Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 17. Oktober 2014

Retrospektive: Lost in Translation



Retrospektive: Lost in Translation

USA/Japan 2003

Regie: Sofia Coppola
Darsteller: Bill Murray, Scarlett Johansson, Giovanni Ribisi, Anna Faris, Fumihiro Hayashi
Genre: Art House Film
FSK: Ab 6


Trailer




Wenn ein verdammt guter Film die Dekaden-Marke knackt, dann kann man allmählich rückblickend auf diesen Film schauen. Sofia Coppolas Lost in Translation hat diese erste magische Grenze zum Modernen Klassiker mittlerweile hinter sich. Doch überzeugt mich der Film auch noch im Jahr 2014? Nach meiner gestrigen Sicht der britischen Blu-ray war ich ziemlich überrascht über das Ergebnis.

Erstmals gesehen habe ich Lost in Translation Ende 2005 aufgrund vieler Empfehlungen. Da ich generell offen bin für exotische Filme, hätte ich mir den Film so oder so angesehen, allerdings sprachen noch 2 weitere Argumente für Lost in Translation. Bill Murray und Japan, und das auch noch gemeinsam in einem Film. Darunter spielte noch eine mir damals unbekannte Person die weibliche Hauptrolle, Scarlett Johansson. Nun, während ich für Scarlett Johansson nicht bürgen konnte, reichte mir alleine das Bill Murray Argument. Als ich mir den Film schließlich an einem kalten Dezember anschaute, war ich spätestens beim Abspann aufgewärmt, erheitert und traurig zugleich. Selten hatte ich so viel handwerkliche Filmkunst gesehen, die so perfektioniert war. Und ich musste immer wieder dran denken, dass hier die noch relativ unerfahrene Mary Corleone Sofia Coppola, Francis Fords Tochter, am Werke war. Es waren die Bilder, die minimalistischen Dialoge und die Musik, die mich zutiefst beeindruckten. Lost in Translation war ein verdammt guter Cocktail, der den Zuschauer berieselte und mit Fernweh am Ende zurückließ. Für mich war es eine Reise nach Tokyo, und auch ich musste schließlich in den Flieger steigen und in meine Welt zurückreisen.




Lost in Translation kam seinerzeit nicht nur bei Kritikern bestens an, mit einem Budget von nur 4 Millionen Dollar spielte der Film weltweit über 120 Millionen Dollar ein. Viele Leute waren, genau wie ich, fasziniert über diese beinahe schon bodenständige Geschichte über 2 einsame Menschen in einer noch einsameren Stadt, die sich, trotz eines erheblichen Altersunterschiedes, finden und eine unvergessliche Zeit miteinander verbringen. All das resultierte schließlich zu eine der schönsten Endszenen, die Hollywood je hervorgebracht hat.

Sofia Coppola zeigt Japan von zwei Seiten. Die weise, wie sie das tut, mag den Zuschauern anfangs vielleicht etwas überzogen vorkommen (das "Engrish" der Japaner beispielsweise), allerdings ist es eine sehr authentische Herangehensweise, die die Regisseurin hier vorgenommen hat. Der erste Blick auf Tokyo wirkt chaotisch, dies wird bereits in den ersten Szenen deutlich. Bob Harris, fasziniert und verblüfft, welch schillernde Stadt sich ihm da nähert. Es ist bereits die Taxifahrt, die nicht nur den Film eröffnet (eröffnen ist wohl das falsche Wort, dies erledigt bereits der Hintern von Scarlett Johansson), sondern den Zuschauer in diese fremdartige Welt eintauchen lässt. Von Minute zu Minute wird sich der Zuschauer mehr in die Lage der beiden Protagonisten Bob, der gerade eine Midlife Crisis durchmacht, und die von Heimweh geplagte Charlotte, hineinversetzen können. Man ist alleine in diesem seltsamen fremden Land, und einsam verbringt man seine Stunden in einer Hotelbar und versinkt in Selbstmitleid. In der zweiten Hälfte des Filmes zeigt Sofia Coppola jedoch eine andere Seite dieser riesigen Insel mit ihrer eigensinnigen Kultur. Unsere beiden Charaktere lernen das Schöne und Einzigartige an diesem Land, dieser Stadt, dieser Kultur kennen. Eine Welt, die sie aus dem Blick ihres Fensters im Hotelzimmer nicht sehen konnten. Und ohne es so richtig mitzubekommen, erleben beide die Zeit ihres Lebens in Tokyo.




Bei meiner gestrigen Sichtung ist mir etwas aufgefallen. Auch knapp 10 Jahre nach meiner ersten Erfahrung mit Lost in Translation hat der Film nichts von seiner Faszination oder Atmosphäre eingebüßt. Die Bilder sind immer noch so schön, die Dialoge genau so minimalistisch und die Musik genau so genial wie damals. Der amerikanisch japanische Cocktail schmeckt immer noch und berieselt. Handwerklich hat Sofia Coppola großes Geschick bewiesen und das perfekte Zusammenspiel zwischen Bill Murray und Scarlett Johansson funktioniert Heute noch genau so gut wie zur Zeit der Veröffentlichung des Filmes. Lost in Translation ist in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges Werk, welches es in einer solchen Zusammensetzung bis Heute nicht mehr zu sehen gab. Und das ist auch gut so, denn die Magie des Filmes bleibt somit erhalten. In den kommenden 10 Jahren wird man noch einmal über den Film resümieren müssen. Hat Lost in Translation die Kraft zu einem echten Klassiker? Ich bin mir da sehr sicher. Die erste Zerreißprobe hat der Film schon einmal bestanden.

Cheers und Kampai!

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Ausgelesen: Neon Genesis Evangelion: Comic Tribute

(Foto: Aufziehvogel, Copyright @Dark Horse)



Japan 2010 (Abgeschlossen in einem Band)

Originaltitel: 新世紀エヴァンゲリオン コミックトリビュート

Veröffentlichung (USA): Februar 2013

Verlag (USA): Dark Horse

Künstler (Infos gesammelt von MyAnimeList): Kouga, Yun (Story & Art), Takemura, Sessyu (Story & Art), Takezaki, Tony (Story & Art), Oowada, Hideki (Story & Art), Karasawa, Nawoki (Story & Art), Rikudo, Koshi (Story & Art), Takatou, Rui (Story & Art), Yamada, Koutarou (Story & Art), Igarashi, Ran (Story & Art), Sanri, Youko (Story & Art), Kawata, Yushi (Story), Yukito (Art), Abe, Jun (Story & Art), Teri, Terio (Story & Art), Aoki, Hayato (Story & Art), Tanaka, Keiichi (Story & Art), Nakamura, Yukitoshi (Story & Art)

Übersetzung: Keine Angaben

Genre: Manga, Parodie, Satire

Altersempfehlung des Verlags: Ab 16

Preis: Circa 8-10 Euro, nur in englischer Sprache erhältlich



(Foto: Aufziehvogel, Copyright @Dark Horse)


Wirklich zu kurz kam der Humor in der Neon Genesis Evangelion Saga nie, es sei denn man ging zu Zeiten seiner Veröffentlichung in ein japanisches Kino und schaute sich The End of Evangelion an. Trotz all der düsteren und apokalyptischen Stimmung, gab es sowohl in der TV-Serie als auch in den neuen Filmen immer eine gewisse Leichtigkeit, die die Stimmung etwas angehoben hat.
Einige der bekanntesten Manga Künstler des Young Ace Magazines fanden jedoch, dass das gesamte Evangelion Universum mal zerstört werden sollte. Und die Zerstörung erfolgt hier in einer großen Explosion an Parodie und Satire. Das Neon Genesis Evangelion: Comic Tribute ist vermutlich das witzigste, absurdeste und abgedrehteste, was den hiesigen Evangelion Fans bisher vorgesetzt wurde. Und seit wie vielen Jahren jene hiesigen Evangelion Fans gefoltert werden, dieser Punkt muss wohl hier nicht weiter ausgearbeitet werden und versteht sich von selbst.

Die sehr üppige Sammlung an Evangelion One-Shots (16 sind es insgesamt, einige davon haben mehrere Parts) wurde 2010 zu einem Sammelband zusammengefügt und auf die Menschheit losgelassen. Etliche namhafte Künstler wie Koshi Rikudo (Excel Saga) und Yun Kouga (Loveless) wirkten an der abstrakten Sammlung mit. Das besondere an jeder einzelnen Geschichte ist das der jeweilige Künstler seinen ganz eigenen Stil in seinen One-Shot einfließen lässt. Es variieren nicht nur die Thematiken der Story, auch der Zeichenstil ändert sich in jeder Geschichte. Manchmal ist er nahezu originalgetreu an die Serie angepasst (basierend auf Yoshiyuki Sadamotos Charakterdesign), manchmal werden Shinji, Asuka, Rei und Co. aber auch völlig überzogen und surreal dargestellt.
Dennoch macht nahezu jede Geschichte einen optisch sehr anständigen Eindruck. Der jeweilige Zeichenstil passt immer bestens zu den herrlich bizarren Situationen in den einzelnen Geschichten.


 (Foto: Aufziehvogel, Copyright @Dark Horse)


Zugegeben, Fanservice gibt es genug. In beinahe jeder Geschichte sieht man eine der Protagonistinnen leicht bekleidet oder nur noch von wenigen Stofffetzen umgeben. Auch der Humor ist größtenteils schlüpfrig und vulgär. Auch wenn die Künstler es vielleicht manchmal ein wenig übertreiben, das Stilmittel wurde gut gewählt da man nicht nur den bekannten Evangelion Fanservice parodiert (der auch in der Serie und den Filmen oftmals heftig dargestellt wird), man parodiert gleich einen aktuellen japanischen Trend in Japan mit, der leider schon so ausgeprägt ist, dass viele Manga oder Anime überhaupt nicht mehr ohne exzessive Darstellungen an halbnackten weiblichen Figuren auskommen. Aus diesem Grunde konnten es sich die Künstler auch nicht verkneifen, neben den pikanten Darstellungen auch noch etliche Seitenhiebe an japanische Manga-Leser rauszuhauen. Das besondere ist jedoch, viele dieser Situationen könnten genau gut so in der Serie oder in den Filmen stattfinden. Einen sehr guten Job machen in diesem Punkt die Geschichten „Drowning in L.C.L.“ und „Misato Katsuragi's The Shinji Ikari Raising Project Report“. Letztere Geschichte ist gleichzeitig eine Anlehnung an die gleichnamige Manga-Serie.

Leider macht Dark Horse keine Angaben zur Übersetzung (zumindest fand ich nichts dergleichen). Loben muss ich den wirklich köstlichen Humor, der beinahe immer zündet und gut umgesetzt wurde. Besonders gegen Ende scheinen aber etliche Gags in der Übersetzung verloren gegangen zu sein. Oftmals hatte ich mich nach dem Sinn mancher Pointen gefragt, als eine Geschichte endete. Oftmals gab es auch Anspielungen, die ich nicht verstanden habe oder einfach wenig Sinn ergaben. Gut möglich das der/die Übersetzer (wahrscheinlicher bei so vielen einzelnen Geschichten) ihre Schwierigkeiten damit hatten, den sehr japanischen Inhalt einigermaßen authentisch und glaubhaft in die englische Sprache zu übersetzen. Wahrscheinlich wurden auch einige Texte komplett abgeändert um den Sinngehalt besser rüberbringen zu können.


Resümee

Ohne Wissen über die Evangelion Saga braucht man sich an diese Sammlung natürlich nicht heranwagen. Doch selbst als Fan wird man hier mit manchen Anspielungen zur japanischen Popkultur seine Schwierigkeiten haben. Dies schmälert meinen Gesamteindruck aber nur wenig. Zwar tanzen einige Geschichten aus der Reihe (wie die von Yun Kouga, von der ich immer noch nicht weiß, was ich von ihr halten soll), insgesamt ist das Neon Genesis Evangelion: Comic Tribute aber eine fantastische Parodie auf eine der bekanntesten Animationsserien der vergangenen 20 Jahre. Die Künstler der jeweiligen Geschichten bringen stets ihren eigenen Stil mit in ihre Geschichte, bleiben dem Universum aber treu was dieses ganze Projekt sogar recht authentisch macht. Gelacht habe ich sehr oft, und habe jede einzelne Geschichte genossen. Von den knapp 150 Seiten darf man erst einmal nicht enttäuscht sein, denn jede Seite ist vollgepackt mit Illustrationen und einer menge an Text (manchmal sogar schon wieder etwas zu viel Text). Jeder Fan der Serie, Filme oder des Original Manga sollte sich diese herrlich absurde Parodie einmal genauer ansehen.

Hinweis: Der Titel ist (noch) nicht bei uns in Deutschland erschienen und liegt nur in englischer Sprache vor. Die Rechte an die Evangelion Manga liegen beim Carlsen Verlag. In Anbetracht der Tatsache, dass auch die anderen Manga-Serien des Evangelion Universums nicht im deutschsprachigen Raum erschienen sind (mit Ausnahme des gefloppten The Iron Maiden 2nd), ist eine Veröffentlichung des Neon Genesis Evangelion: Comic Tribute wohl relativ unwahrscheinlich. Jeder bekannte Buchhändler sollte diesen Einzelband auch als Import in seinem Sortiment aufführen und dafür zwischen 8-10 Euro verlangen.

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Nobelpreis für Literatur 2014: Patrick Modiano wurde ausgezeichnet



Erneut macht das Gremium aus Stockholm den Wettbüros einmal mehr einen Strich durch die Rechnung. Genau das macht den Nobelpreis für Literatur so unberechenbar. Heute um 13.00 Uhr Stockholmer Zeit wurde der 69 jährige Franzose Patrick Modiano mit dem begehrten Preis ausgezeichnet und darf sich fortan Nobelpreisträger nennen.

Nur die wenigsten dürften den Schriftsteller auf den Wettzetteln gehabt haben. Wie in den Jahren zuvor befanden sich hochkarätige Namen unter den Favoriten, einmal mehr machte ein weniger bekannter Name das Rennen. Auch Dauergast Haruki Murakami stand wieder einmal oben auf der Liste der Favoriten. Da aber bereits der Nobelpreis für Physik an Japan ging, war es relativ unwahrscheinlich das Murakami den Preis in diesem Jahr erhält.

Das Gremium benutzte folgendes Zitat, um Modianos Werk zu kühren:


"For the art of memory with which he has evoked the most ungraspable human destinies and uncovered the life-world of the occupation".

Modiano machte in den 60ern besonders mit seinem kontroversen Erstling "La Place de l'Étoile" auf sich aufmerksam, der seinerzeit mit etlichen Preisen ausgezeichnet wurde. Mit seinem Roman "Dora Bruder", Die wahre Geschichte eines französisch/jüdischen Mädchens, welches zur Kriegszeit spurlos verschwand, rollte Modiano einen Fall auf, der ohne ihn in Vergessenheit geraten wäre. Patrick Modiano zählt in seinem Heimatland zu den bedeutendsten Autoren der Nachkriegszeit.

Die Vergabe des Preises wurde bereits auf der Nobelprize Website als Video veröffentlicht: Nobelprize.org

Der Aufziehvogel gratuliert Patrick Modiano für Frankreich zur Auszeichnung.