Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 25. November 2021

Einwurf: Eine Wolkenstudie in Grau und die Eroberung des Nutzlosen

Foto: Aufziehvogel



Dortmund, 2 Grad (gefühlt -1 Grad nach App)

Bei meinem Herbst/Winter Einwurf möchte ich mich eigentlich nicht mit dem Wetter beschäftigen. Aber ein Blick nach draußen reicht, die graue Suppe zu beurteilen. Bei meinen kläglichen Versuchen mich mit Nord Walking fit zu halten, lud die Szenerie am gestrigen späten Nachmittag ebenfalls nicht dazu ein, weiter zu gehen, als notwendig. Statt einen Gold schimmernden Wald vorzufinden (immerhin haben wir ja noch Herbst, auch wenn die Temperaturen was anderes sagen), erblickte ich einen tristen Acker und der anschließende Blick in den Himmel war mindestens genau so grau, wie der immer gleiche Anblick der Innenstadt. Mit der Macht der Technik hätte man den Wald auf dem Foto grün und saftig einfärben können. Doch da hätte ich mich selbst betrogen, denn als ich das Foto schoss, war da nichts weiter als Tristesse vor mir. Den Wald Violet einzufärben hatte hingegen einen gewissen Charme. Es erinnert mich weniger an die französische Provence mit ihren Lavendelfeldern. Da ich mich aber auf meinem Blog in den meisten Fällen mit Fantasiewelten befasse, könnte der violette Farbton durchaus auch zu irgendeinem Wald in einem Paralleluniversum passen.

Aber letztendlich bleibt die Tristesse, die die Kameralinse eingefangen hatte, da helfen auch keine Filter. Doch wo herrscht derzeit keine Tristesse? Das Wetter macht es vor, Politik, Weltgeschehen und unkaputtbare Viren und Besserwisser machen es nach. Die Aussichten? Sehr grau. Das Bier? Sehr kalt. Der Whisky? Auf Zimmertemperatur. Doch wie sieht es mit dem Lesestoff aus, den ich mir für die trübe Jahreszeit vorgenommen habe? Dazu möchte ich ganz gerne einen kleinen Ausblick liefern:






Eine wie Alaska
Original: Looking for Alaska
Autor: John Green


Ich habe eine anfällige Seite für Young Adult. Oder doch nicht? Es gab zwei Romane, die ich gerne lesen wollte bevor ich mir die Serien dazu ansehe. Vielleicht habe ich ja auch eher eine anfällige Seite für Teenanger-Dramen. Mit "Tote Mädchen lügen nicht" (13 Reasons Why) von Jay Asher wurde diese anfällige Seite, der sogenannte Soft Spot, nicht befriedigt. Ein holpriger Debütroman mit anstrengenden Charakteren und besonders anstrengenden Protagonisten (Rezension folgt demnächst). Jon Green kann mit seinem Debütroman hier eigentlich nur gewinnen, immerhin hatte mich die Leseprobe einst überzeugt. Die Themen der beiden Werke sind sich nicht komplett unähnlich. Beide Romane setzen sich mit dem Tod eines jungen Mädchens und dem, was sie hinterlassen hat, auseinander. Ein Debüt darf gerne holprig sein, aber auf eine Rally bin ich nicht scharf.



Eroberung des Nutzlosen
Englischer Titel: Conquest of the Useless
Autor: Werner Herzog


Vor einigen Jahren erst bin ich auf das filmische Schaffen von Werner Herzog aufmerksam geworden. Das schlechte daran: Warum nicht eher? Das gute: Besser spät als gar nicht. Ich hörte über die wenigen literarischen Werke des Filmemachers eine menge positives Feedback und "Eroberung des Nutzlosen" soll ein fantastischer Begleiter für Herzogs vermutlich ambitioniertestem Film sein, Fitzcarraldo. Fitzcarraldo (ursprünglich war hier mal Mick Jagger in der Hauptrolle geplant, am Ende wurde es, wie sollte es auch anders sein, wieder Klaus Kinski) gilt als der "Unmögliche Film". Überambitioniert und wenig Budget sind Tugenden, an die moderne Filmemacher und Studios zugrunde gehen. Werner Herzog nutzte dies zu seinem Vorteil und erschuf einen gewaltigen Film über Ambitionen - über Überambitionen und Größenwahn - entstanden ist dabei ein unterschätztes Meisterwerk. "Eroberung des Nutzlosen" ist Herzogs Rückkehr zu der einsamen Zeit im Dschungel. Weit über 20 Jahre nach seiner Entstehung wandte Herzog sich noch einmal den unzähligen Journaleinträgen zu, die er vor und während des Drehs verfasst hatte. Entstanden ist eine Chronik, die nicht weniger beeindruckend als der Film selbst sein soll. Leider gibt es beim Fischer Verlag kein E-Book, weshalb ich hier auf die englische Ausgabe zurückgegriffen habe, was einer Sünde gleichkommt, wenn man die bildgewaltige Sprache von Werner Herzog aus seinen Dokumentationen zu schätzen weiß.





Das Dämmern der Welt
Englischer Titel: The Twilight World
Autor: Werner Herzog


Und noch einmal Werner Herzog. Diesmal mit einem brandneuem Buch. "Das Dämmern der Welt" ist 2021 erschienen (Ende August) und Herzogs erstes literarisches Werk nach vielen Jahren. In diesem verhältnismäßig kurzem Buch von knapp 130 Seiten erzählt Herzog die Geschichte des japanischen Kriegsveteran Onoda Hiroo, der nach der Kapitulation Japans nie vom Kriegsende erfahren hat und für weitere rund 30 Jahre Stellung auf den Philippinen gehalten hat. Onoda war eine reale Person, der ehemalige Soldat verstarb im Jahr 2014 im stolzen Alter von 91 Jahren. Herzog vermischt hier also Realität mit Fiktion und erschafft eine Art Fake-Reportage über die verschwendete Lebenszeit von Onoda auf den Philippinen. Ja, diese unglaubliche Geschichte ist typischer Stoff für Herzog und ich kann es daher kaum erwarten, dieses Buch zu lesen. "Die Eroberung des Nutzlosen" wäre auch hier sicher ein geeigneter Titel gewesen.



Ich bin mir aktuell nicht sicher, ob man von allen 3 Büchern etwas auf "Am Meer ist es wärmer" lesen wird, aber ich versuche, so gut es geht, meine Impressionen zu teilen. Ich hoffe, ihr habt euch für die kalte Jahreszeit ebenfalls schon ein paar Bücher rausgesucht, die euch durch den Winterschlaf bringen werden. Hier geht es demnächst weiter mit etwas, was ich nun schon seit vielen Monaten vor mich herschiebe und eigentlich häufiger erscheinen soll: Der Meercast.




Habt einen angenehmen Jahresausklang und seht zu, dass ihr gesund bleibt
Euer Aufziehvogel

Montag, 15. November 2021

Rezension: Schnee fällt auf Chinas Erde (Ai Qing)

 





Schnee fällt auf Chinas Erde

Autor: Ai Qing
Vorwort: Ai Weiwei
Erscheinungsdatum: 02.11.2021 beim Penguin Verlag
Übersetzung und Nachwort: Susanne Hornfeck
Format: Hardcover, E-Book
Genre: Lyrik


"Die Poesie wirkt wie ein Schlüssel der Weisheit gegenüber der Mittelmäßigkeit des Despotismus, sie ist der Tod jeder banalen Politik. Ihre Existenz beweist, dass die Seele nicht unterworfen werden kann. Ganz gleich wann oder wo, mit ihrer Hilfe kann man innere Wahrheit reflektieren und sich in den Wüsten der Macht einen eigenen subversiven Gegenentwurf schaffen: unabhängig und aufmüpfig. Durch ihre Unbeugsamkeit kann Poesie zur Erlösung werden."
- Ai Weiwei im Vorwort über das Werk seines Vaters Ai Qing


Normalerweise ist das erste, was ich bei meinen Buchbesprechungen tue, das Heimatland des Autors oder der Autorin zu nennen. Im Falle von "Schnee fällt auf Chinas Erde" tue ich dies aber nicht. Um Ai Weiwei hier mal in einem neueren Interview aus dem Jahr 2019 zu zitieren: "Ich besitze keine Heimat, weil China mich zurückgewiesen hat, seit ich geboren wurde. Wer sein Ziel kennt, ist kein Flüchtling mehr. Ich bin ein Flüchtling."
Die Geschichte der Familie Ai ist bewegend und kann brandaktueller überhaupt nicht sein. China, dieses Land mit über 1,4 Milliarden Einwohnern, steht derzeit wieder einmal im weltweiten Blickpunkt. Eine technologische Weltmacht. Kein anderes Land in der Neuzeit hat es geschafft, in wenigen Jahrzehnten zu einer unangefochtenen Weltmacht zu werden. Und doch wissen wir so wenig über dieses Land und hören tagtäglich nur etwas über das zensierende und gnadenlose Regime.

Ai Qing (1910-1996), Vater des Künstlers Ai Weiwei, gehörte zu seiner aktiven Zeit zu den bedeutendsten Lyrikern in China. Ai Qing verkehrte in erlesenen Kreisen, fiel aufgrund seiner Texte und politisch kritischen Einstellungen jedoch beim Regime in Ungnade. Was folgte waren Gefängnis, Arbeitslager und Exil. Erst 1979 wurde Ai Qing rehabilitiert. In einem beeindruckendem Vorwort in diesem Gedichtband schreibt Ai Weiwei über seinen Vater, welches auch als Schlüssel zum Verständnis des Werkes dienen dürfte. In diesem Vorwort bewundert Ai Weiwei Ai Qing nicht nur als Vater und Mensch, sondern auch als Künstler. Viele Texte sind damals auf Anordnung des Staates verbrannt worden. Doch einiges ist auch erhalten geblieben. Der Penguin Verlag hat gleich zwei Werke der Familie Ai in diesem Monat veröffentlicht: "1000 Jahre Freud und Leid: Erinnerungen" von Ai Weiwei sowie den hier besprochenen Gedichtband "Schnee fällt auf Chinas Erde" von Ai Qing. Auf über 100 Seiten wurden hier Gedichte des Lyrikers gesammelt und chronologisch abgedruckt.


"Aus der Dunkelheit
blicke ich sehnsuchtsvoll
auf ein Universum von weißer Klarheit,
wo
das Leben kreist,
wo
die Zeit sich dreht wie ein flinkes Rad,
wo
das Licht anmutig fliegt."
Aus  "Der Schrei" (1933)


Lyrik ist etwas, was man hier auf "Am Meer ist es wärmer" eher selten findet. Ich selbst besaß nie das Talent auch nur ansatzweise etwas zu schreiben, was einem Gedicht gleichkommt. Tat mich aber auch immer schwer, Lyrik zu lesen. Meine Ansichten änderten sich als ich in den vergangenen Jahren einige Sammelbände von japanischen Haikus und Tankas las. Mein Verständnis gegenüber der Lyrik und Poesie erweiterte sich und ich begann, den Wert und die Schönheit dieser kurzen Werke schätzen zu wissen. Bei den Gedichten von Ai Qing geht dieses noch einmal eine Stufe weiter. Er schreibt in freien Versen, die jeweiligen Gedichte sind natürlich deutlich länger als die japanischen Varianten (manche Gedichte umfassen sogar gleich mehrere Seiten). Was man in den jeweiligen Werken von Ai Qing findet ist ein ganzer Ozean an verschiedensten Emotionen. Manchmal melancholisch, manchmal sehr düster, aber oftmals auch sehr humoristisch beschreibt der Dichter alltägliche und surreale Situationen. In der Rubrik "Anmerkungen zu den Gedichten" befinden sich zu ausgewählten Werken einige Erklärungen über die Entstehungen zu den jeweiligen Texten. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn es Anmerkungen zu allen Gedichten gegeben hätte, aber die vorhanden Anmerkungen dürften besonders dafür sorgen, einen besseren Zugang zu den eher kryptischen Texten zu bekommen.

Solch einen Gedichtband ins Deutsche zu übertragen stelle ich mir als große Herausforderung vor. Ein Grund, wieso sich die hier vorliegenden Texte so flüssig und gleichzeitig elegant lesen, hat man der Germanistin und Sinologin Susanne Hornfeck zu verdanken, die für diesen Band noch ein äußerst interessantes Nachwort verfasst hat. Man muss auch hier wieder bedenken, die chinesischen Schriftzeichen sind bereits ein Teil der Kunst und es ist somit nicht möglich, diese Kunst in unser lateinisches Alphabet zu übertragen. Die Übersetzerin hat hier jedoch eine ausgezeichnete Arbeit abgeliefert, da besonders längere Gedichte oftmals sperrig und trocken wirken können.


"Den treibenden Schneeflocken zusehend
denke ich an einen Sommerwald,
an einen Morgen im Wald
vor langer, langer Zeit:
Überall glitzerte Tau,
die Sonne eben aufgegangen.
Aus dem Morgenlicht trat ein kleiner Junge, barfüßig,
das Gesicht frisch wie eine Blume,
dem Mund entstieg ein leises Lied,
in der Hand den Bambusstab.
Er hob den zierlichen Kopf
die leuchtenden Augen durchdrangen
das dichte Laub auf der Suche
nach dem Laut der Zikade"
Aus "Schnee am Morgen" (1956)





Abschließende Gedanken

Die Gedichte von Ai Qing sind höchst beeindruckend. In jedem einzelnen Gedicht spürt man die Liebe zum Wort, die Liebe zum Moment und die Liebe zur Heimat. Und doch waren diese Werke für eben jene Heimat zu freizügig, zu ungefiltert. In "Schnee fällt auf Chinas Erde" scheint es, kommen wir diesem verschlossenem Land wieder etwas näher. Doch es ist auch ein bisschen so wie Kafkas Schloss: Je näher wir ihm kommen, desto weiter entfernt es sich wieder. Ganz besonders noch einmal aufgrund der Aktualität ist die Relevanz dieses Gedichtbandes umso größer. Zudem ist dieser Band aber auch der Einblick in die Gedankenwelt eines Mannes, der auf seiner langen Reise eigentlich immer nur eines wollte: Mit seinen Texten die Menschen erfreuen, die sie einmal lesen werden.

Montag, 8. November 2021

Besprechung (Verspätet): Murakami T: Gesammelte T-Shirts

 



Japan 2020


Murakami T: Gesammelte T-Shirts
Originaltitel: Murakami T - Boku no aishita T-Shatsu tachi
Autor: Haruki Murakami
Erscheinungsdatum: 11.10.2021 bei DuMont
Übersetzung: Ursula Gräfe
Format: Gebunden, E-Book
Genre: Non-Fiction, Artbook


Hinweis: Die hier abgebildeten Fotos aus dem Buch "Murakami T: Gesammelte T-Shirts" dienen einzig und allein zu Besprechungszwecken. Sämtliche Urheberrechte liegen sowohl bei dem Autor als auch bei den jeweiligen Verlagen.



"Während ich auf meinen Cheeseburger warte, trinke ich in aller Ruhe ein eiskaltes Coors Light und lausche der mich umgebenden Geräuschkulisse aus menschlichen Lauten und dem Klirren von Tellern und Gläsern. Unterdessen stellt sich allmählich das Gefühl ein, wieder in Amerika zu sein..."


Man könnte sagen, wenn ein Autor anfängt, über seine T-Shirt oder Whisky-Sammlung zu schreieben, wäre dies ein wenig vermessen. Es gibt aber Autoren, die hier eine Ausnahme darstellen. Ein Autor, der verrückt genug wäre, um damit durchzukommen wäre wohl Stephen King. Doch weiter fernöstlich gibt es noch einen anderen Autor, der sich so etwas erlauben kann: Haruki Murakami. In einer Artikelreihe für das japanische Magazin Popeye suchte Murakami nicht nur über 100 seiner liebsten T-Shirts raus, er verfasste zu nahezu allen abgebildeten Shirts auch kleinere Texte, die aus Anekdoten, Weisheiten und Smalltalk bestehen. In Japan ist dieses Sammelsurium 2020 auch als Sammelband erschienen. Dieser Sammelband ist nun auch in deutscher Übersetzung beim DuMont Verlag erschienen.

Doch was genau ist Murakami T: Gesammelte T-Shirts denn nun? Aufgrund des Formats könnte man schnell sagen, hierbei handle es sich um ein klassisches Artbook. Doch für ein Artbook ist hier eindeutig zu viel Text. Für mich ist das Werk daher ein interessanter Hybrid aus Artbook und Non-Fiction. Hier darf man zwar nicht mit einem typischen Roman oder einer Kurzgeschichtensammlung rechnen, aber ein klassisches Bilderbuch ist Murakami T sicherlich nicht. Wer mit Murakamis autobiografischen Werken und Essays vertraut ist, der wird ungefähr wissen, was einem textlich hier erwartet. Man bekommt hier sogar einen überraschend persönlichen Einblick in den Kleiderschrank eines Weltenbummlers. Wusstet ihr, dass die Inspiration für eine von Murakamis wohl bekanntesten Kurzgeschichten einem T-Shirt im Wert von $1 entsprungen ist?


"Welches meiner T-Shirts mir am wichtigsten ist? Ich glaube, das ist das gelbe >>Tony Takitani<< Shirt. Nachdem ich es in einem Secondhand-Laden in einem kleinen Ort auf Maui entdeckt und für einen Dollar gekauft hatte, versuchte ich mir vorzustellen, was für ein Mensch dieser Tony Takitani wohl sein mochte, und machte ihn zum Helden einer Erzählung, die schließlich sogar verfilmt wurde. Dabei hatte es nur einen Dollar gekostet! Von allen Investitionen, die ich je in meinem Leben getätigt habe, war dies eindeutig die lohnendste."




Die schöne Hardcover-Ausgabe erstreckt sich in einem kompakten Format auf knapp 200 Seiten. Übersetzt wurde hier in gewohnt starker Qualität von Ursula Gräfe, die hier nicht weiter vorgestellt werden muss. Das spezielle Papier ist ebenso hochwertig und robust, die Abbildungen der Shirts kommen gut zur Geltung und glänzen in vollen Details.

Die Voraussetzung, dieses Buch zu schätzen und zu verstehen ist natürlich eng damit verknüpft, ob man das Werk des Autors mag und ihn natürlich auch als Person interessant findet. Murakamis teils sehr surreale Romane zu verstehen hängt auch oftmals damit zusammen, wie gut man ihn durch seine Non-Fiction Werke als Leser kennengelernt hat. Kennt man den Mensch Haruki Murakami etwas besser, findet man unweigerlich einen besseren Zugang zu seinen Romanen und Kurzgeschichten. Die besagten Romane und Kurzgeschichten sorgen hingegen dafür, den Mensch Haruki Murakami besser kennenlernen zu wollen. Manchmal ertappe ich mich bei seinen Non-Fiction Werken jedoch dabei, dass ich mir gar nicht mehr so sicher bin, ob ich wirklich ein autobiografisches Werk lese oder mich nicht in einer Geschichte von ihm befinde, die ich gerade wieder einmal erstaunt lese.


"Besonders an Abenden, an denen ich allein zu Hause bin und in Ruhe Musik höre, erscheint mir Whisky das gegebene Getränk. Bier ist zu wässrig, Wein zu elegant, Martini zu prätentiös, Brandy etwas zu gewöhnlich. Es kommt also gar nichts anderes infrage, als die Whiskyflasche hervorzuholen."








Abschließende Worte

In einer trüben Zeit war für mich "Murakami T: Gesammelte T-Shirts" die richtige Medizin. Haruki Murakami redet hier nicht nur über seine T-Shirts sondern auch über Gott und die Welt. Motivierend, entspannend und auch absolut exotisch. Ich hätte nichts dagegen, wenn er als nächstes über seine Whisky-Sammlung schreiben würde. Für Fans kann ich hier, besonders da die Hardcover-Ausgabe auch noch sehr schön ist, eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Ob das Buch in dieser Preisklasse etwas für Murakami-Neulinge ist, wäre wohl ein wenig riskant, hier eine Empfehlung abzugeben. Mit dem Werk und dem Autor als Person vertraut zu sein halte ich hier für essentiell wichtig, um Zugang zu diesem Buch zu finden. Wobei ich natürlich, wie immer, grundsätzlich nichts ausschließen möchte. Wer von Haruki Murakami bisher noch nichts gehört/gelesen hat, durch die Besprechung hier aber vielleicht nun neugierig geworden ist, der soll seinen Instinkten als Leser und Leserin folgen. Murakami T: Gesammelte T-Shirts wird in meiner Murakami-Sammlung selbstverständlich seinen Platz finden.
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So viel über T-Shirts zu lesen inspirierte mich auf alle Fälle dazu, nach Jahren mal wieder in meine eigene (ungebügelte) Sammlung zu stöbern und ich bin erstaunt, was da alles wieder zum Vorschein kam 👀
Jedes Shirt hat eine Geschichte, ein interessanter Denkanstoß.


Private Sammlung von Aufziehvogel -
 Kein Teil des hier besprochenen Buches

Sonntag, 31. Oktober 2021

Halloween-Wühlkiste: 3 From Hell

 





USA 2019
 
3 From Hell
Regie: Rob Zombie
Darsteller: Sheri Moon Zombie, Bill Mosely, Sid Haig, Richard Brake, Danny Trejo
Lauflänge: Circa 115 Minuten
Genre: Horror, Thriller
Verleih: Studiocanal
FSK: 18



3 From Hell oder Once Upon a Time in Mexiko Teil 2. Die Vergleiche zu Robert Rodriguez Rohrkrepierer, dem überflüssigen dritten Teil der El Mariachi Reihe, sind gar nicht mal so weit hergeholt (wie es das Schicksal so will, findet der Showdown von Zombies dritten Film über die Fireflies in Mexiko statt). Erst einmal muss man sich bei beiden Filmen die Frage nach dem "Wieso" stellen. Ich lege hier mal wieder den Fokus auf 3 From Hell. Wieso? Wer hat nach einer Fortsetzung verlangt? Wer war der Meinung, dass eine Fortsetzung hier eine gute Idee wäre? Warum ruiniert Rob Zombie seinen wohl stärksten Film mit diesem Machwerk aus der Hölle? So viele Fragen, auf die es wohl nie eine Antwort geben wird.

Rob Zombies Filmografie wird als kontrovers angesehen. Für einige ist der Musiker ein Möchtegern-Tarantino des Exploitationsfilms, für andere hat Zombie als Regisseur mittlerweile den selben Kultstatus wie als Musiker. Mit seiner Musik war ich nie wirklich vertraut, aber ich wusste seine Filme, selbst die schwächeren, immer zu schätzen. Mit "31" aus dem Jahr 2016 (von dem es glaube ich immer noch keine Unrated-Version gibt) spürte aber auch ich langsam einen Verschleiß seiner Stilmittel und eine gewisse Müdigkeit. Aber selbst 31 geht bei mir noch als relativ geglücktes Experiment durch.

Als ich davon hörte, Zombie plane einen dritten Film zu seiner Horror-Familie, wollte ich es nicht glauben. "Haus der 1000 Leichen" war 2003 ein solides Erstlingswerk und ein Abgesang auf das alte Grindhouse-Kino der 70er. Nur 3 Jahre später sollte ihm mit "The Devil's Rejects" (zu dem es dann auch eine Unrated-Version gab) eine unkonventionelle, großartige Fortsetzung gelingen, die vor guten Onelinern, Gewaltexzessen und fantastischer Musik nur so strotzte. Rob Zombie als Filmemacher war sicherlich auch hier bereits eine kontroverse Figur, aber man musste anerkennend sagen, hier war ein Regisseur am Werk, der Bock darauf hatte, ein nahezu vergessenes Subgenre neu aufleben zu lassen. Aufleben zu lassen, ohne es neu erfinden zu müssen, sondern mit den bereits vorhandenen Zutaten etwas gutes zu erschaffen.

Nun will ich nicht zu weit in Spoiler-Territorium abdriften, aber wer den Vorgänger gesehen hat, der weiß vielleicht auch, dass der großartige Showdown mit der Musikuntermalung "Free Bird" von "Lynyrd Skynyrd" eigentlich keine Fortsetzung zulässt. Wieso sollte Zombie daraus auch noch eine Fortsetzung basteln, er kann ja noch genug eigenständige Filme machen. Ich hatte nie das Bedürfnis danach, mir die Beweggründe durchzulesen wieso Zombie einen dritten Film über die Familie Firefly drehen wollte. Nach meiner gestrigen Sichtung kann es mir auch ehrlich gesagt nicht gleichgültiger sein, da der Film für mich in einem Paralleluniversum spielt, in einem sogenannten "Was wäre wenn" Szenario.

In knapp 2 Stunden morden und tanzen sich die Fireflies zwar wieder durch die Vereinigten Staaten und darüber hinaus, allerdings könnte es sich hier genau so gut um die Direct to Video Fortsetzung eines Filmstudios handeln, die noch einmal ein altes Franchise melken wollte und dafür irgendeinen Musikvideo-Regisseur angeheuert hat, der erste Gehversuche in Hollywood wagt. Und genau dieser DTV-Faktor haftet 3 From Hell an, mit Ausnahme;, Zombie fungierte hier als Regisseur und Produzent und reiht sich meiner Ansicht in die Liste unnötiger Sequels zu großartigen Vorgängern ein. Dieses Massenausschlachtung sah man damals bei Saw, Terminator und wie sie nicht alle heißen. Mein Blick wandert selbst zu S. Darko, der völlig sinnbefreiten, überflüssigen DTV-Fortsetzung von Donnie Darko.

Zombie greift in 3 From Hell auf alte Erfolgsrezepte des Vorgängers zurück, die aber nicht mehr funktionieren. Schlüpfrige Oneline oder schräge Dialoge wurden in diesem Sequel durch eine Endlosschleife von "F**k's" und "Motherf**ker's" ersetzt. Die Laufzeit von knapp 2 Stunden wurde sich zudem durch völlig belanglose Zeitlupen-Szenen ergaunert. Der größte Fokus im Film liegt auf Baby Firefly, die sicherlich in keinem Ableger schon einmal so nervig war wie hier. Ohne zu behaupten, Zombies Ehegattin Sheri Moon würde ein erhebliches schauspielerisches Talent besitzen, aber durch ihren Charme konnte sie meistens dann doch die Zuschauer mitnehmen. Das Problem hier ist aber, nahezu der gesamte Film ist auf Baby Firefly zugeschnitten und die meisten Szenen mit ihr sind größtenteils überflüssiges Füllmaterial, was den Film zu keiner Sekunde weiterbringt.

Die seltenen Szenen, wo Bill Mosely als Otis mal glänzen darf sind rar gesät und Richard Brake (der in keinem Film jemals so gepflegt aussah) als schmieriger Inzest-Bruder Foxy Coltrane bekam nie die Chance, sich zu entfalten. Auf Sid Haig (1939-2019) als Killerclown Captain Spaulding musste Zombie bereits im Vorfeld verzichten, da der Kult-Schauspieler bereits zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich stark gezeichnet war (ich war sogar sehr traurig, ihn in diesem Zustand zu sehen) und er somit nur im Prolog des Films vorkam.

Auch musikalisch muss der Film weit hinter seinem Vorgänger zurückstecken, auch wenn der Soundtrack noch mit der stärkste Aspekt des Films war (in den Credits gibt sich dann nochmal Terry Reid die Ehre). Was die Gewaltexzesse diesmal angeht, so hat Zombie vermutlich wieder mal das Maximum aus dem R-Rating herausgekitzelt (besonders überraschend ist hier doch die Freizügigkeit des weiblichen Geschlechts). Die Gewalt ist roh, überzeichnet und wie immer stets vorhanden, will hier aber längst nicht mehr so schockieren wie in den Vorgängern, vermutlich einfach auch weil die Opfer der Fireflies völlig belanglos sind. Leider setzte Zombie in diesem Film häufiger mal auf einige billige Effekte aus dem Computer. Ganz offensichtlich zu sehen sind aber auch eindeutige Cuts, die er für das attraktivere R-Rating vorgenommen hat. Szenen, in denen es zur Sache geht sind meistens hektisch geschnitten und es fühlt sich relativ oft so an, als würde uns irgendwas vorenthalten werden. Überraschenderweise bietet die veröffentlichte Unrated-Version kaum mehr nennenswertes Material, die MPA war hier also deutlicher zahmer diesmal was die Vergabe des R-Ratings unter Auflagen anging.


Fazit

Endete The Devil's Rejects mit einem Knall (oder besser gesagt, mit einem bleihaltigen Feuerwerk), so endet 3 From Hell eher belustigend mit einem kleinen Knallfrosch in Mexiko. Gekrönt wird der Schabernack durch einen aberwitzigen Macheten-Kampf und einer minimalen Aussicht auf Teil 4. Und somit wird die Frage nach dem "Wieso" dann noch einmal größer, warum Zombie es hier verpasst hat, bei der Familie Firefly endgültig den Deckel drauf zu machen. Somit bin ich doch etwas besorgt, wie es mit dem filmischen Schaffen von Rob Zombie weitergehen wird. Fairerweise muss hier angemerkt werden, nicht jede Kritik geht so hart mit 3 From Hell um wie ich es hier nun getan habe,. Ich bin sogar über die teilweise doch soliden Wertungen überrascht, wo deutlich bessere Filme von Zombie eigentlich traditionell vorab schon zerfleischt worden sind. Ich bin jedenfalls nicht scharf darauf, die Fireflies noch einmal wiederzusehen. Es wäre zu wünschen, wenn Zombie diese Familie nun in den endgültigen Ruhestand schicken würde.
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Dieses Review ist auch auf Letterboxd über mein Aufziehvogel-Kanal erschienen: Weiterleitung zu Letterboxd

Montag, 11. Oktober 2021

Murakami T: Gesammelte T-Shirts ab Heute erhältlich

Foto: Aufziehvogel




Hinweis: Bei diesem Werk handelt es sich um keinen Roman oder Kurzgeschichtensammlung



Jedes Jahr ungefähr zur selben Zeit warten Fans und Verlage des Autors auf die Verkündung im Oktober: "Haruki Murakami wird für sein Werk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet".
Während wir, die üblichen Verdächtigen, jedes Jahr aufs neue warten, ist einem diese Auszeichnung egal: Haruki Murakami. Er selbst lobte einmal den Enthusiasmus seiner Fans, die sich jährlich zur Vergabe des Literaturnobelpreises versammeln und der Vergabe entgegenfiebern, er selbst bekundete aber nicht nur einmal seine Gleichgültigkeit dem Preis gegenüber. In diesem Jahr war Murakami bei den Buchmachern wieder ganz oben als Favorit dabei, gewonnen hat den Preis jedoch Abdulrazak Gurnah aus Tansania.

Und so hat der DuMont Verlag azs Köln auch im Jahr 2021 wieder eine Murakami-Veröffentlichung im Oktober in die Buchhandlungen gebracht. Anstatt aber ein altes Werk neu aufzulegen hat man hier eines von Murakamis ungewöhnlicheren Werken veröffentlicht. In Japan gibt es immer noch eine Handvoll Non-Fiction Titel von Murakami, die nie den Weg in den Westen gefunden haben. Mit Murakami T: Gesammelte T-Shirts (Japan 2020) erscheint eines davon nun in einer deutschsprachigen Ausgabe (übersetzt von Ursula Gräfe). Wer sich unter dem Titel nichts vorstellen kann; es erwartet die Leser genau das, was der Titel hier suggeriert - T-Shirts. Haruki Murakami spricht auf rund 200 Seiten über seine beachtliche T-Shirt Sammlung. Jedes Shirt des Autors hat eine eigene Geschichte, jedes Shirt wird mit einer kleinen Anekdote kommentiert. Bei Murakami T handelt es sich viel mehr um ein Kunstbuch, zu lesen gibt es hier für ein Buch dieser Art aber immer noch überraschend viel.

Noch in dieser Woche werde ich mich hier ein wenig mehr mit dem Buch befassen, eine gute Gelegenheit für diejenigen, die sich hierunter noch immer wenig vorstellen können.