Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Montag, 31. Oktober 2022

Halloween-Rezension: Sensor (Junji Ito)

 



Japan

Sensor
Originaltitel: Muma no Kikou
Autor und Zeichner: Junji Ito
Verlag: Carlsen
Format: Hardcover
Übersetzung: Jens Ossa
Genre: Horror, Mystery


Japans Horrormeister Junji Ito beglückt seine wartenden Fans immer seltener mit brandneuen Werken. Er lässt sich für seine Fieberträume gerne Zeit. Doch wenn Ito an einem neuen Einzelband oder neuen Kurzgeschichten sitzt, dann beschwört er die pure Anarchie hinauf. Sensor entstand zwischen 2018-2019 und die einzelnen Kapitel wurden kurze Zeit später in seiner Heimat dann auch als einzelner Sammelband veröffentlicht. Sensor zählt somit zur "Horror World of Junji Ito", eine riesige Anthologie, die Itos One-Shots und Kurzgeschichten beinhaltet.

Es hat zwar etwas gedauert, aber nun hat sich auch nach kleineren Versuchen vor einigen Jahren mit Uzumaki und Gyo der Carlsen Verlag etabliert, was die Veröffentlichungen von Junji Ito angeht. Man veröffentlicht in einem schicken, einheitlichem Design Hardcover-Ausgaben zu bezahlbaren Preisen. Somit dürfte Junji Ito auch in Deutschland nun eine feste Heimat haben.

Sensor ist, wie nicht anders zu erwarten, wieder einmal eine bizarre Geschichte, die ich nicht wirklich erklären oder beschreiben kann. Ein Fiebertraum passt hier schon, aber die Geschichte hat besonders durch seine abstrakten Illustrationen etwas hypnotisierendes. Beim lesen der Geschichte ist mir daher folgendes aufgefallen: Sensor könnte völlig ohne Probleme eine zusätzliche Geschichte in "Der König in Gelb" von Robert Chambers sein, ein Mythos, den später auch H.P. Lovecraft weiterführen sollte.




Sensor ist auf den ersten Blick nicht der gewohnte blanke Horror, den man von ihm kennt. Im Fokus steht ein wenig japanische Folklore, allen voran der stille Vulkan Sengoku und ein kleines, ländliches Dorf direkt in der Nähe. Das Dorf ist vollkommen bedeckt von Pele-Haar (zum besseren Verständnis führt hier ein Link in einem separaten Fenster zu Wikipedia). Diese goldenen Fäden, so die Dorfbewohner, verleihen ihnen übernatürliche Fähigkeiten. Als eine junge Frau das Dorf besucht, wird sie bereits mit offenen Armen empfangen - ihr Besuch wurde von den Dorfbewohnern vorhergesehen und sie soll das auserwählte Medium sein, dessen Ankunft schon lange vorausgesagt wurde. Der Albtraum für alle Beteiligten beginnt damit erst und es finden seltsame und bizarre  Ereignisse über ganz Japan verteilt statt.

Wie üblich bei Junji Itos One-Shot Geschichten, besitzt jedes Kapitel das Potential dazu, als eigenständige kleine Kurzgeschichte durchzugehen. Ein Reporter ist dem Mysterium auf der Spur und gerät dabei immer tiefer in eine Geschichte, die ihn regelrecht den Verstand rauben wird. Je weiter die Geschichte in Sensor geht, desto mehr kommt Itos klassischer Horror, Extremsituationen und sein herrlicher schwarzer Humor zur Geltung. Ito scheut sich auch in Sensor nicht vor Absurditäten, die nur er in ein Horrorgewand verpacken kann, welches die Leser noch für einige Zeit nach Beendigung der Geschichte begleiten wird. Daher geht die Warnung gleich mal raus: Obwohl Sensor relativ bodenständig beginnt, gibt es auch hier wieder eine ordentliche Portion Body-Horror, der vor einem gewissen Grad an Ekel nicht zurückschreckt. Doch wie immer kommen auch eine subtile Gesellschaftskritik und die ganz menschlichen Abgründe der verschiedenen Charaktere hier nicht zu kurz.





Abschließende Gedanken

Nach Remina ging es für mich geradewegs weiter zu Sensor. In beiden Werken entfaltet sich der ganze Wahnsinn von Junji Itos Horrorwelt. Ich habe aufgegeben zu versuchen, Itos Stil und Geschichten zu erklären. Wie in meinem Beitrag von 2017 schon erwähnt: Man muss die Geschichten selbst erleben und auf sich wirken lassen. Ohne Frage sind Itos Geschichten aber auch der perfekte Begleiter zu Halloween. Am besten, man deckt sich mit so vielen Bänden wie möglich ein und, sofern es die Zeit zulässt, verbringt eine komplette Nacht damit, sie in einem gedimmten Raum, ohne Technikgedöns in Reichweite und laufenden Fernseher im Hintergrund, zu lesen. Dem Wahnsinn wird man nach so einer Nacht sicherlich ein Stück näher gekommen sein.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Mit Dokico geht in Deutschland nächstes Jahr der erste Light Novel Verlag an den Start

 

Copyright: Dokico


Eine Meldung, die mich in den vergangenen Tagen sehr erfreute war die Ankündigung des ersten eigenständigen Light Novel Verlags in Deutschland. Das Team hört auf den Name "Dokico", welches sich aus den Worten "Doki-Doki" und "Comedy" auseinandersetzt und auch gleichzeitig das Verlagsmotto zur Geltung bringt: Emotionen und Unterhaltung. Man möchte die bunte Vielfalt der japanischen Belletristik deutschen Lesern näher bringen und möchte Genres wie RomComs, Drama, Slice of Life und Mystery abdecken. Von Isekai möchte man sich wohl vorerst fernhalten.
Für das Logo des Verlags gab es bereits prominente Unterstützung: Hierfür war der Highschool DxD Mangaka Hiroji Mishima verantwortlich.

Der Verlag soll 2023 seine ersten Titel veröffentlichen. Veröffentlichen will man Printausgaben und E-Books, zudem soll es über den hauseigenen Shop wohl noch Spezialeditionen geben.
Aktuell gibt es zwar noch keine angekündigten Lizenzen, man sollte aber wachsam die Website des Verlags beobachten, was sich da in kommender Zeit tun wird.

Sofern man sich an gewisse Spielregeln hält, kann man dem sehr sympathischen Team vom Dokico Verlag auch Lizenzwünsche schicken. Was man beachten muss erfährt man in einem kleinen FAQ. Da ich mich hier nicht selbst jinxen möchte, verrate ich in diesem Absatz einfach mal nicht, was ich mir gewünscht habe ;P

Der Aufziehvogel drückt dem Team alle verfügbaren Daumen, da das Thema Light Novels in Deutschland immer noch eine Herausforderung sein dürfte. Was in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich unlängst etabliert ist, ist bei uns in Deutschland noch immer eine Nische. Auf diesen Verlag aufmerksam zu machen war also Pflichtprogramm!


Link zur Website (Öffnet neues Browserfenster zur Website des Verlags): Dokico

Samstag, 1. Oktober 2022

Durchgeschaut und durchgelesen: Das ABC der Videospiele Level 2 (Gregor Kartsios)

 



Deutschland 2022


Das ABC der Videospiele Level 2
Autor: Gregor Kartsios
Format: Hardcover, E-Book
Genre: Sachbuch, Videospiele



Es ist nicht ganz ein Jahr vergangen, da habe ich kurz vor Jahresende im Dezember in meinem ersten "Durchgeschaut und durchgelesen" den ersten Band zu "Das ABC der Videospiele" von Gregor Kartsios besprochen, den die meisten vermutlich trotz mittlerweile zwei erfolgreicher Bücher wohl immer noch als Retro-Meister bei Rocket Beans und JRPG-Fanatiker auf seinem eigenen YouTube Kanal am besten kennen. Und letztes Jahr gab es von mir den Hinweis als Fan der guten alten Retrozeit das Sachbuch von Gregor nicht zu verpassen. Besonders für ein Debütwerk (und ganz besonders zu einem sehr sympathischen Preis) war das ABC der Videospiele eine mehr als interessante Lektüre, auch ganz abseits des wöchentlichen Retro Klubs bei den Rocket Beans.

Von A-Z schrieb sich Gregor in dem ausführlichen ersten Band durch die frühen Anfänge der Videospielwelt. Kritik zu vergeben hatte ich kaum. Einige Themen hätten ein wenig ausführlicher besprochen werden können, ein paar Themen hätten etwas nischiger sein können und die Auswahl der Bilder und die Größe der Bilder war nicht ganz so optimal. Keine 12 Monate später zähle ich das ABC erneut auf und muss feststellen: An genau diesen Stellschrauben wurde gearbeitet. Während ich krank im Bett lag begleitete mich die Fortsetzung, diesmal noch umfangreicher, erneut von A wie Activision bis Z wie Zilog Z80.

Dank des größeren Inhalts konnten in Level 2 die Themen noch ausführlicher besprochen werden, die Themen sind allgemein ein wenig "nischiger" geworden (besonders für Fans japanischer Videospiele ist hier einiges dabei) und die Auswahl und Auflösung der abgedruckten Bilder hat sich noch einmal deutlich verbessert. Und dann gibt es auch noch für alle Masochisten die mal mit Konami sympathisierten besonders emotionale Themengebiete die nicht unter K wie Konmai, sondern unter H wie Hideo Kojima oder S wie Silent Hill zu finden sind!


                                                                 Metal Gear Solid


Die Zutaten aus dem ersten Band wurden zudem in dieser Fortsetzung weiterverwendet. Nur ganze 2 Seiten benötigt Gregor für ein Vorwort, hält sich nicht an staubigen Belanglosigkeiten auf und kommt direkt zur Sache. Die Texte haben alle eine optimale Länge, sind weiterhin gut verständlich und sympathisch verfasst und ausgezeichnet recherchiert. Der Autor hat sich hier aber nun selbst die Freiheit genommen, sich nicht selbst durch die Länge eines jeweiligen Artikels unter Druck zu setzen. Jedes Thema bekommt so viel Zuwendung, bis es abgearbeitet ist. So gibt es in Level 2 eine recht üppige Besprechung über die gefühlt zweihundertjährige Entwicklungszeit von Duke Nukem Forever.

Für alle Fans von "Spiele mit Bart" (Rocket Beans Showformat mit Gregor und Simon) gibt es übrigens auf Seite 22 ein kleines Easter Egg).


                                                                       Silent Hill



Besonders hervorheben möchte ich hier die Auswahl der Bilder, die stimmig aus offiziellen Postern, Promomaterial, Screenshots, Artworks und Covern zusammengestellt wurde. Es gibt hier zudem auch noch einige schöne Vintage-Scans, die alle sehr gut in die Artikel eingebunden wurden.

Zu den weiteren Themen im ABC gehört auch ein großer Abschnitt zu Mortal Kombat, welches geschickt mit dem Thema Jugendschutz und der damaligen Problematik nicht nur in Deutschland verknüpft wurde. Die guten Nachrichten: Über die Anfangszeit von Mortal Kombat darf auch endlich in der Bundesrepublik wieder berichtet werden, was besonders für die Videospielhistorie relevant ist, zuletzt wurden zahlreiche ältere Mortal Kombat Titel vom Index entfernt, nachdem neuere Titel bereits zügig in Deutschland eine Altersfreigabe bereits erhalten hatten.

Level 2 widmet sich auch dem Thema Videospiel Engine. Unter U wie Unreal Engine befindet sich ein sehr interessanter Artikel über die wohl geschichtsträchtigste Engine in der Welt der Videospiele.

Während die ruhmreiche Historie auch für Videospiele bereits geschrieben ist, merkt man aber immer wieder wie kurzlebig die Gegenwart doch ist. In einem der letzten großen Artikel - nämlich unter Y wie Yu Suzuki, berichtet der Autor noch über eine geplante Fortsetzung des Shenmue Anime und einer Hoffnung für einen vierten Teil der Videospielreihe; erst vorgestern wurde die Serie trotz guter Klickzahlen und sehr zum Unmut der Produzenten eingestampft.



Abschließende Gedanken


Das ABC der Videospiele Level 2 ist praktisch das Mortal Kombat 2 unter den Sachbüchern. Es übernimmt die Stärken des Originals und expandiert sinnvoll in zahlreiche verschiedene Richtungen. So ist auch hier erneut ein umfangreiches Sachbuch über das Thema Videospielhistorie entstanden, welches immer bei der Themenauswahl und ganz besonders die Länge der Themen On Point ist. Die Hardcover-Aufmachung passt sich nahtlos dem Erstling an und ist für einen Preis von 16 Euro erneut robust verarbeitet. Gregor Kartsios hat nun schon zweimal bewiesen, dass er das Alphabet von A-Z drauf hat. Und wer weiß schon, ob er nicht auch noch ein drittes mal das Alphabet runterbeten kann. Da fällt mir ein, Super Mario Spiele haben ja meistens 8 Welten!