Wie ich es bereits in der Rezension zu You Can (Not) Redo erwähnt habe, will ich mich diesem Thema mit einem komplett neuen Beitrag widmen. Denn hier wird es kompliziert. Es wird nicht nur kompliziert, sondern es ist vermutlich nicht einmal zu erklären. Das einzige, was den Fans bleibt, sind zahllose Gerüchte und Theorien über einen dritten Rebuild Film, der sich komplett von dem finalen Produkt unterscheidet, wie wir es nun kennen. Nennen wir diesen nicht verwirklichten Film einmal Evangelion Quickening. Ich weiß das Evangelion Q oder das japanische Kyu auch Heute noch in Japan für die aktuelle Version des Filmes verwendet wird, von dem Titel Quickenig jedoch diatnzierte man sich immer mehr. Ich werde den Film also, lediglich für diesen Artikel, Evangelion Quickening nennen.
Da ich vermutlich bereits mein halbes Leben ein exzentrischer, unsympathischer Film-Fanatiker bin, ist mir durchaus bewusst, dass ein Trailer nie das Endprodukt widerspiegelt. In Trailern zu Filmen, die sich noch in der Postproduktion befinden, findet man häufig Szenen, die letztendlich im Schneideraum noch aus dem Film geworfen werden. Man findet auch häufig mal Szenen, die noch nicht einwandfrei bearbeitet sind und im Kino dann wesentlich aufwendiger aussehen. Meistens werden solche Szenen in einem Directors Cut oder Extended Cut wieder in den Film eingefügt. Manchmal bleiben Szenen aus dem Trailer aber auch für immer verloren. Ein Fakt ist, zu Filmen wird unendlich viel Material produziert, manches davon wird sogar exklusiv nur für Teaser und Trailer verwendet.
Einen Trailer, oder eine Preview zu einem Film, wo es letztendlich keine Szene des gezeigten Materials in den Film schafft, so etwas kannte ich bisher noch nicht. Die Evangelion Previews sind seit der TV-Serie Kult und verraten dem Zuschauer mit hektischen Schnitten, was in der nächsten Episode passiert. Für die Rebuild Kinofilme hat man dieses Konzept übernommen. Die Filme sind aufgebaut wie eine Episode von Neon Genesis Evangelion. Somit gibts auch am Ende der Rebuild Filme immer eine Preview für den nächsten Film. Die Preview die man am Ende von You Are (Not) Alone findet machte die Zuschauer neugierig auf das, was in der Fortsetzung passieren wird, die sich erstmal von den Geschehnissen der TV-Serie abkoppelt. Nach dem fiesen Cliffhanger am Ende von You Can (Not) Advance war man auf die Preview zum kommenden Rebuild 3.0 natürlich sehr gespannt. Und diese anschließende Preview, die Evangelion Quickening bewirbt, versprach Großartiges. Anscheinend sollten die Ereignisse des Vorgängers nahtlos fortgeführt werden. Diesmal, so die Preview, wolle man sich der mysteriösen EVA Pilotin Mari ein wenig genauer annehmen. Kaji scheint, genau wie in der TV-Serie, erneut ein gefährliches Doppelagent Spiel zu spielen.
Natürlich machte das lust auf mehr, und umso ärgerlicher war es, dass man nun über 3 Jahre auf Evangelion Quickening, der letztendlich zu You Can (Not) Redo umbenannt wurde, warten musste. Und You Can (Not) Redo scheint wohl auch ganz gut die Entwicklung die zu zeigen, die dieser Film letztendlich genommen hat. Denn keine der gezeigten Szenen aus der Preview hat es letztendlich in den nun vollständigen Film geschafft. Die gezeigten Szenen aus Evangelion Quickening werden nun ausgiebig debattiert, und bleiben dennoch ein einziges Rätsel. Was war der Grund für die Änderungen? Hat Hideaki Anno sich im letzten Moment dazu entschieden, einen bereits fertiggestellten Film einzustampfen, weil ihm die Geschichte nicht gefallen hat? Oder wollte er mit einer Fake-Preview die Zuschauer auf eine falsche Fährte locken? Im Internet machen folgende Gerüchte die Runde, die ich mal kurz zusammenfassen will:
- Die gezeigten Szenen aus der Preview spielen alle vor dem 14 Jahre Timeskip, den wir nun aus Evangelion: 3.33 You Can (Not) Redo kennen. Aus unbekannten Gründen wurden die Szenen jedoch aus dem fertigen Film entfernt.
- Der Timeskip ersetzte die ursprünglich geplante Story zu Evangelion Quickening. Es wurde ein komplett neues Drehbuch und Szenario geschrieben, was auch dafür gesorgt haben könnte, dass der Film mit einer erheblichen Verspätung in die japanischen Kinos kam.
- Die Preview soll bereits als Brücke zu den Ereignissen in Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo dienen (Anmerkung des Verfassers: Was völliger Blödsinn wäre).
- Seit längerem kursieren Gerüchte, Studio Khara hätte mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Das Rebuild-Projekt ist zu kostspielig, so das auch die Laufzeit der kommenden Filme getrimmt werden muss, um Kosten einzusparen.
- Die Szenen aus der Preview stammen aus einem bereits kompletten fertiggestellten Film, mit dessen Story Hideaki Anno jedoch unzufrieden war.
- Die Rückblende-Szenen wurden aus Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo entfernt um den Zuschauer zusätzlich zu verwirren, und werden in Evangelion 4.0: Final wieder eingefügt oder als zusätzliche OVA veröffentlicht, um eine weitere Verzögerung von Evangelion 4.0: Final erträglicher zu gestalten.
Die meisten dieser Theorien (größtenteils zu finden auf Evageeks oder 4Chan) machen einen recht plausiblen Eindruck. Man kann sich recht sicher sein, dass all die Szenen aus Evangelion Quickening vor dem Timeskip spielen. Die Ereignisse, die dazu führen, warum sich alle Leute von WILLE, darunter auch Shinjis Freunde, wie die letzten Arschlöcher benehmen. Eine neue Theorie macht auch die Runde, dass You Can (Not) Redo auf einer komplett anderen Timeline spielt. Soll heißen, Evangelion 3.33 ist nicht die Fortsetzung zu Evangelion 2.22. In der Welt von Evangelion 2.22 soll Kaworu Nagisa den Third Impact verhindert haben. In Evangelion 3.33 jedoch wurde der Third Impact ja eindeutig nicht verhindert. So soll also jener Kaworu Nagisa anscheinend ein Zeitreisender sein, der seine Lehren aus der missratenen Zukunft aus Evangelion 3.33 gezogen hat, und mit allen Mitteln die Welt vor dem Third Impact bewahren will. Und genau das tut er in Evangelion 2.22. Und dies mit den Worten: "Diesmal will ich wenigstens dich glücklich machen, Shinji Ikari Kun". Man möge es mir verzeihen falls dies nicht der exakte Dialog aus dem Film ist. Nun, betrachtet man seine Worte mal genauer, in Evangelion 3.33 hat Kaworu Shinji alles andere als glücklich gemacht. Es ist eher alles komplett aus dem Ruder gelaufen. So absurd die Theorie über eine alternative Timeline und Zeitreisen auch klingen mag, so würde sie zumindest Evangelion 3.33 besser erklären, ein Film, der in einer alptraumhaft dystopischen Zukunft spielt.
All das erklärt natürlich immer noch nicht, wieso man die mysteriöse Preview zu Evangelion Quickening in Evangelion 2.22 mit eingebaut hat. Hideaki Anno ist zu schlau dafür, sich so viele Ungereimtheiten wie in 3.33 zu leisten.
Ich will noch einmal auf Mari zurückkommen. Wie bereits in der Rezension von mir erklärt, ist sie in Evangelion 3.33 zu einem unbedeutenden Nebencharakter verkommen. Wir erfahren weder Hintergründe, noch etwas von ihren Absichten. Ihren wahren Charakter versteckt sie immer noch unter kindlichem Getue. Unmöglich das die Konzipierung des Charakters, der so dermaßen verheizt wurde, geplant war. In der Preview ist in eine der hektischen Einblendungen folgendes zu lesen: Keept Out: Private Conference Between Makinari Mari Illustrious & $#&$#
Do Not Enter.
Ein Name wurde für diese Einblendung zensiert. In der Preview ist eine verärgerte Mari zu sehen, die sich anscheinend vor irgendwem (mit aller Voraussicht nach Ritsuko Akagi) entkleiden muss. Eine logische Schlussfolgerung, sollte NERV sie nach den Ereignissen aus Evangelion 2.22 gefangen genommen haben. Ein nicht unbedeutender Teil des Filmes wird sich vermutlich mit Mari befasst haben. Mit wem Mari nun dieses private Gespräch geführt haben soll wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben, sollte der kommende Film diese Ereignisse nicht mehr aufgreifen.
Als nächstes möchte ich auf Kaji eingehen, dem James Bond der Evangelion Saga. Es wurde nie geklärt, wer Kaji in der TV-Serie erschossen hat (nein, es war nicht Misato). Kaji schien diese Person jedoch zu kennen. In Evangelion 2.22 spielt Kaji, der als Doppelagent zwischen NERV und SEELE agiert, und vermutlich sogar noch ein Spion der japanischen Regierung ist, erneut eine recht geheimnisvolle Rolle. Die sollte in Evangelion Quickening wohl weiter ausgebaut werden. In der Preview sehen wir Kaji bewaffnet, und diesmal scheint er, im Gegensatz zur TV-Serie, nicht zu wissen mit wem er es zu tun hat. Dies verrät zumindest sein erschrockener Gesichtsausdruck. Von Kaji selbst fehlt in Evangelion 3.33 jegliche Spur. Er wird nur ein einziges mal erwähnt. Man kann also sehr wohl davon ausgehen, dass Kaji längst tot ist. Könnte Kaji somit ebenfalls einer der Gründe für Misatos abweisende und strenge Haltung gegenüber Shinji sein? Auch zu diesem Thema bekommen wir keinerlei Infos geliefert.
Schaut man sich auch mal die Untertitel zur Preview von Evangelion Quickening an, so wird schnell klar, dass auch die Geschichte des Filmes absolut nichts mit den seltsamen Geschehnissen in Evangelion 3.33 zu tun hat. Egal wie man es auch dreht und wendet, wir haben es hier mit einem völlig anderen Film zu tun. In welche Richtung Evangelion Quickening nun gegangen wäre bleibt weiterhin fraglich. Aber es macht eindeutig den Anschein, als wäre Evangelion Quickeing das fehlende Puzzlestück zu Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo. Nur Anno und sein Team selbst wissen, warum dieses Puzzlestück entfernt wurde. Vielleicht ja auch genau aus diesen Gründen, dass wir nun darüber diskutieren können. Ebenfalls ist auch interessant, in Japan wurden damals Evangelion 3.0: Q und Evangelion 4.0: Final als Double Feature für die Kinos angekündigt. Das Studio Khara mit ihrem Zeitplan nicht hinterherkommen haben sie ja schon glanzvoll bewiesen, doch irgendwas muss während der Produktion passiert sein, dass man das Double Feature gestrichen hat, und mit reichlich Verspätung Evangelion 3.0 allein in die Kinos brachte.
Ob das verschollene Material als OVA nachgereicht wird, im Vierten und letzten Film wieder eingefügt wird, oder auf immer verschollen bleibt, wird sich also erst einmal noch zeigen müssen. So lange darf weiter diskutiert werden.