Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 30. August 2018

Aufziehvogel's Wühlkiste - Day of the Dead: Bloodline




USA/Bulgarien 2018

Day of the Dead: Bloodline
Basierend auf: George A. Romeros Day of the Dead (1985)
Regie: Hèctor Hernández Vicens
Darsteller: Johnathon Schaech, Sophie Skelton, Jeff Gum, Marcus Vanco, Mark Rhino Smith
Produktion/Distribution: Millennium Films, Lionsgate
Laufzeit: Circa 90 Minuten
Genre: Horror
FSK: Ab 18


Selbst zu Lebzeiten von George Romero (1940-2017) war sein "Of the Dead" Franchise nicht vor billigen Kopien oder Schund sicher. Die relativ undurchsichtige Rechtelage zu einigen Filmen, besonders jedoch zu Night of the Living Dead, lud in der Vergangenheit sogar Hobby-Filmemacher dazu ein, den Film zu remaken oder Romeros Original zu verunstalten. Doch nicht alle Neuverfilmungen/Remakes waren zum scheitern verurteilt. Gelungene Vertreter stellen Tom Savinis Night of the Living Dead Interpretation und Zack Snyders Remake zu Dawn of the Dead dar. Romeros großartiger Day of the Dead aus dem Jahr 1985 war jedoch nicht mit so viel Glück gesegnet. Bereits das erste Remake aus dem Jahr 2008 von Steve Miner galt gemeinhin unter Fans und Kritikern als Gurke. Da ist es praktisch nur logisch, dass man eine Gurke nur noch durch einen echten Stinker toppen kann. Ein Stinker, der mindestens genau so modrig und vermutlich auch übel riechend ist wie Romeros hungrige Zombies. Das oberste Ziel bei Day of the Dead: Bloodline kann also nur gewesen sein, das Remake aus dem Jahr 2008 noch einmal zu unterbieten. Und darin war man etwas über 80 Minuten sehr erfolgreich. Hier darf man sich nicht von der Laufzeit von 90 Minuten täuschen lassen, alleine über 7 Minuten fallen auf den überlangen Abspann zurück.

Regie bei diesem Stinker führte Hèctor Hernández Vicens, der 2015 mit "Die Leiche der Anna Fritz" einen kleinen Indie-Hit landen konnte. Wie viel der Misere bei Day of the Dead Bloodline auf das Konto von Vicens geht, wage ich hier nicht zu vermuten. Einen großen Einfluss schien hier auch Produzentin Christa Campbell gehabt zu haben. Auch was die Produktion angeht, bin ich mir nicht ganz sicher, wem man nun den goldenen Kaktus zuschieben soll. Bloodline riecht stark nach Millennium Films, die aber nicht alleinig für den Film verantwortlich waren. Sobald man jedoch Millennium Films hört, riecht es förmlich nach Osteuropa. Bei Bloodline ist das, wie bei so vielen anderen Filmen des Studios, nicht anders. Gedreht wurde größtenteils kostengünstig in Bulgarien, so, wie zuletzt schon der letzte Chainsaw Massacre Film ("Leatherface", der sich jedoch qualitativ in einer ganz anderen Dimension befindet) erstmals in Osteuropa gedreht wurde und nicht mehr in den USA.

Inhaltlich bedient sich Bloodline relativ sparsam am Plot von Romeros Film. Grundrisse wie den Bunker, die Soldaten und einen speziellen Zombie findet man auch in Bloodline, die Storyline, der Ausgang der Geschichte aber auch die Charaktere kann man als unabhängig bezeichnen. Nichts davon rettet Bloodline, aber es ist auch nicht wirklich eine 1:1 Kopie. Wie aber auch im Original steht hier eine Frau im Mittelpunkt der Geschichte und es gibt auch wieder einen fiesen Army-Boy, der jedoch dem großartigen Joseph Pilato aus Original nicht das Wasser reichen kann. Es sind tatsächlich die markanten Charaktere aus Romeros Film, die hier schmerzlich vermisst werden. Romero setzte in seinem Film größtenteils auf Schauspieler aus dem Bereich Theater. Dieser Fakt spielte im zusätzlich in die Karten, denn wie auch schon Night of the Living Dead ist Day of the Dead aufgebaut wie ein Theaterstück, welches von seinen Charakteren und Dialogen lebt, die Gewalt und sensationellen Effekte von Tom Savini waren so gesehen nur der Bonus. Und genau da wird es für das Remake extrem dünn. Die Dialoge sind unterirdisch und die Schauspieler haben auch nicht die nötigen Fähigkeiten, das schwache Drehbuch auszugleichen. Durch die Bank weg hat man es mit Charakteren zu tun, für die man nichts empfindet und die einem regelrecht gleichgültig sind. Hinzukommt fragwürdiger Fanservice und man Hauptdarstellerin Sophie Skelton bei jeder halbwegs passenden Gelegenheit mit offener Bluse präsentiert. Besonders die völlig übertriebene Eröffnungssequenz hätte aus einer schlechten Parodie stammen können.

Die Spezialeffekte bewegen sich glücklicherweise auf einem nicht ganz so unterirdischem Level. Wenn sie mal nicht komplett vom Computer generiert werden, sehen sie sogar recht ansehnlich aus. Ruiniert werden die blutigen Effekte dann fast immer durch hektische Kamerafahrten oder Schnitte. Um wirklich Wirkung zu zeigen, hätten die Effekte länger zu sehen sein müssen. Ein Beispiel hätte man sich hier an das Evil Dead Remake nehmen können. Da Bloodline jedoch aus der Low Budget Spate stammt, kann man ihm zumindest hier nicht wirklich einen großen Vorwurf machen.




Fazit

Unwichtige Leute werden von Zombies gefressen. Aber Zombies nennt man sie, wie in vielen anderen Filmen dieser art, nicht. Hier musste ein Begriff her der cool klingt, also nannte man sie "Rotter". Die Untoten sind auch in diesem Remake relativ hungrig, jedoch hätte man den Stoff belangloser und uninteressanter nicht umsetzen können. Einfach alles an "Day of the Dead: Bloodline" hinkt hinterher. Ob Plot, Drehbuch oder Produktionskosten (die Schauspieler würde ich hier nicht einmal verurteilen), nichts davon wird irgendeinen Zuschauer vom Sofa fegen. Es ist die Ideenlosigkeit, die hier furchterregender ist als die Zombies. Hier wirbt man einfach mit einem großen Name, sämtliche Vergleiche mit Romeros Day of the Dead verbieten sich hier und bereits zu Beginn kann man sich von der kleinen Hoffnung verabschieden, es hier mit einem einigermaßen sehenswerten Film zu tun zu kriegen. Warum Ressourcen für so ein Filmprojekt verbrannt werden, wird nicht nur Fans des Genre ein Rätsel sein, sondern, vielleicht nicht sofort aber wenn etwas Zeit vergangen ist, den Verantwortlichen dieser Produktion. Diesen Schund also ignorieren und darauf hoffen, dass das Original in Deutschland, längst überfällig, nicht mehr beschlagnahmt ist und somit auch anschließend vom Index marschiert.

Freitag, 24. August 2018

Rezension: Peter Pan (James Matthew Barrie)






Peter Pan
Originaltitel: Peter and Wendy
Autor: Sir James Matthew Barrie
Verlag: Diogenes
Übersetzung: Christiane Buchner und Martina Tichy
Genre: Klassiker, Kinderbuch, Fantasy



Wenn der Name Peter Pan erklingt, werden die meisten wohl unweigerlich an den animierten Disney-Klassiker aus dem Jahr 1953 denken. Man muss sich nicht grämen oder schuldig fühlen, wenn man die Ursprünge dieser klassischen Kindergeschichte nicht kennt, auch ich hatte hier, wie sich herausstellte, eine relativ große Lücke. Doch leben wir in modernen Zeiten und keine 10 Minuten später kennt man nicht nur Peter Pans Schöpfer, sondern gleichzeitig die komplette Entstehungsgeschichte. Hinter dem frechen Burschen, der sich weigert, erwachsen zu werden steckt der schottische Dramatiker und Autor James Matthew Barrie. Überraschenderweise handelt es sich bei dem hier besprochenen Roman aus dem Jahr 1911 noch nicht einmal um die Urfassung dieser Geschichte. Barrie erfand die Figur wesentlich früher und lies sie in leicht veränderter Form in einer anderen Geschichte auftreten. Doch den Peter Pan, den wir heute kennen, der fand sein Debüt in einem Theaterstück aus dem Jahr 1904, einige Jahre vor der Veröffentlichung des Romans also.
Aufgrund der großen Beliebtheit erhielt Barrie viele Anfragen, die Geschichte auch als Buch umzusetzen. Barrie kam der Bitte nach und schrieb ein Buch und es sollte kein Abdruck des Drehbuchs des Theaterstücks werden. Auf Vorlage des Romans basieren viele Umsetzungen von Peter Pan und er gilt für viele heute als die ursprüngliche Fassung von Peter and Wendy, obwohl das Theaterstück der legitime Vorreiter bleibt.

Der Diogenes Verlag brachte die hier vorliegende Ausgabe bereits 2016 in den Buchhandel, allerdings zu dieser Zeit noch als Sonderedition, gebunden und mit sehr ansprechenden Illustrationen von Tatjana Hauptmann. Die neue Taschenbuchausgabe beinhaltet den ungekürzten Text, allerdings ohne die Illustrationen (das Cover-Motiv stammt jedoch noch aus der illustrierten Variante).

Als großer Fan der Umsetzung von Disney war ich jedoch umso gespannter, wie sich Barries Roman liest. Dabei fällt besonders auf, dass sich Buch und Film teilweise sehr ähnlich sind. Wer glaubt, Hunde-Babysitterin Nana sei eine Erfindung der Disney-Autoren gewesen, der irrt sich. Nanas Rolle im Buch ist aber doch um einiges üppiger und auch signifikanter. Es ist zudem die schiere Vorstellungskraft von James Matthew Barrie, die dieses Buch nicht nur so liebevoll macht, sondern auch ältere Leser bis heute begeistern dürfte. Die Thematik um "das Kind in uns" läuft Gefahr, oftmals in Albernheiten abzudriften, nicht jedoch bei Peter Pan. Selbstverständlich werden hier Kinder vermutlich die meiste Freude haben (besonders dank des lässigen, humoristischen Schreibstils von Barrie), doch ich habe mich nicht selten dabei ertappt, bei so manch aberwitzigen Situationen laut vor mich hin zu grunzen (ich meine tatsächlich grunzen, nicht grinsen!).

In Sachen Umfang aber auch der nötigen Ernsthaftigkeit ist das Buch dem relativ kurz gehaltenem Zeichentrickfilm natürlich um einiges voraus. Das Buch scheut nicht davor, auch kritischere Themen anzuschneiden, was besonders zu Beginn der Geschichte im Hause der Darlings zu lesen ist. Hier hat ein Roman jedoch wesentlich mehr Möglichkeiten, sich zu entfalten, die Charaktere zur Geltung kommen zu lassen und auch mal nicht so heitere Themen anzuschneiden. Besonders das Schicksal des fiesen Captain Hook ist im Buch dann doch wesentlich bittersüßer als in Disneys kinderfreundlicher Vision der Ereignisse.



Resümee

Für mich war James Matthew Barries "Peter Pan" noch einmal ein wundervoller Ausflug ins Nimmerland. Besonders für Leute, die wirklich nur mit den filmischen Umsetzungen vertraut sind, werden hier noch einmal einen Mehrwert finden. Barries Ideen und Humor wirken nicht antiquiert oder eingestaubt, eine flüssige deutsche Übersetzung half zudem noch, das Werk etwas zeitgenössischer in der Wortwahl zu gestalten. Ein wundervoller Klassiker für Kinder, den jung gebliebenen, aber auch ganz sicher für die Erwachsenen.



Dienstag, 14. August 2018

Gantz: Zurück in Deutschland als Perfect Edition




Deutsche Fans von Hiroya Oku's Gantz hatten es nie leicht. Nach nur fünf Bänden beendete Planet Manga (Panini) im Jahr 2003 das Kapitel Gantz für sich. Schuld hieran waren nicht überzeugende Verkaufszahlen. Aufgrund des hohen Anteils an Gewalt und Nacktheit war Gantz nichts für zartbesaitete und sicherlich auch nicht das, was die Leute in einer Zeit des Terrors (11. September, Irak Krieg) unbedingt lesen wollten. Doch war 2003 an sich auch nicht die Zeit, wo Manga einen solchen Stellenwert in unserer Popkultur besaßen, wie beispielsweise heute im Jahr 2018. Es dauerte also 15 Jahre nach Paninis gescheitertem Versuch und 5 Jahre seit Beendigung des Manga im Jahr 2013, bis sich ein deutscher Verlag noch einmal an die Lizenz herantraute.

Bereits Panini plante damals schon einen Nachdruck und somit zweiten Anlauf in Deutschland, der vom japanischen Lizenzgeber nicht genehmigt wurde. Besonders in den letzten Jahren wurde eine Neuauflage des Science-Fiction-Horror Manga gefordert, aber konkrete Neuigkeiten dazu gabs nie. Stimmen wurden lauter, Egmont Manga hätte vielleicht Interesse an einer Neuauflage, da diese zuletzt Hiroya Oku's "Inuyashiki" in Deutschland publizierten. Relativ überraschend griff sich jedoch Cross Cults noch recht neues Manga Label "Manga Cult" die Lizenz, die bereits eine Neuauflage des in Deutschlands vor einigen Jahren gescheiterten Blame! von Tsutomu Nihei veröffentlichen.

Bereits vor einiger Zeit angekündigt, erscheint (offiziell) am 15. August Band 1 der neuen Perfect Edition. Inoffiziell wird der Band wohl wie immer schon vorher bei einigen Händlern vor Ort bereitstehen oder Online ausgeliefert worden sein. Manga Cult entschied sich für eine Veröffentlichung in sehr dicken Bänden mit einer Klappenbroschur. Band 1 wird satte 4 Bände umfassen, ab Band 2 dieser Edition werden 3 Einzelbände in einer Ausgabe untergebracht. Überraschenderweise ist der Band trotz seines Umfangs nicht unhandlich und die Verarbeitung in der Preisklasse von 20 Euro (die für so einen dicken Wälzer recht günstig ist) ebenfalls sehr solide. Qualitativ ist die Ausgabe zwar unter den Hardcover Master Editionen von Manga Cult anzusiedeln, aber insgesamt macht die Verarbeitung von Gantz als dicke Klappenbroschur einen sehr guten Eindruck, den man oftmals bei Omnibus-Editionen nicht so erwarten kann. Hoffen wir also, dass das Team rund um Manga Cult auch weiterhin so eine Qualität abliefern wird.

Wo ich schon von "Hoffen" schreibe, dies gilt auch für den Erfolg der Reihe in Deutschland. Ich wünsche mir sehr, dass Gantz sich beim Verlag etablieren wird und endlich nun auch, nach all den Jahren, komplett in Deutschland erhältlich sein wird. Zu wünschen wäre es.


Donnerstag, 9. August 2018

Guillermo del Toro: Der nicht so beeindruckende, beeindruckende Geschichtenerzähler



Die überschaubare Filmografie des Guillermo del Toro Gómez aus Guadalajara Mexiko ist vielseitig. Jeder seiner Filme trägt eindeutig seine Handschrift, aber keiner ist wie der andere. Der 53 jährige Visionär ist oftmals beheimatet im Horrorgenre, aber Fantasy scheint ihm doch ein wenig mehr zu liegen. In Wahrheit ist es aber die Mischung, die es bei del Toro ausmacht. Es ist sein magischer Realismus, der in Filmen wie Pan's Labyrinth und The Shape of Water das Drama mit phantastischen Elementen verbindet. Doch ist dieser eigentlich geniale Filmemacher, Produzent und Autor auch ein Widerspruch für sich. Von Hobbits, Trollen und Elben halte er eigentlich nicht viel, und dennoch fühlt sich Hellboy 2- Die goldene Armee mit all seinen Fabelwesen an wie die moderne Interpretation einer Geschichte von Tolkien. Auch machte Guillermo del Toro darauf aufmerksam, dass Filmemacher ihre Filme vielleicht nicht zu lang gestalten sollten, er selbst besäße nicht mehr so viel Sitzfleisch und Konzentration, sich Filme von über 120 Minuten im Kino anzusehen. Dabei sind es die letzten drei Filme del Toros, die zusammengerechnet eine Laufzeit von knapp 7 Stunden (Abspann allerdings mitgerechnet), aufweisen. Seine Roman-Umsetzung zu The Shape of Water, die er gemeinsam mit dem Autor Daniel Kraus verfasst hat, verdoppelt sogar noch einmal den Umfang, den der bereits lange Film bietet.

Guillermo del Toro ist ist natürlich weitaus mehr, als seine Filmografie als Regisseur hergibt. Besonders in Spanien und Mexiko genießt er ein hohes Ansehen. Unter seiner Mithilfe als Produzent realisierten del Toro und sein guter Freund Juan Antonio Bayona den ausgezeichneten spanischen Grusler "Das Waisenhaus", losgelöst von sämtlichen konventionellen Geisterfilmen mit einem beachtlichen Budget. Filme wie The Devil's Backbone und Pan's Labyrinth sind ausschließlich in Spanien und Mexiko entstanden. Guillermo del Toro brachte den Gothic-Horror wieder in Mode. Es sind seine abstrakten Kreaturen, die Lovecraft persönlich nicht besser hätten entwerfen können, die sich dem Zuschauer einprägen. Ein Handwerk, welches er sogar bei für ihn untypischen Filmen wie Blade II eingesetzt hat. Doch immer wieder scheint es del Toros Perfektionismus zu sein, der ihm im Weg steht und durchaus auch den Leuten schaden kann, mit denen er zusammenarbeitet.

Mit Cronos feierte der Mexikaner 1993 sein Spielfilmdebüt. Komplett gedreht in Mexiko gab es aber schon damals einen amerikanischen Schauspieler, der ihn über viele weitere Jahre auf seinem Weg begleiten sollte: Ron Perlman. Der Film war ein Indie-Hit, ist aber in der Filmografie von del Toro nie über den Geheimtipp hinausgekommen. Bei seinem zweiten Spielfilm aus dem Jahr 1997 sah das schon anders aus. Mimic genießt bis heute mit seiner leicht trashigen art einen relativ positiven Ruf bei Filmfans. Der Creature-Horror entstand unter Miramax und brachte prompt einige Probleme mit Patriarch Bob Weinstein mit sich. del Toro machte hier einen Anfängerfehler und tappte in eine Falle, in die auch noch viele andere Filmemacher und Schauspieler nach ihm traten: Eine Zusammenarbeit mit Bob Weinstein. Hier hakte es an künstlerischen Differenzen und ganz besonders der Lauflänge des Films. Im Jahr 2009 bekam del Toro die Gelegenheit, endlich seine Wunschfassung des Films fertigzustellen, die im Jahr 2011 dann veröffentlicht wurde und etwas später auch den Weg nach Deutschland fand. Mit rund 6 Minuten mehr Inhalt fiel die Langfassung beim Publikum jedoch durch, die bevorzugen nämlich weiterhin die Kinofassung. Einige Versprechungen del Toros über ein paar pikante Szenen haben letztendlich nie ihren Weg in den Director's Cut gefunden.

Mit der Realisierung seiner Projekte scheint Guillermo del Toro jedoch die meisten Probleme zu haben. Hellboy und Der Hobbit sind prominente Vertreter, doch es gibt noch weitaus mehr. Als großer Fan des Films Blade Runner fühlt sich del Toro auch zum Cyberpunk hingezogen. Doch auch relevante Werke von japanischen Manga und Anime Ikonen wie beispielsweise Katsuhiro Otomo habens ihm angetan. Eine Umsetzung von Otomos "Domu: A Child's Dream" scheiterte aus rechtlichen Gründen. New Line Cinema hingegen plante fest mit del Toro für Blade 3, dieser lehnte jedoch zugunsten von Hellboy ab und Blade 3 ging anschließend unter der Regie von David S. Goyer baden. Ebenfalls für Hellboy musste sein Engagement an Harry Potter und der gefangene von Azkaban weichen. Die Liste auf Wikipedia ist lang, jedoch auch ziemlich interessant. Auch der von Fans sehnsüchtig erwartete letzte dritte Teil der Hellboy Reihe ist im Sand verlaufen, stattdessen gibt es 2019 von Millennium Films ein Reboot.

Viele dieser Projekte sind aber nicht ausschließlich aufgrund von del Toros eigenen Absagen nicht entstanden. Er selbst witzelte nach der prominenten Einstampfung des Videospiels "Silent Hills" darüber, dass er am liebsten gar nicht mehr an einer Kollaboration beteiligt sein möchte, da er fürchte, mit dem Pech, welches er anziehe, würde vermutlich noch das Haus von eine der beteiligten Personen abbrennen oder gar noch schlimmeres passieren.
Sein Ausstieg aus dem Hobbit-Projekt wird heute jedoch weiterhin als sehr kontrovers betrachtet. Del Toro investierte rund zwei Jahre seiner Zeit gemeinsam mit Peter Jackson in die Realisierung der Adaption. Die original Vision des Hobbit-Projekts unterscheidet sich massiv von der Umsetzung, die wir nun kennen. Statt einer Trilogie plante man einen Zweiteiler. Del Toro wollte das komplette Buch in nur einem einzigen Film umsetzen, Teil 2 jedoch mehr als Brücke zum Herrn der Ringe nutzen. Ein eskalierter Streit rund um die Filmrechte um New Line Cinema, MGM und Tolkien Estate sorgten jedoch dafür, dass die Arbeiten an dem Projekt nicht vorankamen und del Toro zugunsten von Pacific Rim ausstieg. Seine Mitarbeit an den Hobbit Filmen wurde jedoch nicht unterschlagen und der Name Guillermo del Toro ist in jeder Edition der Filme im Abspann zu lesen. Genau wie Blade 3 hat der Ausstieg von del Toro jedoch für Probleme gesorgt. Mit ihm hätten wir hier wohl andere, mit großer Wahrscheinlichkeit aber auch bessere Filme erhalten. Selbstverständlich ist es nun ein wenig zu einfach, solch eine Behauptung aufzustellen. Seine Trilogie über den spanischen Bürgerkrieg gilt übrigens auch bis heute als unvollständig. Neben The Devil's Backbone und Pan's Labyrinth sollte der Film "3993" die voneinander unabhängige Trilogie abschließen. Del Toro gab Hellboy II jedoch den Vortritt.

Die Metamorphose von einem kleinen Indie-Filmemacher aus Mexiko zu einem mehrfachen Oscar-Gewinner ist jedoch ein interessanter Prozess. Wenn es aber etwas gibt, wo mit del Toro nicht glänzen kann, dann sind dies beeindruckende Stories. Mit anderen Worten: Guillermo del Toro ist kein beeindruckender, jedoch beeindruckender Geschichtenerzähler. Ein mindestens genau so großer Widerspruch zu seiner Person wie einige Aussagen, die von ihm selbst kamen. Wenn wir ehrlich sind, so hauen die Geschichten in Devil's Backbone, Pan's Labyrinth aber auch The Shape of Water niemanden mehr aus den Socken. Es ist jedoch die Machart del Toros, seine Visionen, seine Kreationen, die hier die eigentliche Geschichte erzählen. Der relativ simple Aufbau von del Toros Geschichten wird durch seine Bilderwelten und wundervollen Effekte ausgeglichen. Eine nicht so beeindruckende Geschichte wird somit zu einem Erlebnis. Kaum ein anderer Film als Pacific Rim beweist diesen Fakt so gut. Eine Geschichte, die inhaltlich auf 1-2 Blätter Papier passt, umgesetzt jedoch als pures Bildspektakel. Dass das aber auch mal in die Hose gehen kann hat del Toro mit Crimson Peak bewiesen. Optisch und von der Szenerie her nicht minder beeindruckend als seine anderen Werke, schafft der Film es jedoch nie, einmal aus sich herauszukommen und Charakter zu zeigen. In meiner Besprechung aus dem Jahr 2016 bin ich auf diese Schwächen eingegangen. Crimson Peak fehlte es trotz namhafter Darsteller und einem gelungenem Setting an Seele. Etwas, was seine eher generische Art der Erzählung einer Geschichte ausgleichen konnte. Doch auch bei Crimson Peak schien es wieder del Toros Perfektionismus gewesen zu sein, der ihn daran hinderte, ein lang ersehntes Projekt zu realisieren. Del Toro besaß mehrere Drafts zu der Story, ein Draft unterschiedlicher als das andere. Es entstand laut seinen eigenen Aussagen ein förmliches Zettel-Wirrwarr und am Ende entschied er sich, das Drehbuch noch einmal komplett umzuschreiben. Genau wie Mimic in den 90ern, so ist Crimson Peak in der aktuellen Fassung nicht der Film, den sich del Toro vorgestellt hat. Und diese Uneinigkeit mit sich selbst könnte auch einer der Gründe sein, wieso der Roman zu The Shape of Water so viel umfangreicher und anders ist als der Film. Keine bloße Nacherzählung in Buchform sondern ein Sammelsurium an verworfenen Ideen und einem alternativen Ende. Sozusagen der Directors Cut als Buch.

In The Shape of Water fand del Toro jedoch wieder zu alter Form zurück. Hier nähert sich der Filmemacher überraschend dem Arthouse-Genre an. Geprägt ist der Film von verschiedenen Einzelschicksalen, die den Vorzug einer großen Katastrophe wie noch in Pacific Rim erhalten haben. Ruhig und beinahe entspannt erzählt del Toro hier, anders als in Crimson Peak, diesmal wieder mit einem Konzept eine ungewöhnliche Geschichte, die aber erst wieder durch die Magie der Bilder ihre wahre Wirkung entfaltet.

Die Wege des Guillermo del Toro sind unergründlich. Ich denke, so viel kann man mittlerweile sagen. Er ist ein einzigartiger Filmemacher, der nicht so beeindruckende Geschichten auf eine jedoch beeindruckende art und weise erzählen kann. Ein Widerspruch in sich, wie del Toro selbst. In den kommenden Jahren wird del Toro vermutlich wieder mehr Projekte entwerfen als er umsetzen kann. Es ist jedoch diese unberechenbare art, die es so spannend macht, den Weg dieses Filmemachers weiter zu verfolgen und zu beobachten, was dabei wieder einmal entstehen wird.