Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 30. September 2014

Neuauflage: Die Geschichte vom Prinzen Genji (Genji Monogatari)

(Foto: Aufziehvogel, Manesse)

Genji Monogatari 
Autorin: Murasaki Shikibu
Deutscher Titel: Die Geschichte vom Prinzen Genji
Übersetzung und Vorwort: Oscar Benl
Nachwort: Eduard Klopfenstein
1928 Seiten (ungekürzt in 2 Bänden)
Verlag: Manesse
Veröffentlichung: 06. Oktober 2014
Preis: 59, 95 Euro



Als ich 2011 "Am Meer ist es wärmer" gegründet habe, war es mir wichtig, einen besonderen Fokus auf die japanische Literatur und Filmkunst zu legen. Meine Leidenschaft gilt, und das trotz der vielen verschiedenen Themen auf meinem Blog, der japanischen Kultur. Während die japanische Filmkunst auch hier in Deutschland stets mit neuen Veröffentlichungen bereichert wird, so herrscht bei der Literatur derweil keine Renaissance. Die Auswahl an neuen Veröffentlichungen ist spärlich, denn sowohl aus der klassischen japanischen Literatur wie aber auch aus der Modernen japanischen Literatur halten sich neue deutsche Übersetzungen in grenzen. Im Oktober können sich Fans der exotischen Belletristik aber freuen. Denn noch bevor am 08. Oktober die neue Haruki Murakami Kurzgeschichtensammlung „Von Männern, die keine Frauen haben“ erscheint, gibt es vom Manesse Verlag eine Wiederveröffentlichung eines Meilensteins der Weltliteratur. Die Geschichte vom Prinzen Genji, besser bekannt als Genji Monogatari, verfasst vor über 1000 Jahren von der Hofdame Murasaki Shikibu aus der Heian-Zeit, wird endlich wieder in seiner ungekürzten Fassung erhältlich sein. Während in der deutschen Sprache aktuell nur eine gekürzte Variante erhältlich ist, die auf einer englischen Übersetzung basiert, wird der Manesse Verlag den Roman in einer zweibändigen Sonderedition veröffentlichen. Die Übersetzung stammt diesmal selbstverständlich aus der Originalsprache. Adaptiert in die deutsche Sprache wurde das Werk von dem leider bereits verstorbenen Japanologen Oscar Benl.

Auch 1000 Jahre nach seiner Veröffentlichung musste das Genji Monogatari nichts von seiner Faszination einbüßen. Beinahe genau so beeindruckend wie die melancholische und tragische Geschichte um den Prinzen Genji, ist die Entstehungsgeschichte zu diesem gigantischen Werk. Denn noch immer sind viele Geheimnisse um die Autorin noch nicht gelüftet. Angefangen bei ihrem Name (Murasaki Shikibu ist, für die Heian-Zeit üblich, nur ein Alias, ihr wahrer Name ist nicht bekannt und es kann hier nur gemutmaßt werden) bis hin zur ihrem Verschwinden aus den Aufzeichnungen der japanischen Geschichte. So rätseln Experten bis Heute noch ob der Autorin überhaupt das ganze Genji Monogatari zugeschrieben werden kann, oder ob sie es nur weitergeführt hat und nach ihrem Tod gar ihre Tochter die Arbeit fortgesetzt hat.

(Foto: Aufziehvogel, Manesse)

Die Sonderedition, die der Manesse Verlag hier anbietet ist feinste deutsche Buchkunst. Die von mir erstellten Fotos werden dem Material der Bücher wahrlich nicht gerecht. Die beiden Bücher sind je knapp 1000 Seiten schwer und befinden sich in einem robusten Sammelschuber. Das Material der Bücher besteht aus japanischem Leinen, einer Goldprägung und jeweils einem Leseband. Hervorheben möchte ich aber auch das Material des verwendeten Papiers. In einer schöneren Edition kann der Klassiker nicht aufgehoben sein. Auch was das Verständnis des Textes angeht kann man sich entspannen, denn neben einem äußerst interessantem Vorwort von Oscar Benl setzt der Japanologe stets geschickt Fußnoten ein, um diverse Begriffe zu erklären.

Die Geschichte des Prinzen Genji erscheint am 06. Oktober im Buchhandel. Der Preis liegt bei 59,90 Euro und dürfte besonders für Sammler japanischer Literatur äußerst attraktiv sein. Auch nicht unattraktiv dürfte der Fakt sein, dass es sich hier um eine vollständige Ausgabe handelt.

Eine ausführliche Rezension wird von mir zeitnah nachgereicht.


(Foto: Aufziehvogel: Manesse)



Donnerstag, 4. September 2014

Clive Barker: Fahr zur Hölle Mister B. (Rezension)






Am Meer ist es blutig Part 1


USA 2007

Fahr zur Hölle Mister B.
Autor: Clive Barker
Originaltitel: Mister B. Gone
Erscheinungsjahr: 2007 (USA), 2014 in deutscher Übersetzung beim Festa Verlag
Übersetzung: Joachim Körber
Genre: Phantastik, Metafiction, Satire


„Oh dieser Anblick! Meine Caroline, meine einst so bildschöne Caroline! So, wie sich meine Liebe im Handumdrehen in Hass verwandelt hatte, so hatte sie sich von einer Schönheit in eine abstoßende Kreatur verwandelt, wie ich eine war. Pockengesicht trug sie ein Stück vom Feuer weg, legte sie ab und löschte die Überreste ihrer brennenden Schürze. Das dauerte nur einen Moment; da fiel das graue, verkochte Fleisch von Stirn, Wangen, Nase und Lippen von ihr ab und entblößte die jugendlichen weißen Knochen darunter; nur die Augen blieben blind und gekocht in ihren lidlosen Höhlen.
>>Das reicht<<, sagte ich mir. Ich hatte meine Rache für den Schmerz, den sie mir zugefügt hatte. Es wäre zwar recht unterhaltsam gewesen, die Qualen des Pockengesichts mit anzusehen, aber ich durfte mir keinen weiteren voyeuristischen Augenblick mehr gönnen. Ich musste weiter.“
(Clive Barker, Fahr zur Hölle Mister B., Festa Verlag, in einer Übersetzung von Joachim Körber)



Der Festa Verlag ist in Deutschland ein echtes Unikat. Über die letzten Jahre hat der kleine Verlag einen Fan-Kult geformt der sich, bei all den neumodischen Young Adult und Erotik-Romanen, einem ganz speziellen Genre widmet. Wir alle kennen es noch, wissen aber nicht mehr wie es geschrieben wird. Im Wörterbuch ist dieses Genre als Horrorliteratur bekannt. Neben Horror und Psychothriller gibt es auch eine Auswahl an Phantastik. Darunter gehört auch das Buch, welches ich Heute bespreche. „Fahr zur Hölle Mister B.“ (im englischen noch etwas markanter mit Wortspiel: „Mister B. Gone“). 

Mister B. Gone ist nicht der klassische Clive Barker Roman, wie man ihm von dem Ausnahmetalent unbedingt erwarten würde. Barkers Werke sind für ihre Komplexität bekannt, sowohl was Sprache als auch Handlung angeht, unglaublich blutig und teilweise auch stets mit relativ okkulter Thematik. In Mister B. Gone vermisst der Leser nicht all diese Stilmittel, dieser Clive Barker Trip ist aber durchaus eine sehr erfrischende Abwechslung zu den eher ernsten Werken des Autors.
Damit möchte ich aber keineswegs diesen Ausflug in die Hölle schmälern und als Kinderbuch darstellen, Mister B. Gone ist durch und durch ein echtes Clive Barker Werk.

Barker spielt in diesem Roman mit den Genres. Mal liest sich die Geschichte wie eine Satire, dann kommen wieder Elemente der Phantastik hinzu. Der eigentliche Horror entfaltet sich aber erst später, und zwar wenn man etwas über die Geschichte nachdenkt. In den USA ist dieses Genre auch unter Metafiction bekannt.

In „Fahr zur Hölle Mister B.“ steht der Ich-Erzähler Jakabok Botch im Mittelpunkt. Jakabok ist ein Dämon aus der Hölle, und, genau hier kommt der Leser selbst ins Spiel, erzählt dem Leser seine Lebensgeschichte. Diese fängt rein zufällig damit an, wieso Jakabok zu einem sprechendem Buch geworden ist. Das faszinierende an Barkers Erzählstil ist, wie er diesen charismatischen Dämon, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, in die Geschichte einbindet. Jakabok erzählt zuerst von seiner Jugend, eine problematische Jugend. Der Vater, Pappy Gatmuss, Ein Trinker und Schläger. Ein brutaler Patriarch der seiner Familie (Achtung: Wortspiel) das Leben zur Hölle macht. Während Pappy Gatmuss die Familie tyrannisiert sieht sich Jakabok zu höherem besonnen. Der hoch intelligente Dämonen Sohn plant schon heimlich, welch Gräueltaten er seinem Vater einmal antun könnte. Allerdings findet Mammi die diabolischen Dokumente und die Geschichte eskaliert. Von da beginnt die kuriose Reise von Jakabok Botch aus den kreisen der Hölle bis hin in unsere irdische Welt.

Ich habe mich bei der Erzählung aus Jakabok Jugend oftmals ertappt, dass ich nicht an Dämonen dachte, sondern an echte Menschen mit echten Problemen. Die Vergangenheit von Jakabok könnte genau so gut in einem amerikanischen Trailerpark stattfinden. Mit Humor und viel Wortwitz (dank einer anständigen Übersetzung von Joachim Körber) findet der sehr makabere Humor von Barker auch in der deutschen Ausgabe statt. Wie ich aber schon schrieb, ist Mister B. Gone eigentlich keine Komödie. Die Handlung ist durchaus ernst und durch den relativ unglaubwürdigen Erzähler, Jakabok, weiß man als Leser auch nie genau, welche Geschichten man dem Dämon nun glauben kann, und welche nicht. Hat sich dieses oder jenes Ereigniss in Jakabok Leben wirklich so zugetragen? Oder belügt er den Leser? Jakabok, gefangen in diesem Buch und mit flehenden Bitten an den Leser, diese Schriften endlich zu vernichten, ist die einzige Person auf die man sich zwangsläufig verlassen muss da es keine anderen Zeugen seiner Geschichten gibt.


Resümee


„Fahr zur Hölle Mister B.“ spaltete zur Zeit seiner Veröffentlichung das Clive Barker Fanlager. Die einen waren enttäuscht das es keinen Roman im Stile der Blutbücher war. Die anderen begrüßten Barkers kleinen Traditionsbruch jedoch. Vermutlich wird Mister B. Gone ein Einzelstück in Clive Barkers Bibliografie bleiben, aber das macht diesen Roman nur noch interessanter. Mit Jakabok hat er eine Figur erschaffen, die weder sympathisch ist noch vorbildlich handelt, aber es umso unterhaltsamer ist dem Dämon von seinen Eskapaden zuzuhören. Jakabok ist aufgrund seiner Verstümmelungen, die ihm sein Vater zugefügt hat, zu einer wahrlich abscheulichen Kreatur geworden. Selbst wenn die Phantasie des Lesers auf hochtouren läuft, wird es schwer sein, sich dieses Wesen bildlich vorstellen zu können.

So gesehen ist bei Clive Barker mal wieder alles beim alten. Nur der Tonfall ist ein wenig lockerer. „Fahr zur Hölle Mister B.“ ist von der ersten bis zur letzten Seite eine überaus unterhaltsame Geschichte. Langjährige Barker Fans könnten mit diesem Werk aber durchaus ihre Probleme haben. Der einzigartige Stil des Briten ist aber auch in diesem Roman unverkennbar.


Mein Dank geht an den Festa Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.