehr humane Zahl. Da ich aber möchte, dass sich jeder das anhören kann, was ihn interessiert, so ist das Video mit Zeitstempeln versehen und man kann zu den Themen navigieren, die man gerne hören möchte. Um diese Navigation in Anspruch nehmen zu können muss man das Video über YouTube schauen und die Videobeschreibung anklicken.

Leider ist das Video durch ein paar technische Probleme geplagt. Einige seltene abgehackte Stellen, ein gelegentliches Knacken und Lispeln tritt auf, was leider durch die neue Aufnahmesoftware entstanden ist. Die technischen Probleme sind vorab zu entschuldigen. 


Und damit genug der Worte, Film ab für den Meercast Oktober: Die Chroniken des Aufziehvogels




Für Leute mit mobilen Geräten entweder auf "Web-Version anzeigen" klicken oder diesen Link besuchen, der zum Video auf YouTube führt: YouTube

Freitag, 16. Oktober 2020

Gastrezension: Der dunkle Spiegel (Andrea Schacht)

 




Deutschland 2003

Der dunkle Spiegel
Autorin: Andrea Schacht
Verlag: Blanvalet
Format: Gebunden
Genre: Historischer Roman


Dieses Mal habe ich ein Buch dabei, das schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat. Ei wei, wie Almut sagen würde. Aber es müssen ja auch gar nicht immer die neuesten Werke sein, manchmal ist es gar nicht verkehrt, sich an ältere Bücher zu erinnern.

Dieses Buch begleitet mich schon sehr lange. Und es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass es sogar Einfluss auf einiges von dem, was ich in der Vergangenheit geschrieben habe, genommen hat. Ich habe es vor einigen Tagen wieder aus dem Regal gezogen, habe mir dann sogar das Hörbuch für meine häufigen langen Fahrten gekauft und das, obwohl ich eigentlich gar kein Fan von Hörbüchern bin. Und dann musste ich lesen, dass die Autorin bereits vor einigen Jahren verstorben ist, wodurch leider auch meine letzte Hoffnung darauf, dass sie mich noch ein weiteres Mal ins mittelalterliche Köln und in die Welt von Almut und Pater Ivo entführen würde, gestorben ist.

Doch der Reihenfolge nach. Die Geschichte der Begine Almut Bossart beginnt im Jahr 1376. Sie lebt mit einigen anderen Frauen im Konvent am Eigelstein. Almut ist keine typische Frau ihrer Zeit, die brav und züchtig den Kopf senkt und sich den Männern unterordnet. Vielmehr liebt sie das Leben als Begine, das ihr ein wenig mehr Freiheiten schenkt, sie ist belesen und relativ gebildet, als Tochter eines Baumeisters mauert sie eigenhändig einen Hühnerstall und sie hat eine scharfe Zunge, die sie so manches Mal in Schwierigkeiten bringt. Beispielsweise, wenn sie den Priester in der Kirche unterbricht und belehrt, da er ihrer Meinung nach die Bibel falsch auslegt. Unglücklicherweise fällt damit der Verdacht auf sie, den plötzlich ungenießbaren Messwein vergiftet zu haben.

Schnell allerdings wird deutlich, dass dies nicht alles ist. Im Hause eines angesehenen Weinhändlers kommt ein junger Mann zu Tode und kurz darauf gerät Almut unter Mordanklage durch den Weinhändler, da sie selbst dem jungen Mann zuvor Medizin gebracht hatte und er sich zuvor auf dem Wege der Besserung zu befinden schien. Kurzerhand macht sie sich selbst auf die Suche nach dem Mörder, denn dass es Mord war, ist auch für sie eindeutig.

Dabei wird noch jemand auf sie aufmerksam: der Benediktiner Pater Ivo von Groß Sankt Martin, ein strenger, intelligenter und vor allem gefährlicher Mann. Langsam fasst Almut Vertrauen und glaubt daran, dass er von ihrer Unschuld am Tod des jungen Mannes überzeugt ist und ihr aufrichtig helfen möchte, den Mord aufzuklären. Doch als der Inquisitor Bruder Johannes Almut des Mordes anklagt, fordert Pater Ivo ein Gottesurteil. Nackt muss Almut vor der gesamten Kirchengemeinde den Leichnam umrunden, ihn küssen und seinen Namen rufen. Erschüttert weiß sie nicht mehr, wem sie überhaupt noch trauen darf.

Nun, ich denke nicht, dass es ein Spoiler ist, wenn ich an dieser Stelle bereits sage, dass Pater Ivo Almut aufrichtig helfen wird. Und dass er dieses Gottesurteil nur forderte, um sie vor der Folter zu bewahren. Bruder Johannes dagegen ist von der Kraft des Gottesurteils überzeugt und somit ist es das einzig wirksame Mittel, ihn von der Unschuld Almuts zu überzeugen.

„Der dunkle Spiegel“ ist ein starkes Buch. Passend und spannend verwebt Andrea Schacht Krimi und Historienroman und schafft dabei faszinierende Persönlichkeiten: die graue Begine Almut und der schwarze Mönch Ivo, die gegensätzlicher kaum sein könnten und sich doch so sehr gleichen, die taubstumme Trine, ein Mädchen im Konvent der Beginen, Aziza, die maurische Hure, der Päckelchesträger Pitter, und so viele mehr. Der Humor kommt hierbei auch nicht zu kurz, vor allem, wenn Almut und Pater Ivo sich Bibelzitate um die Ohren hauen und sie dabei auf ihre ganz eigene Art auslegen.


Abschließende Gedanken

Insgesamt ist das Buch sehr authentisch, die historischen Gegebenheiten stimmen im Großen und Ganzen. Die Figuren dagegen sind vielleicht ein wenig zu sehr aus „unserer“ Zeit heute; sie sind sehr fortschrittlich, tolerant. Andererseits glaube ich, dass es anders auch nicht funktionieren würde. Abgesehen davon, dass sie allesamt tolle Persönlichkeiten sind, haben sie Tiefe, Charakter, Stärken aber auch Fehler und Schwächen. Und sie tragen ihre Geheimnisse mit sich herum, die sie manchmal sogar über einige Bände der Reihe hinweg hüten. Für mich wurden diese Persönlichkeiten manchmal sogar fast real.

Der Sprachstil ist flüssig und leicht zu lesen. Einige altbackene Redewendungen stören nicht, sondern lockern sogar eher auf und rufen in Erinnerung zurück, dass wir uns immer noch im Mittelalter befinden. Auch wenn man einige Sätze in der Gossensprache des Päckelchesträgers Pitter mehrfach lesen muss, um sie zu verstehen.

Somit ist mit „Der dunkle Spiegel“ ein wahnsinnig starker Auftakt der Reihe gelungen. Das Buch ist spannend, überraschend und einfach nur gut. Der Schalk blitzt immer mal wieder zwischen den Zeilen hervor – so legt Pater Ivo Almut als Buße auf, keine süßen Wecken mehr in der Kirche zu essen, nachdem er sie zu anderer Gelegenheit einmal dabei erwischt hatte  - aber zugleich strahlt es eine Tiefe und … Würde, ja, ich denke, dieses Wort ist angemessen, aus. Ich liebe das Buch, ich liebe die graue Begine und den schwarzen Pater und das sogar so sehr, dass ich nicht imstande bin, die hierauf folgende Reihe zu lesen, in der wir den einen oder anderen Bekannten aus dieser Reihe wiedertreffen werden, allerdings um einige Jahrzehnte gealtert und als Randfigur. Für mich sollen sie alle so bleiben, wie Andrea Schacht sie hier ins Leben rief. Jeder, der auch nur Krimis oder historische Romane gerne liest, sollte zu diesem Buch greifen. Und denjenigen, für die es vielleicht noch Neuland ist, sei es als ein spannender Beginn oder auch nur ein Abstecher im Bereich des historischen Krimis empfohlen.

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Gastrezensentin: Lavandula



Lavandula gehört zum Kult der Bibliophilen und ist neben dem Studium selbst immer mal wieder als Autorin unterwegs, sofern die Zeit es zulässt. Ungefähr in einem Spektrum wie die Zeitsprünge in "Lumera Expedition: Survive" versuche ich sie bereits für einen Beitrag auf "Am Meer ist es wärmer" zu gewinnen. Ich hoffe, mit ihrem frischen Schreibstil wird sie den Blog noch häufiger bereichern.

Donnerstag, 4. Juni 2020

"50" von Hideo Yokoyama ab sofort erhältlich





Autor: Hideo Yokoyama
Verlag: Atrium Verlag
Hardcover, 368 Seiten
Übersetzung: Nora Bartels
Preis: 22 Euro (Hardcover), 17,99 Euro (eBook)
Genre: Kriminalroman
Veröffentlichung: 22.05.2020


Hideo Yokoyama ist seit seinem grandiosen "64" auch in Deutschland bekannt. Nicht nur Fans japanischer Literatur sondern allen voran auch Fans von Krimis kommen bei den Geschichten des ehemaligen Journalisten auf ihre Kosten. Wobei die Romane von Hideo Yokoyama nicht einfach in das Krimi-Genre passen, da sein Themenbereich noch wesentlich mehr abdeckt. Jetzt hat man als Verlag bei dem 63 jährigen Japaner nicht zwanghaft die Qual der Wahl da die Titelauswahl des Autors nicht aus allen Nähten platzt. Wie viele andere japanische Autoren ist Hideo Yokoyama mit großen Romanen und Kurzgeschichten vertraut und wechselt sich zwischen den beiden Stilen der Belletristik gerne mal ab.

In Deutschland nahm sich 2018 der Atrium Verlag (der wiederum Teil von BücherWege ist) dem Autor an und veröffentlichte Yokoyamas wohl bekanntestes Werk "64" in deutscher Erstausgabe als Hardcover. Obwohl ich Aufmachung und auch die deutsche Übersetzung als durchaus gelungen finde, haftet dem Roman bei seinem Preispunkt von 28 Euro jedoch an, lediglich eine Übersetzung aus der bereits vorhandenen englischen  Fassung zu sein (deutsche Übersetzung von Sabine Roth, sowohl bei "64" als auch bei "2"). Bei der Veröffentlichung der Anthologie "2" aus dem Jahr 2019 wurde es dann noch kurioser. Nicht nur übersetzte man hier erneut aus der vorhandenen englischen Fassung (die auf den Titel "Prefecture D" hört), laut den Infos die ich erhalten habe fehlen hier anscheinend sogar zwei komplette Geschichten aus diesem Band. Da ich diese Ausgabe nie selbst in den Händen gehalten habe und lediglich die englische Ausgabe besitze, kann ich dazu jedoch nichts relevantes sagen, was die Verwirrung rund um diese deutsche Ausgabe aufklären könnte.

Bereits im April sollte die nächste deutsche Erstausgabe von Hideo Yokoyama beim Atrium Verlag anstehen. Diesmal wieder ein längerer Roman. Vermutlich aufgrund der Pandemie wurde der Roman auf den 22.05.2020 verschoben. Zumindest war dies die Zeit, wo Amazon mein vorbestelltes Exemplar verschickt hat. Man bleibt den Zahlen treu und nennt die neue Übersetzung "50", die, vergleicht man sie mit dem Originaltitel "Han'ochi", gar nicht so abwegig ist als man vielleicht denken mag (hier will ich aber nun nicht spoilern). Das interessante bei der Wahl des Titels (der in Japan bereits 2002 erschienen ist und 2004 sehr erfolgreich verfilmt wurde), es existiert aktuell noch keine englische Übersetzung. Wer der Sache nicht traut, der Spiegel berichtete schon vor einigen Tagen, man habe die deutschen Ausgabe endlich direkt aus dem Japanischen übersetzen lassen (in diesem Falle von Nora Bartels). Was mich natürlich enorm freut. Auch preislich ist der Roman mit seinen etwas über 300 Seiten somit absolut im Rahmen.

Über den Inhalt werde ich hier an dieser Stelle absolut nichts verraten, denn nach mittlerweile zwei Romanen bin ich der Meinung, dass man sich, sofern man tiefgründigere Kriminalromane (die keine Gewaltpornos sind) mag, sich hier ruhig ungewiss ins Abenteuer stürzen kann. Allerdings reicht ein Blick auf die Homepage des Verlags oder aber auf Amazon zum Beispiel, um seine Neugier zu befriedigen.

Bleibt sehr zu hoffen, dass der Atrium Verlag weitere Werke des Autors veröffentlicht. Gerne auch wieder Kurzgeschichten sofern vollzählig sowie weitere Übersetzungen aus dem japanischen Original. Es sind keine utopischen Ansprüche die ich als Leser habe, aber natürlich sollte man als Fan weiter mit realistischen Erwartungen an die Sache gehen. Neben "Prefecture D" ist in englischer Übersetzung ein weiterer sehr gelungener Roman von Hideo Yokoyama verfügbar, der ganz simpel auf den Titel "Seventeen" hört und auf den man durchaus kostengünstiger zurückgreifen könnte als auf einen Titel, den es noch nicht als englische Übersetzung gibt. Man könnte aber auch Yokoyamas neusten Roman "North Light" bringen :)

Fans des Autors sollten gespannt sein, sofern sich der Verlag treu bleibt, jährlich einen neuen Roman übersetzen zu lassen.

Montag, 6. April 2020

Gastrezension: Lumera Expedition: War (Jona Sheffield)





Deutschland 2020

Lumera Expedition: War
Autorin: Jona Sheffield
Verlag: Selbstverlag
Format: eBook, gebundene Ausgabe
Genre: Science-Fiction



Mit „Lumera Expedition: War“ nimmt Jona Sheffield uns erneut mit in eine Zukunft, in der die Erde durch den Klimawandel unwirtlich geworden und der Planet Lumera die Hoffnung der überlebenden Menschheit ist.
Ich habe lange voller Spannung auf diese Fortsetzung gewartet und als ich das Buch endlich in der Hand halten durfte, hat mich das Cover schon umgehauen. Ja, gut, das ist fast (ja, nur fast, denn das Gestirn hinter dem Planeten scheint sich ein wenig mehr hinter ihm hervorgeschoben zu haben) das gleiche wie das vom ersten Band, das mich damals auch direkt gefangen hatte – ich finde es übrigens schön, wenn Buchreihen auch beim Cover einer Linie treu bleiben, das macht sich sehr gut im Regal – nur eben in Rot, aber dieses Rot hat es in sich. Und nun gerate ich ins Schwärmen, ehe das Buch überhaupt aufgeschlagen wurde. Dass man ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen soll, gilt in beide Richtungen, ein schlechtes Cover muss kein schlechtes Buch beinhalten und umgekehrt.
Also schauen wir mal. Bereits der Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass wir viele alte Bekannte, wie Julia, John und Peter, wiedertreffen werden, wir allerdings auch die Ereignisse aus der Sicht anderer Beteiligter, wie etwa Elias Fox, erfahren werden.

Vom Prolog werden wir direkt mitten ins Geschehen zu John auf einen Kriegsschauplatz katapultiert. Der Titel macht also schon einmal keine falschen Versprechungen. Und wie es schon im ersten Band mit Julia war, ist auch hier unklar, ob dieses Mal John überlebt. Und da spannt Jona Sheffield uns auch erstmal auf die Folter, denn das erste Kapitel beginnt ein paar Monate zuvor. Ich empfehle übrigens dringend, immer auf die Zeitangaben am Kapitelbeginn zu schauen, das spart viel Verwirrung. Nein, ich rede natürlich nicht aus Erfahrung, ich war natürlich nicht so scharf auf das Buch, dass ich es erstmal in einem Zug weginhaliert und dieses kleine Detail in den ersten Kapiteln außer Acht gelassen habe, ehe ich es noch mal in Ruhe las, um euch diese Rezension verfassen zu können. Keine Ahnung, wer auf solche Ideen kommt!
Schnell wird klar, dass die Kolonie auf Lumera inzwischen zu einer kleinen Stadt herangewachsen ist, auch wenn noch immer nicht alle Archen mit Überlebenden angekommen sind. Auch die politischen Machtverhältnisse verschieben sich, als der Ausnahmezustand beendet wird und der Julia und den Anderen offenbar leicht gewogene General James Lenoir die politische Macht in die Hände des radikaleren und weniger gemäßigten Elias Fox legt.
Währenddessen haben Julia, John und die Anderen Zuflucht in Dumras bei den Kidj’Dan gefunden. Dies sind die Aliens, in deren Heimat sie am Ende des ersten Bandes gestolpert waren. Diese vertrauen den Fremden zwar auch nach mehreren Monaten nicht vollends, haben ihnen aber Unterschlupf gewährt. Offenbar sind sie die Ureinwohner Lumeras, insektenartig, aber telepathisch höher entwickelt. Doch es wäre zu einfach, wenn es nur das wäre, das genügt einer Jona Sheffield nicht und wäre auch nicht das, was ich von dieser Autorin nach dem starken ersten Band erwarten würde, und so lässt sie uns hier schnell erkennen, dass auch bei den Kidj’Dan nicht alles so ist, wie es zunächst scheint.

Auch in der Basis, die nun den Namen Three Moon trägt, ist die Situation angespannt und mündet, nach verschiedenen Verstrickereien, schließlich darin, dass Fox den Kidj’Dan, die die Kolonisten eher zufällig entdeckt haben, den Krieg erklärt. Zu dem es, wie der Prolog vermuten lässt, auch kommt. Mehr möchte ich allerdings an dieser Stelle nicht verraten, um nicht zu viel vorweg zu nehmen.
Ein netter kleiner Schlenker wird übrigens kapitelweise zur auf der Erde zurückgebliebenen Fay gemacht. Über 100 Jahre nachdem Julia und die anderen die Erde mit der Aristoteles verlassen haben, zeigen ihre Erlebnisse, wie es auf der Erde aussieht. Die Situation ist katastrophal, aber die Menschheit ist auch auf der Erde noch nicht tot. Sie versucht wieder auf die Beine zu kommen, baut Kuppeln, in denen sie sich selbst, ihre Tiere und ihre Felder vor Zyklonen und Umweltkatastrophen schützen wollen. Somit ist es alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen. Das, muss ich gestehen, war ein wenig meine Sorge, denn auch wenn die Menschen auf Lumera die Erde für von menschlichem Leben ausgestorben halten, konnte es so einfach nicht sein, da mussten einfach noch Menschen leben. Aber zum Glück, das muss ich hier wirklich sagen, nicht in einer wieder reparierten Natur, die sich durch den Aufbruch so vieler anderer Menschen erholt hat, und in einer heilen, modernen Gesellschaft. Ich bin gespannt, wie es auf der Erde weitergehen wird.

Der Schreibstil ist flüssig, klar und schön zu lesen. Am Anfang holpert es manchmal ein klein wenig und es tauchen überflüssige Wortwiederholungen auf, aber das verläuft sich sehr schnell und tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Die Charaktere haben ihre Authentizität beibehalten, und auch da sind verschiedene Dinge im Umbruch. Zwischen Ethan und Julia kriselt es, dafür scheinen kleine Fünkchen zwischen John und Julia zu knistern. Ich will nicht sagen, dass das überraschend kommt. Aber so ist eben das Leben, man befindet sich nicht nur in der Verbannung und in Aussicht auf einen möglichen Krieg, sondern man hat auch noch ein privates Leben und auch da herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Aber das gefällt mir ohnehin an diesem Buch – wie auch am ersten Band – so gut: Es gibt nicht nur die eine, große Handlung, sondern diverse kleine Nebenschauplätze. Und das ist es, was die Charaktere, die Geschichte, das gesamte Buch so lebendig macht, das große Ganze, der Krieg, aber dann eben auch die Menschlichkeit in ihrer ganzen Alltäglichkeit. Und dieses Mal heißt es tatsächlich Abschied nehmen von einem lieben Charakter. So ist das Leben zwar, aber puh, da musste ich erstmal durchatmen.
Das Ende ist, auch das kennen wir vom ersten Band, mal wieder ein Cliffhanger, und zwar ein ziemlich … „großer “ ist gar kein Ausdruck, der ist gigantisch! Und hier wurde eine vorher vor sich hin schwelende Sorge direkt wieder beruhigt, denn ursprünglich hatte ich befürchtet, dass eine andere dieser kleinen Nebengeschichten vollkommen unspektakulär zu Ende gegangen und verpufft wäre. Aber weit gefehlt, die meldet sich nämlich mit einem gigantischen Knall zurück. Und lässt mich jetzt, nachdem ich den zweiten Band verschlungen habe, nägelkauend vor Ungeduld – naja, ihr versteht schon, was ich damit sagen will – zurück.



Abschließende Gedanken

Natürlich ist hier der Fokus weniger auf den Klimawandel und seine direkten Folgen gelegt, so wie es im ersten Band der Fall war, sondern es geht mehr um Lumera und die Ereignisse dort als um die auf der Erde. Es zeigt sich aber auch schnell, dass es mit der Ankunft auf einem neuen Planeten und einem begonnenen Wiederaufbau nicht getan ist. Dieses Mal empfand ich es weniger als ein Aufrütteln in Bezug auf den Klimawandel und auf das, was die Folgen sein könnten – denn wie ich in zum ersten Band schrieb, das Buch war aufrüttelnd und zeichnete eine definitiv vorstellbare Zukunft. Nein, dieses Buch empfand ich mehr als einen mahnenden Fingerzeig auf die Gesellschaft, auf das Miteinander, auf den Umgang mit anderen Kulturen. Dass nur ein Neuanfang definitiv keine Rettung bedeutet, wenn alte Fehler wiederholt werden. 
Mich hat dieses Buch auf ganzer Linie überzeugt, die Geschichte geht spannend und absolut glaubwürdig weiter, der Stil ist super, die Charaktere haben ihre Tiefe beibehalten … und da ist natürlich dieses wahnsinnig tolle Cover, davon komme ich einfach nicht los, man sehe es mir nach.
Wem „Lumera Expedition: Survive“ gefiel, der wird „Lumera Expedition: War“ lieben. Versprochen!

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Gastrezensentin: Lavandula



Lavandula gehört zum Kult der Bibliophilen und ist neben dem Studium selbst immer mal wieder als Autorin unterwegs, sofern die Zeit es zulässt. Ungefähr in einem Spektrum wie die Zeitsprünge in "Lumera Expedition: Survive" versuche ich sie bereits für einen Beitrag auf "Am Meer ist es wärmer" zu gewinnen. Ich hoffe, mit ihrem frischen Schreibstil wird sie den Blog noch häufiger bereichern.

Mittwoch, 5. Februar 2020

Am Meer ist es wärmer geht in eine Pause auf unbestimmte Zeit




Liebe Leserinnen und Leser von "Am Meer ist es wärmer",

ein verspätetes Frohes Neues 2020. Ich hoffe, ihr alle habt den Jahreswechsel gut überstanden und hinter euch gebracht. Denn wir alle wissen, um 00:01 im neuen Jahr warten auf uns auch neue Aufgaben, Bücher und Filme, auf die wir uns freuen können.

Wer meinen Blog verfolgt, der kennt sowohl meine Kampfansagen aber auch meine Gedanken, den Blog vielleicht auf unbestimmte Zeit ruhen zu lassen. Ich konnte mich in den letzten Jahren immer wieder motivieren, indem ich weniger Beiträge verfasste, mich dafür aber ausschließlich Themen widmete, die mich umso mehr interessierten. Nun besteht dieser Blog fast schon 10 Jahre und noch nie hatte ich das Gefühl, als sei alles gesagt, was gesagt werden müsste. Das virtuelle Tintenfass scheint leer zu sein, meine geschriebenen Worte verblassen mit jedem Beitrag mehr und fast jeder neue Text klingt wie die vorgefertigte Schablone eines Kundenberaters. Ich denke, wenn man als Betreiber einer Seite, wo es um geschriebene Beiträge geht, die Motivation und Kreativität verliert, neue Beiträge zu verfassen, dann ist so etwas reichlich kontraproduktiv. Ich würde dem Betreiber raten, die virtuelle Feder vielleicht doch mal für eine längere Zeit an den Nagel zu hängen. Diese Empfehlung habe ich mir nun aber selbst ausgestellt. Bevor "Am Meer ist es wärmer" also zu einer vorgefertigten Schablone wird, ziehe ich es vor, die virtuelle Feder vorerst an den Nagel zu hängen.

All diese Worte, die ich gerade verfasse, gehen mir so locker von der Hand wie schon lange kein Beitrag mehr. Nicht aus dem Grund, weil ich eine Befreiung verspüre, den Blog nicht weiterzuführen. Dies wäre völliger Quatsch da dieser Blog immer mein Hobby war und ich dieses mit großer Passion verfolgt habe. Aber weil es eben ein Hobby war (ist), was aus einer simplen Idee heraus entstanden ist, so blicke ich umso erfüllter auf über 9 Jahre zurück, wo der Blog und die Texte eines kleinen Einsiedler-Autors eine feste Leserschaft für sich gewonnen hat. Und, mindestens genau so wichtig, einige sehr exotische Titel aus der Welt der Bücher und Filme durch meine Empfehlungen ein paar neue Anhänger gefunden haben. Was einmal als kleiner Blog begann, der sich hauptsächlich mit Haruki Murakami und diverser anderer japanischer Literatur befasste, wurde zu einem Projekt von einer Größe, wie ich es mir niemals erträumt hätte.

Doch wie geht es denn auf "Am Meer ist es wärmer" fortan weiter? Nun, erst einmal soll es kein Abschied für immer sein. Da ich immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen habe, will ich mich an sich schon nicht zu sehr unter Druck damit setzen, an einem Comeback zu arbeiten. Wenn die Motivation zurückkehrt, werde ich auch die Arbeit am Blog wieder aufnehmen. Dies kann früher oder später der Fall sein, ich will mich nicht festnageln. Doch es gibt ein paar Punkte, die ich gerne zusammenfassen möchte, wie der Blog weiterhin aktiv bleiben wird:


- Der Blog wird weiterhin als riesiges Archiv Online für alle interessierten Leser verfügbar sein

- Ein paar ausstehende Rezensionen werden in absehbarer Zeit noch Online gehen (keine genauen Daten sind dafür bisher geplant)

- Es besteht die Chance auf weitere Gastrezensionen. Diese werden von mir Online gestellt

- So gut es mir möglich ist, das Archiv im Auge zu behalten. Hochgeladene Covers und andere Bilder werden von mir beobachtet und gegebenenfalls aktualisiert. Der Blog wird zwar nicht mehr von mir mit neuen Inhalten versorgt, aber wird weiterhin instand gehalten

- Ich bin weiterhin über meinen Twitter-Account aktiv. Zögert nicht, mir zu schreiben


Und da bin ich direkt beim nächsten Punkt. Da ich weiterhin für alle Ideen offen bin, so hat jeder Leser die Möglichkeit, mich zu kontaktieren. Wer also auch mal lust hat, eine Gastrezension zu verfassen und keinen eigenen Blog besitzt oder für sich wissen möchte, ob das verfassen von Rezensionen etwas für Sie/Ihn ist, Tipps benötigt oder selbst nach passenden Themen sucht, ich bin täglich erreichbar.

Ich glaube, damit endet mein Einwurf zum Abschied auch schon. Kein unnötiges Drama, kein Gewinnspiel zum Abschied und keine Versprechen. Nur ein Versprechen darauf, dass meine wachsamen Augen immer auf "Am Meer ist es wärmer" gerichtet ist. Ich möchte mich daher für die langjährige Treue bei allen Lesern bedanken und auch noch unzählige Grüße an die Leser ausrichten, die über Google+ jahrelang ihren Weg zu mir fanden. Und ganz besonders schätze ich die wertvollen Kontakte, die ich im laufe der Jahre mit den Lesern, anderen Bloggern und Verlagen geknüpft habe. Der letzte macht das Licht aus und schließt die Tür hinter sich. In dem Falle fällt mir diese Aufgabe zu.


Auf Bald,
Aufziehvogel
Und möge uns ein aussichtsreiches Messejahr bevorstehen