Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 23. April 2013

Verlierer des Monats: KAZE Deutschland



Anime Virtual, ehemaliges Label für japanische Anime in Deutschland auf DVD, war sich sicher, die Fusion mit der VIZ Media Switzerland wird ein voller Erfolg. VIZ Media dürfte vielen sogar ein Begriff sein, beherrscht das starke Label als eines der wenigsten in den USA noch recht profitabel und erfolgreich den Manga und Anime Sektor. Kein wunder, immerhin stecken die japanischen Giganten Shueisha und Shogakukan hinter dem Konzern. Doch was für die Amerikaner gut ist, muss für uns Europäer nicht unbedingt das gleiche bedeuten. Wer dachte, nun würde auch Deutschland von den japanischen Lizenzgebern profitieren, der irrt sich gewaltig.

Bereits Vorgänger Anime Virtual war bekannt für teilweise horrende Preise. Viel falsch haben sie jedoch nicht gemacht, immerhin konnten sie sich lange halten, wo andere Vertriebe längst die Insolvenz angemeldet hatten, genau wegen jener günstigeren Preispolitik.
Anime Virtual schloss sich also mit VIZ Media zusammen (oder wurden aufgekauft) und gründeten KAZE (japanisch: Wind). Das Ergebnis ist ungefähr das komplette Gegenteil von dem, was sich die Käufer erhofft hatten. Mit der neuen Manga Sektion bietet das Label fortan auch die japanischen Comics an. Preislich gesehen liegen die zwischen (aufgerundet) 7 bis 8 Euro für Sammelbände. Die Seitenzahl beläuft sich dabei meistens unter 200 Seiten. Somit ist dieser Preis als moderat zu bezeichnen, aber noch nicht unfair.

Hinsichtlich Anime legt man da dann aber noch einen drauf. Während sowohl die DVD als auch die BluRay von "Das Verschwinden der Haruhi Suzumiya" (BluRay Variante sogar ohne Pappschuber) mit rund 28 Euro (Amazon Preis) nahezu in dystopischen Spähren schwebt, ist die englische Variante aus Großbritannien von Manga Entertainment bereits für 10 Euro zu haben. Kleiner Nachteil, in Großbritannien ist der Film nur auf DVD erschienen.
Das gleiche gilt auch für die Sammelboxen, die den Käufern einen preislichen Komfort bieten sollen. Worin der Komfort da aber liegt, will sich mir bei Preisen bis zu über 50 Euro pro Box nicht erschließen. Bei 3 Sammelboxen wären das bereits 150 Euro für nur eine Staffel.

Die Pappnase musste sich das Label dann letztendlich für ihre Veröffentlichung der kompletten Dragonball Saga aufsetzen. Während Dragonball recht unangetastet blieb, sind sowohl die Veröffentlichungen von Dragonball Z (absoluter Bestseller beim Label) als auch von Dragonball GT weder preislich, noch inhaltlich zu rechtfertigen. KAZE dementiert zwar immer wieder, dass sie keine Möglichkeit hatten, an eine bessere Version der Serien zu gelangen, ich zumindest halte dies für eine elegante Ausrede.
Während die Serien weltweit unzensiert und in restaurierter Form fürs Heimkino erschienen sind, entschied sich KAZE dafür, die Serie so zu belassen, wie sie damals auf RTL II gesendet wurde. Dragonball Z basiert damit auf einer technisch veralteten französischen TV Fassung, die zusätzlich um Gewalt in einigen Episoden zensiert wurde (zwar sind es nur minimale Schnitte, doch bereits damals hätte RTL II eine sowohl qualitativ bessere, als auch unzensierte Fassung erwerben können). Auch die japanische Sprachfassung sucht man auf den Discs vergeblich. Die Veröffentlichung von KAZE dürfte damit die weltweit schwächste sein..
Desweiteren dürfte noch angemerkt werden, um die FSK 16 Freigabe zu vermeiden, legte das Label noch einmal selbst in einer Episode die Schere an (diese Info habe ich lediglich erhalten, und kann sie nicht auf ihre Echtheit prüfen, da ich nicht weiß, um welche Episode es sich handelt).

Während die Fans bereits verärgert über diese Veröffentlichung waren (aber immer noch keine Katastrophe darstellte, da die Dragonball Z Fassung durchaus noch anschaubar ist), sprengte man letztendlich mit der Veröffentlichung von Dragonball GT den Rahmen. Ich zitiere einen Rezensent von Amazon.de:

Rezensent Tyrant58 schrieb:
Aber was haben wir dafür hier:
- 47 stark geschnittene Episoden
- 4 ungeschnittene Episoden (HURRA!)
- und halt die 13 nicht veröffentlichten Episoden, in ihrer ungekürzten Originalfassung mit Untertitel.

Dafür wird der Vollpreis von rund 53 Euro verlangt (bei 3 Boxen sind wir bei über 150 Euro für die komplette, zensierte Serie angekommen). Erneut versicherte das Label, um die Serie auf Deutsch anbieten zu können, gab es angeblich keine andere Möglichkeit, als auf die von RTL II zensierte Fassung zurückzugreifen.

Dazu muss sich KAZE nun auch noch die Vorwürfe gefallen lassen, auf die Übersetzung der längst erhältlichen Fansubs (von Fans übersetzte, nicht lizenzierte und autorisierte Fassungen) in den 13 nicht auf deutsch synchronisierten Folgen zurückzugreifen. Diese angesprochenen Fansubs, nur zum Verständnis, basieren jedoch auf einer unzensierten und restaurierten Fassung.

Für all das wähle ich KAZE im Monat April zum Verlierer des Monats. Grund hierfür ist die teilweise unverständliche Preispolitik und ihre Art, wie sie Kunden mit der Dragonball Veröffentlichung in die Irre geführt haben. Das geht natürlich gar nicht, es sei denn, man hat es sich zur Aufgabe gemacht, potentielle Käufer zu vertreiben.

Mit weisen, überflüssigen Worten, möchte ich meinen kleinen Beitrag beenden. Um Qualität zu bringen, reicht es einfach nicht, den günstigsten oder einfachsten weg zu gehen (ich wage mal zu behaupten das sollte man niemals tun). Man muss letztendlich auch was investieren. Was KAZE hier gebracht hat war der einfachste, günstigste, und schlechteste Weg.

Alle interessieren Käufer, die sich Dragonball auf Deutsch zulegen wollen: Haltet zumindest Abstand von der Dragonball GT Veröffentlichung. Die Vorgänger kann man sich, will man die Sendung unbedingt auf Deutsch sehen, mit knirschenden Zähnen noch zulegen.
                  

Montag, 15. April 2013

Gute Nacht, Punpun (Band 1, Inio Asano)




Japan 2007 (wird fortgesetzt)

Originaltitel: Oyasumi Punpun
Veröffentlichung: März 2013
Verlag: Tokyopop
Zeichner: Inio Asano
Übersetzung: Sakura Ilgert
Genre: Coming of Age, Slice of Life
Kategorie: Seinen
Altersempfehlung des Verlags: Ab 15
Preis: 6,95 Euro



Wenn man derzeit einen angesagten Mangaka aus der Kategorie Seinen nennen müsste, dann dürfte der Name Inio Asano recht oft fallen. Nicht nur in seinem Heimatland Japan wird der Mangaka gefeiert, seine Werke sind auch international anerkannt und werden mit Lob überhäuft. Schon jetzt wird Asano-San mit ganz großen Namen wie Naoki Urasawa (Monster, 20th Century Boys) verglichen. Asano wurde größtenteils durch seine Sammlungen an Manga-Kurzgeschichten bekannt. Nach kleineren Werken wie Subarashii Sekai, Solanin (verfilmt 2010 von Takahiro Miki) und Nijigahara Holograph veröffentlichte er 2007 mit Oyasumi Punpun seine erste fortlaufende Serie. Und das auch noch ziemlich erfolgreich.

Grund genug für mich, mir sein Werk mal genauer anzusehen. Zu oft wurde ich in den vergangenen Jahren enttäuscht nachdem ein Manga mal wieder an Aufmerksamkeit gewann, sich am Ende aber nicht gegen die Stimmen des mächtigen Internets behaupten konnte. Allgemein traut sich kein Mangaka mehr etwas experimentelles. Der Trend in Japan liegt auch weiterhin auf die wohl bekannteste Manga-Gattung Shounen. Da spricht nichts gegen, wenn die Seinen-Gattung dabei nicht vernachlässigt wird. Aber ich kann zumindest etwas beruhigt sein, Inio Asano weiß sehr gut wie man in dieser anspruchsvollen Kategorie punktet. Gute Nacht, Punpun, ist nichts geringeres als der wohl genialste Auftakt zu einer Manga-Serie, den ich in den vergangenen zwei Jahren lesen durfte. Warum mich der erste Band regelrecht umgehauen hat, will ich euch nach einer kleinen Einführung verraten.

Bei Gute Nacht, Punpun handelt es sich, grob gesagt, um eine sehr klassische Coming of Age Geschichte, die ihren Anfang mitsamt den Protagonisten in der Grundschule nimmt. Allerdings wäre es für einen Manga, oder sagen wir, für einen Japaner, recht langweilig, etwas zu bringen, was vor ihm schon unzählige andere Autoren oder Regisseure getan haben. So ist das besondere an dieser Geschichte sein stummer Hauptcharakter. Und, bevor ich es vergesse zu erwähnen, er ist ein Vogel. Genau wie seine depressive Mutter, sein trinkender und randalierender Vater und sein Onkel Vögel sind (die allerdings wie die menschlichen Charaktere sprechen können). Obwohl der kleine Held kaum von einem Strichmännchen zu unterscheiden ist, dürfte man ihn bereits nach wenigen Seiten lieb gewonnen haben. Man könnte meinen, Asano habe Punpun nur als Platzhalter benutzt, um eine Verbindung zwischen Leser und Geschichte herzustellen. Dem ist aber nicht so. Punpun hat die gleichen Gefühle und Sorgen, die Grundschüler nun einmal so haben. Und so kommt es, dass der schüchterne Punpun sich in die neue Mitschülerin Aiko verliebt. Und wie es Gott so will (der in der Geschichte ebenfalls nicht fehlen darf), verliebt sich auch Aiko in Punpun. Diese will aber hoch hinaus und möchte ihrem derzeitigem Leben so schnell wie möglich den Rücken kehren. Punpun muss sich also einiges einfallen lassen, um seine angebetete einmal glücklich machen zu können. Ach, und dann geht es ja auch noch um Pornos und einen Mordfall! Prost.

Bereits im ersten Band passiert so viel, dass es schwer ist, alles zusammenzufassen. Wir nehmen am Alltag von Punpun teil. Dieser hat, im Vergleich zu seiner Erscheinung, ziemlich reale Probleme. Seine Mutter ist streng und konservativ, sein Vater, zu dem er ein recht gutes Verhältnis hat, ein Taugenichts der trinkt und seine Ehefrau vermöbelt. Dies geht so weit, dass Punpun-Papa eines Tages festgenommen wird. Da Papa die Mama Krankenhausreif geprügelt hat, kümmert sich solange sein Onkel um ihn. Längst im Alter eines Erwachsenen, wohnt er immer noch bei seiner Mutter und hat noch immer nicht den Lebensweg gefunden, der für ihn bestimmt ist. Ihn plagen Selbstzweifel und er ist unsicher, dennoch kommen Punpun und sein Onkel Yuichi gut miteinander aus.

Es sind eindeutig die total abgedrehten Charaktere, die diese Geschichte so unglaublich einzigartig machen. Da wären ein anscheinend schizophrener Grundschullehrer, der seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat. Dann wären da der Schuldirektor und sein Konrektor, die Spaß daran haben, Verstecken zu spielen, anstatt sich um den Schulbetrieb zu kümmern. Und dann ist da auch noch Gott, an den Punpun sich immer wendet, wenn er Fragen hat. Die Erscheinung von Gott kommt einem Studie-Nerd mit Afro-Frisur gleich und ist Punpun ungefähr so hilfreich wie ein Feuerlöscher ohne Inhalt. Zeichner Asano vergisst dabei aber niemals, den Ernst der Geschichte zu vernachlässigen. Alle Charaktere haben ziemliche Probleme. Sie alle haben Träume und sind auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. All das sind die Zutaten für eine wunderschöne Coming of Age Geschichte, die in einem Land spielt, welches für uns alle unerreichbar zu sein scheint.

Die Zeichnungen gehören zu den schönsten, die ich jemals in einem Manga bestaunen durfte (wobei die Liste nicht unbedingt klein wäre, würde ich anfangen, aufzuzählen). Der Zeichenstil ist sehr erwachsen und typisch für einen Seinen-Manga. Die aufwendigen Hintergründe (teilweise am Computer entstanden) sind gespickt mit liebevollen Details. Jeder Charakter sieht einzigartig aus. Ein Zeichenstil, der ganz weit oben in der Königsklasse der japanischen Zeichenkunst mitspielt. Asano geizt aber auch nicht mit nackten Tatsachen. Teilweise geht es sogar richtig zur Sache. Ich bezweifle ein wenig, dass Gute Nacht, Punpun das richtige Programm für die vorgesehene Zielgruppe von Tokyopop ist. Allerdings will ich hier nun auch nicht den Moralapostel spielen. Was Asano und seine Assistenten hier präsentieren ist, ohne Frage, beeindruckend.

Ein großes Lob geht schließlich an die Hamburger-Crew von Tokyopop. Band 1 umfasst über 200 Seiten und ist ausgestattet mit einer Klappenbroschur, die den Manga durchaus recht edel aussehen lässt. Bei 6,95 Euro ist das eine herausragende Leistung. Ich kann dem Verlag (auch ganz egoistisch gesehen) nur allen erdenklichen Erfolg mit Punpun wünschen. Diese Serie verdient es, fortgeführt zu werden. Band 2 wird im Juni erscheinen.


Resümee

Ich könnte noch viel mehr schreiben, und dabei handelt es sich hier gerade mal um Band 1. Meine Begeisterung über dieses mehr als abgedrehte Werk ist kriminell hoch. Ich habe bereits etliche Manga seit der Jahrtausendwende gelesen, und nur die wenigsten sind mir in Erinnerung geblieben. Es gibt nur noch wenig Serien, die ich als wirklich lesenswert betrachte. Mit Gute Nacht, Punpun ist nun ein echtes Original erschienen. Es ist fast, als würde diese Geschichte aus einer anderen Zeit stammen. Aus einer Zeit, als Mangaka noch kreativ und bereit waren, zu experimentieren. Inio Asano hat so viel Liebe in sein Werk gepackt, dass man seine Leidenschaft auf jeder Seite zu sehen bekommt.
Eine Serie, die ich mit Freude fortführen werde. Leider lässt Band 2 noch etwas auf sich warten, was den einzigen Kritikpunkt derzeit darstellt.

Irgendwie komme ich mir nun vor, als hätte ich all die Jahre etwas wichtiges verpasst. Gute Nacht, Punpun lieferte mir vermutlich Antworten auf Fragen, die ich nie gestellt habe. In dieser geheimnisvollen Welt, in der Vögel sprechen können und Schuldirektoren miteinander verstecken spielen, da möchte ich noch gerne etwas länger verweilen. Gute Nacht, Punpun erhält für jeden anspruchsvollen Manga-Leser eine uneingeschränkte Empfehlung von mir. Bitte mehr davon! Zu lange wurden viele aktuelle Serien von Bedeutungslosigkeit dominiert.



Sonntag, 14. April 2013

Rezension: Resident Evil: Marhawa Desire (Band 1)




Japan 2012 (wird fortgesetzt)

Resident Evil: Marhawa Desire 1, Alternativ: Biohazard: Marhawa Desire 1
Veröffentlichung: Juni 2012
Verlag: Kaze Manga
Zeichner: Naoki Serizawa
Szenario: Capcom
Übersetzung: Josef Shanel, Matthias Wissnet
Genre: Action
Kategorie: Seinen
Altersempfehlung des Verlags: Ab 16
Preis: 7,99 Euro




Die Filme haben es vorgemacht, Capcom war beeindruckt. Resident Evil (Biohazard in Japan) muss ein ganz großes Franchise werden.
Die Produzenten machten kein Geheimnis daraus als sie sagten: "Für Horror ist der Markt mittlerweile zu klein." 
Und was tut man dann? Ganz einfach! Man setzt auf Action. Während Schöpfer Shinji Mikami 1996 das Grauen auf unsere Playstation brachte, bringt eine neue Generation von Capcom Mitarbeitern nun die Ballerei auf unsere Konsolen. Resident Evil muss einfach noch viel größer und bekannter werden als es in der Vergangenheit war. 2012 sollte das Jahr von Resident Evil werden. 3 neue Spiele, 2 Spielfilme und ein Manga. Lediglich der 3DS Handheld-Titel Resident Evil: Revelations und der CGI-Film Resident Evil: Damnation wurden dabei nicht von Fans und Presse zerrissen. Es sollte das Jahr von Resident Evil werden, und nun muss das Franchise nach dem Misserfolg von Resident Evil 6 um sein fortbestehen bangen. Die Capcom Bosse sind unzufrieden und werden wohl nun den ein oder anderen Mitarbeiter zur Verantwortung ziehen. Man hat sich maßlos überschätzt und nun weiß man nicht so wirklich, was man mit all der Kritik anfangen soll.

Einen Manga von Resident Evil gab es bis dato nicht. Es gibt die Romane und auch Comics, in die Welt der japanischen Zeichenkunst hatte man sich allerdings noch nicht gewagt (wenn auch durchaus oft geplant). Doch kann wenigstens der Manga an die ruhmreiche Vergangenheit anknüpfen? Leider macht Band 1 nicht diesen Eindruck. Man engagierte den recht unbekannten Zeichner Naoki Serizawa für die Illustrationen (wohinter aber in Wahrheit ein komplettes Team steckt). Zumindest in diesem Punkt glänzt Marhawa Desire. Die Zeichnungen sind detailreich und man verzichtete auf große Kulleraugen und exorbitante weibliche Rundungen. Die Story hingegen ist so hauchdünn wie Blätterteig. Zeitlich gesehen spielt Marhawa Desire vor dem sechsten Teil und im Mittelpunkt steht die konservative Marhawa Academy im Nirgendwo von Asien. Professor Douglas Wright, Experte in Sachen Bioterrorismus, wird von der Schulleiterin, einer alten Freundin und Geliebten, gebeten, sich die Vorkommnisse an der Schule mal anzusehen. Es scheint sich ein Fall von Biohazard ereignet zu haben. Ein Mädchen scheint sich mit dem T-Virus infiziert zu haben. Zusammen mit seinem Neffe Ricky Tozawa macht sich Wright auf, der seltsamen Bitte nachzugehen. An der Akademie angekommen, spitzt sich die Lage zu weil die strenge Schulleiterin sämtliche Hilfe von Außerhalb verweigert um den guten Ruf der Schule zu bewahren. Als das Virus immer mehr Schüler befällt, kann nur noch Chris Redfield und seine BSAA helfen.

Verliebte Teenager, Teeniegeilheit und fragwürdige Dialoge. All das bekommt man bis zur ersten Hälfte des ersten Bandes zu sehen und zu lesen. Die Geschichte ist dermaßen belanglos, dass es nicht gerade einfach für mich war, den Band fortzuführen. Zwar wird der Plot in den letzten Kapiteln nicht gerade spannender, aber dafür zum Glück wesentlich ernster. Irgendwann fängt sich Marhawa Desire und mutiert letztendlich sogar zu einem soliden Manga dessen Fokus eindeutig auf Action liegt. Selbst etwas Splatter gibt es zu sehen, wenn man auch sicher sagen kann, dass es kein einziges mal zu grafisch wird.

Resident Evil Routinier Chris Redfield und sein Team nehmen einen überraschend unbedeutenden Part im ersten Band ein. Allerdings dürfte sich das spätestens in der Fortsetzung ändern.
Was die Geschichte angeht, hat sich Resident Evil bereits in Teil 4 der Videospiele ein wenig verirrt. In dessen Fortsetzung fand man dann doch noch einen einigermaßen brauchbaren Abschluss, bevor man dann für den sechsten Teil aber den Gott der Übertreibung beschworen hat. In Marhawa Desire ist das nicht anders. Der Plot liegt auf dem Niveau eines mäßigen B-Movie Streifens. Ich weiß nicht genau wie viel Anteil Capcom und wie viel davon von dem Mangaka Serizawa selbst stammt. Der Fakt ist allerdings, was hier geboten wird, hat nur noch im Entferntesten mit Resident Evil zu tun.

Preislich gesehen bewegt sich Kaze Manga am Rande des guten Geschmacks. Sind sie bereits ein teures Label was die Vermarktung ihrer DVD's und BluRay's angeht, stehen sie dem in Sachen Manga  in nichts nach. Das Büchlein ist gerade mal etwas über 150 Seiten dick und kostet stolze 7,99 Euro. Damit gehört Kaze Manga zu den teuersten Vertretern der deutschen Manga-Szene.


Resümee

Ob ich zur Marhawa Academy noch einmal zurückkehren werde, weiß ich nicht. Zwar interessiert mich nun inwieweit sich die Ereignisse in Band 2 zuspitzen werden, allerdings kann ich mir nicht so ganz vorstellen, dass man aus dem dünnen Plot noch viel Saft herausquetschen kann. Es gibt einfach zu wenig interessante Charaktere, geschweige nennenswerte Momente. Zeichnerisch hat Mangaka Naoki Serizawa einiges zu bieten, alle anderen Inhalte sind solide bis mäßig. Die Hardcore-Fans werden wohl die ersten sein, die von diesem Werk Abstand nehmen. Gelegentliche Manga-Leser, die Zombies mögen, könnten aber ihren Spaß haben. Wer jedoch nach einer ernsten Zombie-Alternative aus dem Seinen-Genre sucht, der ist mit I am Hero wesentlich besser bedient.

Samstag, 13. April 2013

Review: Geständnisse (Kokuhaku)


Japan 2010

Romanvorlage: Kanae Minato
Originaltitel: Kokuhaku (International: Confessions)
Regie: Tetsuya Nakashima
Darsteller: Takako Matsu, Yoshino Kimura, Masaki Okada, Yukito Nishii, Kaoro Fujiwara
Lauflänge: Circa 106 Minuten
Genre: Drama, Mystery
Verleih: Rapid Eye Movies
FSK: 16


Trailer (Vollbild empfohlen)



Ich war nicht so ganz im Bilde, welche Filme aus Japan momentan angesagt sind. Der Boom, der zu Zeiten der DVD herrschte, was asiatische Filme angeht, war enorm. Seitdem das HD-Zeitalter aber auch in Japan angebrochen ist, halten sich auch die deutschen Veröffentlichungen etwas mehr zurück. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass einfach kaum ein Knaller in letzter Zeit erschienen ist. Jedenfalls war es mein verehrter Blog-Kumpel Salvo, der mir den Film nahe legte. Daraufhin kaufte ich mir, voller Vorfreude, die BluRay, unwissend, was da für ein Film auf mich wartet. Das war irgendwann 2012. Leider aber schaffte ich es letztes Jahr nicht, die Motivation für Filme zu finden. Ich konnte mich auf keinen kompletten Spielfilm konzentrieren. Was ich über Geständnisse jedoch gelesen habe war mehr als beeindruckend. Der Roman von Kanae Minato (leider nicht auf Deutsch erschienen) war ein großer Erfolg in Japan. So ein großer Erfolg, das Altmeister Tetsuya Nakashima (Kamikaze Girls) die Regie für das exotische Projekt übernahm. Kokuhaku war auch an den japanischen Kinokassen ein Erfolg, und noch viel mehr! Die Reputation im Ausland handelte den Film sogar als legitimes Erbe von Battle Royale. Woran es auch gelegen haben mag, Kokuhaku landete auf die Shortlist für den "Besten ausländischen Film" für die Verleihung der Oscars im Jahre 2011. Weiter wollte die Academy dann aber nicht gehen, da der Film letztendlich wohl zu speziell war.

Anfang 2012 war es dann endlich soweit, ich schaute mir Geständnisse (ich benutze fortan den deutschen Titel) an.
An sich muss ich gestehen, ich kann Kinder in Filme, vor allem in Hauptrollen, nicht wirklich ausstehen. Seit Moonrise Kingdom jedoch habe ich meine Vorurteile noch einmal überdacht. Und was Geständnisse hier leistet mit seinen jungen Schauspielern, verdient einen enormen Respekt. Kaum einer der Schauspieler dürfte älter als 14 oder 15 sein, und dennoch rufen sie eine Leistung ab wie die Erwachsenen. Das ist zugleich erschreckend, bedenkt man, wie authentisch die Kinder spielen, als aber auch sehr faszinierend wenn man bedenkt, dass es sich bei dem Ensemble größtenteils um Debütanten handelt. Solch ein Projekt wäre weder in den USA, noch in Europa möglich. Zumindest kann ich es mir einfach nicht vorstellen.

Die Handlung ist recht einfach erklärt. Auf den ersten Blick erscheint sie wie eine Rache-Story. Die Lehrerin Yuko Moriguchi verkündet ihrer Klasse, allesamt schwierige und problematische Kinder, dass sie als Lehrerin zurücktreten wird. Jubel macht sich bei der Verkündung in der Klasse breit. So richtig scheint ihr danach kein Mitschüler mehr zuzuhören. Handys und Tratsch sind interessanter. Die Schulmilch dient dazu, die angestrengten Lästermäuler zu erfrischen. Was Moriguchi dann aber von sich gibt, ändert die Unterrichtsstunde komplett und lässt sie um einiges interessanter wirken. Sie erzählt über den Tod ihrer kleinen Tochter. Schnell erntet die Lehrerin die Aufmerksamkeit, selbst die der schwierigsten Kinder. Während Moriguchi die Geschichte erzählt, und sich langsam der Höhepunkt dieses tragischen Unfalls nähert, werden gewisse Mitschüler in der Klasse nervöser. Dann lässt Moriguchi die Bombe platzen. Zwei Mitschüler dieser Klasse seien für den Tod ihrer Tochter verantwortlich. Diese können aber, weil sie noch nicht strafmündig sind, nicht für ihr Verbrechen belangt werden. Die Lehrerin verkündet also, als kleines Abschiedsgeschenk, in zwei der Milchtüten sei der Inhalt mit dem Blut einer an HIV erkrankten Person gemischt. Dies ist nur der erste Teil von Moriguchis Racheplan.

Der Prolog des Films gehört zu den längsten, die ich jemals bestaunen durfte. Dabei könnte man nach diesem Prolog ja bereits den Film ausschalten. Man erfährt wer für den Tod an Moriguchis Tochter verantwortlich ist. Die beiden Jugendlichen sind schnell entlarvt und leugnen ihre Tat erst gar nicht. Aber, so etwas haben Prologe nun einmal an sich, danach geht Geständnisse erst einmal so richtig los. Es beginnt ein surreales Psycho-Märchen was selbst die ahnungslosen Zuschauer so sehr in den Bann zieht, dass sie ihre Umgebung um sich herum komplett vergessen werden. Um noch einmal auf den grandiosen Prolog zurückzukommen. Dieser ist durchgehend mit einem ruhigen Musikstück untermalt. Die Spannung wird aufrecht erhalten, man spürt regelrecht das die Situation angespannt ist und man möchte sich am liebsten irgendwo festkrallen. Regisseur Nakashima benutzt die Rückblenden perfekt um die Hintergrundgeschichte zu erzählen. Seine surrealen Bilder dazu runden das Werk ab. Geständnisse wandelt zwischen Arthouse und Thriller, dabei steckt in diesem Werk aber noch so viel mehr.

Doch auch Moriguchi (fantastisch gespielt von Takako Matsu) wandert auf einem schmalen Grad. Für ihre Genugtuung, den Tod ihrer Tochter zu rächen, muss sie selbst zu einem Monster werden. Wie weit kann sie gehen, ohne jemals selbst Hand an einen der Täter anlegen zu müssen?
Geständnisse macht genau da weiter, wo Battle Royale thematisch aufgehört hat. Das Moderne Japan kann erdrückend sein. Wieder einmal wird klar was für eine einsame Insel Japan ist. Einsamkeit und Ausgrenzung, Mobbing, Depressionen und Missgunst bestimmen den Schulalltag. Die Schule wird zum Hexenkessel. Zwar dürften die Ereignisse in Geständnisse letztendlich Fiktion sein, aber so fern der Realität sind sie wiederum auch nicht. Dieses bitterböse Märchen erreicht erst in den letzten Szenen seinen wahrlich kranken Höhepunkt.


Resümee

Rapid Eye Movies präsentiert Geständnisse in messerscharfer Qualität. Ich hatte, um ehrlich zu sein, ein komplett anderes Bild von dem Film, bevor die Disc endlich in meinem Player lag. Was ich aber stattdessen zu sehen bekam war nicht minder beeindruckend als das, was ich zuvor erwartete. Geständnisse ist ein pessimistisches und bittersüßes Drama. Ein stilvolles Werk welches in Regie, Schauspielarbeit und Musik brilliert. Ein Film, wie er wohl tatsächlich nur in Japan umsetzbar ist. Nun würde mich auch noch ziemlich der Roman interessieren. Möge ein deutscher oder englischer Verlag sich erbarmen, uns diesen übersetzt zu präsentieren.
Für Fans der japanischen Filmkunst ist Geständnisse absolutes Pflichtprogramm. Zwar dürfte der Vergleich mit Battle Royale eine Nummer zu groß sein (an sich kann man die Filme sowieso nicht miteinander vergleichen), was Tetsuya Nakashima aber hier abgeliefert hat, ist ein mehr als gelungener Beitrag in diesem Genre. Nach dem Abspann hängt man regelrecht in den Seilen. Großes Kino, bitte mehr davon.



Freitag, 12. April 2013

Zurück zu den Anfängen: Der farblose Tasaki Tsukuru und das Jahr seiner Pilgerreise



Eine Analyse zu Shikisai wo motanai Tasaki Tsukuru to Kare no Junrei no Toshi

Die Geheimhaltung um den neuen Roman von Haruki Murakami war noch größer, als ich erwartet hatte. Das Cover, welches ich Gestern hier präsentierte, war lediglich provisorisch.
Genau so provisorisch wie das Cover scheint auch das angebliche Review der Asahi Shimbun zu sein. Viel mehr ist es eine erweiterte Inhaltsangabe als das es irgendwie einer Rezension gleichkommt. Da der Text aber auf Englisch verfasst wurde, beinhaltet er alles, was ich wissen wollte. Worum es in der Geschichte geht. Und tatsächlich scheint Murakami zu seinen Anfängen zurückzukehren. Der Inhalt der Geschichte könnte glatt die Fortsetzung zu Naokos Lächeln (Norwegian Wood) sein.
Soll heißen, auf surreale Traumwelten hat Haruki Murakami wohl komplett verzichtet (sofern man der Asahi Shimbun und den Amazon Rezensenten trauen kann). Man könnte aber auch noch weiter in die Vergangenheit reisen und Murakamis Trilogie der Ratte nennen.

Die Geschichte handelt, keine große Überraschung, von dem 36 jährigen Tasaki Tsukuru. Der Roman beginnt damit, dass dieser über seine Zeit auf dem College resümiert. Zu dieser Zeit war er gut befreundet mit 4 anderen Mitschülern. Das besondere an den Freunden ist, in ihren Nachnamen versteckt sich bei jeder Person das Kanji für eine Farbe. Tasaki fühlt sich dadurch aber etwas ausgegrenzt, da in seinem Nachname kein Kanji für eine Farbe steckt, was ihn, und hier kommt das Wortspiel, farblos macht.  Dennoch waren die Freunde unzertrennlich bis zu dem Tag an dem die Clique Tasaki, scheinbar grundlos und ohne weitere Worte, die Freundschaft kündigte. Tasaki verfällt in Depressionen und selbst im Erwachsenenalter belastet ihn diese Geschichte noch. Tristesse und Selbstmordgedanken bestimmen fortan Tasakis Leben. Was hat das Leben noch für ihn zu bieten? Und trotzdem rangelt Tasaki sich irgendwie durch den Alltag. Eine Frau scheint er auch treffen. Diese empfiehlt ihm dann, letztendlich, die Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen. Für Tasaki beginnt eine Reise der Selbstfindung. Eine Pilgerreise in die Vergangenheit und Gegenwart um eine letzte Frage zu klären: Was hält die Zukunft für Tasaki bereit, und, wird er auf seiner Reise die Antwort darauf finden, wieso seine Freunde ihn damals haben wortlos hängen lassen?

Und nun mal ganz ehrlich. Sehr viel weiter hat mich der wirklich schlecht geschriebene Artikel der Asahi Shimbun nicht gebracht. Alles liest sich ein wenig wirr (was am schlechten Englisch der Autorin liegen dürfte) und so ganz will sich mir die Handlung auch nicht erschließen. Wir haben es hier aber vermutlich mit einer Coming of Age Geschichte oder einem Slice of Life Drama zu tun. Meine persönliche Meinung ist, mir gefällt diese ruhigere Gangart von Murakami. So sehr mir 1Q84 auch gefällt, Sekten, ein Paralleluniversum und kleine Männchen die aus Tierkadavern kommen waren selbst für Murakami vielleicht etwas Over the Top.

Ich vergleiche immer sehr gerne Haruki Murkami mit Takeshi Kitano. Mit Kitanos surrealistischer Autobiografie zeigte er nach zwei sehr abgedrehten Filmen mit Achilles and the Tortoise ebenfalls einen Wandel. Von zwei bizarren Komödien zu einer Coming of Age Tragikomödie. Wenn After Dark und 1Q84 Murakamis surreale Beiträge waren, könnte er mit Tsukuru Tasaki wieder in der Realität angekommen sein.

Die derzeitigen Amazon Rezensionen aus Japan sind bisher gemixt. Viele scheinen bereits nach wenigen gelesenen Seiten eine Rezension abzugeben, was mich sehr überrascht.

Ob sich die mehr als 3 jährige Wartezeit gelohnt hat, oder ob Murakami es bei einer Kurzgeschichte hätte belassen sollen, wird sich für die westlichen Leser bestimmt bald herausstellen. Eine übersetzte Fassung zum Ende des Jahres oder gegen Anfang 2014 dürfte realistisch sein. Aber natürlich darf die Übersetzung auch gerne früher erscheinen. Ich kenne die Murakami-Leser jedoch als sehr geduldig ;)

Die Inspiration für die Geschichte lieferte Murakami wohl der ungarische Komponist Franz Liszt mit seiner Annees de pelerinage (Years of Pilgrimage).

Donnerstag, 11. April 2013

Neuer Roman von Haruki Murakami erscheint Morgen in Japan (12.04.13)


Für Amerikaner und Europäer wird das vielleicht etwas überraschend kommen. Ja, Das ist es. Genau über meinen Zeilen seht ihr es. Das neue, seltsam schlichte Cover des neuen Murakami Romans: Shikisai wo motanai Tasaki Tsukuru to Kare no Junrei no Toshi (wörtliche englische Übersetzung: the colorless Tsukuru Tasaki and the year of his pilgrimage).

Circa 4 Jahre nach Murakamis weltweitem Bestseller 1Q84, welcher aus drei Büchern besteht, wird Morgen, am 12 April 2013, sein neuer Roman an die japanischen Buchhandlungen ausgeliefert. Die erste Überraschung dürften die gerade mal knapp etwas über 300 Seiten sein (wobei die in übersetzter Fassung mehr werden dürften). Treue Murakami-Leser dürften dies ja schon als eher konservativ sehen. Nach einem so gigantischen Werk wie 1Q84 war das aber auch abzusehen.

Auf Amazon Japan ist Tsukuru Tasaki längst in allen Kategorien auf Platz 1 (20.000 Vorbestellungen). Insgesamt erwartet man eine Rekordauflage von 500.000 Exemplaren (Quelle: Channel NewsAsia). Grund genug für einen Mitternachtsverkauf oder zumindest eine frühere Öffnungszeit. Damit übertrifft sich Japans erfolgreichster Autor ein weiteres mal.
Noch steht das Buch gar nicht in den Regalen, steht jedoch bereits die Zweite und Dritte Auflage in den Startlöchern.

Obwohl die Veröffentlichung bereits Morgen ansteht, ist bisher nichts über den Inhalt des Buches bekannt. Ähnlich war die Geheimhaltung bei 1Q84. Die Gerüchte besagen, die Geschichte soll mit dem verheerendem Tohoku-Erdbeben und dem Tsunami zusammenhängen. Beide Ereignisse fanden im Jahr 2011 statt (Quelle: The JapanTimes).

Betrachtet man die kompakte Seitenanzahl, wird eine englische oder auch deutsche Übersetzung wohl nicht zu lange auf sich warten lassen. Bei Murakamis letzten beiden Romanen After Dark und 1Q84 war jeweils die deutsche Übersetzung schneller erhältlich. Man darf gespannt sein, was Haruki Murakami hier letztendlich präsentieren wird.

Wer genauere Details zum Inhalt will, sollte in kommender Zeit Japanliteratur besuchen. Ich vermute, da ich der japanischen Sprache nicht mächtig bin, wird es dort demnächst mehr Infos geben.

Rezension: Tokio im Jahr Null (David Peace)




Die Tokio-Trilogie Teil 1

Autor: David Peace
Originaltitel: Tokyo Year Zero
Erscheinungsjahr: 2007 Englisch, 2009 Deutsch (Liebeskind Verlag)
Taschenbuch: Heyne (in der Rubrik Heyne Hardcore)
Übersetzung: Peter Torberg
Genre: Nachkriegsdrama, Mystery, Kriminalroman


>>Hier war doch eine Bar<<, sage ich. >>Was ist damit geschehen?<<
>>Sehen sie das denn nicht?<< lacht der Mann. >>Da ist eine Bombe draufgefallen.<<
>>Nein, nein, nein<<, sage ich. >>Ich war erst vor zwei Tagen hier ...<<
>>Da müssen sie sich irren<<, antwortete er.  >>Das war eine Volksbar. Über hundert Personen waren hier verschüttet und kamen ums Leben. Das Gebäude hat einen Volltreffer abbekommen ...<<
>>Aber ich war vor zwei Tagen hier<<, wiederhole ich. 
>>Na, dann haben sie wohl mit Geistern getrunken.<<
Ich stehe im grellen Tageslicht.
Im grellen Tageslicht. 
>>Ist ihre Uhr stehen geblieben, mein Herr?<<
Tageslicht, das wie Regentropfen schimmert. Sie tun gut auf meiner Haut. Ich recke das Gesicht in die Höhe. Der Himmel ist blau, nicht grau, er wölbt sich weit, nicht niedrig über der Stadt. Die Gebäude der Stadt ragen hoch und glänzen in der grell erleuchteten Nacht.
Eine lichtdurchflutete Nacht, die sich in meinem Gesicht spiegelt.  Mein Gesicht ist feucht vom Regen. Der Regen besteht nur aus Tränen. Meinen Tränen im Tageslicht. Die Stadt in Ruinen, trist, der Himmel grau und verhangen.
>>Dann haben sie wohl mit Geistern getrunken ...<<
In Ruinen, trist, grau und eingesunken.
Jetzt zeigt er mir seine Uhr ...
Im grellweißen Tageslicht.
Sie steht immer noch auf 12.00 Uhr.


Gleich mehrere Begriffe dürften nicht unbedingt mit Tokio im Jahr Null in Verbindung gebracht werden. Da hätten wir Peace (Autor) und Liebeskind (Verlag) im Angebot. Denn Frieden sucht man in dem Roman vergeblich, und genau so wenig ist diese Geschichte ein Liebes Kind. Es ist eher ein Enfant Terrible.
Und dennoch, trotz all des Pessimismus, den der Brite in den ersten Teil seiner Tokio-Trilogie gebannt hat, ist Tokio im Jahr Null ein faszinierendes Gemälde der Literatur geworden, dessen scharfe Worte den Leser sogar verletzen könnten. Klingt wie ein Fazit? Falsch gedacht! Hier fängt meine Erfahrung mit diesem Dämon erst an!

Die Geschichte beginnt genau zu der Zeit der Kapitulation Japans im zweiten Weltkrieg. Zwar ist der Krieg immer noch im Gange, von Gegenwehr Seitens der Japaner kann man aber nicht mehr sprechen. Der Tenno hat die Kapitulation unterzeichnet. Die Kempeitai belagern die Straßen um noch ein wenig Ordnung zu bewahren. Und irgendwo da draußen durchstreift auch noch die  Tokioter Kriminalpolizei die Ruinen der zerbombten Stadt. Es gleicht bitterböser Ironie, dass in Zeiten der Anarchie sich das eigene Volk noch selbst bekämpft. An einem heißen Nachmittag macht Inspektor Minami mit seinem Team eine grausige Entdeckung. In einem Heizungskeller wird die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Zu interessieren scheint dies jedoch kaum wen. Für die Kempeitai ist der Fall schnell klar. Der schuldige ist für sie ein Hausmeister aus Korea, ein sogenannter Yobo. Die Kempeitai richtet den Mann noch vor Ort hin. Fall abgeschlossen.
Im heißen August von 1946, mitten in den Wirren der Nachkriegszeit, findet die Polizei im Shiba-Park zwei weitere Leichen. Eine davon ist bereits so verwittert, dass nur noch Knochen und Kleidungsstücke von ihr übrig geblieben sind. Erneut handelt es sich um zwei Frauen. Mit ihren begrenzten Mitteln bilden sich zwei Gruppen bei den Ermittlern. Je ein Team soll den Ursprung eines Verbrechens aufdecken. Der Mörder der ersten Leiche ist schnell gefunden. Der ehemalige Soldat Yoshio Kodaira gesteht. Fall abgeschlossen. Allerdings tauchen weitere seltsame Fälle auf, die mit Kodaira in Verbindung gebracht werden. Es werden weitere Leichen junger Frauen entdeckt, und Team 2 der Kriminalpolizei konnte immer noch nicht die zweite Leiche aus dem Shiba-Park identifizieren. Ab hier beginnt für den gebeutelten Inspektor Minami der Tokioter Kriminalpolizei eine alptraumhafte Odyssee, die um Längen seine Vorstellungskraft übersteigen wird.

Wäre man gemein, so könnte man sagen, würde man die ganzen Füllwörter und Wiederholungen streichen, würde Peace Roman lediglich auf 200 Seiten kommen. Sieht man das Werk aber weniger als Roman, sondern viel mehr als psychologisches Profil eines verzweifelten Polizeibeamten der japanischen Nachkriegszeit, bekommt man ein sehr verstörendes Bild geboten. Tokio im Jahr Null ist gewiss kein einfaches Werk. Manchmal fand ich es sogar anstrengend, einige Passagen zu lesen. Es kann sein das auf mehreren Seiten nichts anderes steht als "Ton-ton, Ton-ton" oder "Chiku-taku, Chiku-taku".
Diese seltsamen Worte stehen für ein Hämmern, und das ticken einer Uhr. Peace gewährt uns Einblicke in die Gedankenwelt von Minami, seinem Protagonist. Minami selbst hat damals im Krieg gegen die Chinesen gedient, und durch gute Kontakte seines Vaters, der mit dem Polizeichef von Tokio sehr gut befreundet war, den Job bei der Kriminalpolizei erhalten. Sehr interessant dabei ist der Vergleich, wenn man den Minami aus dem Prolog mit dem Minami aus der Hauptgeschichte vergleicht. Während im Prolog Minami mit seiner Entourage an Polizisten noch abgeklärt und cool agiert, ist sein Verfall im Laufe der Geschichte immer deutlicher zu erkennen. Er wird unsicher, wird immer mehr abhängig von Schlaftabletten. Vor seinen Vorgesetzten muss er sich bei jeder weiteren Sackgasse im Fall so tief verbeugen, dass er beinahe den Boden küsst. Minami selbst gerät dabei immer mehr im Sumpf des Verbrechens. Er liefert Informationen an den Gangsterboss Senju Akira ab, nur um an Schlafmittel und Geld zu kommen um seine Familie zu ernähren und seine Geliebte zu halten. Die Mordfälle nehmen immer absurdere Wendungen. Minami kann Realität von Traum nicht mehr unterscheiden. Und irgendwie scheint Yoshio Kodaira, Ex-Soldat und Mörder, Minami zu kennen. Der ihm immer wieder klar macht: Niemand ist der, der er zu sein vorgibt.

David Peace erlangte in der Krimi-Szene viel Ruhm durch sein Red Riding Quartett. Eine Reihe von vier Romanen, die von dem sogenannten Yorkshire Ripper handeln. Mit seiner Tokio-Trilogie wollte er ein ähnliches Wagnis eingehen. Realität mit Fiktion vermischen. Peace lebte über 10 Jahre in Japan. Seine Faszination von diesem Land liest man in jeder Zeile seines Romans. Würde man den Name David Peace nicht lesen, würde man nicht bemerken, dass hier ein westlicher Autor schreibt. Alleine damit hat Peace sich höchsten Respekt verdient. Seine Sichtweise ist japanisch. Seine Denkweise ist japanisch. Es gibt keine westlichen Klischees. Peace arbeitet mit Fakten. Zwar ist sein Protagonist Minami Fiktion, Yoshio Kodaira aber nicht. Kodaira wurde 1905 geboren, diente als Soldat und wurde 1949 hingerichtet. In einem Abschiedsbrief bedauerte Kodaira seine Verbrechen, und war zu Tränen gerührt, mit wie viel Respekt man ihm trotz allem begegnete. Kodaira war für den Mord an mehreren jungen Frauen verantwortlich. Sieben Morde konnten ihm nachgewiesen werden. In Wahrheit werden es aber weitaus mehr gewesen sein.

In Tokio im Jahr Null gibt es keine Optimismus. Die Geschichte ist düster und absolut packend geschrieben. Und dennoch handelt es sich hierbei nicht um einen klassischen Kriminalroman. Viel mehr geht es um das Leben der völlig überforderten Polizei, die zu solch einer schwierigen Zeit damals ermitteln mussten. Es geht um das zerbombte Tokio, und die Hoffnung der Bürger, die eigentlich nicht mehr Existent war. Die Mordfälle nehmen da einen geringeren Teil der Geschichte ein, auch wenn sie der Kern des Romans sind. Es gibt aber auch immer wieder sehr surreale Passagen, diese kann man dann sehr gut in das Mystery Genre packen. All das zusammen ergibt ein Nachkriegsdrama mit Mystery und Krimi Elementen.

Der einzige wirkliche Kritikpunkt, den ich habe, sind die vielen Namen. Obwohl ich eigentlich sehr gut im Bilde bin über die verschiedenen Anreden, die man in Japan benutzt, war ich oftmals doch recht verwirrt wenn es um das Zuordnen der Personen ging. Das ist weniger etwas, was man Peace zur Last legen kann, sondern vielmehr etwas, wo man als Europäer nicht so ganz mitkommt. Es treten viele Personen auf und es verschwinden genau so viele Personen. Wenn man da einmal durcheinander kommt, ist das nicht wirklich ein Problem, man findet genau so schnell wieder in die Geschichte zurück.


Resümee

Tokio im Jahr Null ist harte Kost. Zartbesaitete werden es wohl nicht bis zum Ende schaffen, da man die Beschreibungen als auch den Schreibstil an sich als sehr extrem bezeichnen kann. Selbst mich überkam mehrmals ein furchtbarer Schauder. Es ist eindeutig ein Werk, welches man schwer rezensieren kann. Es ist umfangreich, verwirrend und dennoch genial geschrieben.
David Peace weiß, wie man den Leser an das Buch fesselt. Der Mix aus Fiktion und Tatsachen ist ihm gelungen. Das Portrait, welches er von dem Japan der Nachkriegszeit gemalt hat, ziemlich realistisch. All das machte mir lust auf mehr. Und so freue ich mich auch auf den zweiten Teil seiner experimentellen Tokio-Trilogie, Tokio, besetzte Stadt.
Eine klare Empfehlung spreche ich für den ersten Teil an alle Japan-Begeisterte aus. Doch auch Krimi-Fans können es wagen, wenn sie mal etwas fernab der skandinavischen Krimis etwas außergewöhnliches Lesen wollen. Ich bereue den Ausflug in die düstere Vergangenheit jedenfalls nicht, und hoffe, einigen Lesern den Titel schmackhaft gemacht zu haben.

Das Finale der Tokio-Trilogie, Tokyo Regained, ist immer noch nicht erschienen. David Peace kündigte bereits seinen Abschied als Autor an. Das ist natürlich sein gutes Recht, aber das möge er bitte erst tun, nachdem er seine Trilogie beendet hat ;)

Dienstag, 9. April 2013

Die Vögel zwitschern auch am Meer



Ich lege zwar nicht enorm viel wert drauf, aber immer erreichbar zu sein, kann ja nie schaden.

Da "Am Meer ist es wärmer" ein wenig zu lang klingt für einen Twitter Account, findet ihr den Blog unter @DerAufziehvogel

Jeder Follower ist gerne gesehen. Und da natürlich nicht Scharen an zwitschernden Vögelchen mich erwarten werden, werde ich jede Nachricht persönlich beantworten.

Machts gut, ihr Wertungen!


Was es fortan nicht mehr in den Rezensionen geben wird, sind die Zahlen am Ende.
Ich will nun eine kluge Person zitieren, ohne zu wissen, wo ich diese Passage mal gelesen habe: "Man sollte bei einer Rezension im Fazit lesen können, ob für den rezensierten Titel am Ende eine Empfehlung ausgesprochen wird oder nicht."

Ich war immer sehr stur wenn es um meine geliebten Wertungen ging. In der vergangenen Zeit habe ich aber bemerkt, wie viel Einfluss solche Zahlen am Ende tatsächlich auf die Leser haben. So schwer es mir auch fällt, will ich zukünftig darauf verzichten.

Alle bereits gespeicherten Rezensionen werden natürlich unverändert bleiben. Für Literatur gab es je 5 Punkte zu vergeben, bei Filmen waren es 10 Punkte. Diese Wertungen gehören nun der Geschichte an.

Sonntag, 7. April 2013

Blog Relaunch 2013



Laut Wetteraufzeichnungen war es einer der kältesten Winter der beschaulichen Bundesrepublik.
Dieses Schicksal teilen wir aber mit ganz Europa. Und auch noch während ich hier schreibe, spielt der Wettergott ein abstraktes Spiel mit mir. Denn, obwohl die Sonne scheint, weht mir eine kühle Brise ins Haus. Noch immer hat sich der Winter nicht verabschiedet, und ich frage mich, ist es am Meer wohl wirklich wärmer?

Natürlich habe ich nach einer so langen Abstinenz nicht das Bedürfnis, über einen kalten Winter zu sprechen. Nach fast 9 Monaten möchte ich gerne wieder die Arbeit an Am Meer ist es wärmer, wofür mir das Schreiben bereits in der Vergangenheit so viel Freude bereitet hat, wieder aufnehmen. Ist man der alleinige Autor eines Blogs, so kann einiges dazwischen kommen, was einem die Zeit raubt. Leider aber fokussierte ich mich zu sehr auf Projekte, die an sich keine Früchte trugen oder durch nicht jenes Langzeit Interesse bei mir weckten, welches ich mir erhofft hatte. Fortan will ich mich nur noch auf Am Meer ist es wärmer konzentrieren. Es wird also weitergehen mit auf Japan bezogene Inhalte rund um Literatur und Popkultur.

Ich vermute einfach mal, bei rund 40.000 Klicks gab es den ein oder anderen Leser, der sich öfter hierher verirrt hat, und hoffe sehr, einige von euch wieder hier zu treffen.

Den Relaunch des Blogs plane ich noch für April und bin bereits jetzt fleißig auf der suche nach passenden Inhalten. In der kommenden Zeit möchte ich, wie damals bereits geplant, den Schwerpunkt etwas mehr auf die japanische Zeichenkunst, den Manga, legen, und einige exotische Werke hier vorstellen.

Eine große Veränderung wird es auf Am Meer ist es wärmer zwar nicht geben, da mir das Konzept immer noch gefällt, aber es wird die ein oder andere Neuerung geben.

Bis dahin wünsche ich angenehme Apriltage. Auf das der Frühling, der bereits eine beachtliche Verspätung hat, sich endlich blicken lässt.