Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Montag, 21. Dezember 2020

Gastrezension: Alice im Totenland (Mainak Dhar)

 






Alice im Totenland (Mainak Dhar)
Originaltitel: Alice in Deadland
2017
Autor: Mainak Dhar
Verlag: Luzifer-Verlag
Format: Gebunden, eBook
Genre: Horror (behauptet es)



Weihnachten steht vor der Tür, und egal ob man der Fraktion angehört, die das Haus schon vor
Wochen geschmückt hat, in selbstgebackenen Plätzchen untergeht, Weihnachten kaum noch
erwarten kann, oder aber wie ich eher so der Grinch-Kategorie (nicht das animierte Ding von vor zwei Jahren bitte) angehört, über eines sind wir uns alle einig: Bücher müssen unter dem echten oder dem fiktiven Weihnachtsbaum liegen! Mit dem Buch heute kann ich vielleicht die eine oder andere Entscheidung, welches Buch man denn nun verschenken soll, erleichtern.

Aufmerksam wurde ich tatsächlich dank eines Posts des Luzifer-Verlages, da nämlich Band 3
demnächst erscheint und die ersten beiden Bände daher eine Neuauflage des Covers bekommen
haben. Und die neuen Cover sehen auch wirklich klasse aus, die alten sind da eher so najaaa. 
Aber man soll ein Buch nicht anhand seines Covers beurteilen und so habe ich den ersten Band zu 
lesen beschlossen.

Ich sollte den Inhalt meiner Meinung vorweg stellen: Protagonistin ist die 15-jährige Alice. Es bleibt unklar, ob Alice in der heutigen Zeit oder in 15 Jahren lebt, beides ist möglich. Klar hingegen wird sehr schnell, dass die Welt von Untoten, Bitern genannt, bevölkert wird und die Menschheit um ihr Leben und vor allem ihr Überleben kämpft. Das Land ist öde und verwüstet, und neben den
Grüppchen Überlebender gibt es auch noch ZEUS. Ja, das Wort schreit tatsächlich so rum,
Abkürzungen und so. Also, vermutlich zumindest. Gleich zu Beginn stolpert Alice in ein Loch im
Boden, als sie einem Biter mit pinken Plüschhasenohren folgt. Spoiler: Der Biter ist nicht wie ein
Flummi auf Speed mit einer Taschenuhr rumgerannt und hat gerufen „keine Zeit, keine Zeit“.

Nachdem die Biter Alice aus irgendeinem bis dahin unbekannten Grund verschont haben, bringen sie sie zu ihrer Königin, die halb menschlich und halb untot ist. Sie tritt erstmal als eher durchgeknallte alte Frau auf, wedelt dauernd mit einem der letzten Bücher auf Erden – einer Ausgabe von „Alice im Wunderland“, wie sollte es auch anders sein? – und sieht in diesem Buch und im Auftauchen von Protagonistin Alice eine Prophezeiung, die sich nun erfüllt. Es wird etwas wirr – wer ist nun böse, die Biter oder ZEUS, stimmt es, dass die Biter menschengemacht sind? Das klärt sich allerdings relativ schnell – schade eigentlich, da wäre mehr machbar gewesen, statt einer so deutlichen und schnellen schwarz-weiß-Zeichnung.

Alice hat mich schon auf den ersten Seiten genervt. Sie ist in allem die Beste, die Schnellste, die
Tollste. Zufällig ist sie auch noch Tochter des Anführers ihres Dorfes. Ständig wird betont, wie viel
Erfahrung sie im Fronsteinsatz habe, wie viele Biter sie erschossen habe, wie gut sie im Nahkampf sei – besser als die erwachsenen Männer – und wie gut sie schieße – auch besser als die erwachsenen Männer. Interessanter Maßstab übrigens, aber lassen wir das an dieser Stelle. Trotzdem purzelt sie absolut dümmlich wie ein Kleinkind in ein Loch im Boden. Und lässt sich anschließend von einem als eher langsam beschriebenen Biter treten, diese nahkampferprobte Alice. An dieser Stelle möchte ich wiederholen: Alice ist 15. Und auch wenn immer wieder beschrieben wird, dass die Kinder von klein auf an den Kampf trainieren, Alice‘ Können ist übertrieben, sie wird unverdient in den Himmel gelobt. Und da das Buch in Indien spielt und sie die Tochter von Amerikanern ist, fällt sie mit ihren blonden Haaren und der hellen Haut auf – es genügt eben nicht, ihr so viel Können zuzuschreiben, auch sonst muss sie sich abheben.

Die Handlung wirkt konstruiert, auch nicht immer logisch. Und es wird immer verrückter, ich war
mehrfach an dem Punkt, an dem diese Stimme in meinem Kopf zu singen begann: „Who the f*ck is
Alice?“ Naja, eher dachte sie: „Was zum Teufel muss ich hier lesen?“ und flüchtete sich dann in
diesen ohrwurmverursachenden Songtext. Das Buch soll übrigens mit seiner Neuauflage in der
ebenfalls frisch lektorierten Form vorliegen. Also, wenn das professionell lektoriert ist, vällt mir auch nicht mehr fiel dazu ein.

Sprachlich war es auch schwer zu ertragen. Während wir nicht das Kaninchen auf Speed haben, 
ist die Story anscheinend auf Speed. Die Handlung rennt geradezu voran, am Ende vergehen 
plötzlich mehrfach mehrere Wochen in einem Satz – dass der Autor selber am Ende von seinem Geschreibsel war und es nur so schnell wie möglich fertig und aus den Augen bekommen wollte, kann ich anlässlich des bereits erschienenen und des bald erscheinenden Bandes ausschließen. Wirkliche Gespräche gibt es an den wenigsten Stellen, die bestehen meist aus einem Satz von Person A, einer Antwort von Person B und mit ein bisschen Glück antwortet Person A dann noch mal. Weit häufiger wird einfach ein Satz in Anführungszeichen eingestreut, dann rennt Alice aufgescheucht zum nächsten Handlungsort, sagt wieder einen Satz und hetzt erneut weiter. Sowas ist unglaublich anstrengend zu lesen und verhindert jedes Bisschen an Tiefe, ein Eintauchen in die Geschichte ist so nicht möglich.

Des Weiteren muss Alice mehrere Verluste hinnehmen. Vater tot? Egal. Mutter und Schwester tot?
Was soll’s. Ihr Dorf und fast alle, die sie kannte ausgelöscht? Tja, passiert eben. Jemand im Buch
beschreibt Alice als rachedurstiges Mädchen, die dann eine Entwicklung durchgemacht habe. Das
habe ich beides nicht gesehen, das war eher so ein stoisches, verstocktes Kleinkind. Das 
übrigens, und hier nehme ich mir die Freiheit heraus ein wenig zu spoilern, Anführerin des Widerstandes wird. Alle folgen einem Mädchen ohne Charakter, ohne Tiefe – da bin ich sehr froh, dass es sich lediglich um Fiktion handelt, denn wenn die letzten überlebenden Menschen wirklich so einem Gör hinterherlaufen würden, dann war es das mit der Menschheit aber ganz schnell.



Abschließende Gedanken

Das Buch wurde einfach mit jeder Seite unlogischer, es war oberflächlich, baute keine Spannung auf, war vollgepackt mit Klischees: die guten Amerikaner gegen die bösen Chinesen, die strahlendeJohanna von Orléans, die ihre Streitkräfte um sich schart und zu Sieg führt ... man verzeihe mir denironisch herbeigezogenen Vergleich, denn auch wenn der Autor Alice gern als Heilige und Überheldin sehen möchte, so ist sie beides doch nicht.Während des Lesens bin ich irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem ich nur noch weitergelesen habe, damit ich diese Rezension verfassen kann, um hoffentlich den einen oder anderen vor dem Kauf eines misslungenen Weihnachtsgeschenkes für sich selbst oder andere zu bewahren. Obwohl, wer einen Kamin daheim hat und das Buch in gedruckter Form kaufen würde, der könnte wenigstens ein schönes knisterndes Feuer für etwas Weihnachtsatmosphäre damit entfachen.
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Gastrezension: Lavandula



Lavandula gehört zum Kult der Bibliophilen und ist neben dem Studium selbst immer mal wieder als Autorin unterwegs, sofern die Zeit es zulässt. Ungefähr in einem Spektrum wie die Zeitsprünge in "Lumera Expedition: Survive" versuche ich sie bereits für einen Beitrag auf "Am Meer ist es wärmer" zu gewinnen. Ich hoffe, mit ihrem frischen Schreibstil wird sie den Blog noch häufiger bereichern.

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