Sir Christopher Lee hat vermutlich nicht ganz das Alter erreicht, welches der ikonische, von Sauron besessene Zauberer in der Herr der Ringe innehatte, aber beinahe ein komplettes irdisches Jahrhundert ist selbst in der Menschenwelt eine Seltenheit. Bereits letzte Woche Sonntag verstarb Christopher Lee im Alter von 93 Jahren im Kreise seiner Familie in London. Im laufe seiner Karriere kämpfte er als Dracula gegen seine Widersacher, versuchte James Bond auszuschalten, kämpfte mit einer Armee von Orks in der Schlacht um Helms klamm oder aber als abtrünniger Jedi-Ritter gegen ehemals verbündete. Seinen letzten Kampf gegen das Alter, den konnte Christopher Lee, wie so viele andere vor ihm, nicht gewinnen. Der zum Ritter geschlagene britische Schauspieler hinterlässt ein Erbe an unvergesslichen Filmen, eine Ehefrau mit der er über 50 Jahre verheiratet war und eine Tochter.
Ein großer Darsteller hat die Bühne verlassen, an sein Schaffen werden sich aber noch viele Generationen erfreuen.
(Foto: Hörbuch Hamburg. Printausgabe als Sammlung beim Dumont Verlag erhältlich)
Seit dem 20. Mai sind Haruki Murakamis beinahe verschollene Erstwerke auch in deutscher Übersetzung (Übersetzung von Ursula Gräfe) beim DuMont Verlag Köln erhältlich. Viele Jahrzehnte hat der japanische Bestseller-Autor sich geweigert, seine beiden Erstwerke neu auflegen zu lassen. Tatsächlich existiert aber für die Kodansha English-Library eine englische Übersetzung von Alfred Birnbaum.
Umso erfreulicher ist es, dass nach Jahren des Schweigens Murakami sich endlich erbarmt hat, diese beiden Geschichten freizugeben. Denn "Wenn der Wind Singt", "Pinball 1973" und "Wilde Schafsjagd" ergeben zusammen die "Trilogie der Ratte". Theoretisch gehört auch noch noch "Tanz mit dem Schafsmann" dazu, da die Geschichte rund um "Ratte" aber bereits in Wilde Schafsjagd endet, gehörte der finale Akt nicht mehr zu dieser Reihe.
Gleichzeitig wurde dort auch vermeldet, der Doppelband hat es auf Platz 9 der Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Nach "1Q84", "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" und "Von Männern, die keine Frauen haben" scheint Haruki Murakami sich auch in Deutschland zum Dauergast in den deutschen Bestsellerlisten zu etablieren. Für die japanische Literatur ist dies mal wieder ein Gewinn, da sich neue Veröffentlichungen in Deutschland sehr zurückhalten, und dieser Begriff schmeichelt der aktuellen Situation eigentlich noch.
Auch wenn ich mich bereits auf die deutsche Ausgabe freue, so habe ich die englische Ausgabe von Kodansha zu "Wenn der Wind singt" bereits 2011 gelesen und für ziemlich gelungen befunden. Die Besprechung gibt es ebenfalls auf "Am Meer ist es wärmer": "Hear the Wind Sing": Rezension
Die Liebe mag vielleicht schöner als Bier sein, aber bei den kommenden Temperaturen zum Wochenende und Murakamis Erfolg auf der Spiegel-Bestsellerliste, da darf man sich schon einmal ein kühles Bier genehmigen. Cheers ;)
Zwischen 2002-2007 produzierte BBC einmal eine interessante Dokureihe namens "Japanorama". Moderator Jonathan Ross gewann viele namhafte Akteure aus Japans Popkultur für die Reihe. Darunter befand sich auch Japans Horror-Meister Junji Ito. Ross fragte Ito, ob er sich auch eine Adaption zu seinem Manga "Gyo" vorstellen könnte. Ito schmunzelte und war der Idee durchaus nicht abgeneigt, bezweifelte jedoch, ein Film könne seine Vision wohl nicht wirklich umsetzen. Einen Manga von Juni Ito als Anime umzusetzen ist selbst bis heute kaum möglich, einfach weil der Zeichenstil zu einzigartig ist und es für jedes größere Studio ein kommerzielles Risiko wäre, diesen Stil zu adaptieren. Itos Manga "Tomie" wurde in Japan relativ solide Ende der 90er als Spielfilm umgesetzt, eine menge Fortsetzungen ließen nicht lange auf sich warten. Allerdings war es Itos Manga "Uzumaki" der dann auch kommerziell erfolgreich von Regisseur Higuchinsky im Jahre 2000 umgesetzt wurde. Dies dürfte daran gelegen haben, dass Higuchinsky einen genau so eigenwilligen Stil hat wie Ito und er es verstand, mit dem Material, welches ihm zur Verfügung stand, umzugehen.
In den vergangenen Jahren hat sich Japans-Horror Meister allerdings rar gemacht. Er zeichnet, wenn er lust hat. Das wichtigste für ihn ist, wenn Ito selbst an seinem Werk Spaß hat. Für ihn kommt dieser Aspekt an die erste Stelle. Und damit ist er all die Jahre gut gefahren, denn der Japaner hat bei seinen Lesern unlängst Kultstatus eingenommen.
2012 war es dann so weit. Was aus Kostengründen vermutlich schwer als Live-Action Adaption umzusetzen gewesen wäre, ist in der Welt der Anime-Produktionen möglich. Die erste Anime-Adaption eines Ito Manga wurde als lang ersehnte rund 67 minütige OVA (Original Video Animation) umgesetzt.
An Board hatte man namhafte Leute wie Regisseur Takayuki Hirano der bereits an Serien wie Death Note und Bokurano mitgearbeitet hat. Auch Madoka-ProduzentAtsuhiro Iwakami (mit dem ich mich sogar schon einmal Live hab ablichten lassen *memories*) war mit von der Partie. Versprochen wurde eine packende OVA mit gelungenen 3D-Effekten. Das Endergebnis ist leider das komplette Gegenteil! Die OVA kann man eigentlich schon als Misshandlung gegenüber Itos bizarrem Weltuntergangs-Manga bezeichnen. Kaum ein anderer Manga macht von der Schwarzweiß Gestaltung mehr Gebrauch als Gyo. Die nicht vorhandene Farbe und die nostalgischen Zeichnungen erwecken den Anschein, man habe es hier mit einem alten Horrorfilm aus den 60ern zu tun. Hinzu kommt ein einzigartiger skurriler wie detailreicher Zeichenstil, an den nicht einmal mehr Altmeister und Itos großes Vorbild Kazuo Umezu heranreicht.
All das hätte auch die Anime-Adaption zu Gyo werden können. Allerdings hat man nicht nur beschlossen, den einzigartigen Stil des Manga über Board zu werfen, sondern aus der grandiosen Vorlage eine moderne Neuinterpretation zu machen. Und was ist das schlimmste an Gyo? Dieser Schund wird vermutlich nicht einmal Leuten gefallen, die den Manga nicht kennen.
Schon zu Beginn des Filmes lassen die Animationen und Character-Designs auf nichts gutes schließen. Die Gruppe an Mädels und die hohlen Dialoge machen den Anschein, als würde man den Beginn eines billigen Hentai schauen anstelle einer ernsthaften Adaption eines bekannten Manga. Hinzukommen unglaublich schlechte 3D-CGI Effekte, die die OVA noch einmal billiger aussehen lassen als sie es vermutlich war.
Und mit meiner anfänglichen Hentai-Vermutung lag ich gar nicht so falsch. Damit die OVA auch ein wenig zeitgemäß ist, hat man eine menge Fanservice eingebaut. Es gibt nackte Haut zu sehen und einen Softcore-Dreier im Ferienhaus gibts gratis dazu. Die trashigen Dialoge verleihen Gyo ein unfreiwilliges Soap-Opera Szenario. Statt sich auf den Horror und die bevorstehende Apokalypse zu fixieren, wurden unwichtige neue Charaktere und ihre Teenager-Probleme eingeführt, die (glücklicherweise) allesamt schnell als Fischfutter enden. Eine weitere Änderung: Die Protagonisten wurden getauscht. Statt Tadashi, der versucht, seine spleenige und etwas nervige Freundin Kaori zu beschützen, hat man nun Kaori zu einer selbstbewussten Protagonistin gemacht, die (in dieser Version) auf der Suche nach ihrem Verlobten Tadashi ist, der, ohne das die selbstbewusste Kaori es weiß, einmal mit ihrer Freundin Eri gepimpert hat. Und wo ich doch schon bei zeitgemäß bin: Ohne Smartphones, Laptops und Tablets geht in dieser OVA anscheinend gar nichts.
Gegen Ende versuchte man anschließend noch, so viel von dem zweibändigen Manga in den Film zu quetschen, wie es die kurze Laufzeit nur zuließ. Entstanden ist dadurch ein zusammenhangsloses Wirrwarr (bestes Beispiel dürfte wohl der Zirkus sein), welches eher dazu einlädt, den Film nun zu beenden und schnell wieder zu vergessen. Itos Alptraumhafte Bilder verkommen in der Adaption zu einem albernen Klamauk. Man könnte beinahe meinen, keiner der Verantwortlichen hat die Vorlage überhaupt aufrichtig gelesen.
Resümee
Gyo ist ein unvorstellbar schlechtes Machwerk der Animekunst. Es ist möglich, eine Adaption zu verhauen, sie aber zu misshandeln ist eher unüblich. Der Film ist nicht nur eine Provokation gegenüber allen Lesern, die begeistert von dem Manga waren. Gyo ist auch eine Beleidigung für alle neutralen Augen. Hier wurde von allen Verantwortlichen anscheinend eine menge falsche Entscheidungen getroffen. Die OVA zu Gyo ist somit der beste Beweis, wie man einen Manga von Junji Ito nicht umsetzen sollte darf. Nachdem ich in letzter Zeit viele fantastische Serien wie Death Parade, Parasyte und Ore Monogatari geschaut habe (letzt genannte läuft ja aktuell noch), habe ich mich die ganze Zeit gefragt, wann ich mal wieder auf den ersten Rohrkrepierer stoße. Und der Rohrkrepierer ist dabei noch viel mehr Lob als Kritik. Die Gyo OVA stinkt. Sie stinkt vermutlich so sehr wie der Geruch, der von den Protagonisten im Film ständig beschrieben wird. Und da ich ja versuche, ständig auch einen positiven Aspekt zu finden, hat Gyo zumindest etwas erreicht.
Wer den wahren Horror gerne kennen lernen möchte, der sollte sich diesen Alptraum nicht entgehen lassen und den Manga von Junji Ito lesen. Leider ist das Werk in Deutschland (bis jetzt) nie erschienen. Seit Mai ist vom US-Verlag VIZ Media jedoch eine vollständige Hardcover-Ausgabe mit Extras erschienen, die für unter 20 Euro auf Amazon.de erworben werden kann. Wenn es hilft, diesen hier besprochenen Unfug zu vergessen, kann ich nicht genug auf die Originalvorlage aufmerksam machen.
Auf Clipfish kann der Film derzeit kostenlos und legal im Stream angesehen werden: Gyo bei Clipfish