Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 27. Juli 2011

Ein neuer Blog erblickt das Licht der Welt: Kannibalismus unter Fischen


Mal etwas in ganz eigener Sache. Lange habe ich überlegt ob ich nun einen eigenen Blog eröffnen soll wo ich all meine selbst geschrieben Geschichten veröffentlichen kann. Entschied mich letztlich aber immer dagegen.

Erst kürzlich musste ich wieder an eine Geschichte denken die im letzten Jahr zu schreiben begann. Eine sehr seltsame Geschichte ist es. Und ja, es geht auch um Fische. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwas liegt mir an dieser Erzählung. Ich schreibe gerne an ihr. Es ist an sich mein erstes Werk welches über eine Handlung verfügt die Fortgesetzt wird. Bisher habe ich mich immer nur an Kurzgeschichten gewagt.

Wie auch immer. Ich freue mich über jeden Leser. Sämtliche Informationen was euch in Kannibalismus unter Fischen erwarten wird, findet ihr direkt auf der Startseite des neuen Blogs.

Auf Am Meer ist es wärmer geht es natürlich auch weiter ;)

Kannibalismus unter Fischen:

http://fishbowlwonderland.blogspot.com/

Samstag, 23. Juli 2011

Eine Gruselgeschichte: Kirschblüten im Winter Teil 2


Keine Einleitung diesmal. Das ist Teil 2, was bedeutet, danach kommt nur noch einer ;)
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Teil 2: Nostalgia

2.

Nacht für Nacht den gleichen Traum zu haben, der auch noch wie eine TV-Serie stets fortgesetzt wird, kann man wohl als ein absurdes, nicht wissenschaftlich zu erklärendes Phänomen bezeichnen. Ich erwarte von niemandem das man mir diese Geschichte abkauft. Aber wenn sie euch nicht interessieren würde, oder ihr nicht ein Stückchen an ihr glauben würdet, bin ich mir sehr sicher das ihr schon gar nicht mehr bei Teil 2 dabei wärt.
Genau wie bei Bigfoot gibt es auch bei meiner unheimlichen Geschichte keinen Beweis für ihre Glaubwürdigkeit. Ich kann euch also nur immer wieder erzählen das ich hier von wahren Tatsachen spreche. Und ich spreche nicht über den Freund eines Freundes, über eine stark abgenutzte Geschichte die bereits zu einer Legende wurde weil sie von vielen Personen erzählt wurde, ich spreche, oder besser gesagt, ich schreibe über mich. Über ein Horrorszenario welches mich jede Nacht aufs Neue heimsucht.
Bereits jetzt kämpfe ich wieder mit der Müdigkeit. Doch bevor mich mein eigener Verstand endgültig in den Wahn treibt, möchte ich diese Geschichte bis zu seinem derzeitigen Höhepunkt erzählen.

Der Traum endete meist immer das ich vor jener Tür ohne Knauf stand und meine Augen schloss. Mein Verstand führte mich jedoch immer tiefer ins Labyrinth. Vielleicht ist die einfachste Erklärung ja auch, dass ich hier den Traum einer anderen Person Träume. Indizien dafür gäbe es (zu denen ich später kommen werde).
Mein Ich im Traum handelte immer gleich. Der Gang über die verschneite Wiese, die Ankunft auf dem Hügel, der Blick zum Kirschblütenbaum, der Marsch jenseits der Grenze. Immer wieder kam ich zu dem verlassenen Haus an der Klippe an, dort wo die Welt endete. Der Sternenhimmel schien immer finsterer zu werden, und das Haus immer unheimlicher. Ich konnte mein Traum-Ich nicht davon abhalten immerzu diesen Weg zu bestreiten.
Bis dann eines Nachts der Moment kam, als plötzlich ein Knauf an der riesigen Stahltür befestigt war. Er sah so familiär aus als könne die Tür nicht ohne ihn bestehen. Wie ich bereits erwähnte, wusste ich zu dem Zeitpunkt nichts davon was für eine Welt hinter dieser Tür lauert. Das ich eine weitere Grenze überschreiten werde. Doch wie immer hatte ich keinen Einfluss darauf. Mein Traum-Ich drehte den Türknauf nach Rechts. Ich verschloss nicht mehr die Augen um zu hoffen das ich aufwachen würde. Mit einer seltsamen Überzeugung drehte ich den Türknauf und öffnete die Tür. Und schon als ich Eintrat wurde mir klar das dieses Haus sich gegen sämtliche Logik sträubt. Es war modrig, düster und es hätte nicht realer wirken können. Der Boden bestand aus verrottetem Holz. Es stand ein einsamer Holztisch sowie zwei einsame, morsche Holzstühle im Esszimmer. Die Küche war komplett verrostet und verwahrlost. Eine geöffnete Tür wies den Weg in einen weiteren Raum, vermutlich das Wohnzimmer. Doch egal wie sehr ich versuche mich zu erinnern, es will sich einfach kein Bild von der Einrichtung aufbauen. Auch kann ich mich nach dem aufwachen nie daran erinnern ob es noch weitere Räume gab als die Küche und das Wohnzimmer. Das signifikanteste woran ich mich erinnern kann ist folgendes; im Wohnzimmer steht auf einem kleinen, runden Tisch, ein altes Radio. Und ganz in der Ecke des Raumes ein genau so alter Schaukelstuhl. Als ich das erste mal das Haus betrat, die Küche inspizierte, hörte ich aus dem Wohnzimmer kommend eigenartige Geräusche. Sie wirkten abgehackt und ich konnte sie keinem bekannten Geräusch zuordnen. Wie sich die meisten von euch nun sicher denken können, diese eigenartigen Geräusche machte das Radio. Doch was aus diesem Radio kam konnte man als wahrlich beunruhigend bezeichnen. Ich betrat das kleine Wohnzimmer und näherte mich dem Radio. Und zu hören war..... es klang wie die Rede eines Politikers. Eine uralte Rede. Vielleicht war es eine Kriegserklärung. Ich weiß nur das ich mich ziemlich davor fürchtete und sich mir die Nackenhaare sträuben wenn ich nur daran denke. Ein verlassenes Haus, unbewohnt, die Einrichtung kann man bestenfalls als antik bezeichnen, und plötzlich spielt das nicht minder antike Radio eine kryptische Nachricht ab. Das ganze ist zu vergleichen mit den unheimlichen Verschlüsselungen die man in einem gängigem, herkömmlichen Radio hören kann. Speziell eingerichtete Sender über die Geheimdienste und deren Agenten ihre Botschaften erhalten. Diese Botschaften bestehen aus Zahlencodes die für Jedermann, außer dem Agenten selbst, unverständlich sind. Dennoch wirkt es befremdlich wenn eine Computergenerierte Stimme auf einem unbekannten Sender scheinbar ohne Sinn irgendwelche Zahlen aufsagt. So erging es mir als ich das erste Mal vor dem Radio in meinem Traum stand und plötzlich diese uralte Nachricht hörte. Wollte man mir wohl etwas mitteilen? So wie es Glen Runciter in Ubik tat? Mir Hinweise in meinem Traum liefern. Das wäre eine Erklärung, würde aber ebenfalls wieder ins Absurde abdriften.
In dem Haus fühlte ich mich hoffnungslos verloren. Der Drang aufzuwachen war enorm. Ich realisierte erstmals eine unwirkliche Atmosphäre. Ich merkte das etwas nicht stimmte. Ich versuchte aus dem Haus zu rennen, doch nun fehlte der Türknauf wieder. Da es keine Fenster gab konnte ich nicht fliehen. Wie zuvor, als ich noch draußen vor der verschlossenen Tür stand, schloss ich meine Augen und hoffte das dieser Albtraum bald ein Ende finden würde. Doch es viel mir schwer mich aufs aufwachen zu konzentrieren da ich einen Krach aus dem Wohnzimmer vernahm, gepaart mit unmenschlichen Lauten. Meine Knie schlotterten und ich traute mich nicht umzudrehen. Dabei wusste ich das sich mir etwas näherte. Ich vernahm einen abscheulichen Geruch. Es roch wie vergammeltes Fleisch. Fleisch genau so antik wie die Einrichtung in diesem Haus. Und dieses Etwas welches vor wenigen Momenten noch monströse Laute von sich gab, stand nun genau hinter mir.
Und als ob die Episode einer TV-Serie mit einem Cliffhanger enden würde, wachte ich kurz danach auf. Wieder einmal schweißgebadet und voller Furcht.

Ich fühle mich wie der Hauptcharakter in einer Neil Gaiman Story. Die geraten auch immer in irgendwelche abstrakten, seltsamen Geschichten. Wer weiß, vielleicht bin ich ja nur eine fiktionale Figur in einer Neil Gaiman Story. Vielleicht begegne ich ja noch dem Sandman. Doch das würde keinen Sinn ergeben, ich bin mir ziemlich sicher das ich wirklich existiere. Ich bin lediglich im Begriff den Verstand zu verlieren. Meine weiteren Exkursionen in die Hütte sollten dies besser erläutern warum meine Nerven so blank liegen.

Mein zweiter Trip in die Hütte war noch befremdlicher. Der an der großen Stahltür befestigte Türknauf gehörte mittlerweile zum festen Inventar dieser skurrilen Baute. Erneut trat ich ein, gesteuert von einer unsichtbaren Kraft. Ich fürchtete mich schrecklich, doch ich bewegte mich wieder ohne selbst zu handeln. Ich stand erneut in der Küche, und aus dem Wohnzimmer war wieder das Radio zu hören. Diesmal ertönte Musik. Alte Musik. Es grauste mir als ich hörte das es I Don't Want To Set The World On Fire von den Ink Spots war. Ich tastete mich vorsichtig durch die Küche, völlig im unklaren was sich diesmal im Wohnzimmer befand. Je weiter ich mich dem Zimmer näherte, umso mehr Geräusche vernahm ich. Das knarzen des Schaukelstuhls zum Beispiel. Dabei hielt ich die ganze Zeit über meine Augen geschlossen. Als ich die diesmal geschlossene Tür zum Wohnzimmer öffnete vernahm ich optisch keine Veränderungen in dem Zimmer. Bis auf den Unterschied das ich nicht mehr alleine war. Im Schaukelstuhl saß ein alter Mann. Er wippte hin und her. Allerdings war nicht auszumachen ob es wirklich ein alter Mann war, denn sein Gesicht sah nicht menschlich aus. Es war eine grauenhafte Fratze voller Narben. Seine Augen glichen die einer Fliege. Blutrot waren sie. Sein Körper, selbst seine Kleidung wirkten jedoch völlig menschlich. Sein gesamtes Erscheinungsbild widersprach allem was ich zuvor kannte. Eine innere Panik ergriff mich. Doch bevor ich mich wirklich fürchten konnte wanderten meine Augen einen Blick nach Links, abseits der Gestalt auf dem Schaukelstuhl. Vor dem Radio stand mit dem Rücken zu mir Gewandt, eine alte Frau. Sie war extrem dünn, trug ein langes, billiges Kleid wie man sie oft bei den Trümmerfrauen aus dem zweiten Weltkrieg sah. Ihre Haare waren so weiß wie der Schnee außerhalb des Hauses. Keiner der beiden schien mich zu bemerken. Die alte Frau drehte ein wenig am Radio, und promt wechselte der Sender. Nun ertönte Sleepwalk und ich begriff allmählich worauf die ganze Situation hinaus laufen sollte. Ich ging ein paar Schritte Rückwärts. Dies tat ich jedoch so langsam das es den Anschein vermittelte als würde ich gleich einen Tanz zu Sleepwalk ablegen. Dann drehte sich die alte Frau um. Ich begann zu zittern und ein eiskalter Schauder ergriff meinen Körper. Sie trug eine große Brille mit gigantischen Gläsern (gigantisch. ein Wort welches ich wirklich nicht oft benutze), ihr Gesicht war so faltig das ihre Stirn beinahe ihre Augen verdeckten. Diese Frau wird Mühen gehabt haben überhaupt etwas vernünftig zu erkennen. Dennoch ließen die riesigen, lupenartigen Gläser ihre kleinen kleinen Äuglein riesig erscheinen. Was mir jedoch diesen unbändigen Schrecken einjagte waren zwei Dinge: Zum einen war ich verblüfft das sie, im Gegensatz zu dem Wesen im Schaukelstuhl, komplett menschlich aussah. In einem solch verrückten Traum ist ein menschliches Wesen wohl das geringste was man erwarten würde. Zum anderen schien mir ihr liebliches, und durch die ganzen Falten auch zugleich bedrohliches Gesicht ungemein vertraut. Ich meinte sie schon einmal gesehen zu haben. Sie sah aus wie eine Person die öfter auf mich aufpasste als ich noch klein war. Jedoch gehörte sie nicht zur Familie, die Mutter meiner Mutter, meine Oma, starb bereits kurz nach meiner Geburt. Die alte Frau musterte mich gründlich. Der alte Mann im Schaukelstuhl tat es ihr gleich, wenn auch wesentlich uninteressierter. Ich erschrak erneut als sie plötzlich ihren knochigen Arm ausstreckte und nach mir griff. Ich trat einige Schritte zurück, doch sie begann mir zu folgen. Und anschließend vernahm ich wieder diese unmenschlichen Laute. Diese ertönten als die alte Frau ihren Mund aufmachte. Sie riss ihn so weit auf das ich Angst hatte ihr Kiefer würde gleich heraus brechen. Der alte Mann verfolgte das Geschehen amüsiert. Das kreischen der alten Frau verwandelte sich jedoch immer mehr zu einem röcheln. Es waren qualvolle Laute. Sie würgte Blut aus ihrer Lunge hoch und eine dunkelrote Brühe quoll ihr aus dem Mund und tropfte auf den maroden Holzboden. Ich bewegte mich schnell durch die Küche, wo es nun nach gegrilltem Fleisch roch, auf die Tür zum Ausgang zu. Zu meiner Verwunderung war sie geöffnet. Als ich draußen war stapfte ich durch den Schnee, doch den Lauten zu urteilen war die alte Frau immer noch hinter mir. Als ich in die Ferne blickte sah ich den Kirschblütenbaum der nun hell strahlte. Ein unheimliches leuchten. Man konnte es glaube ich viel mehr als ein glühen bezeichnen. Doch bevor ich den Baum weiter aus der Ferne begutachten konnte spürte ich wie es angenehm warm wurde. Diese angenehme wärme breitete sich auf meinen kompletten Unterleib aus. Diese liebliche wärme riss mich aus dem Horror und ich befand mich einmal mehr, völlig erledigt, in meinem Bett wieder. Nun auch noch durchnässt. Das letzte mal das mir so etwas passiert war muss 10 Jahre her sein.

An dieser Stelle enden meine Erinnerungen. Seit einigen Tagen schlafe ich nun schon wieder ohne mich an irgendetwas erinnern zu können was während der Traumphasen geschehen ist. Meine Augen werden schwer, das Radio plärrt vor sich hin. Ich höre noch den Auftakt von Sleepwalk als mir endgültig die Augen zufallen und ich die Kontrolle über meinen menschlichen Körper verliere und durch die ruhige Melodie entspannt einschlafe.

Sonntag, 17. Juli 2011

Eine Gruselgeschichte: Kirschblüten im Winter Teil 1


Hast du den Mut die Grenze zu überschreiten?



Ich kenne leider nicht die Quelle der Inspiration die mich auf diese Geschichte gebracht hat, dennoch hatte ich bisher eine menge Spaß an dieser Geschichte zu schreiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich wieder nun endlich mal wieder dazu etwas eigenes zu schreiben.
Kirschblüten im Winter soll Teil einer kleinen Anthologie werden die sich allesamt meinem Lieblingsthema, dem träumen, widmen. Ich liebe es wenn die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmt. Christopher Nolans Inception dürfte hier wohl das beste Beispiel sein (ein fantastischer Film). Doch auch Neil Gaiman ist ein Meister dieser Erzählkunst. Natürlich scheitert man kläglich daran sich auch nur ansatzweise an den Stil von Christopher Nolan oder Neil Gaiman (der demnächst auch noch eine eigene Besprechung auf meinem Blog erhalten wird) zu wagen.

In drei Teilen möchte ich über einen Albtraum berichten. Und es liegt am Leser selbst (falls meine Geschichte überhaupt wer lesen sollte), zu entscheiden ob in dieser Geschichte jemand lügt, es sich um einen (Alb)Traum handelt oder eine alternative Realität.
Als Inspiration, fällt mir gerade ein, könnte ich vielleicht den Sommer 2011 nennen. Denn bei diesem herbstlichem Wetter fühlt es sich doch an als würde der Winter schon vor der Tür lauern.

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Teil 1: 桜の花 (Sakura no hana)

Kirschblüten im Winter

1.

Willkommen zurück auf eine letzte Runde Night Drive hier auf Indie 19.87.
Immer wenn ich die Kings of Leon höre, und ich spreche hier von den Kings of Leon aus Because of the Times Zeiten, denke ich an einen einsamen Highway, eine endlose Straße die ins Ungewisse führt und ein mysteriöses Mädchen in meinem Wagen als Beifahrerin. Ich kenne nicht einmal ihren Namen, doch wir verstehen uns ganz ohne Worte. Wir kommunizieren alleine durch unsere gegenseitige Anziehung miteinander.
Ich donnere mit meinem Dodge Ram diesen endlosen Highway herunter, sie greift zu einer CD aus meiner Sammlung und legt sie in den Player. Sie entscheidet sich für Charmer von den Kings of Leon. Und kurz darauf überkommt mich eine unbändige Leidenschaft. Eine Leidenschaft nach dem Unerreichbaren.
Vielleicht bin ich zu sehr ein Romantiker. Doch vielleicht ergeht es einigen von euch ja ähnlich. Der Night Drive verabschiedet sich mit Charmer. Schlaft gut, die Nacht ist kurz. Ihr seid nur einen Riff vom nächsten Morgen entfernt.


Die markante und unglaublich faszinierende Stimme des Radiosprechers verebbt allmählich. Immer mehr rückt dafür die grandiose Gesangsstimme von Caleb Followill in den Vordergrund. Doch ich denke gerade nicht an einen trostlosen Highway. Ich denke eigentlich an gar nichts. Oder vielleicht doch! Ich denke glaube ich an Kirschblüten in diesem Augenblick. Kirschblüten im Winter. Kirschblüten die mir den Schlaf rauben und mich um meinen Verstand bringen.

Es ist 03:00 Uhr in der Nacht. Wie die Nächte zuvor endete der Night Drive von Indie 19.87 pünktlich. Die Nacht ist kurz. Ihr bin nur einen Riff vom nächsten Morgen entfernt. Ich reibe mir erschöpft die Augen. Schon bald wird mich der Schlaf wieder einmal übermannen. Ich kann gar nichts dagegen tun. Egal wie fest ich mir vornehme wach zu bleiben. Mein Schlaf scheint einen so starken Willen zu haben das er nichts zulässt was mich am träumen hindern könnte. Doch ich fürchte mich davor, von jenem ungnädigen Schlaf übermannt zu werden. Denn er wird mich wieder in eine bizarre Welt zerren. Fernab von sämtlichen Highways, geheimnisvollen Frauen und unendlicher Freiheit. Stattdessen werde ich in eine seltsam fragile Dimension gesogen. Völlig alleine und isoliert. Zu diesem Zeitpunkt werde ich wie immer erneut keine Ahnung haben das ich träume. Ich werde diese verschrobene Welt als die Realität ansehen und fürchterliche Angst haben. Immer wieder sucht mich ein und derselbe Albtraum heim. Immer wieder kehre ich in dieses verlassene Haus hinter dem Kirschblütenbaum zurück. Was geht in diesem Haus vor? Was will es mir sagen? Was hat all das zu bedeuten? Dabei fing doch alles so idyllisch an.
Sobald ich die Kontrolle über meine Augen verlor, und ich friedlich in meinem Bett einschlief, fand ich mich an einem sonderbaren Ort wieder. Es war eine saftige, grüne Wiese. Die Sonne strahlte und es schien mitten im Hochsommer zu sein. Diese Wiese vor mir schien auf dem ersten Blick kein Ende zu nehmen, als würde sie sich bis in die Unendlichkeit erstrecken. Doch wenn man weit genug in die Ferne schaute, sah man einen Hügel. Und auf diesem Hügel befand sich ein blühender Kirschblütenbaum. Dieses riesige Feld beanspruchte ich komplett für mich alleine. Niemand funkte dazwischen. Es war ein herrlicher Traum. Wer oder was auch immer mir diesen Traum bescherte, ich war dankbar dafür. Nach einem harten Jahr suchten mich immer wieder furchtbare Albträume heim die mich an jene schlechte Zeiten erinnerten. Nun aber sahen diese Zeiten ihrem gerechten Ende entgegen. Diese saftige Wiese und der herrlich blühende Kirschblütenbaum waren der Beweis dafür. Auch wenn die Atmosphäre mir etwas plastisch vorkam, so vermittelte sie mir aber dennoch nie das Gefühl das ich mich in einem Traum befand. Ich genoss den Weg zum Hügel. Ich fühlte mich geborgen. Als ob ein Säugling in den sicheren Armen seiner Mutter liegt. Immer wenn ich den Hügel erreicht hatte, staunte ich über diesen riesigen Baum. Von Traum zu Traum kam er mir gewaltiger vor. Die riesige Baumkrone warf Schatten. Es war angenehm, ein wirklich entspannendes Gefühl. Doch etwas beunruhigte mich zugleich auch immer. Ich musste immer wieder schauen was sich hinter dem Hügel und dem Kirschblütenbaum befand. Und das bedrückende dabei war das ich es nicht erkennen konnte. Sobald meine Augen sich auf das, was vor mir lag, richteten, sah ich nichts weiter als einen verschwommenen Hintergrund. Es war unmöglich auszumachen was sich dahinter verbarg. Doch ich machte mir nicht weiter Gedanken darüber. Es war ja an sich schon seltsam genug das ich immer wieder von dem Kirschblütenbaum träumte. Ich wusste aber ganz genau das mich nie etwas böses in diesem Traum heimsuchen würde.

Doch, je mehr sich mein Leben wieder zu meinen Gunsten entwickelte, desto mehr verfinsterte sich dieser einst wunderschöne Traum. Nie zuvor habe ich wem davon erzählt. Meine Freunde hätten mich vermutlich für kitschig gehalten, oder sogar verrückt. Mir wäre es einfach unangenehm gewesen über so etwas zu sprechen.
Dieser Traum war ein Geschenk. Meine eigene kleine Welt die mir einen entspannenden Schlaf bescherte. Doch von Woche zu Woche wurden meine Träume seltsamer. Manchmal war die einst saftige Wiese völlig verwittert. Einige andere Male fehlte sogar der Kirschblütenbaum. Der Hügel war da, doch von dem Baum fehlte jede Spur. Ich bemerkte schnell das etwas nicht stimmte. Das wohlige Gefühl von dem ich erzählt habe war fort. Eine kurze Zeit schlief ich ein und wachte am nächsten Morgen auf ohne mich an einen Traum erinnern zu können. Noch wirkte sich all das nur geringfügig auf mein Gemüt aus. Allerdings endete das jedoch als der Kirschblütenbaum zurückkehrte. Natürlich könnt ihr euch sicher denken das die Rückkehr des Baumes nicht so ganz meinen Erwartungen entsprach. Es schien das gleiche Feld zu sein das einst von der riesigen Wiese überzogen wurde. Die ganze Szenerie spielte nun aber im Winter. Da wo einst erfrischendes Grün zu sehen war, lag nun strahlend weißer Schnee. Aber aus weiter Ferne war wieder der Hügel zu sehen. Und auf dem Hügel der Kirschblütenbaum. Der Himmel sah grau und trostlos aus. Die Atmosphäre wirkte irgendwie angespannt. Ich machte mich dennoch auf zu dem Hügel, so wie ich es auch zuvor immer wieder getan habe. Ich stapfte durch den Schnee bis ich letztendlich den Hügel erreichte. Und ich konnte meinen Augen kaum trauen als ich den großen Baum vor mir sah. Er strahlte in voller Blüte. Und das mitten im Winter.

Erneut blieb mir der Blick auf das, was vor mir lag, verwehrt. Fortan genoss ich diesen Traum nicht mehr. Mir war endgültig klar das etwas nicht stimmte. Allerdings wurde das Szenario immer bizarrer. Bis zu dem Tag wo es mir gelang freie Sicht auf das zu erhaschen was vor mir lag. Von da an ging alles bergab. Kein Mensch sollte jemals erfahren was sich jenseits der Grenze befindet. Eine unsichtbare Grenze die in ein fremdes Reich führt.
Aber auch wenn man diese unsichtbare Grenze eigentlich gar nicht überschreiten will, man hat keine Kontrolle mehr über das Ich in seinem Traum. Man bewegt sich wie von selbst. Ist es die unkontrollierbare Neugierde? Oder ist es doch ein Instinkt der nach dem ungewissen lechzt? Es bleibt mir ein Rätsel.
Ich wagte den Schritt und betrat die Fremde Welt hinter dem Kirschblütenbaum letztendlich. Obwohl ich nun freie Sicht hatte, sah ich aber außer Schnee weit und breit nichts. Ich bemerkte jedoch kurze Zeit später das sich plötzlich über mir ein klarer Sternenhimmel gebildet hat. Es war es finstere Nacht. Und ein Schauder überkam mich. Selbst die trostloses grauen Wolken waren mir da willkommener. Ich fühlte mich einsam und verlassen. Ich blickte stets zurück und sah wie ich mich immer weiter von dem Hügel und seinem Baum entfernte. Ich legte einen schnelleren Schritt ein und marschierte immer weiter. Irgendwann musste etwas kommen. Das konnte doch nicht ewig so weitergehen. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Nach einer mir nicht auszumachenden Zeitspanne sah ich, wieder aus der Ferne, ein Haus. Je näher ich mich diesem Haus näherte, desto bewusster wurde mir das danach nichts mehr kommen würde. Das aus roten Backstein gebaute Haus befand sich auf einer Klippe. Als ich diese Klippe erreichte, versuchte ich zu erspähen was sich nun dahinter befand. Ob es vielleicht eine weitere, unsichtbare Grenze gab. Doch da war nichts. Schwärzer als Schwarz. Das absolute Nichts erwartete mich hinter dieser Klippe. Es sah bedrohlich aus, als ob es einen verschlingen will. Allerdings sah mir das Haus nicht unbedingt einladender aus. Auch wenn es von außen kein bisschen Marode oder zerfallen wirkte, irgendetwas unheimliches ging von diesem Haus aus.
Eine große Stahltür verwehrte mir den Eintritt. Es war kein Türknauf zu sehen. Fenster gab es auch keine. Das Dach war von Schnee bedeckt und ein kleiner Schornstein ragte aus dem grellen Weiß heraus. Ich bemerkte das Rauch aufstieg. Ein eigenartig verbrannter Geruch machte sich plötzlich in meiner Nase breit. Was passierte wohl gerade in diesem Haus? Befand ich mich wirklich noch in einem Traum? Mich überkam furchtbare Angst. Ich wusste eigentlich gar nicht genau wovor ich mich fürchtete, aber ein Schauder breitete sich über meinen gesamten Körper aus. Es war mir unmöglich meine Beine vorwärts zu bewegen. Außerdem hätte ich vermutlich nicht den Weg zurück gefunden. Ich schloss im Traum meine Augen. Es musste wohl eine Art Schutzmechanismus gewesen sein. Ich verschloss die Augen vor meiner Umgebung. Nach einer Zeit bin ich dann schweißgebadet in meinem Bett aufgewacht. Selbst die Realität fühlte sich in diesem Augenblick unwirklich und falsch an. Nach und nach meldete sich aber mein Verstand wieder und ich kehrte in die mir bekannte Welt zurück. Ich machte mir noch eine ganze Weile Gedanken darüber welche Bizarre Wendungen der Traum vom Kirschblütenbaum annahm. Natürlich wusste ich vor einigen Tagen noch nicht welcher Horror mich in meinen Träumen noch heimsuchen würde. Und ich wusste selbstverständlich auch nicht dass das Betreten dieses Hauses eine weitere Grenze war, die ich überschritten würde.


Fortsetzung folgt.

Freitag, 8. Juli 2011

David Lynch Special: Eraserhead


USA 1977
Regie: David Lynch
Darsteller: Jack Nance, Charlotte Stewart, Judith Roberts, Laurel Near, Jack Fisk
Laufzeit: Circa 85 Minuten
Genre: Mystery, Horror, Drama
Deutsche Veröffentlichung: Capelight
Freigabe: FSK 16 (runtergestuft, ungeschnitten)


Trailer:



Die Welt ist in eine graue Suppe getaucht worden. Sie ist ein finsterer und hoffnungsloser Ort. Fabriken sprießen wie Blumen aus dem Boden. Ein Rauschen ist zu hören. Ein isoliertes rauschen. Das einzige Geräusch was in der Natur zu hören ist. Eine Welt in der Henry Spencer lebt. Genau so grau wie diese Welt. An seiner Sturmfrisur ist zu erkennen wie sehr sich der Wahnsinn dieses Brachlandes bei ihm abzeichnete. Er kommt gerade von der Arbeit. Und für Henry Spencer beginnt ein Albtraum in einem Albtraum.

Auch mehr als dreißig Jahre später diskutiert die Fan-Gemeinde über das Kult Midnight Movie- dem Spielfilm Debüt von David Lynch. War es ein Albtraum? Ist Eraserhead eine Dystopie? Eine Post-Apokalyptische Horrorvision? David Lynch steht Rede und Antwort in einem Spielfilm langen Interview welches sich auf der DVD befindet. Und seine Antwort wie er diesen Wahnsinn geschaffen hat, was ihm die Ideen gab, darauf gibt er eine recht verblüffende Antwort: Er kann sich an nichts mehr erinnern.
Lynch beteuert das er keine Erinnerungen mehr daran hat wie das Drehbuch entstanden ist. Ob wir ihm das so ganz abkaufen können ist ungewiss, denn er selbst betonte immer wieder das die Fans sich ihr eigenes Bild von dem Film machen sollen. So wird man wohl auch noch 30 weitere Jahre hoffen können, ob der Altmeister des Surrealen sich jemals dazu erbarmen wird und uns mit ein paar Interpretation Seinerseits bereichert. Die Frage ist eigentlich dabei, wollen wir so etwas überhaupt? Meiner Meinung ist alles Bestens so wie es nun ist. Das mystische und die vielen offenen Fragen machen Eraserhead nur noch geheimnisvoller.


Auch wenn ich mich nicht chronologisch durch das Werk von David Lynch in diesem Special arbeiten will, es war mir wichtig mit Eraserhead zu beginnen. Eraserhead ist nämlich das beste Beispiel um zu vergleichen. Vergleiche mit späteren Lynch-Werken. An Eraserhead kann man bestens ausmachen in wie weit sich der Stil von Lynch in den Jahren verändert hat, oder besser gesagt, wie sehr er sich verfeinert hat. Doch auf jene albtraumhafte, surreale Szenerie griff Lynch nur noch ein einziges mal zurück. Natürlich kann man sich hier streiten, und es ist nur meine persönliche Meinung, aber für mich greift lediglich Lynch's (gar nicht mehr so) neuer Spielfilm Inland Empire eine ähnlich unwirkliche Atmosphäre auf. Natürlich wird Inland Empire noch einen eigenen Eintrag spendiert bekommen, aber ich finde an dieser Stelle ist der Film das beste Beispiel um einen Vergleich zu Eraserhead aufzustellen.

Aus Köpfen werden Radiergummis hergestellt: Eraser Heads

Die Traumfabrik, wird Hollywood genannt (ein beliebtes Thema welches von Lynch immer wieder aufgegriffen wird). Millionen von Dollars sind in den neusten Transformers geflossen. Mit anderen Worten könnte man hier auch von der Perfektionierung des Mainstreams sprechen. Was David Lynch jedoch in den siebzigern mit gerade mal 10000 Dollar geschafft hat ist ein kleines Kunstwerk. Wenn Hollywood Träume erschafft, dann erschafft Lynch Albträume. Und keiner beherrscht dieses Handwerk besser. In Eraserhead, so macht es den Anschein, dringt Lynch tief in unsere Psyche ein. Als Zuschauer blieb mir am Ende nur noch zu sagen: Ja, genau solche absurden Szenen spielen sich auch in meinen Albträumen ab.
Lynch serviert uns nicht nur Hühnchen, sondern ein komplettes Kabinett an Skurrilitäten.
Ein vor sich dahin verwesender Mann der anscheinend im inneren eines einsamen Planeten lebt und von dort aus über einen Mechanismus unsere Erde steuert, eine völlig entstellte Frau die ein fröhliches Lied trällert, überdimensional große Spermien, ein bis zur Unkenntlichkeit deformiertes Baby und selbstverständlich der völlig verwirrte Protagonist Henry, der hier grandios des leider tragisch verstorbenen Jack Nance gespielt wird.


Gesprochen wird in Eraserhead selten. Während sich die Dialoge in Grenzen halten, punktet der Film aber Visuell um so mehr. Dabei setzt Lynch auf minimale Details. Den Farbfilter hält er in einem schlichten, trostlosen Schwarz-Weiß, Der Sound klingt bedrohlich und fremd. Auch beim Sound spart Lynch an protzigen Musikstücken. Stattdessen ist im Hintergrund immer so ein befremdliches Rauschen zu hören. All das erzeugt, wie bereits erwähnt, eine ziemlich trostlose Atmosphäre. Allerdings gibt es tatsächlich ein gesanglich untermaltes Musikstück in Eraserhead. Gesungen von der Lady in the Radiator (auf dessen Charakter nicht weiter im Film eingegangen wird, oder welche Bestimmung ihr nun auferlegt ist). Da es kein wirklicher Spoiler ist möchte ich diese Szene niemandem vorenthalten. Wer hier an Club Silencio aus Mulholland Drive erinnert wird, dem sei gesagt das er mit dieser Vermutung sogar richtig liegt.



Das alles mag sehr befremdlich wirken. Doch ich wunderte mich wie schnell mich der Film fesseln konnte. Dafür das Eraserhead der Erstling von Lynch ist, ist er unglaublich professionell. Souverän als hätte er schon mehrere komplette Spielfilme zuvor gedreht. Selbstverständlich hat auch Eraserhead mit dem einen oder anderen Makel zu kämpfen, insgesamt fällt mir an dieser Stelle aber nichts erwähnenswertes ein. Als Lynch Fan ist das sowieso immer sehr schwer zu beurteilen was einem nicht so gefallen hat.

Fazit:

Eraserhead ist bedrohlich und exotisch zu gleich. Lynch präsentiert uns eine verlassene Welt. Ein einziges Brachland. Von der Industrie zerstört und zum sterben zurückgelassen. Gepaart mit den surrealen Aspekten bekommen wir es hier mit einem einzigartigen Film zu tun.
Es war Lynch Startschuss zu einer ganz großen Karriere. Oscar Nominierungen und zahlreiche andere Preise würden ihn später noch erwarten. Natürlich konnte Lynch von all dem damals noch nichts gewusst haben. Für mich war Eraserhead eine ausgesprochen abgedrehte Erfahrung.
Für Liebhaber des experimentellen Filmes ist das Pflichtprogramm.



Wertung


8,5/10 (aufgewertet auf 9 Punkte auf der Skala)