Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 28. Januar 2016

Review: The Hateful Eight




Trailer





USA 2015

The Hateful Eight
Drehbuch und Regie: Quentin Tarantino
Musik: Ennio Morricone
Darsteller: Samuel L. Jackson, Kurt Russel, Jennifer Jason Leigh, Walton Goggins, Tim Roth, Michael Madsen
Lauflänge: 167 Minuten (Digitale Version), 187 Minuten (70 mm Version)
Genre: Western, Mystery
FSK: Frei ab 16


"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."


Mittlerweile scheint es zwei Generationen an Zuschauern zu geben, die Quentin Jerome Tarantinos Filme kennen. Beide Gruppen konsumieren seine Filme anders und kommen zu völigs unterschiedlichen Fazits. 
Auf Tarantinos sehr ungewöhnliche Filmkunst bin ich über Umwege gegen Ende der 90er gekommen. Zu einer Zeit, in der "From Dusk Till Dawn" noch als Tarantino Film beworben wurde und der Name des eigentlichen Regisseurs, Robert Rodriguez, in kleinen Buchstaben auf dem Cover der VHS vermerkt war. Mit "From Dusk Till Dawn" fing jedenfalls alles an. Tarantinos Einflüsse sind trotz allem unverkennbar in dem Film enthalten, die volle Dröhnung gab es aber erst mit "Reservoir Dogs". Und so tauchte ich, viele Jahre bevor ich die Filme laut deutscher Altersfreigabe sehen durfte, in diese surreale Welt voller cooler Gangster, cooler Musik und coolen, langen, ausufernden Dialogen über Cheeseburger und Fußmassagen ein.

Mit "Kill Bill" (beide Filme zusammen) erreichte Tarantino bei mir den Status eines vollkommenen Regisseurs und dabei war es doch gerade mal sein vierter Film. Obwohl wir uns nicht persönlich kennen, muss ich gestehen, das war eine relativ harmonische Beziehung zwischen mir und Mister Tarantino. Aber gute Beziehungen gehen oftmals nach vielen Jahren auseinander, meistens aus banalen Gründen wie Interessenkonflikten. Und so endete auch diese harmonische Beziehung, zumindest beinahe. Ich muss sagen, "Death Proof" war eine harte Geduldsprobe. Aber knapp 10 Jahre nach seinem Erscheinen habe ich mittlerweile irgendwie meinen Frieden mit diesem seltsamen Kunstprojekt gefunden. Kommerziell erfolgreich was das gesamte Grindhouse Projekt nicht und es gab sowohl für Rodriguez, als aber auch erstmals für Tarantino eine Schelte von Kritikern, Fans und ganz besonders den Produzenten. In diesem Moment scheint es bei Tarantino einen Paradigmenwechsel gegeben zu haben, denn mit "Inglourious Basterds" lieferte er ein nicht weniger seltsames Kunstprojekt ab, allerdings komplett anders gestaltet als noch "Death Proof". Tarantinos Zeitreise in die Vergangenheit nach Nazi-Deutschland um mit der Magie des Kinos Adolf Hitler zur Strecke zu bringen war wirkungsvoll, kommerziell erfolgreich und war Tarantinos Medizin gegen eine sich anbahnende Abnutzungserscheinung. Ich feierte den Film im Kino ab wie meine Begleiter und das gesamte Publikum. Einige Jahre später, nach einer alleinigen Sichtung daheim ließ mich so ziemlich alles an dem Film kalt, was mich damals noch beeindruckte. Noch schneller machte sich diese persönliche Abnutzung bei mir als Zuschauer breit, als "Django Unchained" 2012 in die Kinos kam und bereits bei der zweiten Sichtung seinen Charme nicht mehr ausspielen konnte. Kommerziell noch erfolgreicher als die Basterds, will ich per se nicht sagen, Django Unchained sei ein schlechter Film, Tarantinos-Stil sucht man jedoch vergeblich (was vermutlich auch ein wenig mit dem überraschendem Tod von Tarantinos langjähriger Cutterin Sally Menke zu tun hat). Ein Film der sich zwischen Western, Rassendrama und Blaxploitation nicht ganz entscheiden kann und mich mit gemischten Eindrücken zurückgelassen hat.

Das lange schnöde Vorwort war nötig, um nun zu "The Hateful Eight" zu kommen. Da die Langzeitwirkungen von Tarantinos Filmen nach "Kill Bill" mich relativ enttäuscht haben, interessierte mich auch die kuriose Entwicklung rund um die Abscheulichen Acht relativ wenig. Tarantino würde sich erneut einem Western-Setting widmen, welches gleichzeitig auch noch im selben Universum wie Django Unchained angesiedelt ist. Ich war nicht einmal unglücklich, als Tarantino verkündete, es wird keine "Hateful Eight" geben nachdem das komplette Script vorzeitig von einem Spaßvogel Online gestellt wurde. Tarantino wurde kurze Zeit später dennoch von Darstellern und Fans ermutigt, das Script umzuschreiben und den Film dennoch zu drehen. Und so kam es schließlich auch.

Da ich Django im Kino bereits ausgelassen hatte, war ich dennoch zu neugierig, um mir das neuste Werk des großen Zampano entgehen zu lassen. Vorab-Kritiken der 70mm Fassung (ich selbst habe nur die kommerzielle, digitale Fassung im Kino gesehen) sprachen von einem Mix aus "The Thing" (Kurt Russel und Ennio Morricone lassen grüßen) und "Reservoir Dogs" angesiedelt im wilden Westen. Dass das komplette Setting (und auch der Beginn des Filmes) stark an Sergio Corbuccis "Il Grande Silenzio" (in Deutschland bekannt unter "Leichen pflastern seinen Weg") erinnert, wird wiederum gar nicht erwähnt oder von einigen passionierten Cineasten nur kurz angeschnitten.

Und so komme ich nach meiner gestrigen Sichtung zu folgender Meinung: Quentin Tarantinos "The Hateful Eight" ist weniger ein Film als viel mehr ein brillant inszeniertes Theaterstück. Es dauerte keine 2 Minuten, da zog mich Morricones bedrohliches L'Ultima Diligenza di Red Rock (welches er exklusiv, wie viele andere Stücke, für den Film komponierte) komplett in seinen Bann. Und so brauchte auch der Film nicht einmal länger als fünf Minuten, um meine vollkommene Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und dennoch blieb ich bei einer Laufzeit von fast 3 Stunden skeptisch. Einen Einbruch sollte es jedoch nicht geben, und das, obwohl die erste Stunde des Filmes verhältnismäßig ereignislos vonstatten ging. Wenn man jedoch fantastische Darsteller mit von der Partie hat, die den Film tragen, dann muss man als Regisseur keine Einbrüche befürchten. Tarantinos Dialoge sind wie immer clever geschrieben, lassen glücklicherweise aber die Selbstverliebtheit und Belanglosigkeit vermissen, die es zu einem Großteil in "Death Proof" gab und auch nicht die Basterds davon verschont blieben. Ob Kurt Russel als abgewrackter Kopfgeldjäger, eiskalt und gnadenlos, Samuel L. Jackson als undurchsichtiger Rächer für das afroamerikanische Volk oder Jennifer Jason Leigh als völlig durchgeknallte Psychopathin (meine Daumen sind für die Oscars gedrückt), jeder einzelne von ihnen macht diesen wundervollen Cast zu einem absoluten Genuss.




Tarantinos Idee über ein dreckiges Dutzend, was noch viel mehr Dreck am stecken hat als eine Sau die sich im Schlamm wälzt, ist dabei nicht einmal besonders originell oder einfallsreich. Jedoch hatte er mit seiner Idee gar nicht erst vor, das Rad in Sachen Storytelling neu zu erfinden. Man wird sogar gewisse Vorteile haben, sofern man "The Thing" und "Reservoir Dogs" gesehen hat. Denn im Gegensatz zu "Django Unchained" findet man zu den Hateful Eight einen wesentlich schwierigeren Zugang. Die Motive der Charaktere sind bis zum Schluss nicht wirklich klar, es wird viel geredet, wenig geschossen. Der Film verlangt Aufmerksamkeit vom Zuschauer. Je länger das Theaterstück, welches in 5 Kapitel unterteilt ist, andauert, desto mehr entwickeln sich die Geschehnisse in eine klassische Murder-Mystery in Agatha Christie Manier. Wenn man sich auf den Film einlassen kann, dann, wird man mit einer spürbaren Spannung und Klaustrophobie belohnt. Der Zuschauer nimmt teil an diesem klassischen Verwirrspiel um die Enttarnung des Drahtziehers.

Die kleineren Schwächen in Sachen Originalität bereits erwähnt, lebt der Film jedoch von seiner Inszenierung. Die Cinematographie von Robert Richardson ist wieder einmal eine Augenweide (und für mich umso trauriger, dass ich leider bisher nicht die 70 mm Version gesichtet habe). Die Soundkulisse setzt noch einmal einen drauf. Ich war dermaßen in den Film vertieft, dass ich mich furchtbar erschrocken habe als ein Schuss losgegangen ist.

Tarantino ist sich auch in "The Hateful Eight" treu geblieben und verspritzt werden Liter an Filmblut. Und ich rede von physischem Filmblut, nicht dieses vom Computer generierte CGI Zeug. Für die Splatter-Effekte (die im Gegensatz zu Django gut platziert sind und ihre Wirkung voll entfalten) war einmal mehr der großartige Greg Nicotero verantwortlich. Die deutsche Freigabe ist mit einem "Ab 16" Gütesiegel wieder einmal sehr großzügig.


Fazit

Ich könnte vermutlich noch stundenlang so weiterschreiben über "The Hateful Eight" und hätte vermutlich immer noch nicht alles gesagt, was ich eigentlich sagen wollte. Tarantinos neuster Streich ist eine erneute Liebeserklärung ans Kino. Sicherlich kein Film für Jedermann, alleine die Laufzeit dürfte viele abschrecken. Wer jedoch Zeit mitbringt, fantastische Darsteller und handgemachte Filmkunst in Höchstform sehen will (wovon es heute nur noch so wenig gibt), der wird bei The Hateful Eight fündig werden, da habe ich absolut keine Bedenken.

Im Abspann kommt dann auch noch einmal Roy Orbinson zum gesungenen Wort. Diesmal singt er nicht über eine Pretty Woman (die man im Film vermutlich nicht finden wird da John Ruth sämtliche hübsche Züge aus dem Gesicht von Daisy Domergue geprügelt haben dürfte), sondern darüber, dass nicht so viele Leute heimkehren werden. Die Botschaft die Tarantino hiermit übermitteln will entfaltet sich erst, wenn man den Film komplett gesehen hat. In diesem bitterbösen Theaterstück wird man keine Rechtschaffenheit oder Moral finden. Dafür aber umso mehr Egoismus und Hass. Vermutlich wird jeder Zuschauer einen Teil seiner selbst in einen dieser Hateful Eight wiederfinden. Zu dieser Erkenntnis wird man wohl kommen, wenn der letzte Vorhang dieser Aufführung gefallen ist. Für mich persönlich war diese Aufführung jedoch eine Versöhnung und ein Beweis dafür, zerbrochene Beziehungen können tatsächlich wieder zusammengeklebt werden.



Dienstag, 26. Januar 2016

Rezension: Die Versöhnung des Samurai (Lafcadio Hearn)

(Foto: Aufziehvogel)






Die Versöhnung des Samurai: Unheimliche Geschichten aus Japan
Verfasser: Lafcadio Hearn
Veröffentlichung: 2014 im Hibarios Verlag
Übersetzung: Klaus Lerch
Genre: Klassische Literatur, Märchen, Grusel



"[...]Als er aufwachte, strömte das Tageslicht durch die Ritzen der Fensterläden und zu seinem großen Erstaunen fand er sich auf einen nackten, vermoderten Boden wieder... War das alles nur ein Traum? Nein: sie war da, - sie schlief... Er beugte sich über sie, - und schaute,- und schrie,- die Schlafende hatte kein Gesicht! Vor ihm liegend, nur in ein Totenhemd gehüllt, lag der Leichnam einer Frau, - ein Leichnam, so stark verwest, dass kaum etwas blieb außer den Knochen und dem langen schwarzen Haar.

Langsam nur, als er schaudernd und sich ekelnd in der Sonne stand, wich das eiskalte Grauen einer unerträglichen Verzweiflung, einem Schmerz so stark, dass er sich an die kleinste Hoffnung klammerte, dass dieser Schrecken nun doch nicht wahr sein könne. Unwissen vortäuschend wagte er es, sich in der Nachbarschaft nach dem Hause zu erkundigen, in dem seine Frau gelebt hatte."[...]
(Auf der Geschichte: "Die Versöhnung des Samurai". Übersetzung: Klaus Lerch, Hibarios Verlag)


Lafcadio Hearn (1850-1904, auch bekannt unter dem japanischen Name "Koizumi Yakumo") reiste erst verhältnismäßig spät in seinem Leben nach Japan. Im alter von 40 Jahren (1890) bis zu seinem Tod in Jahr 1904 widmete Hearn all seine Faszination der japanischen Kultur.  Auch weit nach Hearns Ableben fungierte er quasi als Botschafter zwischen Ost und West. In Japan genoss der Autor mit Irisch-Griechischen Wurzeln ein besonders hohes ansehen und auch so viele Jahre nach seinem Tod hat er diesen Status noch inne. Mit nur 54 Jahren erlag Lafcadio Hearn einem Herzversagen.

Hearns großartiges Werk lebt natürlich weiter. Auch wenn Hearn etliche Werke verfasst hat, die man der westlichen Literatur zuordnen kann, war das Werk, welches er in Japan verfasste, jenes, welches ihn weltbekannt machte. Darunter finden sich zum einen Reiseberichte, die besonders westlichen Lesern die exotische japanische Kultur näher bringen sollen. Zum anderen, und da kommen wir nun zu jener Kategorie, die man beinahe ausschließlich mit Hearn verbindet: Geistergeschichten. So seltsam simpel es klingen mag, aber die teilweise sehr gruseligen Geistergeschichten, die Hearn neu erzählt und westlichen Lesern zugänglich gemacht hat, waren verantwortlich dafür, dass wir seine Werke auch in der heutigen Zeit noch lesen.

Der kleine Hibarios Verlag hat sich in einer schönen Edition Lafcadio Hearns Werk angenommen. Der hier besprochene Band "Die Versöhnung des Samurai" ist einer von 4 Bänden die der Verlag bislang veröffentlicht hat. "Die Versöhnung des Samurai" wurde mir von Herausgeber und Übersetzer Klaus Lerch empfohlen, und da ich ein absoluter Anfänger bin, was japanische Geistergeschichten angeht (mal abgesehen von den Werken von Koji Suzuki und Otsuichi), habe ich keine Sekunde an der Empfehlung gezweifelt. Und ich sollte letztendlich auch nicht enttäuscht werden. Mit etwas über 100 Seiten beinhaltet das Buch, ohne das interessante Vorwort mitzuzählen, 19 Geschichten (Das Format des Buches müsste A3 sein, also wesentlich größer und breiter als gewöhnliche Taschenbücher). Die Länge dieser Geschichten variiert stark. Doch ob eine Geschichte nun 2 Seiten oder 10 Seiten einnimmt, sie alle sind atmosphärisch und, überraschend für mich, tatsächlich gruselig. Viele Geschichte, ganz besonders "Von einem gebrochenen Versprechen" und die Titelgeschichte "Die Versöhnung des Samurai" haben mir einen echten Schauder über den Rücken gejagt. Jede Geschichte ist ausgestattet mit einem kleinen Twist, der aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr so schockierend rüberkommt, aber immer noch seine Wirkung erzielt.

Hearns Erzählungen, die darauf basieren, was seine Frau ihm so an bekannten japanischen Geistergeschichten vorgelesen hat, sind abgerundet und verfeinert von seinem ganz persönlichen Stil. Es sind keine bloßen Nacherzählungen. Die unheimlichen Geschichten sind auch keine Märchen im klassischen Sinne. Obwohl die meisten Geschichten Jahrhunderte alt oder älter sind, haftet ihnen bereits der typische Stil der japanischen Erzählart an, den wir ganz besonders aus modernen Werken zeitgenössischer japanischer Literatur kennen. Hearn verwestlicht die Geschichten nicht und bleibt trotz einiger geschickter Ergänzungen/Erklärungen der japanischen Literatur treu (interessant ist, Hearn philosophiert selbst innerhalb der Geschichten, kommt zu Wort und betrachtet nicht vollständige Erzählungen auch relativ kritisch). Da man keine westlichen Märchen erwarten darf, ist der Zugang zu den Geschichten für westliche Leser wie immer etwas schwieriger. Die Geschichten handeln meist von Verlusten geliebter Menschen (in diesem Band sind es häufig Beziehungen zwischen Ehepaaren), können teilweise auch sehr surreale oder gar bizarre Züge annehmen (um noch einmal auf die Titelgeschichte "Versöhnung des Samurai" zu verweisen). Ein klassisches Happy End sucht man also bei etlichen Geschichten vergebens. Und trotzdem gibt es auch einige Geschichten, die ein sehr rührendes Ende innehaben, wie zum Beispiel "Die Dankbarkeit des Samebito". Je mehr Geschichten man liest, umso schneller ist man mit dem Stil von Lafcadio Hearn vertraut.



Resümee

Jeden Abend, meistens eher Nachts, bevor ich mich schlafen gelegt habe, habe ich mir 2-3 Geschichten aufgehoben, um den Tag abzuschließen. Diese Vorgehensweise hat, ohne das ich es bemerkt habe, süchtig gemacht. Der Inhalt des Buches ist schneller aufgebraucht als man denkt. Liest man eine Geschichte, so will man gleich noch tiefer in die Welt von Lafcadio Hearns Geistergeschichten eintauchen.

Präsentiert wird "Die Versöhnung des Samurai" vom Hibarios Verlag in einer schönen Edition zu einem anständigem Preis von 12 Euro. Die Geschichten selbst sind größtenteils mit zahlreichen interessanten Bemerkungen versehen, einigen Geschichten liegt am Ende sogar eine kleine Illustration bei.

Meine Empfehlung für alle Interessenten ist daher: Spart euch die Geschichten gut auf. Konsumiert sie sparsam und am besten ebenfalls vor dem zubett gehen. Bleibt nur zu hoffen, dass euch nicht jene bösen Geistern heimsuchen werden, über die Lafcadio Hearn so gerne schreibt. Die wollen, im Gegensatz zu vielen bekannten Geistern, euch nicht bloß einen Schrecken einjagen, sondern euch regelrecht den Kopf von den Schultern reißen.

Einwurf: Was ist das Expanded Universe noch wert?




Spricht Cliegg Lars die Wahrheit? Hat Disney mit der Übernahme des gesamten Star Wars Franchise tatsächlich Mord in galaktischen Ausmaße begangen? Fragt man eingefleischte Fans des erweiterten Universums von Star Wars (Fachbegriff: Expanded Universe), werden diese meine Frage vermutlich bejahen. Für eine menge anderer Fans von Star Wars, die sich immer mal wieder in das gigantische Universum reintasten wollten, vom Umfang aber regelrecht erschlagen wurden, werden die Opferung des Expanded Universe vermutlich begrüßen, denn der Clean Cut, den Disney gemacht hat, hat auch einiges an Ballast über Board geworfen. Man hat sich stattdessen nun für ein hoch offizielles, strukturiertes sowie geordnetes Expanded Universe entschieden. Man will den Star Wars Canon auch weiterhin mit Romanen und Comics beliefern, Stories, die zum offiziellen neuen Canon gehören. Statt auf Quantität will man fortan auf Qualität setzen. Die Verantwortlichen bei Disney müssen dieses Versprechen jedoch erst einmal einhalten.


(Foto: Aufziehvogel. "Darth Plagueis" erhältlich bei Blanvalet. "Verlorene Welten" erhältlich bei Panini Books)


Um zu unterscheiden, welche Stories zum offiziellen Canon gehören und welche Stories aus dem alten Expanded Universe stammen, hat man die Werke nun mit "Legends" (alt) und "Canon" (neu) Schriftzügen versehen. Der Blanvalet Verlag hat bereits bei einigen Neuauflagen darauf geachtet, den "Legends" Schriftzug hinzuzufügen.

Das alte Expanded Universe war für viele Star Wars Jünger unverzichtbar. Der schiere Umfang jedoch machte den Einstieg für viele Neulinge jedoch nahezu unmöglich. Wo sollte man einsteigen? Manche Reihen an Romanen umfassten um die 10 Bände. Und selbst bei einer brandneuen Serie, wo sich noch keine zweistellige Zahl auf dem Cover befand, war vermutlich die Fortsetzung einer dieser Reihen. Zudem schwankte auch die Qualität vieler Werke. Die X-Wing Reihe liest sich kaum besser als eine generische Fanfiction während Werke wie die Thrawn-Trilogie es sogar mit den Filmen aufnehmen kann. Und dann gibt es natürlich auch die Werke, die weder gut noch schlecht sind und einfach komplett in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Diese "Mitteldinger" dürften auch den größten Teil des Expanded Universe ausmachen (ohne viele bekannte Serien nun zu schmälern).




Doch sind nun alle alten Geschichten wertlos? Soll man seine Sammlung an Romanen und Comics aus der "Legends-Ära" nun alle verbrennen? Haltet ein!
Weder sind eure Bücher wertlos, und erst recht müssen sie nicht verbrannt werden. Man hat sich mit dem "Legends" Schriftzug viel Raum für Interpretationen gelassen. Das alte Expanded Universe mag zwar nicht mehr zur offiziellen Timeline gehören, trotzdem spielen sie noch immer eine Rolle. Die meisten Werke werden vermutlich in einem "Was wäre wenn" Universum spielen. Viele andere, ganz besonders abgeschlossene Einzelbände wie "Shadows of the Empire" von Steve Perry und "Darth Plagueis" von James Luceno können problemlos mit dem offiziellen Canon koexistieren. Während "Darth Plagueis" die Vorgeschichte von Palpatine erzählt (jene Geschichte über seinen Meister, dem mächtigen Sith Lord Darth Plagueis, schneidet er in Episode III an), füllt "Shadows of the Empire" einige Lücken zwischen Episode V und Episode VI. Die neue Episode VII greift keine dieser Ereignisse auf und es ist unwahrscheinlich, dass auch die kommenden Episoden noch einmal auf diese Thematik eingehen werden (und nein, hinter Supreme Leader Snoke wird sich nicht Darth Plagueis befinden). Die beiden angesprochenen Romane fügen sich sogar besser dem offiziellen Canon ein als die offiziell abgesegnete TV-Serie "Clone Wars". Darth Plagueis und Prinz Xizor müssen sich daher keine Sorgen um ihre Existenzen machen. Selbst der fiese Darth Scabrous, der über 3000 Jahre vor den aktuellen Ereignissen lebte, kann weiterhin sei untotes Dasein fristen.

Problematisch wird es dann ausgerechnet bei jener legendären Trilogie, die für die Gründung (und nun vermutlich auch für den Fall) des Expanded Universe verantwortlich war. Die Thrawn-Trilogie. Alle 3 Bände wurden von Timothy Zahn (der Mann, der "Coruscant" zum ersten mal ins Star Wars Universum einführte) verfasst und galten über viele Jahre als legitime Fortsetzung zu "Die Rückkehr der Jedi Ritter". Diese so verehrte Trilogie musste nun den Platz räumen für die neuen Filme.
Dennoch machen die neuen Umstände die Thrawn-Trilogie in keinster weise wertlos oder nicht mehr relevant. Vermutlich kann die Trilogie sich nun noch einmal im direkten Schlagabtausch gegen die neuen Episoden beweisen. Auch hier bin ich mir sicher, die Romantrilogie und die neue Filmtrilogie werden wunderbar zueinander koexistieren können.

Ob "Legends" oder "Canon", alle Geschichten, die bisher verfasst wurden, werden auch weiterhin existieren. Eine menge Geschichten des alten Expanded Universe werden auch weiter aktuell bleiben (einige weniger gute hoffentlich in der endgültigen Versenkung verschwinden), da viele Romane oder gar Comics nicht mit dem neuen Canon aneinander geraten werden. Die Werke, die nach Episode VI spielen werden sich vermutlich ein wenig den neuen Geschehnissen unterordnen müssen. Zum Wohle eines neuen, geordneten Expanded Universe ist dies aber ein Opfer, womit ich kaum Probleme habe. Die Zukunft von Star Wars wird zeigen, wie all diese Werke miteinander harmonieren werden. Und sowohl "Lords of the Sith""Dark Disciple" als auch "Verlorene Welten" haben bewiesen, das Ende einer Ära ist gleichzeitig der Beginn einer neuen. In diesem Falle einer neuen Galaxie.

Donnerstag, 14. Januar 2016

In Gedenken an David Bowie und Alan Rickman



Nun ist es schon so weit gekommen, dass ich einen Sammelpost erstelle, um die Verstorbenen zu ehren.

Neben David Bowie, einer der einflussreichsten und bekanntesten Britischen Künstler, ist im gleichen Alter, nur 4 Tage später, eine weiteres britisches Schwergewicht verstorben. Die Rede ist von Alan Rickman. Nach dem Tod von Christopher Lee vermutlich der prägnanteste (zu seiner Zeit noch lebende) britische Charakterdarsteller. Und ohne auf das Thema weiter eingehen zu wollen, da ich es die ganze Zeit lese: Ja, Alan Rickman war unlängst vor seiner Rolle als Professor Snape in Harry Potter ein weltbekannter Schauspieler aus dem Bereich Film und Theater.

Als hätten sie sich beide abgesprochen, erlagen beide Männer im Alter von 69 Jahre einem Krebsleiden. Ein großer Verlust, nicht nur für die britische Musik- und Filmindustrie, sondern für die gesamte Zunft der Musiker und Schauspieler. Lebt wohl und lasst es euch gut gehen, da wo ihr nun seid.

Mittwoch, 13. Januar 2016

Wird die FSK zahm? Wenn Verleihe ihre Filme künstlich hochstufen






Für eine Kinoauswertung kann für den Verleih eine höhere Altersfreigabe meistens das Aus bedeuten. Der Profit im Kino wird schon lange nicht mehr durch die angepeilte Zielgruppe erzielt, sondern durch die Altersfreigabe. Populär ist diese Gangart natürlich in den USA mit dem berüchtigtem PG-13 Rating der MPAA (ungefähres amerikanisches Pendant zur deutschen FSK). 

Bei der Auswertung für das Heimkino sieht es da schon anders aus. Viele Leute der eigentlich angepeilten Zielgruppe verzichten daher meistens komplett auf den Kinobesuch und warten bzw. hoffen, auf DVD und Blu-ray eine härtere Fassung vorzufinden. Der der Bedarf nach den sogenannten "Extended-Editions" abgeflaut ist, warten viele Filmfans natürlich vergebens. Doch auch ohne fehlende "Extended-Editions" dürfte die Zielgruppe des Heimkino-Segments eine wesentlich reifere sein, als die Leute, die den gleichen Film zuvor noch im Kino gesehen habe (kommt natürlich auf den Film an).

Das sich hinter David Robert Mitchells beeindruckendem "It Follows" ein Film für Jugendliche ab 12 verbirgt, verrät weder das Cover noch der Inhalt des Filmes. Die FSK zeigte sich erstaunlich freizügig und vergab trotz etlicher grafischer Szenen (ganz zu schweigen von der Atmosphäre des Films) das FSK 12 Siegel für den Horrorfilm. Für den "Weltkino Filmverleih (gehören meines Wissens zu Universum)" nicht unbedingt die günstigste Freigabe, um den Film anständig zu vermarkten. Viele potentielle Käufer dürfte die niedrige Freigabe schon im Kaufhaus abschrecken. Dagegen kann man als Verleih jedoch Abhilfe verschaffen. Der Film selbst ist nur einer von meistens vielen Inhalten, der sich auf einer Disc befindet. Die Zugabe von weiterem Material wird ebenfalls von der FSK geprüft. Im Falle von "It Follows" wird sich auf der Disc also vermutlich ein Trailer befinden, der von der FSK ab 16 freigegeben wurde. Somit ist das komplette Produkt auch erst für Käufer ab 16 Jahren zugänglich. Und dies dürfte auch tatsächlich die einzige Altersgruppe (und aufwärts) sein, die diesen Film sehen sollte.

Das gleiche Spiel gab es aus vermutlich ähnlichen Gründen bei Antoine Fuquas "Southpaw" mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle. Sowohl im Kino als auch im Heimkino mit dem Gütesiegel "Ab 12" ausgezeichnet, zog der Verleih "Tobis Film" es vor, die Altersfreigabe künstlich anzuheben. Damit dürfte auch ganz klar sein, welche Zielgruppe der Verleih anpeilt. Die FSK war ihnen dabei jedoch keine große Hilfe.

Beim letzten Beispiel wird es schon etwas komplizierter. Denn was "Splendid" hier anbietet ist mehr eine Mogelpackung als das anpeilen einer bestimmten Zielgruppe. Arnold Schwarzenegger plus Zombiefilm. Das muss ein Splatterfest werden. Allerdings ist "Maggie" ein ruhiger Genrevertreter, unüblich, mehr ein Arthouse-Drama aus dem Independent-Segment. In den USA hat der Film bereits ein gemütliches PG-13 Rating erhalten, in Deutschland war die FSK nicht ganz so gnädig und erteilte eine FSK 16 Freigabe. Bei "Splendid" zog man es dennoch vor, eine volljährige Zielgruppe anzupeilen und statte die Disc mit Trailern aus, die von der FSK "Keine Jugendfreigabe" erhalten haben. Insofern werden die Leute ernüchtert sein, die einen schnörkellosen Schwarzenegger Streifen erwartet haben (und sich nicht vorher informiert haben). Zum anderen ist diese künstliche Aufstufung der Altersfreigabe auch noch völlig unnötig, denn somit fallen bei vielen Online-Händlern in Deutschland noch zusätzliche Versandkosten und eine Identitätsprüfung an. Da man sich vor Serien wie "The Walking Dead" zumindest von der Altersfreigabe her nicht verstecken wollte, ist man bei Splendid dieses Opfer eingegangen. Vom Marketing her bestimmt nicht dumm, dennoch eine kleine Mogelpackung seitens des Verleihs, die hier einen Film für volljährige bewerben und vermarkten, der Inhalt des Hauptfilms der Freigabe jedoch nicht gerecht wird.

Insgesamt muss man natürlich sagen, die FSK ist längst nicht mehr so penibel wie noch vor einigen Jahren oder gar Jahrzehnten. Indizierte Klassiker werden vom Index gestrichen und mit neuer, milderer Freigabe versehen und viele aktuelle Filme, die besonders im Ausland eine viel höhere Freigabe erhalten, kommen in Deutschland ziemlich gut weg. Die Methode der Verleihe, die Filme künstlich hochzustufen um eine andere Zielgruppe anzupeilen ist auch nicht neu, häuft sich jedoch seit einiger Zeit. Wirklich nachvollziehen kann ich es persönlich nur bei "It Follows". "Southpaw" bekommt ein Ok von mir da dort ebenfalls die Zielgruppe bei Zuschauern über 16 Jahren liegen dürfte. "Maggie" hingegen bekommt dafür jedoch nur ein Kopfschütteln. Unnötig und irreführend wurde hier die Altersfreigabe hochgestuft. Man darf sehr gespannt sein, wie sich das Thema in kommender Zeit noch entwickeln wird, denn auch dieses Jahr steht uns wieder ein umfangreiches Kinojahr bevor.

Montag, 4. Januar 2016

Fünf Jahre "Am Meer ist es wärmer": Noch immer nicht abgesoffen!




Frohes Neues allen Aufziehvögeln, die es sich während der kalten Wintertage (Hah) auf meinem Blog gemütlich gemacht haben. Ich hoffe, ihr habt das Jahr friedlich, aber nicht ganz ohne einen gehaltvollen Drink ausklingen lassen ;)

Momentan stagnieren neue Beiträge etwas, was aber auch ein wenig mit privaten Gründen zusammenhängt, die mich vom verfassen neuer Einwürfe und Rezensionen abhalten. In den kommenden zwei Monaten soll diese mittelschwere Ebbe aber wieder zur Flut werden.

Dennoch bin ich mit dem Blogger-Jahr 2015 ganz zufrieden. Meine persönlich gesetzte Marke von 50 Beiträgen habe ich geknackt und bin auch über die Inhalte ganz zufrieden. Mein Ziel war es (ist es natürlich auch weiterhin), den Lesern außergewöhnliche Werke der Literatur und Filmkunst, ganz besonders der japanischen Literatur, zu präsentieren. Sehr beeindruckt haben mich dabei im vergangenem Jahr die hochwertigen Neuauflagen von Manesse zur klassischen japanischen Literatur (stöbert einfach mal im Archiv). Doch auch 2016 gibt es wieder kleine Lichtblicke was japanischen Literatur angeht. So erscheint im März bei DuMont mal wieder japanische Literatur abseits von Haruki Murakami. Mit Durian Sukegawas "Kirschblüten und rote Bohnen" wartet auf die Leser bereits ein kleines Highlight im noch frühen Jahr. Ansonsten bin ich noch gar nicht informiert, was die Verlage sich für dieses Jahr so ausgedacht haben und kanns kaum erwarten, bis alle neuen Programme für 2016 veröffentlicht sind.

Zum Schluss des ersten Beitrags von 2016 gibt es aber noch etwas, was ich selbst gar nicht für möglich gehalten hätte. "Am Meer ist es wärmer" ist nun fünf Jahre alt (Startpost ging am 02.01.2011 Online). Aus einer kleinen Spinnerei, der ich ein Haltbarkeitsdatum von einigen Monaten verpasst habe, ist eine regelrechte Passion geworden. Ohne Feedback oder aber eine feste Leserschaft hätte ich vermutlich unlängst die Motivation verloren. Natürlich schreibe ich gerne, ich führe aber auch ungerne Selbstgespräche.
Ich möchte diesen Blog fortführen, so lange ich noch Spaß an diesem Projekt habe. Jedoch bemerke ich in meinem Schreibstil aber auch eine gewisse Abnutzungserscheinung. So etwas ist nach so vielen Beiträgen auch nicht verwunderlich. Es besteht daher tatsächlich die Möglichkeit, "Am Meer ist es wärmer" könnte nun in sein letztes Jahr gehen. Aber wozu sollte man sich bei seinem Hobby selbst unter Druck setzen? Ich habe natürlich auch in diesem Jahr vor, mal einige Gast-Rezensenten für meinen Blog zu versklaven gewinnen.

Einen stärkeren Fokus will ich in diesem Jahr wieder auf Filme legen, die leider im letzten Jahr etwas untergegangen sind. Ich überlegte kurzzeitig sogar, diese Sektion komplett zu streichen, hätte ich dann allerdings doch nicht über mich bringen können.

Zum Schluss möchte ich noch jene Rezension verlinken, mit der alles Begann. Am 06.01.2011 feierte die erste Rezension auf "Am Meer ist es wärmer" ihre Premiere:

Taichi Yamada - Sommer mit Fremden

Ach ja, beinahe vergessen. Das Gewinnspiel zum fünfjährigen Geburtstag: Gibt wieder keins : D


In diesem Sinne, gehabt euch wohl und ich würde mich freuen, wenn ihr meinem Blog auch in diesem Jahr einen Besuch abstattet.


Einen guten Start ins neue Jahr wünscht,
Aufziehvogel