Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 27. November 2016

Tag 7 Review: Kingsglaive: Final Fantasy XV



Trailer

Aufgrund der strikten Copyright-Richtlinien auf YouTube und Co. sowie der Kurzlebigkeit der Videos wird es auf "Am Meer ist es wärmer" fortan keine Trailer mehr zu den jeweils besprochenen Filmen geben. Danke für euer Verständnis.



Japan 2016

Kingsglaive: Final Fantasy XV
Regie: Takeshi Nozue
Drehbuch: Takashi Hasegawa
Englische Stimmen: Aaron Paul, Sean Bean, Lena Headey, David Gent, Darin DePaul
Laufzeit: Circa 110 Minuten
Genre: Fantasy, Action, Animationsfilm
Verleih: Sony Pictures
Premiere: 9 Juli 2016
FSK: Ab 12



In genau zwei Tagen endet für viele Fans des Final Fantasy Franchise eine Odyssee, die nun beinahe 10 Jahre andauert. Eine rund 10 jährigen Reise, in der das geplante Final Fantasy XIII Spin-Off "Versus" im laufe der Jahre zum neuen, nummerierten Final Fantasy wurde. Und was eignet sich da so kurz vor der [offiziellen] Veröffentlichung des Videospiels besser, als das filmische Tie-in, welches im Juli dieses Jahres seine Premiere in Japan feierte. Kingsglaive: Final Fantasy XV dient nicht nur als Prequel, sondern auch als Interquel zum kommendem Videospiel. Die Macher waren dabei jedoch sehr ambitioniert, versprachen sie, Kingsglaive können auch die Leute genießen, die weder was mit den Videospielen am Hut haben, noch vor haben, Final Fantasy XV zu spielen.
Auf dem Papier mag das nicht falsch sein, ein Vorwissen über die Welt von Final Fantasy XV als aber auch das offene Ende des Filmes wird es den Zuschauern schwerer machen, durch die Bedeutung dieses Multimedia-Projekts durchzusteigen.

Von den professionellen Kritikern fast ausnahmslos in den Boden gestampft, hat es Kingsglaive aber durchaus geschafft, sich bei Fans aus verschiedensten Bereichen einen Namen zu machen. Alleine die beinahe realitätsnahen CGI-Animationen brachten dem Film eine menge Lob ein. Doch wieso ging Kingsglaive ausgerechnet bei der Filmkritik baden? Funktioniert Kingsglaive nicht als eigenständiger Film? Nun, dies könnte mehrere Gründe haben, einer davon hat seinen Ursprung sogar relativ weit in der Vergangenheit. Vor über 16 Jahren hatte Hironobu Sakaguchi, Schöpfer des Final Fantasy Franchise, die Vision, Filme, komplett generiert aus CGI, können irgendwann einmal mit echten Spielfilmen aus Hollywood mithalten. Sakaguchis kostspielige Vision war als Trilogie geplant (aus offensichtlichen Gründen blieb es aber bei nur einem einzigen Film) und zusammen mit dem neu gegründeten Square Pictures Studio ging er das große Wagnis ein, den Name "Final Fantasy" für sein ambitioniertes Projekt zu benutzen. An den Kinokassen ging Sakaguchis "Final Fantasy: The Spirits Withing (Die Mächte in dir)" unter wie ein Segelboot in einem Taifun. Die wenigen Bezüge zum Final Fantasy Franchise machten die Kritiker und Kinogänger stutzig und man warf Sakaguchi vor, den mächtigen Namen für sein egoistisches Filmprojekt benutzt zu haben. Trotz für damalige Verhältnisse realitätsnahe Animationen (die sich auch heute noch sehen lassen können), bot sein Film eine eher wirre, beinahe schon belanglose Geschichte, die nur wenig Anklang fand. Die Moral von Sakaguchis Ausflug in die Filmwelt: Square Pictures ging Bankrott, Squaresoft, die kurz davor waren, sich mit dem einstigen Rivalen Enix zu fusionieren, drohte ebenfalls ein finanzielles Desaster und für Sakaguchi bedeutete es das Aus in der Firma, der er so viele Jahre die Treue hielt. Bei den strengen japanischen Hierarchien in der Arbeitswelt ist jedoch kein Platz für Romantiker. Über die Jahre hinweg fand "The Spirits Within" jedoch seine Anhängerschaft und man konnte bereits vor etlichen Jahren die Produktionskosten wieder einspielen. Rückblickend kann man also sagen, der Misserfolg von damals könnte dafür gesorgt haben, dass bei der internationalen Presse ein neuer Film aus dem Final Fantasy Universum grundsätzlich einen schweren Stand hat. Über die letzten Jahre hinweg sind Fans neue Final Fantasy Produkte eher skeptisch angegangen. Jeder neue Ableger muss sich daher erneut den hohen Erwartungen und den überkritischen Stimmen stellen, ist kein Selbstläufer mehr wie es vor rund 10 Jahren noch der Fall war, wo das Franchise das Maß aller Dinge in der Videospielwelt für viele Videospieler darstellte.

Nach der durchaus soliden, filmischen Final Fantasy VII Fortsetzung aus dem Jahr 2005, nämlich "Advent Children", sollte es über 10 Jahre dauern, bis Square Enix einen weiteren, komplett aus CGI kreierten Spielfilm in die Kinos bringt. Dabei sollte noch angemerkt werden, hierbei handelte es sich nur um eine streng limitierte Kinoauswertung. Um sich modernen Standards anzupassen, wählte Square Enix für die breite Masse noch vor der Blu-ray und DVD Auswertung eine Veröffentlichung auf "On Demand" Plattformen, Online.


(Crowe Altius auf geheimer Mission ins Königreich Tenebrae)


Bei Kingsglaive kann sich aber der Fan wie auch der Filmfan ohne erweitertes Wissen über das Franchise, zurücklehnen. Von der ersten Minute an ist Kingsglaive da und unterhält rund 2 Stunden äußerst kurzweilig. Der Spagat, dem Franchise treu zu bleiben mit kleinen Fanservice-Einlagen und kompletter Eigenständigkeit, einen actionreichen Spielfilm mit grandiosen Effekten abzuliefern, ist durchaus gelungen. Die Geschichte rund um eine Spezialeinheit, die auf direkten Befehlen des Königs (Sean Bean) handelt und von dessen Magie profitiert weist sogar einiges an Aktualität zum Weltgeschehen auf. Die politischen Aspekte des Films nehmen dabei aber nie Überhand. Der einstige Leitspruch des Final Fantasy XV Projekt "A Fantasy based on Reality" ist auch bei Kingsglaive noch absolut zutreffend. Zudem hat man mit Protagonist Nyx Ulric (Aaron Paul) noch eine charmante Alternative zum sich aufdrängenden Bilderbuch-Helden ins Rennen gebracht. Die teils tragischen Ereignisse in Kingsglaive sind, und da macht der Film keinen Hehl draus, darauf ausgelegt, als Vorlage für das kommende Videospiel zu dienen. Charakterentwicklungen zu manchen Figuren kommen dementsprechend etwas kurz, könnten ein wenig weiter ausgearbeitet sein für die Leute, die nicht vorhaben, das kommende Videospiel zu spielen. Kingsglaive jedoch als eine rund 2 stündige Actionszene zu bezeichnen ist aber grundsätzlich falsch. Neben den sehr actionreichen Passagen gibt es im Film genügend Verschnaufpausen, um die Zuschauer etwas zur Ruhe kommen zu lassen. Der eigentliche Twist des Films, nämlich, welcher Charakter sich unter der dicken, gepanzerten Rüstung (ein Markenzeichen des Franchise so wie der maskierte Bösewicht aus dem Gundam Franchise) von Antagonist Glauca befindet, hätte ein wenig spektakulärer ausfallen können und bringt leider auch einige Logiklöcher bzw. fehlende Erklärungen mit sich.

Für den stimmigen Soundtrack war John R. Graham verantwortlich. Zusätzlich wählte man noch ein paar ausgewählte Stücke aus dem Videospiel, die von der großartigen Yoko Shimomura komponiert wurden. Darunter auch das wunderschöne, mittlerweile 10 Jahre alte Stück "Somnus Nemoris", was bei der Ankündigung der ursprünglichen Version von Final Fantasy XV im Jahr 2006 benutzt wurde.
Noch eine interessante Info am Rande: Für Kingsglaive wurden zahlreiche verworfene Konzepte benutzt, die in das ursprünglich angekündigte Videospiel "Versus XIII" ihren Weg finden sollten. Veteranen, die schon lange dabei sind was die Entwicklung von Final Fantasy XV angeht, werden vielleicht einige bekannte Szenen aus alten Trailern in Kingsglaive wiederfinden. Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um Recycling, die besagten Szenen wurden alle komplett neu konzipiert und animiert.
Neben einer guten deutschen Vertonung (die japanische Tonspur hat es leider weder in die digitale Version, noch in die fürs Heimkino produziertem Versionen geschafft), hat man sich für die englische Adaption (auf der, soweit ich recht informiert bin, auch die Bewegungen der Lippen im Film abgestimmt sind) etwas besonderes einfallen lassen. So engagierte man bekannte Größen wie Sean Bean (König Regis) und Lena Heady (Lunafreya), gemeinsam zu sehen in der ersten Staffel von Game of Thrones, als auch Aaron Paul (Nyx Ulric), den meisten wohl noch bekannt aus Breaking Bad. Die prominenten Sprecher, auch wenn Lena Heady vielleicht ein wenig zu alt für ihren Charakter Lunafreya klingt, liefern hier einen Klasse Job ab. Im Videospiel werden sie jedoch nicht zu hören sein. Auch die gesamten Designs im Film wurden an westliche Darsteller angepasst und unterscheiden sich teilweise sogar von denen aus dem Videospiel, besonders deutlich ist dies bei Prinzessin Lunafreya zu sehen. Insgesamt eine leichte Inkonsistenz bei den Designs, allerdings war dies wohl unvermeidbar weil man hier nicht auf asiatische Darsteller für das Motion Capture gesetzt hat.



(Ardyn Izunia wird auch im Videospiel den Protagonisten der Geschichte das Leben schwer machen)




Fazit

Kingsglaive: Final Fantasy XV bietet furiose, kurzweilige Unterhaltung mit großartigen Effekten. Von den 3 abendfüllenden Final Fantasy Spielfilmen hat Kingsglaive sich souverän bei meinem persönlichem Ranking als Nummer 1 durchgesetzt. Kleinere Schwächen was den Tiefgang der Geschichte und einiger Charaktere angeht, kann der Film überraschend gut kompensieren und ausgleichen. Ob Kingsglaive letztendlich dann was für Leute ist, die mit dem Franchise rund um Final Fantasy wenig oder gar nichts zu tun haben, kann hier nicht beantwortet werden und muss persönlich beurteilt werden. In Sachen ordentlicher Videospieladaption als aber auch beeindruckender CGI-Technik kann man den Film durchaus als Referenz nennen. Kingsglaive ist also nicht nur ein Warm-Up für das kommende Videospiel, sondern funktioniert durchaus als eigenständiges Werk.

Sonntag, 13. November 2016

Rezension: Das Buch vom Meer (Morten A. Strøksnes)







Norwegen 2015
Das Buch vom Meer
Alternativ: Das Buch vom Meer oder wie zwei Freunde in einem Schlauchboot ausziehen, um im Nordmeer einen Eishai zu fangen, und dafür ein ganzes Jahr brauchen
Originaltitel: Havboka – eller Kunsten å fange en kjempehai fra en gummibåt på et stort hav gjennom fire årstider
Autor: Morten A. Strøksnes
Veröffentlichung: 29.08.2016 bei DVA
Übersetzung: Ina Kronenberger, Sylvia Kall
Genre: -



"Seeleute an Land wirken häufig wie rastlose Gäste. Selbst wenn sie nie wieder zur See fahren werden, erwecken sie in Gesprächen und in ihrem Verhalten den Anschein, als wären sie nur kurz zu Besuch. Die Sehnsucht nach dem Meer werden sie nie ganz los. Das Meer, das nach ihnen ruft, muss sich jedoch mit ausweichenden Antworten begnügen.
Einen solchen geheimnisvollen Drang muss auch mein Ururgroßvater verspürt haben, als er das schwedische Binnenland verließ und durch Täler und über Berge nach Westen wanderte. Wie ein Lachs folgte er den großen Flüssen, zuerst gegen den Strom, dann mit ihm, bis er das Meer erreichte. Als Grund für die Wanderung soll er angegeben haben, er müsse unbedingt das Meer mit eigenen Augen sehen. Er hatte aber ganz sicher nicht die Absicht, jemals wieder dorthin zurückzukehren, von wo er gekommen war. Vielleicht ertrug er den Gedanken nicht, für den Rest seines Lebens mit gebeugtem Haupt über die kargen Äcker einer schwedischen Berglandschaft zu laufen. Er muss ein Mensch gewesen sein, der sich von Stimmungen leiten ließ, ein Träumer mit kräftigen Beinen, denn er schaffte es bis zur norwegischen Küste. Hier gründete er eine Familie und heuerte später auf einem Frachtschiff an. Irgendwo im Pazifik ging sein Schiff dann unter, und alle an Bord ertranken, ganz so, als wäre der Mensch vom Meeresgrund gekommen und müsste auch wieder dahin zurück. Als gehörte er eigentlich dorthin und hätte es die ganze Zeit über gewusst. So stelle ich es mir jedenfalls vor."
("Das Buch vom Meer", Morten A. Strøksnes. Übersetzung Ina Kronenberger und Sylvia Kall für DVA)



Der Blog vom Meer bekommt nun Unterstützung durch "Das Buch vom Meer". Morten A. Strøksnes Geschichte über 2 Freunde, die das Meer lieben und einen Eishai (besser bekannt als Grönlandhai) fangen wollen, hat sich zu einem kleinen Geheimtipp avanciert. Strøksnes ist in seiner Heimat natürlich kein unbekanntes Lichtchen. Als Journalist und Autor sind seine Aktivitäten relativ umfangreich. In Norwegen schätzt man Strøksnes Schreibkunst besonders im Segment der Sachbücher. Bei seinem neunten Buch, nämlich dem hier besprochenem "Buch vom Meer", hat der Autor sich dazu entschieden, das Sachbuch mit der Belletristik zu verbinden. Auf dem Papier ist der Roman Fiktion, verziert ist dieser aber mit Passagen, die genau so gut in eines seiner Sachbücher passen könnte. Zwischen Fiktion, etwas Naturwissenschaften und Wortwitz ist dem Norweger ein interessanter wie kurzweiliger Genremix gelungen. Leser, die ein gewaltiges Abenteuer im Stile von Moby Dick erwarten, könnten jedoch enttäuscht werden.

"Das Buch vom Meer" benötigt nicht lange, um direkt zum Punkt zu kommen. Strøksnes hält sich nicht lange mit Vorbereitungen auf und führt besonders die Charaktere zügig ein. Da hätten wir einmal den Ich-Erzähler, der den Leser durch die Geschichte geleitet (und ihm einen Platz auf dem Boot reserviert), gleichzeitig aber auch als Naturwissenschaftler agiert und die ganze Geschichte wie eine Dokumentation, aber auch einen Reisebericht beschreibt. Als zweiten Protagonist haben wir den langjährigen Kumpel des Erzählers, Hugo Aasjord. Der Erzähler nimmt sich keine Zeit uns Hugo bei der Begrüßung näher vorzustellen. Stattdessen webt er Hugos Hintergrundgeschichte (inklusive seiner Beschreibung) intelligent in separate Erzählungen beinahe beiläufig ein. Hugo ist ein etwas kauziger Zeitgenosse der am Meer aufgewachsen ist und regelrecht vernarrt und verliebt in seine Boote ist (und so ziemlich alles, was mit der See zu tun hat). Die Geschichte dieser beiden Herren beginnt an einem milden Sommertag. Die Vorbereitungen sind so gut wie getroffen, das teure Schlauchboot ist aufgepumpt und beide Männer wollen ihren Traum erfüllen, den sie lange im voraus geplant haben: Sie wollen einen Eishai fangen. Was beinahe schon simpel klingt, entpuppt sich für die beiden als eine langwierige Odyssee.

Wie ich schon beschrieben habe ist "Das Buch vom Meer" kein furioser Abenteuerroman. Stattdessen fährt Morten A. Strøksnes hier etwas ruhigere Gewässer an. Was aber nicht heißt, der Roman ist langweilig oder schwer zu lesen. Man muss ein wenig eigenen Enthusiasmus mitbringen, wenn man das Buch liest, sich besonders für die vielen dokumentarischen Anmerkungen des Erzählers interessieren, sich darin hineinversetzen können. Im laufe der Geschichte gibt es sicherlich immer mal wieder weniger interessante oder gar langwierige Abschnitte, die werden aber häufig durch wunderbar eingesetzten trockenen Humor kompensiert. Eines der Grundthemen des Buches ist die Sehnsucht und die Faszination des Meeres. Genau diese Mischung macht "Das Buch vom Meer" zu einem würdigen Vertreter, auf meinem Blog präsentiert und besprochen zu werden. Denn genau das ist die außergewöhnliche, exotische Literatur, nach der ich suche. So gesehen teile ich hier eine Leidenschaft mit den Protagonisten, auch wenn es wohl nun leicht an der Absurdität grenzen würde, wenn ich ein Buch mit einem Eishai vergleichen würde..... oder etwa.....


Resümee

"Der Weg ist das Ziel". Ein moosbewachsener Spruch, der zu diesem Roman aber großartig passt. Bei all den wundervollen Beschreibungen rund um die Natur und der See, da gerät das eigentliche Ziel dieser zwei relativ ungleichen Freunde schon einmal aus den Augen. Und dies gilt nicht als Kritik gemeint, die Beschreibungen, ganz besonders die Erklärungen, machen den Reiz dieser Geschichte aus.

Auf den letzten Seiten des Buches findet sich noch ein ausführliches Register, bei dem man Begriffe und Ereignisse nachschlagen kann. Auf dem Meer mag man sich als Laie verloren und hilflos vorkommen, in diesem ruhigen Abenteuer aus Norwegen haben wir mit Morten A. Strøksnes jedoch einen ausgezeichneten Reiseführer. "Das Buch vom Meer" ist Lesestoff für die kalte Jahreszeit. Und wenn einem das norwegische Klima doch einmal etwas zu nasskalt ist, hilft bestimmt ein warmer Glühwein aus.


(Steigen, Engeløya: Mehr Infos auf Norwegen Service)