Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 17. Januar 2025

David Keith Lynch (1946 - 2025)

 



Wie beginnt man einen Abgesang auf einen Menschen zu schreiben, der mich, den Verfasser dieses Textes, weder kannte und somit nicht wusste, wie viel er mir gegeben hat. Oder eine ganz andere Frage: Wo beginnt man bei David Lynch überhaupt?

Am 15.01.2025 ist der amerikanische Filmemacher, der mit seinen Werken ganze Jahrzehnte prägte, verstorben. Erst vor einigen Monaten äußerte sich der Regisseur nach langer Abstinenz aus den Medien mal wieder selbst. Es waren traurige, bedrückende Worte, seinen trockenen Humor legte er aber auch da nicht ab. Für das rauchen, welches er fast sein ganzes Leben genoss, müsse er nun den Preis bezahlen. Zum Zeitpunkt dieser Worte hatte sich sein Gesundheitszustand bereits so rapide verschlechtert, dass er sein Haus nicht mehr eigenständig verlassen konnte.

Doch ein trauriger Nachruf auf David Lynch als Mensch wäre völlig deplatziert. Maximal würde er sich vermutlich darüber ärgern, dass das nun 5 Tage vor seinem 79. Geburtstag passiert ist. Was er uns aber hinterlassen hat, macht ihn und seinen Namen für immer unsterblich.

Mit Hollywood hat David Lynch allen voran in seinen letzten beiden Spielfilmen Mulholland Drive (2001) und Inland Empire (2006) abgerechnet. Spielfilme, so Lynch, hatte er da schon nicht mehr vor, zu drehen. Stattdessen wolle er sich nochmal einer TV-Serie widmen, was bereits mit Mulholland Drive gescheitert ist und der fertiggedrehte Pilotfilm stark erweitert und zu einem Kinofilm umgebaut wurde. 2017 dann die Sensation: In einem Serien-Event setzte Lynch Twin Peaks in einer dritten Staffel fort. Kontrovers, wundervoll gefilmt und mit einem Ende versehen, worüber noch lange diskutiert wurde. David Lynch machte das unmögliche möglich und holte einen großen Teil des Casts mit wenigen Ausnahmen zurück, entweder in größeren Rollen oder als kleine Cameos versehen. Diese dritte Staffel von Twin Peaks war zeitgleich auch ein Familientreffen, nicht nur was den Cast untereinander anging, sondern auch Millionen von Fans. Zeitgleich sollte es das letzte mal gewesen sein, dass die Darsteller noch einmal zueinander fanden und diese Serie zustande kam. Kurz nach den Dreharbeiten und wenige Jahre danach verstarben Warren Frost, Miguel Ferrer, Catherine E. Coulson, Peggy Lipton, Julie Cruise und Angelo Badalamenti, die beide den ikonischen Soundtrack der Serie geprägt haben. Nach diesem Revival gesellt sich nun auch Serienschöpfer David Lynch zur ewigen Ruhe. Diese Staffel sollte das Abschiedsgeschenk des großen Filmemachers sein.

Mit David Lynch ist ein weiteres Stück amerikanische Filmgeschichte von uns gegangen. Dabei wäre Hollywood auf ihn mehr angewiesen denn je, bröckelt die Fassade von Tinseltown doch viel zu sehr und schon seit einigen Jahren. Lynch eckte immer wieder an. Im Mainstream sah er sich nie (siehe das ganze Debakel rund um Dune), umso schwerer wurde es, für zahlreiche Projekte Geldgeber zu finden. Unter seiner Regie gelangten Schauspieler wie Kyle MacLachlan und Laura Dern zur Größe. Immer wieder kehrten etablierte Darsteller zu Lynch zurück, wenn er gerufen hat. Es wäre schön gewesen, wenn er im Zeitalter des Streamings noch ein letztes großes Projekt auf die Beine gestellt hätte, noch einmal allen gezeigt hätte, wie unkonventionelle Filmkunst geht.

Filmemacher wie David Lynch gibt es nur noch wenige. Aber dafür sind sie aktuell äußerst erfolgreich wie der griechische Regisseur Giorgos Lanthimos und Robert Eggers, aber auch ein Brandon Cronenberg, der vielleicht so wie kein anderer den Indie-Sprit von David Lynch derzeit verkörpert. Doch so wie diese aufgezählten Filmemacher alle eigenständig sind, so war, ist und wird es für immer David Lynch sein. In den nächsten Jahren wird sein Werk vermutlich relevanter denn je werden. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, färbt etwas davon auf den Zeitgeist der aktuellen Filmlandschaft ab. Zu wünschen wäre es uns Filmliebhabern, aber auch dem Erbe von David Lynch, allemal.

Sonntag, 24. November 2024

Gladiator II parodiert die Zuschauer

 





Gladiator II

Regie: Ridley Scott
Darsteller: Paul Mescal, Denzel Washington, Pedro Pascal, Joseph Quinn, Connie Nielsen
Genre: Monumentalfilm, Sandalenfilm
FSK: 16


Diese Filmbesprechung könnte potentielle Spoiler zu den Filmen Gladiator und Gladiator II beinhalten.


Wenn es ein Film schafft, mich noch einmal kurz aus dem Blogger-Ruhestand zu holen, dann müssen die Alarmglocken aber schrillen. Und sie schrillen in diesem Falle lauter, als ich es für möglich gehalten hätte. Ich hatte schon bei der ersten offiziellen Ankündigung von Gladiator II kein gutes Gefühl. Den Reveal-Trailer mit der furchtbaren Musik brandmarkte ich als "Gladiator für die Gen-Z". Zudem wirkten die gezeigten Szenen, als ob man hier einfach nur noch einmal das Original neu verfilmen wollte. Doch solche Promo-Trailer wollen meistens genau darauf abzielen. Und es ging ja auch schon einmal gut, nämlich mit Blade Runner. Legendärer Streifen von Ridley Scott, benötigte keine Fortsetzung, aber bekam mit Blade Runner 2049 eine. Es war die Fortsetzung, die eigentlich keiner brauchte aber vom Kanadier Denis Villeneuve so herausragend gut umgesetzt wurde, dass diese sehr eigenständige Fortsetzung sich zu den besten Filmen mauserte, die ich seit seinem Release im Jahr 2017 gesehen habe. Der Unterschied zu Gladiator II: Hier war Ridley Scott wieder selbst am Werk (selbst von Alien lässt er mittlerweile die Finger und überließ bei Romulus Fede Álvarez das Ruder, was zwar in keinen kreativen, dafür aber unterhaltsamen Film mündete). Was beim kontroversen Prometheus für mich damals noch wundervoll geklappt hat (der Film ist nämlich keine 1:1 Kopie von Alien), ging dann mit Alien: Covenant schon wieder in die Hose. Erste Stimmen wurden lauter, der Altmeister hätte allmählich seinen Zenit überschritten. Obwohl die britische Regielegende langsam auf die 90 zugeht, scheint er dies noch nicht so zu sehen. Zugegeben, Scott sieht fit aus und wirkt sicherlich nicht wie ein Mann, der das Alter des Ruhestands schon mehrfach überschritten hat. Neuere Filme wie The Last Duel, House of Gucci und auch Napoleon habe ich mir gar nicht erst angesehen, obwohl besonders The Last Duel noch auf meiner Liste steht und als "sehenswert" gilt.

Und nun ist es also passiert, nach langem hin und her und einem verworfenem Drehbuch von Nick Cave, da könnte man beinahe schon sagen, Gladiator II habe sich 20 Jahre in der Entwicklung befunden. Und vielleicht wird sich der ein oder andere doch noch ärgern, dass das abenteuerliche Drehbuch von Nick Cave nie umgesetzt wurde. Denn es wäre allemal "unterhaltsamer" geworden als das, was wir nun mit der legitimen Fortsetzung bekommen haben.



Gladiator (2000)

Wir schreiben das Jahr 2000. Gladiator kommt in die Kinos. Ridley Scott ist 62 Jahre alt und sein letzter bekannter Film (Die Akte Jane) war ein kolossaler Flop. Scott war nicht unbedingt für epische Filme, ganz zu schweigen dem toten Genre rund um die Sandalenfilme, bekannt. Mit Alien und Blade Runner lieferte der Brite stattdessen herausragende Science-Fiction Filme ab. Doch Gladiator traf ins Schwarze. Das blutige R-Rated Epos um einen in Ungnade gefallenen römischen Kriegstribun spielte am Box Office weltweit Millionen ein, räume zahlreiche Oscars ab und katapultierte Schauspieler wie Russell Crowe und Joaquin Phoenix in den Olymp von Hollywood und reaktivierte zeitgleich die Karriere von Ridley Scott als einen gefragten Regisseur, der danach zahlreiche hochkarätige Projekte übernehmen sollte. Im Heimkino entwickelte sich Gladiator zu einem noch größeren Erfolg. Aus historischer Sicht machte man nie einen Hehl daraus, dass man hier lediglich etwas an der Oberfläche kratzte. Doch es war ein epischer Film mit herausragenden Darstellern (darunter ein begnadeter Richard Harris in eine seiner letzten großen Rollen), erinnerungsträchtigen Dialogen und Szenen, bildgewaltig und doch von einer blutigen Eleganz überzogen, die nur noch durch den einprägsamen Soundtrack von Hans Zimmer garniert werden mussten. Das neue Jahrtausend begann Hollywood mit einem Blockbuster-Höhepunkt.

Ein paar Monate nach dem Heimkino-Release erwarb ich als hoffnungsvoller Jugendlicher von 14 Jahren, der den Film offiziell noch gar nicht sehen durfte, die DVD. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass Ridley Scott für zwei meiner späteren Lieblingsfilme verantwortlich war, nämlich Alien und Blade Runner. Und ich kann mich noch genau so lebhaft dran erinnern, wie überwältigt ich von Gladiator damals war. In Sachen Bildgewalt hatte ich noch nichts beeindruckenderes gesehen und Gladiator hinterließ bis heute einen bleibenden Eindruck bei mir. Ein Film, der sicherlich keine Fortsetzung benötigte, da das meisterhaft in Szene gesetzte Finale alles erzählt hat, was es zu erzählen gab. Ein moderner Filmklassiker.



Gladiator II (2024)

Es ist November, es ist furchtbar kalt, dunkel und trostlos draußen. Gladiator II kam nach längerer Entwicklungshölle endlich in die Kinos. Ridley Scott ist mittlerweile 86 Jahre alt. Ich hingegen werde in wenigen Monaten 38, blicke kurz auf mein noch so hoffnungsvolles Ich mit 14 zurück und resümiere im Kinosaal mit einem überteuerten Kinobier über ein Leben, welches nicht so glatt verlaufen ist, wie sich mein noch unwissendes Teenager-Ich es sich damals vorgestellt hat. Doch viel Zeit zum resümieren bleibt nicht, denn durch besonderes Sponsoring benötigt das Kino nicht so viel Filmwerbung und der Film geht zügig los. Gladiator II beginnt mit einer Schlacht, als die Römer mit ihrem Kriegshelden Marcus Arcacius (Pedro Pascal) in Numidien einmarschieren. Mehr als 16 Jahre sind seit dem Tod von Marcus Aurelius vergangen. Mit ihm ist auch der "Traum von Rom" gestorben (seid darauf gefasst, dass ihr mit den Worten "Rom" und "Traum" in euren Köpfen, nachdem ihr Gladiator II gesehen habt, einschlafen werdet). Das römische Reich befindet sich im Chaos und wird durch die zwei jungen Zwillingsherrscher Geta und Caracalla tyrannisiert. Die Bemühungen und letzten Worte des Maximus Decimus Meridius, Rom wieder der Demokratie zu überlassen, anscheinend dahin. Der mittlerweile erwachsene Sohn von Maximus, Lucius (Paul Mescal), von seiner Mutter Lucilla (Connie Nielsen) zu seinem Schutz aus Rom fortgeschickt, lebt unter dem falschen Name Hanno in Numidien und kämpft gemeinsam mit seiner Frau für die dortige Armee zum Erhalt der Unabhängigkeit der Stadt, die von den Römern unterworfen werden soll. Wie gut oder schlecht das ausgeht müsst ihr selbst erfahren oder, macht es euch ganz einfach, schaut euch den ersten Teil an, denn rund 2 Stunden wird nun noch einmal die Geschichte des Vorgängers erzählt. Von dessen erzählerischem Glanz und einprägsamen Charakteren ist nur nicht mehr viel übrig geblieben.

Ridley Scott selbst ist für klare Worte bekannt. Mit britischer Nüchternheit erklärte er im Vorwort zum Extended Cut von Gladiator damals, dass diese neue Filmfassung nicht seine bevorzugte Fassung ist und auch kein Director's Cut sei, der Director's Cut existiere aber und sei die Kinofassung. Mutig von Universal damals, dies so stehen zu lassen. Eine erweiterte Filmfassung, die der Regisseur sachlich, aber offen im Vorwort der neuen DVD kritisiert. In einem noch recht frischen Interview zu Gladiator II machte Scott hingegen keinen Hehl daraus, wieso der neue Film entstanden ist. Die kurze Erklärung würde man bei einem bekannten Song der schwedischen Band ABBA finden. Aber da wir hier gerne ausufern: Man sei sich der großen Popularität des Erstlings immer wieder bewusst geworden und wolle mit dem Sequel einen ähnlichen kommerziellen Hit erreichen. Vielleicht sogar ein Gladiator-Franchise? Scott stellte diesmal sogar selbst einen Extended Cut zum zweiten Teil in Aussicht, genau wie einen dritten Teil und stellte hier sogar Vergleiche zum Paten auf. Gladiator als Geldmaschine. Der Weg dahin ist geebnet, auch wenn Gladiator II gegen Wicked (immerhin ein Familienfilm mit deutlich größerer Reichweite als ein R-Rated-Epos) am Box Office keine Chance hat, so stellt das Opening-Weekend von Gladiator II aktuell den erfolgreichsten Release eines Films von Ridley Scott dar.

Während ich im letzten Absatz viel über Zahlen gesprochen habe, ist der Film aber selbst eine Nullnummer. Circa 70% des Films sind eine reine Nacherzählung des Originals. Dialoge, sogar komplette Szenen wurden größtenteils 1:1 nachgestellt. Das Star-Aufgebot an aufstrebenden Hollywoodstars und Veteranen wirkt wild zusammengewürfelt. Paul Mescal mit seinem Astralkörper hat eine Mimik, die den Anschein erweckt, als hätte er täglich vor Drehbeginn einen Zwischenstopp beim lokalen Weed-Store eingelegt. Dabei ist Paul Mescal trotz seiner schläfrigen Attitüde nicht das Problem des Films, glänzen kann dieser aber auch nicht und für einen Russell Crowe zu seinen Bestzeiten verbitten sich hier sämtliche Vergleiche. Pedro Pascal als müder Kriegstribun von Rom wirkt nicht nur in seiner Rolle müde, er wirkt auch an sich ausgezehrt von seiner Hollywood-Odyssee und den unzähligen Rollen, für die er zuletzt gecastet wurde. Die Rolle von Mescal und Pascal ergeben kombiniert ungefähr die Rolle des Maximus, oder zumindest so ähnlich hat man sich das anscheinend vorgestellt. Der sympathische Joseph Quinn (bekannt als Eddie Munson aus der immer noch aktuellen Stranger Things Staffel) als Imperator Geta ist sichtlich bemüht, nicht Joaquin Phoenix' Darbietung als Commodus aus dem Original zu kopieren, aber was kann Quinn schon ausrichten, wenn das Drehbuch ihn praktisch dazu verdammt, die gleiche Rolle zu spielen? Hier gab es für den aufstrebenden Darsteller relativ wenig Spielraum, sich zu entfalten und der Figur seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Fast jeder einzelne Charakter in Gladiator II ist ein fragiles Gebilde, welches auf ikonischen Charakteren basiert, die der erste Teil etabliert hat. Sie wirken wie Abziehbildchen ohne eigenen Background.

Bleiben noch Veteranen wie die dänische Darstellerin Connie Nielsen, noch bekannt als tragische Figur aus Teil 1 sowie Denzel Washington. Nielsen wirkt trotz überraschend viel Screentime so, als wäre sie einzig und allein für den Gehaltsscheck am Set gewesen. Von ihr geht nichts aus, was man "Schauspiel" nennen könnte. Dafür geht Denzel Washington in seiner Rolle als farbiger Sklavenhändler umso mehr auf, was dem Film am Ende mehr schadet als nutzt. Washingtons Charakter Macrinus sprüht nicht vor Originalität und wirkt lange Zeit wie eine Kopie des Proximo (gespielt von dem großartigen Oliver Reed, der leider noch während der Dreharbeiten zum Erstling verstorben ist) mit einem Twist. Vorhin habe ich geschrieben, Gladiator II sei zu 70% eine Nacherzählung des ersten Teils. Doch die restlichen 30% versucht man, eine eigene Geschichte zu erzählen. Hier dachten sich die Autoren Scarpa und Craig, könne man Washingtons Charakter Macrinus noch zu einer Schlüsselfigur machen. Eine ganze Weile habe ich gedacht, hinter Macrinus stecke letztendlich ein gealterter Juba, im Originalfilm gespielt von Djimon Hounsou und in der letzten Szene zu sehen, was in der Tat ein zynischer und wirkungsvoller Twist gewesen wäre, das Original letztendlich aber noch mehr befleckt hätte. Der Original-Plot des Sequels, der letztendlich auf einen langweiligen, vorhersehbaren Showdown hinausläuft, reiht sich dann leider auch in die Ideenlosigkeiten des kompletten Films mit ein, obwohl man besonders aus den politischen Konflikte und der anschließenden Anarchie Roms gegen Ende des Films einiges hätte machen können, hätte man nicht die meiste Zeit damit verschwendet, Teil 1 nachzuerzählen und somit den letzten Abschnitt von Gladiator II völlig überhastet zu erzählen. Washingtons Charakter wirkt völlig überzeichnet und überspielt in einem Film, wo kein anderer Charakter wirklich glänzen kann. Vielleicht hätte die Rolle besser gepasst, wenn die Autoren in andere Charaktere nur halb so viel Aufwand gesteckt hätten. Somit wirkt Macrinus im Film völlig fehl am Platz. Wer eine ähnliche Performance von Denzel Washington sehen möchte, ist mit der modernen Interpretation zu Macbeth von Joel Coen deutlich besser bedient.

Was Scott sehr gut kann sind weiterhin epische Szenen. Doch auch hier kann der Film längst nicht so überzeugen wie es der Erstling tat. Zwar wirkte besonders der Einmarsch der Römer nach Numidien noch imposant, aber auch hier steckt im Gegensatz zu der Schlacht gegen die Germanen im ersten Teil wenig Wumms dahinter. Den Ausgang der Schlacht kann man ungefähr erahnen. Doch die Eröffnung des Films gehörte hier eindeutig noch zu den besseren Schlachtenszenen im Film, von denen es, zumindest gefühlt, auch deutlich zu wenige gibt bei einer Laufzeit von rund 150 Minuten, die größtenteils mit belanglosen, uninspirierten wie schlecht geschriebenen  Dialogen gefüllt wurden. Spätestens wenn die CGI-Paviane auftauchen, bekommt Gladiator II aber auch in dieser Hinsicht echte Probleme. Das sind miserable CGI-Effekte, wo ich mich die ganze Zeit frage, wieso das Studio für so etwas grünes Licht gibt. Wie so oft und im ganzen Film wirkt die Szene, als wolle man sich hier direkt an die Zuschauer rächen, sie mit so einem Schund regelrecht parodieren.
Das Set wirkt in Gladiator II deutlich limitierter und es machte die ganze Zeit den Anschein, als wolle man dies kompensieren, indem man sämtliche Szenen in der Post Production mit Effekten überladen hat. Die schönsten Szenen sind allerdings gelungen, wenn die Szenen nicht mit ebenjenen Effekten überladen sind und man echte Filmkulissen sieht. Da fallen mir besonders die abendlichen Szenen vor dem Kolosseum ein. Aber von diesen Aufnahmen gibt es leider viel zu wenige.

Beim Soundtrack übernahm Harry Gregson-Williams von Hans Zimmer. Hier war von vornherein damit zu rechnen, dass Gregson-Williams diese Klasse wohl unmöglich erreichen kann (und Zimmer diese Qualität wohl selbst nicht mehr erreichen würde). Ich kann über den Soundtrack kaum was positives oder negatives sagen, da der Score für mich praktisch nicht existent war. Im Hintergrund dudelte etwas und gelegentlich war mal ein Arrangement zu "Now We Are Free" zu hören. Doch hätte ein prägnanterer Soundtrack die Qualität des Films nochmal steigern können? Auch das bezweifle ich.



Fazit:

Wüsste man nicht, dass es echte Aufnahmen zu den Dreharbeiten gibt und ebenso echte Menschen an dem Film mitgewirkt haben, würde ich behaupten, eine Maschine wurde so lange mit dem Erstling gefüttert, bis diese Maschine das Script zu Gladiator II ausgespuckt hat (wobei natürlich durch den Autorenstreikt nicht auszuschließen ist, dass eine KI hier beim Writing mitgewirkt hat). Es fehlt dem Film zu jeder Sekunde an Seele und Passion. Er wirkt plastisch und künstlich, geißelt seine Zuschauer zudem alle paar Minuten mit peinlichen Referenzen zum Original und lutscht das Zitat mit "Irgendwas von Roms Traum" so dermaßen aus, als würde man eine Auster so lange schlürfen, bis sich nichts mehr in der Schale befindet. All den Charakteren im Film war es nicht vergönnt, eine eigene Identität oder Geschichte zu haben. Gladiator II wirkt von Minute 1 wie ein schlechtes Theaterstück, was ein großartiges Theaterstück vergebens versucht nachzuspielen. Gladiator II ist natürlich kein Einzelfall, diese seelenlosen Sequels serviert uns Disney zum Beispiel seit Jahren. Aber ich würde sogar noch so weit gehen und sagen, selbst ein Rise of Skywalker und Indiana Jones 5 bieten hier, so schlecht die Endprodukte auch sind, noch "irgendwas" an. Dass man mich dazu bekommen hat, so etwas mal zu sagen, hätte ich nicht mehr erwartet.

Das interessante an Gladiator II spielt sich außerhalb des Films ab. Er scheint trotz sämtlicher mauer Kritiken mit all seinen Dreistigkeiten durchzukommen. Und damit hätte Gladiator II sein Ziel auch schon erreicht. Traut man Scotts Worten, ist Gladiator II nur mit der Intention entstanden, den Zuschauern das Geld aus den Taschen zu ziehen. Jetzt kann man trocken sagen, dass das schon immer die Intention hinter Hollywood bzw. generell hinter der Filmproduktion war.  Aber hier muss ich zumindest etwas abwinken. Die Studios wollen natürlich ihr Return of Investment. Aber hinter Filmen steckt so oft auch Passion, Leidenschaft und Hingabe. Das sind alles Zutaten, unter denen zum Beispiel das Original entstanden ist. Sollte Ridley Scott ernst machen, könnte einem hier das nächste Franchise bevorstehen mit Sequels, Prequels und TV-Serien. Ein tatsächlich düsterer Trend. 
Den Traum von Rom wird man in Gladiator II sicherlich nicht finden, aber erst recht nicht findet man hier den Traum des Filmemachens.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Einwurf: Der aktuelle Status von "Am Meer ist es wärmer" und: Wo ist eigentlich Georg Krätschmer?

 



Nun ist meine Grabesrede zu Star Wars The Acolyte auch schon wieder über 2 Monate her. Ich erkenne einen klaren Trend und bemerke konstant, wie mir stets die Motivation fehlt, mich weiterhin neuen Beiträgen auf "Am Meer ist es wärmer" zu widmen. Und das schreibe ich sogar ganz ohne Wehmut. Bereits 2020 kündigte ich ein temporäres Ende für den Blog an und kehrte einige Zeit später unter neuem Motto zurück: Ich schreibe nur noch, wenn mir danach ist und ich ein gutes Thema habe. Vier Jahre später: Ich habe einige gute Themen, finde aber kaum noch Zeit und/oder Motivation, diese auch schriftlich umzusetzen. Und ich mache mir da auch nichts vor: Als Blogger ist der Aufziehvogel auf seiner kleinen Insel (wenn auch nicht mehr ganz allein) schon relativ analog unterwegs. Ich habe sowohl den Instagram als auch den TikTok Trend verschlafen und trotz mehrfacher Versuche leider nie den Draht zu diesen für einen Blogger imminent wichtigen Plattformen gefunden. Ein Blogger, der monatlich einige Beiträge schreibt, reicht nicht mehr aus um viele Menschen zu erreichen. Man muss präsenter sein, verrückte und raffiniert geschnittene Videoclips kreieren. Irgendwie auf sich aufmerksam machen. Aber genau das ist "Am Meer ist es wärmer" nicht und wird es niemals sein. Die fehlende Motivation, den Blog fortzusetzen rührt aber aus rein persönlichen Gründen. Ich blicke auf fast 15 Jahre bloggen über Bücher, Filme und Gott und die Welt zurück. Ich wurde von einer heute ziemlich bekannten Person des öffentlichen Lebens beinahe verklagt als diese noch eher unbedeutend war, habe eine menge interessante Menschen kennengelernt, interviewt, genervt und dauerhaft meinen Horizont erweitert. All das war "Am Meer ist es wärmer" in all den Jahren für mich. Und das bedeutet längst nicht, dass die Reise hier nun endgültig endet. Der Blog bleibt bestehen und sofern mich wieder etwas sehr interessiert, werde ich hier darüber schreiben. Mit Lavandula habe ich auch weiterhin tatkräftige Unterstützung auf dieser kleinen Insel. In den kommenden Tagen wird von mir sogar nachträglich noch eine Rezension zu "Mein drittes Leben" von Daniela Krien erscheinen. Nur wird es halt nicht weitergehen, wie es bisher der Fall war (die unzähligen Comebacks mit eingeschlossen).

Aber zieht sich der Kerl denn nun endgültig zurück und macht nichts mehr? Nein! Ich werde stattdessen wieder Dinge machen, die mir Freude bereiten und die zu den Anfängen meiner Blogger-Karriere zurückgehen und teilweise noch weiter zurückreichen als dieser Blog. Mit "Kannibalismus unter Intellektuellen" werde ich demnächst ein lang geplantes, aber letztendlich neues Projekt ins Leben rufen (nicht zu verwechseln mit einem alten Schreib-Projekt namens "Kannibalismus unter Fischen"). Dort wird dann nur noch über Gott und die Welt geplaudert, über kurioses und seltsames und Heimat-Hassliebe versprüht. Wieder unbeschwert und ungezwungen über Themen schreiben zu können, die mir gefallen und ich mich mit meinem Stil nicht abgenutzt fühle.

Und ja, dann ist da ja auch noch Georg Krätschmer. Der Schorsch ist nun seit genau einem Jahr ein ständiger Begleiter von mir. Ursprünglich als dumme Idee gedacht und als ein Special zu Halloween 2023 geplant, ist die Idee zu etwas deutlich größerem herangewachsen. Georg Krätschmer wird ein zentraler Punkt in meiner ersten eigenen Geschichte seit vielen Jahren sein. Und erstmals wird es sich nicht um eine Kurzgeschichte handeln. Die Geschichte sind die Früchte meiner neuen Philosophie, einfach wieder drauf loszuschreiben. Ohne darauf zu achten, ob es wem gefällt, provoziert oder ganz einfach unzumutbar ist. Eine Geschichte, deren eigenen Ausgang ich sehr lange nicht kannte und nicht einmal wusste, ob aus diesen losen Puzzlestücken jemals etwas ganzes wird. Für diese Geschichte werde ich nicht meinen längst geschlossenen Blog "Typewriting - Erase your Head" reaktivieren, sondern auch dafür einen neuen Blog erstellen. Wann das sein wird, wird sich zeigen müssen, ob ich diese Geschichte dann auch jemals zu einem Ende bringen werde (steht aber eindeutig auf der Agenda ganz oben!). In der kommenden Woche plane ich, eine kleine Leseprobe der Geschichte auf "Am Meer ist es wärmer" zu veröffentlichen. Dort werde ich auch erstmals den Titel der Geschichte bekanntgeben.

Und all das wird völlig ungezwungen und entspannt im laufe der Zeit entstehen. Ob alles so wird, wie ich das geplant habe, kann mir aktuell nur meine Kristallkugel verraten, die aber gerade Wartungsarbeiten über sich ergehen lassen muss. Mit diesen Vibes möchte ich mich dann auch verabschieden und mich zeitgleich bei allen Lesern bedanken, die seit 2011 irgendwie diese kleine Insel hier angesteuert haben. Es ist kein Abschied, aber es ist Zeit, eine langjährige Serie zu beenden und das Sequel zu starten. Denn heute geht doch bekanntlich nichts ohne Teil 2, oder, Baby?



Aufziehvogel am 02.10.2024

Dienstag, 20. August 2024

Disney begräbt The Acolyte - Eine Grabesrede

 





The Acolyte
Plattform: Disney+
Showrunnerin: Leslye Headland
Darsteller: Lee Jung-jae, Amandla Stenberg, Manny Jacinto, Dafne Keen, Carrie-Anne Moss



Star Wars im Jahr 2024: In irgendeiner Galaxie voll von Young Adult, Fanfiction und schlechtem Writing angekommen


Dieser Artikel enthält Spoiler


In einen englischen Stew kommt viel rein. Manchmal möchte man gar nicht wissen, was sich in diesem Eintopf befindet. Im Falle von The Acolyte, der neusten Star Wars Serie, wird man wohl spätestens nach den 8 Folgen wissen, was da auf dem Feuer am köcheln ist. Showrunnerin Leslye Headland ist hier die Köchin und hat sparsam gekocht. Viel altes, aufgewärmtes ist in diesem Eintopf gelandet, viele unbekannte Zutaten und irgendwo ganz unten, da haben sich auch ein paar frische Zutaten versteckt. Doch bis der Gast diese in seinem Teller wiederfindet, ist die Brühe bereits kalt.

Ungefähr so verhält es sich mit The Acolyte, eine Serie, die in der High Republic angesiedelt ist, eigentlich von Frische und Ideenreichtum nur so strotzen müsste und praktisch auf ganzer Linie versagt, ohne dabei aber komplett für die Tonne zu sein. Ich würde The Acolyte am Ende immer noch über "The Rise of Skywalker" stellen, was vielleicht bei all der Kritik, die die Serie abbekommen hat (darauf gehe ich gleich noch etwas intensiver ein), eine kontroverse Sichtweise ist.

Der nachfolgende Texte war ursprünglich als Review der ersten und bereits letzten Staffel zu "The Acolyte" gedacht und mit komplett anderer Überschrift versehen. Aus zeitlichen Gründen konnte ich das Review nicht fertigstellen und die aktuellste Meldung um die Star Wars Serie sorgte dafür, dass das reine Review flach fällt und ich stattdessen noch einmal auf die Gründe für das scheitern von The Acolyte zurückblicken möchte. Denn vor einigen Stunden gab Disney etwas bekannt, was vielen unlängst klar war: Obwohl The Acolyte eindeutig auf mehrere Staffeln ausgelegt war, hat Disney die Serie nicht für eine zweite Staffel erneuert und bereits zu Grabe getragen. Es gab neben heftiger Kritik der Serie gegenüber aber auch einiges an Zuspruch, sogar eine Petition, die an Disney appellieren sollte, The Acolyte um eine weitere Staffel zu verlängern. Die Entscheidung von Disney ist gefallen und das gegen The Acolyte; nach nur einer Staffel (8 Episoden) ist Schluss. Ob die Serie eine Höchststrafe wie Willow erwarten könnte und in absehbarer Zeit vom Streamingdienst Disney+ verbannt wird, bleibt abzuwarten.

Doch die Gründe, wieso The Acolyte gescheitert ist, sind vielzählig. Vielleicht muss man wirklich nur nach Willow schauen, um sich all zu große Analysen zu ersparen. Denn die Probleme von The Acolyte sind hausgemacht. Die um die 100 Millionen Dollar teure Serie von Leslye Headland vermeldete bereits im Vorfeld immer wieder Verzögerungen bei der Produktion. Die Dreharbeiten waren anscheinend kraftraubend, weshalb die Showrunnerin sich auch eine Auszeit gönnte. Diese gab sich aber kämpferisch und bestätigte nicht nur, sie hätte bereits viele Ideen für eine zweite Staffel sondern wäre auch an einer Serienumsetzung aus der Old Republic interessiert. Dass Headland je noch einmal Hand an Star Wars anlegen wird ist noch unwahrscheinlicher, als wenn Kathleen Kennedy noch einmal Rian Johnson (Regie: Die letzten Jedi) zurück zum Franchise bitten würde.


Kaum frische Ideen


Die High Republic dürfte besonders für lesefreudige Star Wars Fans einiges zu bieten haben und mit politischen Intrigen, neuen Bösewichten wie den Nihil sowie eine ebenfalls neue Sichtweise auf den Orden der Jedi zu der Hochzeit ihrer Macht, die Vorfreude auf den Ausbau des Multimediaprojekts erhöht haben. Dass sich The Acolyte nun so weit von den Romanen abkapselt und wieder einmal größtenteils nur das aufwärmt, was die vergangenen Filme etabliert haben, dies dürfte die wohl größte Enttäuschung sein, die diese Staffel mitgebracht hat. Genau genommen taten Headland und ihr Team nichts anderes, als die Geschichte von Episode I-III nochmal neu zu erzählen. Dies garnierte man ein wenig mit dem Stil von Kurosawa (Headland erwähnte mehrmals "Rashomon" als Inspiration), der zumindest narrativ die Serie noch etwas hervorheben konnte, bevor sie in völliger Ideenlosigkeit zu versinken drohte. Die Twists in der Serie wittert man aus meilenweiter Entfernung. Niemand dürfte beim Face-Reveal des Sith noch überrascht gewesen sein. Und jeder, der auch nur etwas mit dem Schicksal von Anakin Skywalker vertraut ist, weiß, wie die Geschichte der Zwillinge, insbesondere aber von Osha, ausgehen wird. Dass sich Headland hier wirklich dazu herabgelassen hat, die Geschichte des kleinen Ani auf ihre Serie und ihre eigenen Charaktere anzuwenden, darf daran zweifeln lassen, ob sie jemals eigene Ideen besaß, wo sie angeblich doch unzählige Ideen für Star Wars Serien hatte. Auch viele andere Elemente der Serie und etliche Charaktere besitzen keine eigene Identität, Jedi-Meister Sol (ausgesprochen wird es wie die südkoreanische Hauptstadt und verkörpert wird dieser von Squid Game Star und bekennender Star Wars Fan Lee Jun-jae) könnte dabei glatt eine High Republic Kopie von Qui-Gon Jinn sein. Der fremde, namenlose Sith hingegen wirkt wie eine etwas selbstbewusstere Variante von Kylo Ren aka Ben Solo. Dem Team stand hier ein komplett neues, unverbrauchtes Universum bevor, stattdessen lies man dieses Potential völlig ungenutzt. Somit bleibt Andor weiterhin die einzige Star Wars Serie, die sich trotz eher verhaltener Viewzahlen traute, keine ausgelutschten Plots und Charaktere zu melken.


Kein wirkliches Konzept


Trotz einiger Lichtblicke und den recht gut inszenierten Episoden 4 und 5 ist ein wirkliches Serienkonzept bei The Acolyte nie zu erkennen gewesen. Das Schicksal der Charaktere schien vorherbestimmt zu sein, bevor man sie näher kennenlernen durfte. An den Schauspielern lag es nicht wirklich, auch, wenn besonders das hölzerne Schauspiel von Amandla Stenberg in den ersten Episoden negativ aufgefallen ist. Dies dürfte aber besonders an der völlig sinnbefreiten Idee gelegen haben, die junge Schauspielerin mit einer Doppelrolle zu belasten, die am Ende für die Serie mehr Fluch als Segen war und sowieso zu nichts führte. Zahlreiche interessant anmutende Charaktere wie die von der legendären Carrie-Anne Moss gespielte Jedi-Meisterin Indara und die von Dafne Keen gespielte Padawan Jecki Lon wurden hingegen verheizt. Der von Manny Jacinto gespielte Sith brachte einiges an Potential mit, durch das absetzen der Serie werden wir aber nie erfahren, wie es in seinem Charakter-Arc noch weitergegangen wäre - oder könnte. Es wäre kein Ding der Unmöglichkeit für Disney, einige potentiell interessante Handlungsstränge in eine Nachfolgeserie einzubauen. Der von Lee Jung-Jae gespielte Jedi-Meister Sol basiert zumindest auf einem Konzept, was durchaus in die Anfänge von Star Wars zurückgeht. So sollte es bereits im allerersten Film einen asiatischen Jedi-Meister geben und die erste Wahl für die Rolle des Obi-Wan Kenobi fiel ursprünglich auf den Japaner Toshirō Mifune (hier schließt sich der Kreis, Mifune spielte die Hauptrolle in Rashomon). Doch auch Jedi-Meister Sol wird leider durch wenig interessantes Writing eher von einem potentiell interessanten Charakter zu einem MacGuffin degradiert, der am Ende für einen weiteren, vorhersehbaren Twist geopfert wird.

Headland plante hier wohl Agatha Christie meets Rashomon. Eine Murder-Mystery im Weltall rund um die Verschwörung einiger Jedi, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Auf dem Papier mag das durchaus spannend klingen, die Umsetzung selbst hingegen ist genau so kreativ wie einen Wookie-Jedi einzubauen und ihn ohne Lichtschwertkampf Off-Screen sterben zu lassen.


Weitere Staffeln wären nur ein verlängerter Prolog zur Prequel-Trilogie gewesen


Man muss kein nerdiger Star Wars Analyst sein, um sich die Geschichte von The Acolyte weiterzuspinnen. Zwar gab Headland meines Wissens keinen Ausblick auf ihre weiteren Ideen, aber da gleich drei Charaktere aus der Prequel-Trilogie in der Serie vorkommen, kann man wohl absehen, wohin die Reise gegangen wäre. Besonders der für wenige Frames im Bild erscheinende Darth Plagueis, der in The Acolyte seinen ersten offiziellen Auftritt feierte, lässt eher schlimmeres als Vorfreude erahnen. In Staffel 3 oder 4 hätte sich The Acolyte vielleicht zu einer Palpatine Prequel-Story entwickelt und Disney hätte erneut bewiesen, dass sie ohne die Skywalkers, Yoda, den Imperator und wie sie nicht alle heißen, auskommen. Dabei blitzt besonders die Eigenständigkeit von The Acolyte halt auch immer mal wieder auf. Auch hier bekommt man einen doch relativ unverbrauchten Einblick in die Verschlagenheit der Jedi, die teilweise mit einer unnahbaren Arroganz zu Werke gehen. Auch der Einblick in fremde Kulturen und Gepflogenheiten war sonst immer nur Star Trek vorbehalten, während Star Wars diesen World Building Aspekt häufig komplett ignorierte und in The Acolyte deutlich mehr Beachtung findet (und wir trotzdem am Ende nicht schlauer sind, wer die Hexen nun waren).

Doch all das war letztendlich zu wenig, um The Acolyte zu einer eigenständigen Existenz im Star War Universum zu machen.


Was ist am Ende geblieben?


Am Ende ist nicht viel mehr geblieben als eine Idee, die entweder zu ambitioniert war oder einfach auch nie mehr Potential zu etwas größerem hatte. Ein paar gut choreographierte Kämpfe, etwas frische Lore und ein paar neue Facetten der Jedi trösten nicht über das hinweg, was The Acolyte rund 8 Folgen hauptberuflich macht. Und das ist nichts weiter, als die Zuschauer noch einmal mit alten Kamellen zu bewerfen. Und somit entpuppte sich The Acolyte doch als eine weitere Sackgasse für das Star Wars Franchise. Gefangen in seiner eigenen Nostalgiespirale, obwohl man so gerne neue Galaxien bereisen möchte. Ob man Headland alleine diesen Misserfolg zuschreiben kann, kann man nicht so leicht beantworten, da so eine TV-Serie das Produkt vieler handelnder Personen ist. Doch sie hat sich oft genug eben in jenen Mittelpunkt gestellt in Interviews und ihr Name ist mehr als prominent im Abspann jeder Folge zu sehen. Genau wie bei Rian Johnson hat man der Showrunnerin wohl zu viele Freiheiten gelassen, ohne rechtzeitig wie bei Gareth Edward und Rogue einzugreifen, als das Projekt zu entgleisen drohte. Aber all das befindet sich natürlich komplett im Reich der Spekulationen.

Was für die Zuschauer bleibt ist, wie auch schon bei Willow zuvor oder zahlreichen Netflix-Serien, bei denen alle vorzeitig der Stecker gezogen wurde, nur mal wieder Zeitverschwendung und neuer Datenmüll. Ob Disney mit den etablierten Charakteren aus The Acolyte noch irgendwas vor hat, ist mindestens genau spekulativ zu betrachten wie das Thema, wer die Serie genau vor die Wand gefahren hat. Und somit steht Disney weiterhin vor einer Mammutaufgabe, eine neue, überzeugende Spielfilmtrilogie zu erschaffen. Ob die kommenden Projekte von Feige und Filoni Besserung mit sich bringen werden, was die allgemeine Qualität von Star Wars angeht, da sollte man nach The Acolyte mit extrem angepassten Erwartungen herangehen. Feiges Ambitionen dürften bei den neuen Avengers Filmen liegen, Filoni scheint sich bereits während der vergangenen Jahre mit seiner Arbeit an Star Wars ein wenig verbraucht zu haben. Bei The Acolyte hat Disney wieder einmal eine super Chance vertan, das Franchise auf sinnvolle Art weiterzuentwickeln.


Artikel verfasst von: Aufziehvogel

Mittwoch, 31. Juli 2024

Einwurf und Review: Deadpool & Wolverine: Sympathischer Schabernack

 


Dieser Artikel enthält Spoiler zu Deadpool & Wolverine. Weiterlesen auf eigene Gefahr!



Die Idee zu einer Live-Action-Adaption zu Deadpool & Wolverine ist vermutlich älter als das MCU (Marvel Cinematic Universe) selbst. Bereits vor einigen  Jahren erschien eine vermeintliche Post-Credits-Szene zu Logan*, die sich jedoch schnell als äußerst gelungener Fake entpuppte und aktueller gar nicht sein könnte: Die Szene zeigt Deadpool am Grab des verstorbenen Wolverine, der von den geretteten Kindern in Logan zu Grabe getragen wurde. Was hier als vermeintlicher Teaser für Deadpool 2 galt, ist nun praktisch der Auftakt zum dritten Deadpool Film, dem ersten im MCU. Ein wahrer Schelm, wer böses dabei denkt, dass dieser Fan-Teaser nicht die Inspiration für Deadpool & Wolverine war, den Film am Grab von Logan aka Wolverine zu starten.

Lange war unklar, ob dieser Film jemals zustande kommen würde und welchen Weg Disney hier einschlagen würde, die bis dato eine strikte PG-13 Politik verfolgten. Doch wie könnte Disney nach seiner Übernahme von 20th Century Fox ignorieren, dass Fox eben zwei der erfolgreichsten R-Rated Streifen aller Zeit in die Kinos gebracht hat?

Während sich das MCU nach Endgame in einer nicht enden wollenden Talfahrt mit gelegentlichen Hochs im Serienbereich befindet und nach seiner eigenen Identität sucht, setzten Disney und Produzent Kevin Feige alles auf eine Karte: R-Rated und viel Nostalgie-Bezug auf Filme, die rein gar nichts mit dem MCU zu tun haben. Mit dem Kinostart am 24.07 (deutscher Kinostart) endete eine langjährige Odyssee um einen Film, der mehr Legende und Damoklesschwert war als etwas, was für Fans der Comic-Antihelden wirklich greifbar war. Mit einem Budget von etwas über 200 Millionen Dollar hat der Film weltweit bereits knapp 500 Millionen Dollar eingespielt was ihn zum erfolgreichsten R-Rated Opening aller Zeiten macht.

Doch wie kann ein Film überzeugen, der nicht nur das MCU wieder auf Vordermann bringen sollte sondern zeitgleich auch auf das Erbe längst vergangener Filme eingehen sollte? Die Antwort darauf ist einfach; gar nicht. Man kann denke ich ganz entspannt sagen, Deadpool & Wolverine ist kein Film, der das MCU auf ein neues Level hievt und nach wenigen Minuten im Film wird klar, dass das niemals die Intention war. Etwas, was besonders vielen professionellen Kritiken sauer aufgestoßen ist und bei nicht wenigen für Hyperventilation sorgte. Der von Kritikern auserkorene heilige Gral, der das MCU nachhaltig verändern sollte, kocht letztendlich auch nur mit ganz bewährten Zutaten und genau diese Zutaten sind es, die diesen Film zu dem Feuerwerk gemacht haben, welches er ist. Zelebriert wird das Popcornkino, Toiletten-Humor und absurde Gewaltorgien, wie man sie unter Disneys hauseigenem Label so noch nicht gesehen hat. Und viel weniger wird hier das MCU zelebriert als viel mehr eine glorreiche Vergangenheit an Filmreihen, die unter den alten Besitzern nie einen wirklichen Abschluss fanden. Feige und Regisseur Shawn Levy konnten hier wahrhaftig aus einem *Pool* von Lizenzen an Marvel-Charakteren fischen. Eine regelrechte Lizenz-Angelei!

Während die Magazine den Film dafür abstraften, nicht die Chance wahrgenommen zu haben, sowohl Deadpool als auch die schon etwas länger in das MCU integrierten X-Men sinnvoller in den aktuellen Kanon einzubauen und neue Story-Arcs zu spinnen, entwickelte sich Deadpool & Wolverine binnen kürzester Zeit zu einem Publikumsliebling. Zu behaupten, der Film würde das MCU weitgehend ignorieren, ist übrigens, nur mal so gesagt, ebenfalls eine maßlose Übertreibung. Natürlich muss auch Deadpool & Wolverine Federn lassen wenn es um konfuse Multiversen geht die wiederum den Tod im MCU fast gegenstandslos machen sowie vielleicht 1-2 Meta-Gags zu viel vom Stapel gelassen werden, aber alle Verantwortlichen haben es dann doch geschafft, eine so unfassbare Harmonie und Synergie unter den vielen verschiedenen Charakteren zu erschaffen, dass die nicht so gelungenen Aspekte im Film in den Hintergrund rücken.

Die Hauptmission dürfte gewesen sein, Marvel mit Stil in die Kinos zurückzubringen. Diese Mission dürfte vollends gelungen sein. Nicht nur sprechen dafür die weltweiten Ergebnisse am Box Office, sondern allen voran auch die positiven Reaktionen der Fans, die Freude an dem Film hatten. Und das Wort "Freude" war im Bezug auf Marvel zuletzt etwas, was arg auf der Strecke geblieben ist. Der mutige Schritt, sich weniger auf das MCU als viel mehr auf Legacy-Charaktere zu fokussieren, war ungeheuer riskant.

Während IGN in einem kontroversen Video noch vor Kinostart dafür plädierte, dass die X-Men einen neuen Wolverine bräuchten und man sich nicht länger an die alten Charaktere klammern sollte, so beweist doch besonders das Duo Deadpool und Wolverine, zu welchen Schauspielern sich die Fans eines strauchelnden Filmuniversums hingezogen fühlen. Hugh Jackmans Bedingung, noch einmal in die Rolle zu schlüpfen, die ihm Weltruhm einbrachte, war dieser Film, dieses Duett mit Deadpool. In einem Film, wo es um Konklusion und Abschiede geht, so könnte es für Jackman als Wolverine tatsächlich der finale Schwanengesang gewesen sein. Eine Rolle, die seit exakt 24 Jahren von einem einzigen Schauspieler verkörpert wird, wird verdammt schwer zu ersetzen sein (besonders wenn man bedenkt, dass sämtliche X-Men Schauspieler bereits von mehreren Darstellern im laufe der Jahre gespielt wurden). Um vielleicht auch mal einen kleinen Tusch für das Video von IGN auszusprechen; vielleicht hat man es versäumt, zeitig auch andere Darsteller für die Rolle des Wolverine interessant zu machen. Nach dem Abgang von Sean Connery als James Bond (auch so ein "Never say Never Typ wie Jackman) hatte man schnell geschaltet, den legendären Charakter alle Jubeljahre auch von anderen Darstellern mit eigener Identität spielen zu lassen. Doch besonders Comicfiguren sind so verwurzelt mit ihren Darstellern, die sie zuerst gespielt haben, dass es schwierig ist, passenden Ersatz zu finden. Nicht umsonst feierte man in Spider-Man: No Way Home den endgültig letzten Auftritt von Tobey Maguire als Spidey sowie Wesley Snipes in seinem vermutlich ebenfalls letzten Auftritt als Daywalker Blade in Deadpool & Wolverine. Irgendwann einmal Ryan Reynolds (immerhin auch noch Produzent und Co-Autor des Films) als Deadpool ersetzen zu müssen, scheint ein kaum machbares Unterfangen zu sein.

Insgesamt mussten Fans viele Jahre auf Deadpool & Wolverine warten. Und noch mehr als zwei Jahrzehnte mehr, Wolverine in seinem ikonischen X-Men Dress bewundern zu dürfen. Trotz des Erfolges des Films ist die Zukunft des MCU weiterhin ungewiss. Feige ist sich bewusst, wie wichtig Identität und Wiedererkennungswert für so ein massives Franchise sind. Die Post-Avengers-Ära erwies sich als schwierig, besonders, wenn es um große Kinofilme ging. Dafür konnte man im Segment Serie mehr glänzen, was man vor allem WandaVision und Loki zu verdanken hat. Mit Kang als großen, übergreifenden Bösewicht und Thanos-Nachfolger (und Skandale rund um seinen Darsteller Jonathan Majors) landete man trotz Potential einen gewaltigen Fehltritt, den man nun wieder ausbügeln möchte. Ziel ist nichts geringeres, als weiterhin den Erfolg von Deadpool & Wolverine zu imitieren und die Kinokassen klingeln zu lassen. Auf der diesjährigen San Diego Comic Con hat Feige den Knaller gezündet: Für die beiden neuen Avengers Abenteuer holt man die Russo Brüder auf den Regiestuhl zurück und zaubert Iron Man Robert Downey Jr. als Marvels wohl bekanntesten Bösewicht Victor von Doom (Doctor Doom) aus dem Hut. Ein gefährliches (End)game und Ritt auf der Rasierklinge. Besonders an Star Wars hat man die letzten Jahre mehr als deutlich gespürt, wenn das teuflische Spiel mit der Nostalgie zum Verhängnis werden kann.

Aber die ungewisse Zukunft des MCU soll die Stimmung nicht trüben. Deadpool & Wolverine ist sympathischer Schabernack, wie man ihn schon länger nicht mehr im Kino geboten bekommen hat. Ein Film, dessen Ziel es nicht war, ein gesamtes Filmuniversum miteinander zu verbinden und auf neue Bahnen zu führen, aber vielleicht in einigen Jahren als der Film bezeichnet wird, der dieses Filmuniversum vor seiner endgültigen Bedeutungslosigkeit gerettet hat. Wenn dafür lange in Rente geschickte Superhelden, entstellte Hunde, ein zu den Backstreet Boys *NSYNC tanzender Deadpool, die eingeölten Männerbrüste von Wolverine und sogar die Hilfe von Madonnas Gebetssong nötig waren, dann hat sich das Risiko und der Aufwand dafür in jedem Aspekt gelohnt.



*Link führt in einem neuen Fenster zu YouTube



Artikel: Aufziehvogel