The Acolyte
Plattform: Disney+
Showrunnerin: Leslye Headland
Darsteller: Lee Jung-jae, Amandla Stenberg, Manny Jacinto, Dafne Keen, Carrie-Anne Moss
Star Wars im Jahr 2024: In irgendeiner Galaxie voll von Young Adult, Fanfiction und schlechtem Writing angekommen
Dieser Artikel enthält Spoiler
In einen englischen Stew kommt viel rein. Manchmal möchte man gar nicht wissen, was sich in diesem Eintopf befindet. Im Falle von The Acolyte, der neusten Star Wars Serie, wird man wohl spätestens nach den 8 Folgen wissen, was da auf dem Feuer am köcheln ist. Showrunnerin Leslye Headland ist hier die Köchin und hat sparsam gekocht. Viel altes, aufgewärmtes ist in diesem Eintopf gelandet, viele unbekannte Zutaten und irgendwo ganz unten, da haben sich auch ein paar frische Zutaten versteckt. Doch bis der Gast diese in seinem Teller wiederfindet, ist die Brühe bereits kalt.
Ungefähr so verhält es sich mit The Acolyte, eine Serie, die in der High Republic angesiedelt ist, eigentlich von Frische und Ideenreichtum nur so strotzen müsste und praktisch auf ganzer Linie versagt, ohne dabei aber komplett für die Tonne zu sein. Ich würde The Acolyte am Ende immer noch über "The Rise of Skywalker" stellen, was vielleicht bei all der Kritik, die die Serie abbekommen hat (darauf gehe ich gleich noch etwas intensiver ein), eine kontroverse Sichtweise ist.
Der nachfolgende Texte war ursprünglich als Review der ersten und bereits letzten Staffel zu "The Acolyte" gedacht und mit komplett anderer Überschrift versehen. Aus zeitlichen Gründen konnte ich das Review nicht fertigstellen und die aktuellste Meldung um die Star Wars Serie sorgte dafür, dass das reine Review flach fällt und ich stattdessen noch einmal auf die Gründe für das scheitern von The Acolyte zurückblicken möchte. Denn vor einigen Stunden gab Disney etwas bekannt, was vielen unlängst klar war: Obwohl The Acolyte eindeutig auf mehrere Staffeln ausgelegt war, hat Disney die Serie nicht für eine zweite Staffel erneuert und bereits zu Grabe getragen. Es gab neben heftiger Kritik der Serie gegenüber aber auch einiges an Zuspruch, sogar eine Petition, die an Disney appellieren sollte, The Acolyte um eine weitere Staffel zu verlängern. Die Entscheidung von Disney ist gefallen und das gegen The Acolyte; nach nur einer Staffel (8 Episoden) ist Schluss. Ob die Serie eine Höchststrafe wie Willow erwarten könnte und in absehbarer Zeit vom Streamingdienst Disney+ verbannt wird, bleibt abzuwarten.
Doch die Gründe, wieso The Acolyte gescheitert ist, sind vielzählig. Vielleicht muss man wirklich nur nach Willow schauen, um sich all zu große Analysen zu ersparen. Denn die Probleme von The Acolyte sind hausgemacht. Die um die 100 Millionen Dollar teure Serie von Leslye Headland vermeldete bereits im Vorfeld immer wieder Verzögerungen bei der Produktion. Die Dreharbeiten waren anscheinend kraftraubend, weshalb die Showrunnerin sich auch eine Auszeit gönnte. Diese gab sich aber kämpferisch und bestätigte nicht nur, sie hätte bereits viele Ideen für eine zweite Staffel sondern wäre auch an einer Serienumsetzung aus der Old Republic interessiert. Dass Headland je noch einmal Hand an Star Wars anlegen wird ist noch unwahrscheinlicher, als wenn Kathleen Kennedy noch einmal Rian Johnson (Regie: Die letzten Jedi) zurück zum Franchise bitten würde.
Kaum frische Ideen
Die High Republic dürfte besonders für lesefreudige Star Wars Fans einiges zu bieten haben und mit politischen Intrigen, neuen Bösewichten wie den Nihil sowie eine ebenfalls neue Sichtweise auf den Orden der Jedi zu der Hochzeit ihrer Macht, die Vorfreude auf den Ausbau des Multimediaprojekts erhöht haben. Dass sich The Acolyte nun so weit von den Romanen abkapselt und wieder einmal größtenteils nur das aufwärmt, was die vergangenen Filme etabliert haben, dies dürfte die wohl größte Enttäuschung sein, die diese Staffel mitgebracht hat. Genau genommen taten Headland und ihr Team nichts anderes, als die Geschichte von Episode I-III nochmal neu zu erzählen. Dies garnierte man ein wenig mit dem Stil von Kurosawa (Headland erwähnte mehrmals "Rashomon" als Inspiration), der zumindest narrativ die Serie noch etwas hervorheben konnte, bevor sie in völliger Ideenlosigkeit zu versinken drohte. Die Twists in der Serie wittert man aus meilenweiter Entfernung. Niemand dürfte beim Face-Reveal des Sith noch überrascht gewesen sein. Und jeder, der auch nur etwas mit dem Schicksal von Anakin Skywalker vertraut ist, weiß, wie die Geschichte der Zwillinge, insbesondere aber von Osha, ausgehen wird. Dass sich Headland hier wirklich dazu herabgelassen hat, die Geschichte des kleinen Ani auf ihre Serie und ihre eigenen Charaktere anzuwenden, darf daran zweifeln lassen, ob sie jemals eigene Ideen besaß, wo sie angeblich doch unzählige Ideen für Star Wars Serien hatte. Auch viele andere Elemente der Serie und etliche Charaktere besitzen keine eigene Identität, Jedi-Meister Sol (ausgesprochen wird es wie die südkoreanische Hauptstadt und verkörpert wird dieser von Squid Game Star und bekennender Star Wars Fan Lee Jun-jae) könnte dabei glatt eine High Republic Kopie von Qui-Gon Jinn sein. Der fremde, namenlose Sith hingegen wirkt wie eine etwas selbstbewusstere Variante von Kylo Ren aka Ben Solo. Dem Team stand hier ein komplett neues, unverbrauchtes Universum bevor, stattdessen lies man dieses Potential völlig ungenutzt. Somit bleibt Andor weiterhin die einzige Star Wars Serie, die sich trotz eher verhaltener Viewzahlen traute, keine ausgelutschten Plots und Charaktere zu melken.
Kein wirkliches Konzept
Trotz einiger Lichtblicke und den recht gut inszenierten Episoden 4 und 5 ist ein wirkliches Serienkonzept bei The Acolyte nie zu erkennen gewesen. Das Schicksal der Charaktere schien vorherbestimmt zu sein, bevor man sie näher kennenlernen durfte. An den Schauspielern lag es nicht wirklich, auch, wenn besonders das hölzerne Schauspiel von Amandla Stenberg in den ersten Episoden negativ aufgefallen ist. Dies dürfte aber besonders an der völlig sinnbefreiten Idee gelegen haben, die junge Schauspielerin mit einer Doppelrolle zu belasten, die am Ende für die Serie mehr Fluch als Segen war und sowieso zu nichts führte. Zahlreiche interessant anmutende Charaktere wie die von der legendären Carrie-Anne Moss gespielte Jedi-Meisterin Indara und die von Dafne Keen gespielte Padawan Jecki Lon wurden hingegen verheizt. Der von Manny Jacinto gespielte Sith brachte einiges an Potential mit, durch das absetzen der Serie werden wir aber nie erfahren, wie es in seinem Charakter-Arc noch weitergegangen wäre - oder könnte. Es wäre kein Ding der Unmöglichkeit für Disney, einige potentiell interessante Handlungsstränge in eine Nachfolgeserie einzubauen. Der von Lee Jung-Jae gespielte Jedi-Meister Sol basiert zumindest auf einem Konzept, was durchaus in die Anfänge von Star Wars zurückgeht. So sollte es bereits im allerersten Film einen asiatischen Jedi-Meister geben und die erste Wahl für die Rolle des Obi-Wan Kenobi fiel ursprünglich auf den Japaner Toshirō Mifune (hier schließt sich der Kreis, Mifune spielte die Hauptrolle in Rashomon). Doch auch Jedi-Meister Sol wird leider durch wenig interessantes Writing eher von einem potentiell interessanten Charakter zu einem MacGuffin degradiert, der am Ende für einen weiteren, vorhersehbaren Twist geopfert wird.
Headland plante hier wohl Agatha Christie meets Rashomon. Eine Murder-Mystery im Weltall rund um die Verschwörung einiger Jedi, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Auf dem Papier mag das durchaus spannend klingen, die Umsetzung selbst hingegen ist genau so kreativ wie einen Wookie-Jedi einzubauen und ihn ohne Lichtschwertkampf Off-Screen sterben zu lassen.
Weitere Staffeln wären nur ein verlängerter Prolog zur Prequel-Trilogie gewesen
Man muss kein nerdiger Star Wars Analyst sein, um sich die Geschichte von The Acolyte weiterzuspinnen. Zwar gab Headland meines Wissens keinen Ausblick auf ihre weiteren Ideen, aber da gleich drei Charaktere aus der Prequel-Trilogie in der Serie vorkommen, kann man wohl absehen, wohin die Reise gegangen wäre. Besonders der für wenige Frames im Bild erscheinende Darth Plagueis, der in The Acolyte seinen ersten offiziellen Auftritt feierte, lässt eher schlimmeres als Vorfreude erahnen. In Staffel 3 oder 4 hätte sich The Acolyte vielleicht zu einer Palpatine Prequel-Story entwickelt und Disney hätte erneut bewiesen, dass sie ohne die Skywalkers, Yoda, den Imperator und wie sie nicht alle heißen, auskommen. Dabei blitzt besonders die Eigenständigkeit von The Acolyte halt auch immer mal wieder auf. Auch hier bekommt man einen doch relativ unverbrauchten Einblick in die Verschlagenheit der Jedi, die teilweise mit einer unnahbaren Arroganz zu Werke gehen. Auch der Einblick in fremde Kulturen und Gepflogenheiten war sonst immer nur Star Trek vorbehalten, während Star Wars diesen World Building Aspekt häufig komplett ignorierte und in The Acolyte deutlich mehr Beachtung findet (und wir trotzdem am Ende nicht schlauer sind, wer die Hexen nun waren).
Doch all das war letztendlich zu wenig, um The Acolyte zu einer eigenständigen Existenz im Star War Universum zu machen.
Was ist am Ende geblieben?
Am Ende ist nicht viel mehr geblieben als eine Idee, die entweder zu ambitioniert war oder einfach auch nie mehr Potential zu etwas größerem hatte. Ein paar gut choreographierte Kämpfe, etwas frische Lore und ein paar neue Facetten der Jedi trösten nicht über das hinweg, was The Acolyte rund 8 Folgen hauptberuflich macht. Und das ist nichts weiter, als die Zuschauer noch einmal mit alten Kamellen zu bewerfen. Und somit entpuppte sich The Acolyte doch als eine weitere Sackgasse für das Star Wars Franchise. Gefangen in seiner eigenen Nostalgiespirale, obwohl man so gerne neue Galaxien bereisen möchte. Ob man Headland alleine diesen Misserfolg zuschreiben kann, kann man nicht so leicht beantworten, da so eine TV-Serie das Produkt vieler handelnder Personen ist. Doch sie hat sich oft genug eben in jenen Mittelpunkt gestellt in Interviews und ihr Name ist mehr als prominent im Abspann jeder Folge zu sehen. Genau wie bei Rian Johnson hat man der Showrunnerin wohl zu viele Freiheiten gelassen, ohne rechtzeitig wie bei Gareth Edward und Rogue einzugreifen, als das Projekt zu entgleisen drohte. Aber all das befindet sich natürlich komplett im Reich der Spekulationen.
Was für die Zuschauer bleibt ist, wie auch schon bei Willow zuvor oder zahlreichen Netflix-Serien, bei denen alle vorzeitig der Stecker gezogen wurde, nur mal wieder Zeitverschwendung und neuer Datenmüll. Ob Disney mit den etablierten Charakteren aus The Acolyte noch irgendwas vor hat, ist mindestens genau spekulativ zu betrachten wie das Thema, wer die Serie genau vor die Wand gefahren hat. Und somit steht Disney weiterhin vor einer Mammutaufgabe, eine neue, überzeugende Spielfilmtrilogie zu erschaffen. Ob die kommenden Projekte von Feige und Filoni Besserung mit sich bringen werden, was die allgemeine Qualität von Star Wars angeht, da sollte man nach The Acolyte mit extrem angepassten Erwartungen herangehen. Feiges Ambitionen dürften bei den neuen Avengers Filmen liegen, Filoni scheint sich bereits während der vergangenen Jahre mit seiner Arbeit an Star Wars ein wenig verbraucht zu haben. Bei The Acolyte hat Disney wieder einmal eine super Chance vertan, das Franchise auf sinnvolle Art weiterzuentwickeln.
Artikel verfasst von: Aufziehvogel