Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 14. April 2011

Haruki Murakami, Wilde Schafsjagd & Tanz mit dem Schafsmann: Einfach brillant Tanzen




Hinweis:
In beiden Rezensionen befinden sich Spoiler die bereits einiges über die Geschichte verraten. Lest bitte nur weiter wenn ihr damit einverstanden seid ein wenig gespoilert zu werden.


Die Murakami Rezensionen 2 und 3


Die Trilogie der Ratte 3
Wilde Schafsjagd


Autor: Haruki Murakami
Originaltitel: Hitsuji o meguru bōken
Erscheinungsjahr: 1982 (Japan), 1991 (Detuschland), Suhrkamp (DuMont Neuauflage 2006)
Übersetzung: Annelie Ortmanns-Suzuki
Genre: Mystery, Detektivgeschichte



"Ich habe mich an dem Balken in der Küche erhängt", sagte Ratte.
"Der Schafsmann hat mich neben der Garage begraben. Das Sterben war gar nicht so schlimm – falls du dir darum Gedanken machen solltest. Aber das spielt wirklich keine Rolle."
"Wann?"
"Eine Woche bevor du kamst."
"Und vorher hast du die Uhr aufgezogen?"
Ratte lachte. "Kaum zu glauben, was? Du lebst dreißig Jahre, und deine letzte, deine allerletzte Handlung besteht darin, die Uhr aufzuziehen. Warum sollte einer mit dem Tod vor Augen noch die Uhr aufziehen? Wirklich sonderbar."
Als Ratte schwieg, herrschte Stille ringsum; nur das Ticken der Uhr war zu hören. Alle anderen Geräusche schluckte der Schnee. Mir war, als wären wir die beiden letzten Überlebenden im All. -Aus dem zwölften Kapitel: Ratte und die Uhr-



Haruki Murakamis Karriere als Schriftsteller begann 1979. Und mit Wilde Schafsjagd kommen wir diesen Anfängen schon sehr nah. Bei der Wilden Schafsjafd handelt es sich bereits um den dritten Teil der Trilogie der Ratte. Es begann mit Hear the Wind Sing (Kaze no uta o kike, 1979), es folgte Pinball, 1973 (1973-nen no pinbōru, 1980), und endete mit der Wilden Schafsjagd (1982). Als Zugabe folgte Tanz mit dem Schafsmann (1988). Anzumerken wäre das die beiden erstgenannten Werke nicht in Europa oder Nordamerika erschienen sind. Eine englische Übersetzung ist zwar verfügbar, wird aber ebenfalls nur in Japan publiziert (Auf Wunsch des Autors).

Beginne ich einmal mit Wilde Schafsjagd. Die abgedrehte Reise auf der Suche nach einem seltsamen Schaf mit einem Stern auf seinem Fell machte Murakami zu einem Star (lange bevor Naokos Lächeln erschienen ist). Die Story umfasst alle nur erdenklichen Murakmischen Stilmittel. Da wäre diese herrliche Melancholie, Jazz, exotische Drinks und Frauen. Skurrile Frauen. Eine Frau mit irreal schönen Ohren. Sie arbeitet am Tage als Ohren-Modell, in der Nacht als Callgirl. Dann gibt es da auch wieder diesen typischen Murakami Helden. Ende zwanzig. Alles was er anfasst scheint in die Brüche zu gehen. So durchschnittlich das er ihm nicht einmal einen Namen gegeben hat. Es geht um Verluste und der Auseinandersetzung mit dem Tod. Es geht um Illusion und Wirklichkeit. Ach was rede ich hier noch großartig. Ich liebe dieses Buch.

Die Geschichte beginnt mit der Einführung des namenlosen Ich-Erzählers. Er führt sich praktisch selbst in die Geschichte ein. Er erzählt etwas über sein bisheriges Leben. Was alles schiefgelaufen ist. Wie durchschnittlich sein Leben doch sei. Er hat durch den Job seine neue Freundin kennengelernt. Ihre Ohren sind von unbeschreiblicher Schönheit. Für den Erzähler scheint es, als seien sie ein Geschenk der Götter.
Eines Tages besucht ihn in seiner Firma ein dubioser Geschäftsmann. Er schwafelt rätselhaft vor sich dahin. Bis er ihm ein Foto mit einem Schaf vorlegt. Es war der Erzähler selbst der dieses Foto für eine Kampagne in Auftrag gab. Es zeigt eine Herde von Schafen auf einer Weide. Allerdings soll sich unter all diesen Schafen ein ganz besonderes verstecken. Ein Schaf mit einem Stern auf seinem Fell. Es soll übernatürliche Kräfte besitzen. Nur dieses Schaf könnte seinen Boss, einem mächtigen und einflussreichen Mann der Unterwelt, vor dem Tod bewahren. Der Geschäftsmann erteilt dem Erzähler den Auftrag dieses mysteriöse Schaf zu finden. Sollte er das Schaf finden, würde er reich belohnt werden. Falls nicht, würde man dafür sorgen das er nie wieder Fuß in der Gesellschaft fasst. Schon bald bemerkt unser Erzähler das es dieser Geschäftsmann ernst meint. Zusammen mit seiner Freundin macht er sich auf eine abstrakte Odyssee quer durch Japan auf. Je weiter er des Rätsels Lösung kommt, desto näher scheint er dabei seinem anscheinend verschollenen Freund Ratte zu kommen.

Wilde Schafsjagd ist eine im wahrsten Sinne des Wortes wilde Mischung. Durch die surrealen Aspekte kann man die Geschichte an sich dem Mystery zuordnen. Doch auch Elemente des klassischen Roadmovies sind vorhanden. Und nicht zu vergessen, die Detektivgeschichte. Man versucht hier einen Fall aufzuklären. Auch wenn es vermutlich eine Suche ohne Ziel ist.
Murakami schien eine wahre Freude zu haben mit diesen unterschiedlichen Genres zu spielen und dabei auch noch seine ganz eigene Philosophie zu übermitteln.

Wiedereinmal werden uns die verschiedensten, skurrilsten Charaktere präsentiert. Umgeben von Rätseln und Geheimnissen. Auch eine Murakami-Frau gibt es wieder zu bewundern. Das in diesem Buch noch namenlose Callgirl hat es mir dabei sehr angetan. Sie unterscheidet sich völlig von ihren Gegenstücken in Murakamis späteren Werken. Sie ist liebevoll, sympathisch, und irgendwie völlig normal. Seltsame Angewohnheiten halten sich bei ihr in Grenzen. Es ist eine Frau bei der man sich wohlfühlt. Auf die man zählen kann. Das spürt auch der Erzähler und nimmt sie mit auf seine Reise. Lernt sie immer mehr lieben. Dies geht so weit bis er sie völlig begehrt. Vielleicht ist sie sogar die Liebe seines Lebens. In ihr findet er all das was er bei seiner Ex-Frau immer vermisst hat. Bis sie, kurz vor dem großen Finale, einfach so verschwindet. War sie eine Halluzination oder existierte sie wirklich? Das verschwinden des Callgirls zog den namenlosen Erzähler in einen Strudel. Auf dieser eh schon absurden Reise war sie sein letzter halt.

Dann wäre da noch der Schafsmann selbst. Der Anführer des Kuriositätenkabinetts. Ein schmutziger Kerl in einem Schafkostüm. Er scheint irgendwo alleine in den Wäldern zu leben. Wie trägt er zu dieser Geschichte bei? Zudem scheint er in Verbindung mit dem gesuchten Schaf und Ratte zu stehen. Und man kann sich entspannen. Auch nach der Geschichte kann man weiter grübeln welche Rolle der Schafsmann nun erfüllte.

Für den Leser gibt es am Ende genug Möglichkeiten zur Interpretation. Was ergibt Sinn? Wie setze ich das Puzzle zusammen? Hat Murakami selbst eine Ahnung wie man es zusammensetzt? Viele Fragen die mich auch Heute noch beschäftigen. Das Ende bescherte mir zumindest einen ordentlichen Schauder.

Neben all diesen surrealen Elementen gibt es in der Geschichte jedoch auch noch die Wirklichkeit. Diese beschäftigt sich mit den Problemen des Ich-Erzählers. Mit diesem konnte ich mich einmal mehr selbst identifizieren. Murakami schreibt wie ein Mann der viele Enttäuschungen erlebt hat. Sein Charakter erzählt über Dinge die mir bereits selbst widerfahren sind. Er teilt Aspekte mit mir. Er beweint ähnliche Dinge wie ich. Es geht um Freundschaft. Das Schwelgen in Erinnerungen. Mit der Vergangenheit abzuschließen. Endlich versuchen in der Gegenwart zu leben. Murakami beschreibt diese Gefühle einfach perfekt. Welchen Platz nimmt man eigentlich in der Gesellschaft ein? Was hält das Leben noch für einen bereit? Er spricht die Sprache unserer Generation. Und auch Heute noch ist die Thematik in Wilde Schafsjagd aktuell.


Resümee

Als ich am Ende der Reise angekommen bin verkroch ich mich vorerst in eine dunkle Ecke. Ich wollte von niemanden etwas wissen. Krallte Ich musste nachdenken. Wilde Schafsjagd stürzte mich am Ende selbst in tiefe Melancholie. Schon erstaunlich welch einen Einfluss Haruki Murakami auf mich hat. Er verbindet all seine Stilmittel in dieser Geschichte und präsentiert sie völlig makellos. Ja, es ist schon eine sehr seltsame Geschichte. Voller Absurditäten und Rätsel. Doch was würde ich bloß dafür geben auch zu solch einer Reise anzutreten. Eine Frau mit den schönsten Ohren auf dieser Welt dabei zu haben und im heruntergekommenen Hotel Delfin einzukehren. Ich würde diesen Trip genießen. Alles um mich herum vergessen. Einfach nur dieses Schaf finden. Koste es was es wolle.


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Tanz mit dem Schafsmann


Autor: Haruki Murakami
Originaltitel: Dansu, dansu, dansu
Erscheinungsjahr: 1988 (Japan), 2002 (Detuschland), DuMont Verlag
Übersetzung: Sabine Mangold
Genre: Mystery, Drama

Also gab es eine Leiche mehr. Ratte, May, Dick North und nun Kiki. Das waren vier. Blieben also noch zwei. Wer würde als Nächstes sterben? Der Tod steht uns allen bevor, früher oder später. Jemand wird als weißes Skelett in jenes Zimmer verfrachtet. Sonderbare Räume verschiedenster Art waren in meiner Welt miteinander verknüpft. Das Totenkabinett in Honolulu Downtown. Das dunkle, kalte Kabuff des Schafsmannes. Das sonnendurchflutete Schlafzimmer, in dem Gotanda mit Kiki am Sonntagmorgen im Bett liegt.
Wie weit reicht die Wirklichkeit? Was geht in mir vor? Bin ich noch ganz richtig im Kopf?
Alle möglichen Ereignisse geschahen in unwirklichen Räumen, wurden verzerrt, in die Realität gezerrt. Oder gab es etwa..... gar keine Realität? Je mehr ich darüber nachdachte, desto weiter schien sich die Wahrheit mir zu entziehen. War das verschneite Sapporo im März Wirklichkeit gewesen? Es hatte so unwirklich ausgesehen. Hatte ich wirklich neben Dick North am Strand von Makaha gesessen? Auch das erschien mir jetzt irreal. Obwohl sich die Dinge so ereignet hatten, hatte ich das Gefühl, es sei nicht die echte Wirklichkeit gewesen. Wie konnte ein einarmiger Mann so perfekt Brot schneiden? Und wieso hinterließ mir ein Callgirl in Honolulu die Telefonnummer, die ich dann in dem Totenkabinett fand, zu dem mich Kiki geführt hatte? Aber das musste real gewesen sein. Denn diese Wirklichkeit existierte in meiner Erinnerung. Wenn ich an deren Echtheit zweifelte, käme mein ganzes Weltbild ins Wanken.
Bin ich verrückt, geisteskrank?
Oder ist es die Welt, die verrückt spielt, krank ist?
Ich weiß es nicht, es gibt zu viele Ungewissheiten.
Aber wer oder was auch immer verrückt oder krank sein mochte, ich konnte diese chaotischen Zustand nicht einfach hinnehmen, sondern musste Ordnung schaffen. Auch wenn Trauer, Zorn, Resignation im Spiel waren, ich musste einen Schlusspunkt setzen. Das war meine Aufgabe. Von allen Seiten erhielt ich Hinweise. Darum begegnete ich all diesen Menschen und wurde zu den merkwürdigsten Orten geführt.
Na los! Es ist wieder einmal Zeit zum Tanzen. So brillant, dass alle mich bewundern.
Schritt für Schritt – das ist die einzige Realität. Eine beschlossene Sache. Nicht grübeln. Das war in meinem Kopf als tausendprozentige Wirklichkeit eingraviert. Also tanzen, Gotanda anrufen und ihm die Frage stellen: "Hast du Kiki umgebracht?"


Mit diesem langen, herausragenden Monolog endet die Schafsjagd hier. Ein letztes mal fordert der Schafsmann zum Tanz auf. Zum vierten und letzten mal nimmt uns der namenlose Erzähler mit auf eine seltsame Reise.

Murakami bezeichnete Tanz mit dem Schafsmann nie als offizielle Fortsetzung zu Wilde Schafsjagd. Die Ereignisse spielen zwar einige Jahre nach dem Vorgänger, auch sind Charaktere und Orte aus der Trilogie der Ratte dabei, stilistisch unterscheidet es sich aber komplett von den vergangenen Romanen. Es ist ein eigenständiges Werk. Eine letzte Zugabe. Murakami schrieb den Roman nach Naokos Lächeln. Da der Erfolg und Rummel um den Roman Murakami so zusetzte, und Japan sogar daraufhin verließ, war es für ihn die größte Freude überhaupt Tanz mit dem Schafsmann zu schreiben. In dieser Geschichte konnte er all diese Ereignisse verarbeiten. Einfach drauf los schreiben. Und dies tat er auch. Manchmal vielleicht etwas zu viel. Aber dabei raus gekommen ist ein würdiger Abschluss einer Reihe, die er so viel zu verdanken hat.

Wie schon erwähnt spielt Tanz mit dem Schafsmann einige Jahre nach Wilde Schafsjagd. Der namenlose Ich-Erzähler resümiert über die vergangene Zeit. Jener Zeit nach dem verschwinden von Kiki (das namenlose Callgirl aus Wilde Schafsjagd), dem Auftauchen des Schafsmannes und Rattes Tod. Er erzählt das ihn diese Ereignisse in tiefe Depressionen stürzten. Er hat den Sinn im Leben verloren. Menschen zu denen er Zuneigung aufgebaut hat verschwinden oder sterben um ihn herum. Er ist nun vierunddreißig Jahre alt und hat sämtliche Bezüge zu der realen Welt verloren. Dann stirbt auch noch sein Kater, das letzte Überbleibsel an die Vergangenheit. Er weiß das er noch eine Sache zu Ende bringen muss. Er muss zurück ins Hotel Delfin. Nach Kiki suchen. Noch einmal den Schafsmann aufsuchen. Der Showdown würde in Sapporo stattfinden. Doch alles scheint sich verändert zu haben. Das Hotel Delfin wurde zu einem Luxushotel umgebaut, der Besitzer des alten Hotels scheint unauffindbar. Alle Angestellten scheinen etwas zu wissen, aber keiner will mit Details rausrücken. Bis er auf Yumiyoshi trifft. Eine Empfangsdame. Diese berichtet von mysteriösen Vorfällen die ihr in der Nacht im Hotel passiert sind. Von da an nehmen die seltsamen Ereignisse ihren Lauf. Ein letztes Mal muss sich unser namenloser Erzähler all seinen Problemen stellen. Und dabei steht einfach alles auf dem Spiel.

Der Anfang der Geschichte war teilweise sehr seltsam zu lesen. Als hätte Murakami all seine Aggressionen gebündelt und diese dann in Worte gefasst. Der eigentlich so charismatische Ich-Erzähler kommt sehr depressiv rüber. Er beschwert sich über nahezu alles um ihn herum. Darunter muss die moderne Popmusik am meisten leiden. Ich war von seinem Verhalten nicht wirklich begeistert. Das passte nicht zu Murakamis Stil. Daraufhin habe ich das Buch auch für eine ganze Weile nicht angerührt. Ich wollte mir den grandiosen Vorgänger dadurch auf keinen Fall ruinieren. Dabei war Tanz mit dem Schafsmann an sich ein Roman den ich erst ganz zum Schluss lesen wollte. Immerhin steht hier noch der ein oder andere Murakami ungelesen in meiner Vitrine. Aber irgendwas sagte mir, ich solle genau diesen Roman lesen. Und am Ende muss ich dieser Fremden Stimme doch danken. In einer Zeit, wo es mir verdammt schlecht ging, holte ich Tanz mit dem Schafsmann wieder aus der Vitrine. Ich las da weiter wo ich aufgehört habe und konnte das Buch danach eigentlich nicht mehr aus den Händen legen. Sobald das Hotel Delfin (welches nun Dolphin Hotel heißt) wieder ins Spiel kommt, fühlt man sich gleich sehr familiär. Man weiß das man auf eine neue Reise mitgenommen wird. Und diese würde dieses mal bis nach Hawai führen. Auch weiterhin las sich die Geschichte komplett anders als Wilde Schafsjagd. Doch es wurde vertrauter. Die verrückten Charaktere und Situationen kehrten zurück.

Tanz mit dem Schafsmann ist ein Mix aus phantastischen Elementen und Alltagsstory. Man weiß sofort das im neuen Hotel Dolphin eigenartige Dinge vor sich gehen. Der besagte Knotenpunkt, von dem der Ich-Erzähler immer spricht ist somit das Hotel Dolphin. Es ist praktisch wie mit Gates am Flughafen welche die ganze Welt miteinander verbinden. Er lernt die hübsche Empfangsdame Yumiyoshi kennen. Und er lernt die dreizehnjährige Yuki kennen. Ein eigenwilliges Mädchen. Beide Frauen sind selbstverständlich typische Murakami Frauen. Ich weiß immer noch nicht was ich von ihnen halten soll. Die große ist spleenig und voller Neurosen, teilweise auch sehr strange vom Verhalten. Die kleine ist arrogant und frühreif. Nicht unbedingt die Frauentypen welche mich ansprechen. Kiki dagegen war mir von Anfang an sympathisch.

Vom Hotel Dolphin aus nimmt die Geschichte dann ihren Lauf. Der Erzähler findet Kiki in einem klischeehaften Liebesfilm wieder. Ganz zufällig siehter sie als Nebendarstellerin in einer Szene. Und das zusammen mit seinem ehemaligen Schulfreund Gotanda. Dieser ist nun ein erfolgreicher Schauspieler und spielt in diversen, fragwürdigen Liebesfilmen mit. Unser Erzähler kann seinen Augen nicht trauen. Gotanda hat eine Bettszene mit Kiki in diesem Film. Und ihr Text bezieht sich lediglich auf eine Zeile. Nun hat er endlich einen Anhaltspunkt gefunden. Und an dieser Stelle beginnt nun ein ziemlich komplexes Spiel. Es treten die verschiedensten Charaktere auf. Das Drama wird allmählich zu einem Krimi. Es geschieht ein Mord. Unser Erzähler wird in diesen Fall verwickelt. Es fällt das Wort "Kafkaesk". Das Verhör bei der Polizei ist definitiv eine Hommage an Kafkas Prozess. Wie schon im Vorgänger spielt Murakami mit verschiedensten Genres. Verliert aber dieses Mal leider öfter den Faden. Besonders die teilweise langen Unterhaltungen mit Gotanda kommen einem ziemlich zäh vor. Zumindest ging es mir so. Aber immer wieder fängt Murakami sich. Er schafft es immer wieder zu den spannenden und wichtigen Ereignissen zurückzukehren.

Da die Welt in Knotenpunkten unterteilt ist (In dieser Geschichte währen das Sapporo, Tokio und Honolulu), findet sich der nächste in Honolulu Downtown. Das Totenkabinett ist hier vielleicht sogar der wichtigste Kontenpunkt. Hier muss man eindeutig zwischen Wirklichkeit und Illusion unterscheiden können. Was eigentlich unmöglich ist. Der Erzähler folgt einer Person die Kiki sehr ähnlich sieht (ungefähr eine ähnliche Situation wie in Gefährliche Gliebte. Er ist sich sogar sehr sicher das sie es ist. Er folgt ihr bis zu einem Gebäudekomplex in dem sich viele Büros befinden. Er dringt so weit ein bis er nur noch verwahrloste Räume sieht. Anscheinend unbewohnt. Er dringt weiter in den Kaninchenbau ein (auch Anspielungen auf Alice im Wunderland gibt es viele). Er folgt Schritten. Diese führen in vermutlich in eine Parallelwelt. In dem unheimliche, finsteren Raum angekommen, entdeckt er sechs Skelette. Erst später bemerkt er das diese Skelette für die Verluste in seinem Leben stehen. Am Ende bleibt sogar ein Skelett übrig. Murakami behält sich das Recht vor dieses Rätsel nicht zu lösen. Es wird jedoch klar das es Zentrale Personen gibt die eine wichtige Rolle in dem Leben des Erzählers spielen. Man könnte sie ungefähr mit Dantes Führern (Wegweisern) aus der Göttlichen Komödie bezeichnen. Jeder hat spezielle Fähigkeiten. Sie alle dienen dazu dem Protagonisten den richtigen Weg zu weisen.

Wie immer verschwimmen in dieser Geschichten die Realitäten miteinander. Und am Ende gibt es dann den großen Twist. Vielleicht kann man Murakami vorwerfen das er uns am Ende eine ähnliche Erklärung serviert wie bereits im Vorgänger. Aber war das nicht viel mehr von Anfang an so geplant? Erfährt man nicht spätestens nach der Hälfte des Buches das es darauf am Ende hinauslaufen wird? Ich denke schon. Denn mit dem Ende war ich doch schon ziemlich zufrieden. Ich konnte mich letztendlich wieder mit dem Erzähler und seiner Situation identifizieren. Alle Personen für die er etwas empfand, verschwanden. In meinem Leben war und ist das selbst nicht anders.

Das Ende an sich wirkt dann tatsächlich auch noch versöhnlich. Auch wenn es von einem Happy End natürlich weit entfernt ist. Aber darauf kann man zumindest schon bauen. Es ist ein Anfang. Irgendwann müssen die ganzen Enttäuschungen ja mal enden. Und egal welche Meinung man nun über die Geschichte hat, man wird zustimmen das der Erzähler endlich zu seinem verdienten Glück kommt. Egal ob es am Ende nun in der Realität oder in einer Traumwelt geschah. Lediglich das Schicksal des Schafsmannes wird ungeklärt bleiben. Dies trifft eigentlich auch auf seine gesamte Existens zu.


Resümee

Sehr traurig stimmte es mich dann als ich die letzte Seite gelesen hatte. Das bin ich eigentlich immer wenn etwas herausragendes ein Ende findet. Aber es waren viel mehr die ungeklärten Schicksale der Charaktere welche mich traurig stimmten. Wurde Kiki ermordet? War Gotanda ihr Peiniger? Was wurde aus dem Schafsmann? Doch es gab auch kleine Happy Ends. Yuki schien endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Der Erzähler fand am Ende doch noch seine Seelenverwandte mit der er (wahrscheinlich) glücklich wurde. Die Reise endet hier. Murakami hat die Ereignisse nie wieder aufgegriffen. Auch für ihn war es vermutlich ein versöhnlicher Abschied.

Was den Roman im allgemeinen betrifft, so kann er nicht ganz mit Wilde Schafsjagd mithalten. Dafür war der Vorgänger zu einzigartig. Aber Murakami hat ja auch nie behauptet, dass es sich um eine Fortsetzung handeln würde. In Kauf nehmen muss man einige Längen, ein paar kuriose Wendungen und eine vielleicht nicht ganz so befriedigende Auflösung der Geschehnisse. Das Haruki Murakami mir aber wieder einmal etwas über das Leben beigebracht hat verzeiht alles. Was ich mir für das Ende noch gewünscht hätte wäre ein Gruppenfoto. Mit allen beteiligten. Wo sie alle fröhlich und vereint an diesem kleinen Hafen stehen. Dort, wo alles begann. Aber was schreibe ich da? Dieses Gruppenfoto existiert doch schon lange. Man muss nur seine eigene Fantasie dazu benutzen. Dann Lebewohl, Schafsmann. Mögest du mich bitte nie heimsuchen.

1 Kommentar:

  1. Tanz mit dem Schafsmann war einer meiner ersten Murakami Romane und ich fand das Buch immer seltsam. Ich habe gerade festgestellt, dass ich den Inhalt zum Großteil verdrängt habe.
    Wirklich das einzige woran ich mich vage erinnern kann, ist das das Buch Brutälität gegenüber Katzen schilderte, was es für meine Mutter unlesbar macht.
    Mir war gar nicht klar, dass Wilde Schafsjagt die vorhergehende Geschichte ist. Die würde mich nach Deiner Rezension sogar nochmal interessieren, nur zu wissen wie konfus es weitergeht, ist jetzt demotivierend. ^^°

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