Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 31. Oktober 2021

Halloween-Wühlkiste: 3 From Hell

 





USA 2019
 
3 From Hell
Regie: Rob Zombie
Darsteller: Sheri Moon Zombie, Bill Mosely, Sid Haig, Richard Brake, Danny Trejo
Lauflänge: Circa 115 Minuten
Genre: Horror, Thriller
Verleih: Studiocanal
FSK: 18



3 From Hell oder Once Upon a Time in Mexiko Teil 2. Die Vergleiche zu Robert Rodriguez Rohrkrepierer, dem überflüssigen dritten Teil der El Mariachi Reihe, sind gar nicht mal so weit hergeholt (wie es das Schicksal so will, findet der Showdown von Zombies dritten Film über die Fireflies in Mexiko statt). Erst einmal muss man sich bei beiden Filmen die Frage nach dem "Wieso" stellen. Ich lege hier mal wieder den Fokus auf 3 From Hell. Wieso? Wer hat nach einer Fortsetzung verlangt? Wer war der Meinung, dass eine Fortsetzung hier eine gute Idee wäre? Warum ruiniert Rob Zombie seinen wohl stärksten Film mit diesem Machwerk aus der Hölle? So viele Fragen, auf die es wohl nie eine Antwort geben wird.

Rob Zombies Filmografie wird als kontrovers angesehen. Für einige ist der Musiker ein Möchtegern-Tarantino des Exploitationsfilms, für andere hat Zombie als Regisseur mittlerweile den selben Kultstatus wie als Musiker. Mit seiner Musik war ich nie wirklich vertraut, aber ich wusste seine Filme, selbst die schwächeren, immer zu schätzen. Mit "31" aus dem Jahr 2016 (von dem es glaube ich immer noch keine Unrated-Version gibt) spürte aber auch ich langsam einen Verschleiß seiner Stilmittel und eine gewisse Müdigkeit. Aber selbst 31 geht bei mir noch als relativ geglücktes Experiment durch.

Als ich davon hörte, Zombie plane einen dritten Film zu seiner Horror-Familie, wollte ich es nicht glauben. "Haus der 1000 Leichen" war 2003 ein solides Erstlingswerk und ein Abgesang auf das alte Grindhouse-Kino der 70er. Nur 3 Jahre später sollte ihm mit "The Devil's Rejects" (zu dem es dann auch eine Unrated-Version gab) eine unkonventionelle, großartige Fortsetzung gelingen, die vor guten Onelinern, Gewaltexzessen und fantastischer Musik nur so strotzte. Rob Zombie als Filmemacher war sicherlich auch hier bereits eine kontroverse Figur, aber man musste anerkennend sagen, hier war ein Regisseur am Werk, der Bock darauf hatte, ein nahezu vergessenes Subgenre neu aufleben zu lassen. Aufleben zu lassen, ohne es neu erfinden zu müssen, sondern mit den bereits vorhandenen Zutaten etwas gutes zu erschaffen.

Nun will ich nicht zu weit in Spoiler-Territorium abdriften, aber wer den Vorgänger gesehen hat, der weiß vielleicht auch, dass der großartige Showdown mit der Musikuntermalung "Free Bird" von "Lynyrd Skynyrd" eigentlich keine Fortsetzung zulässt. Wieso sollte Zombie daraus auch noch eine Fortsetzung basteln, er kann ja noch genug eigenständige Filme machen. Ich hatte nie das Bedürfnis danach, mir die Beweggründe durchzulesen wieso Zombie einen dritten Film über die Familie Firefly drehen wollte. Nach meiner gestrigen Sichtung kann es mir auch ehrlich gesagt nicht gleichgültiger sein, da der Film für mich in einem Paralleluniversum spielt, in einem sogenannten "Was wäre wenn" Szenario.

In knapp 2 Stunden morden und tanzen sich die Fireflies zwar wieder durch die Vereinigten Staaten und darüber hinaus, allerdings könnte es sich hier genau so gut um die Direct to Video Fortsetzung eines Filmstudios handeln, die noch einmal ein altes Franchise melken wollte und dafür irgendeinen Musikvideo-Regisseur angeheuert hat, der erste Gehversuche in Hollywood wagt. Und genau dieser DTV-Faktor haftet 3 From Hell an, mit Ausnahme;, Zombie fungierte hier als Regisseur und Produzent und reiht sich meiner Ansicht in die Liste unnötiger Sequels zu großartigen Vorgängern ein. Dieses Massenausschlachtung sah man damals bei Saw, Terminator und wie sie nicht alle heißen. Mein Blick wandert selbst zu S. Darko, der völlig sinnbefreiten, überflüssigen DTV-Fortsetzung von Donnie Darko.

Zombie greift in 3 From Hell auf alte Erfolgsrezepte des Vorgängers zurück, die aber nicht mehr funktionieren. Schlüpfrige Oneline oder schräge Dialoge wurden in diesem Sequel durch eine Endlosschleife von "F**k's" und "Motherf**ker's" ersetzt. Die Laufzeit von knapp 2 Stunden wurde sich zudem durch völlig belanglose Zeitlupen-Szenen ergaunert. Der größte Fokus im Film liegt auf Baby Firefly, die sicherlich in keinem Ableger schon einmal so nervig war wie hier. Ohne zu behaupten, Zombies Ehegattin Sheri Moon würde ein erhebliches schauspielerisches Talent besitzen, aber durch ihren Charme konnte sie meistens dann doch die Zuschauer mitnehmen. Das Problem hier ist aber, nahezu der gesamte Film ist auf Baby Firefly zugeschnitten und die meisten Szenen mit ihr sind größtenteils überflüssiges Füllmaterial, was den Film zu keiner Sekunde weiterbringt.

Die seltenen Szenen, wo Bill Mosely als Otis mal glänzen darf sind rar gesät und Richard Brake (der in keinem Film jemals so gepflegt aussah) als schmieriger Inzest-Bruder Foxy Coltrane bekam nie die Chance, sich zu entfalten. Auf Sid Haig (1939-2019) als Killerclown Captain Spaulding musste Zombie bereits im Vorfeld verzichten, da der Kult-Schauspieler bereits zu diesem Zeitpunkt gesundheitlich stark gezeichnet war (ich war sogar sehr traurig, ihn in diesem Zustand zu sehen) und er somit nur im Prolog des Films vorkam.

Auch musikalisch muss der Film weit hinter seinem Vorgänger zurückstecken, auch wenn der Soundtrack noch mit der stärkste Aspekt des Films war (in den Credits gibt sich dann nochmal Terry Reid die Ehre). Was die Gewaltexzesse diesmal angeht, so hat Zombie vermutlich wieder mal das Maximum aus dem R-Rating herausgekitzelt (besonders überraschend ist hier doch die Freizügigkeit des weiblichen Geschlechts). Die Gewalt ist roh, überzeichnet und wie immer stets vorhanden, will hier aber längst nicht mehr so schockieren wie in den Vorgängern, vermutlich einfach auch weil die Opfer der Fireflies völlig belanglos sind. Leider setzte Zombie in diesem Film häufiger mal auf einige billige Effekte aus dem Computer. Ganz offensichtlich zu sehen sind aber auch eindeutige Cuts, die er für das attraktivere R-Rating vorgenommen hat. Szenen, in denen es zur Sache geht sind meistens hektisch geschnitten und es fühlt sich relativ oft so an, als würde uns irgendwas vorenthalten werden. Überraschenderweise bietet die veröffentlichte Unrated-Version kaum mehr nennenswertes Material, die MPA war hier also deutlicher zahmer diesmal was die Vergabe des R-Ratings unter Auflagen anging.


Fazit

Endete The Devil's Rejects mit einem Knall (oder besser gesagt, mit einem bleihaltigen Feuerwerk), so endet 3 From Hell eher belustigend mit einem kleinen Knallfrosch in Mexiko. Gekrönt wird der Schabernack durch einen aberwitzigen Macheten-Kampf und einer minimalen Aussicht auf Teil 4. Und somit wird die Frage nach dem "Wieso" dann noch einmal größer, warum Zombie es hier verpasst hat, bei der Familie Firefly endgültig den Deckel drauf zu machen. Somit bin ich doch etwas besorgt, wie es mit dem filmischen Schaffen von Rob Zombie weitergehen wird. Fairerweise muss hier angemerkt werden, nicht jede Kritik geht so hart mit 3 From Hell um wie ich es hier nun getan habe,. Ich bin sogar über die teilweise doch soliden Wertungen überrascht, wo deutlich bessere Filme von Zombie eigentlich traditionell vorab schon zerfleischt worden sind. Ich bin jedenfalls nicht scharf darauf, die Fireflies noch einmal wiederzusehen. Es wäre zu wünschen, wenn Zombie diese Familie nun in den endgültigen Ruhestand schicken würde.
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Dieses Review ist auch auf Letterboxd über mein Aufziehvogel-Kanal erschienen: Weiterleitung zu Letterboxd

Montag, 11. Oktober 2021

Murakami T: Gesammelte T-Shirts ab Heute erhältlich

Foto: Aufziehvogel




Hinweis: Bei diesem Werk handelt es sich um keinen Roman oder Kurzgeschichtensammlung



Jedes Jahr ungefähr zur selben Zeit warten Fans und Verlage des Autors auf die Verkündung im Oktober: "Haruki Murakami wird für sein Werk mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet".
Während wir, die üblichen Verdächtigen, jedes Jahr aufs neue warten, ist einem diese Auszeichnung egal: Haruki Murakami. Er selbst lobte einmal den Enthusiasmus seiner Fans, die sich jährlich zur Vergabe des Literaturnobelpreises versammeln und der Vergabe entgegenfiebern, er selbst bekundete aber nicht nur einmal seine Gleichgültigkeit dem Preis gegenüber. In diesem Jahr war Murakami bei den Buchmachern wieder ganz oben als Favorit dabei, gewonnen hat den Preis jedoch Abdulrazak Gurnah aus Tansania.

Und so hat der DuMont Verlag azs Köln auch im Jahr 2021 wieder eine Murakami-Veröffentlichung im Oktober in die Buchhandlungen gebracht. Anstatt aber ein altes Werk neu aufzulegen hat man hier eines von Murakamis ungewöhnlicheren Werken veröffentlicht. In Japan gibt es immer noch eine Handvoll Non-Fiction Titel von Murakami, die nie den Weg in den Westen gefunden haben. Mit Murakami T: Gesammelte T-Shirts (Japan 2020) erscheint eines davon nun in einer deutschsprachigen Ausgabe (übersetzt von Ursula Gräfe). Wer sich unter dem Titel nichts vorstellen kann; es erwartet die Leser genau das, was der Titel hier suggeriert - T-Shirts. Haruki Murakami spricht auf rund 200 Seiten über seine beachtliche T-Shirt Sammlung. Jedes Shirt des Autors hat eine eigene Geschichte, jedes Shirt wird mit einer kleinen Anekdote kommentiert. Bei Murakami T handelt es sich viel mehr um ein Kunstbuch, zu lesen gibt es hier für ein Buch dieser Art aber immer noch überraschend viel.

Noch in dieser Woche werde ich mich hier ein wenig mehr mit dem Buch befassen, eine gute Gelegenheit für diejenigen, die sich hierunter noch immer wenig vorstellen können.

Donnerstag, 7. Oktober 2021

Literaturnobelpreis 2021 geht an Abdulrazak Gurnah (Tansania)

 



Viele Leserinnen und Leser meines Blogs werden hier vielleicht nun aufhorchen, da sie zum ersten mal einen Preisträger des Literaturnobelpreises zu kennen scheinen. Aber ich muss euch enttäuschen, hier handelt es sich nicht um den Lyriker Abdul Alhazred aus dem Lovecraft-Universum sondern um den Schriftsteller aus Tansania, Abdulrazak Gurnah. Den 73 jährigen hatten die Buchmacher dieses Jahr, traditionell, nicht auf ihren Listen. Die Jury ehrte das Werk des Schriftstellers für dessen »kompromisslose und mitfühlende« Durchdringung der Auswirkungen des Kolonialismus.

Das Werk Gurnahs befasst sich zu einem großen Teil mit der Flüchtlingsthematik. Zu seinen bekanntesten Werken zählen "Paradise" (1994), "Desertion" (2005) und "By the Sea" (2001). In Fachkreisen wurde die Auszeichnung deutlich positiver aufgenommen als die äußerst umstrittene Auszeichnung des österreichischen Schriftstellers Peter Handke im Jahr 2019.

Bei den Buchmachern lagen die üblichen Verdächtigen vorn wie zum Beispiel Haruki Murakami (Japan), Annie Ernaux (Frankreich) sowie Mircea Cartarescu (Rumänien). Am Montag verdrängte der Rumane sogar relativ überraschend den Japaner, was bei vielen bereits ein Indikator dafür war, dass Cartarescu vielleicht ja ins Ziel marschieren könnte.

Nach der Lyrikerin Louise Glück im vergangenem Jahr wurde dieses Jahr wieder ein Romancier ausgezeichnet. Bleibt man seiner Auswahl treu, müsste 2022 also wieder ein Preisträger aus der Lyrik den Preis empfangen. Aber wir alle wissen natürlich, wie unberechenbar die Jury ist.

Eines steht aber fest, in dieser Kategorie ist Deutschland dieses Jahr leer ausgegangen. Das Werk von Abdulrazak Gurnah ist, wie es häufig üblich ist bei den Preisträgern, in deutscher Sprache nur bedingt verfügbar. Bei einigen bekannteren Werken des Autors wird man aber, sofern Interesse besteht, aus zweiter Hand fündig. Man kann aber davon ausgehen, dass sich besonders jetzt nach der Preisvergabe dieser Umstand ändern wird und ein Verlag die Werke neu auflegen oder erstmals übersetzen wird. "Am Meer ist es wärmer" gratuliert Abdulrazak Gurnah und Tansania!

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Retrospektive: Donnie Darko - 20 Jahre später

 

Poster: Arthaus


"Schlümpfe sind asexuell. Sie haben ja nicht einmal so etwas wie ein Geschlechtsorgan in ihren kleinen weißen Hosen. Das ist ja das unlogische am Schlumpfsein überhaupt. Welchen Spaß hast du im Leben, wenn du keinen Schwanz hast?" - Donnie Darko


!Spoilerwarnung für alle, die den Film noch nicht kennen!


Wir schreiben das Jahr 2021. 20 Jahre sind seit der Erstaufführung von Donnie Darko vergangen. Ich bin, ganz offensichtlich, 20 Jahre älter mittlerweile. Doch andere Dinge sind seit der Uraufführung von Donnie Darko im Januar 2001 passiert. Der 11. September erschütterte die Welt. Patrick Swayze ist 2009 verstorben und dies war auch jenes Jahr, wo Regisseur Richard Kelly seinen letzten Film gedreht (The Box) hat. Zum 15. jährigen Jubiläum zu Donnie Darko sagte Filmemacher Kevin Smith 2016 über Kelly, er sei vermutlich einer der begabtesten Filmemacher, die es derzeit gäbe, nur scheint sein Talent niemand wahrzunehmen. Mit Southland Tales lieferte Kelly 2006 einen weiteren ungewöhnlichen Film ab (mit Dwayne "The Rock" Johnson in frühen ernsthaften Hollywood-Gehversuchen und Seann William Scott sowie Sarah Michelle Gellar, die ja heutzutage auch keiner mehr kennt). Allerdings entwickelte sich dieser (wie ich finde, leider) nicht zu einem Indie-Megahit wie Donnie Darko und geriet, wie einige Schauspieler die in diesem Film mitspielen, in Vergessenheit. Irgendwie war Richard Kelly also schon immer irgendwie "nur" Donnie Darko. Der Film war sein Karrieresprungbrett und immer wieder wurde er daran gemessen und fälschlicherweise dichteten ihm viele Leute das furchtbare Sequel "S. Darko" an, mit dem er nichts am Hut hatte.

Donnie Darko und Frank das Riesenkaninchen sind geblieben. Und allgemein muss sich der Film um all das überhaupt keine Sorgen machen, der spielt nämlich in einem kurzen Zeitraum im Oktober 1988. Richard Kelly war zu dieser Zeit im echten Leben 13 Jahre alt und im Jahr 1987 feierte Patrick Swayze mit Dirty Dancing seinen wohl größten Filmerfolg. Michael Dukakis und George Bush Senior kämpften um den Einzug ins Weiße Haus, der erste Golfkrieg war noch einige wenige Jahre entfernt und Autor Graham Greene weilte noch unter den Lebenden. In dieser Zeit spielt Donnie Darko. Wir haben es hier mit einem verträumten Film zu tun der irgendwo zwischen psychologischem Horror, Science-Fiction und Coming of Age Story spielt. Im zentralen Punkt der seltsamen Ereignisse in diesem Vorstadtort in Middlesex, Virgina, steht der begabte und wissbegierige, aber auch etwas unkonventionelle und schwierige Teenager Donald Darko (Jake Gyllenhaal bevor er zu einem Weltstar wurde, hier gemeinsam zu sehen mit seiner leiblichen Schwester Maggie Gyllenhaal). Er schlafwandelt, wacht irgendwo mitten im Nirgendwo auf, immer ein Stückchen weiter entfernt von seinem Zuhause. Ein Umstand, der ihm das Leben retten soll wenn eines Abends ein Flugzeugturbine unbekannter Herkunft auf einmal in das Haus der Darkos kracht und Donnie im Schlaf getötet hätte. Von diesem Tag an ändert sich im Leben des an sich schon seltsamen Teenager alles. Seine Halluzinationen werden intensiver und ein Typ in einem Hasenkostüm erzählt ihm dabei, die Welt würde gegen Ende des Monats untergehen und gibt ihm sogar ein spezifisches auf die Sekunde exaktes Datum mit auf den Weg. Und dann wären da auch noch Mädchen, Schlümpfe und ein unbändiges Verlangen nach Christina Applegate, die den Verstand des Teenagers vernebeln.

Man mag es kaum glauben wie viele Themen Donnie Darko angeht und diese alle nahezu bravourös meistert. Als Ausgangspunkt hat man hier, wie man sie eigentlich klassisch aus Stephen King Romanen kennt ("Es" ist das Buch, welches Donnies Mutter liest), eine Kleinstadt. Etwas ländlich, friedlich und überwiegend von weißen Mittelständlern bewohnt, die anscheinend etwas über den Durchschnitt leben. Doch wie in jeder Kleinstadt brodelt es auch im Innern. Rassismus, Mobbing und eine allgemeine Verlogenheit des Vorstadtlebens sind in dem Film dauerhaft präsent. Die junge engagierte wie motivierte Lehrerin (gespielt von Drew Barrymore die nicht nur als Kind in einer Stephen King Adaption mitspielte sondern hier auch als Produzentin fungierte) die aus ihrem Job geekelt wird weil sie den Horizont ihrer Schüler erweitern will, während ein pädophiler Motivationsguru von der Masse gefeiert wird ist hier nur ein Teil der schmutzigen Vorstadtgesellschaft. Neben den sozialen Problemen die im Film auf eine humorvolle, beinahe satirische weise angegangen werden, steht aber allen voran auch ein großer Anteil Science-Fiction im Vordergrund. Zeitreisen. Auf eine sehr subtile Art baut der Film hier eine unglaublich komplexe Zeitreisethematik mit ein, über die Filmfans noch heute diskutieren, debattieren und philosophieren. Darauf hier einzugehen würde den Rahmen nun sprengen und würde auch die pure Freude am spekulieren nehmen, was man noch 20 Jahre nach der Veröffentlichung des Filmes tut.

Der wohl wichtigste Begleiter des Films ist wohl unbestritten die Musik. Und hier wählte man einige sehr starke lizenzierte Songs von 80er Bands wie Tears for Fears und Duran Duran während der Musiker Michael Andrews für den Original Score zuständig war (sein wohl bekanntestes Werk ist das "Mad World" Cover von Tears for Fears). Mit minimalen Musical-Einlagen werden wichtige Szenen unterlegt und würden ohne den starken Soundtrack nie so eine Intensität erreichen. Eine der wohl stärksten Kombinationen zwischen Bildgewalt und Musik ist die bekannte Szene zwischen Donnie, der schlafenden Gretchen sowie Frank im Kino während im Hintergrund "Tanz der Teufel" läuft. Der Film vermittelt hier eine einzigartige Weltuntergangsstimmung. Etwas bedrohliches bahnt sich an. Kelly macht hier deutlich, dass sich ein regelrecht stürmischer Showdown anbahnt. Dieses Thema rund um diese minimalen Musical-Einlagen führte Kelly in seinem späteren Film Southland Tales auf einen neuen Höhepunkt.

Doch besonders das Thema Musik machte noch einmal für Richard Kelly deutlich, was möglich ist und was nicht. Lizenzen waren teuer oder schlicht und ergreifend nicht verfügbar. Bei einem Budget von nicht einmal 5 Millionen Dollar war es sowieso ein Wunder, wie viel prominente Unterstützung der Film erhalten hat. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb bleibt Donnie Darko ein Low Budget Indie-Film, der bei seiner limitierten Kinoauswertung (die teilweise von Christopher Nolan und seiner Frau ermöglicht wurde) kaum irgendwelche Beachtung erhalten hat. Durch seine Veröffentlichung auf DVD gewann Donnie Darko aber ein weltweites Publikum, was wohl genau so wenig abzusehen war wie die prominente Unterstützung, die den Film zu dem gemacht hat, was er heute ist. Durch eben diesen Erfolg bekam Kelly die Gelegenheit, 2004 den Film noch einmal als Director's Cut zu bringen. Diese Fassung, die mit mehr Budget ausgestattet war, ermöglichte ihm Zugang zu der Musik, die er wollte, rund 20 Minuten an neuen Szenen und Umschnitten sowie den Film in kleine Kapitel zu unterteilen. Das Resultat endete damit; bis heute werden sowohl Kinofassung als auch Director's Cut favorisiert. Wohl auch einer der Gründe, wieso beide Fassungen mittlerweile auf Blu-ray immer in einem Gesamtpaket zu finden sind. Beide Fassungen haben ihre Vorteile. Die Kinofassung wirkt ohne die zusätzlichen Erklärungen kryptischer, mysteriöser und flotter. Der Director's Cut mit seinen Erweiterungen runder und durch neue Szenen und Musik deutlich professioneller, strukturierter. Man kann nichts falsch machen, beide Fassungen zu schauen und es ist vermutlich einer der wenigen Filme, wo man sich ein neues Filmerlebnis erschaffen kann wenn man beide Fassungen hintereinander schaut.

Zum 20. Jubiläum brachte Arthaus/Studiocanal mehrere neue deutsche Editionen zum Film heraus, restauriert von einem 4K Master und erstmals auch eine 4K UHD Veröffentlichung. Durch einen selten dämlichen Fehler seitens Amazon, wo das Blu-ray Cover von Standard Blu-ray und 4K UHD vertauscht wurden (und der Fehler noch immer nicht behoben wurde), erhielt ich die Standard Blu-ray und entschied mich letztendlich, diese zu behalten. Neugierig auf die UHD-Variante wäre ich dennoch mal und wird auch sicherlich noch nachgeholt. Die neue deutsche Blu-ray macht aber einen mehr als soliden Eindruck und ist der alten UK Blu-ray Veröffentlichung die ich 2014 erworben habe (Label Metodrome Entertainment, Kinofassung und Director's Cut Doppelpack) meilenweit voraus was das Bild angeht. Zwar ist der Low-Budget Faktor dem Film weiterhin anzusehen was in einer schwankenden Qualität etlicher Szenen resultiert, allgemein ist das restaurierte Bild aber in einem guten Zustand und fiel mir besonders positiv durch seine satten Farben auf. Auch das deutsche DTS-HD Master ist in Sachen Klangqualität sehr anständig. Dies dürfte an sich die deutsche Premiere für den Director's Cut auf Blu-ray gewesen sein.

Nun sind beinahe 7 Jahre seit meiner Lost in Translation Retrospektive vergangen. Lost in Translation hatte meinen Test der Zeit bestanden (der Film feierte ja nun, wenn auch lediglich limitiert, kürzlich seine deutsche Blu-ray Premiere). Wie sieht es bei Donnie Darko aus? Ich habe den Film gestern erstmals seit 2014 wieder gesehen (Kinofassung) und ich konnte mich schon gar nicht mehr dran erinnern, wann ich den Director's Cut zuletzt gesehen habe. Nach so einer langen Zeit blickt man erst einmal sehr kritisch auf einen seiner Lieblingsfilme. Blade Runner könnte ich auch heutzutage noch unendlich viele male schauen, ohne, dass die Flamme der Liebe jemals erlöschen würde. Kill Bill wiederum (Gesamtwerk), sehe ich heute mit 34 Jahren deutlich kritischer als als 18 jähriger. Und auch Donnie Darko muss sich keine Sorgen machen, von mir nicht mehr geliebt zu werden (vermutlich ist dem Film das sogar sehr egal ob ich ihn liebe oder nicht). Die ganze Faszination ist noch vorhanden. Dieser kleine verträumte Indie-Film übt noch immer eine gewaltige Wucht auf mich aus und dieses Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Genres sowie der zeitlosen Musik funktioniert auch im Jahr 2021 noch bedingungslos. So sehr ich mir für Richard Kelly einen weiteren großen Wurf wünsche, so fest verankert wird er jedoch für immer mit Donnie Darko sein. Den Film als Karrierefluch zu sehen wäre eindeutig falsch (und so eine Einstellung hat er auch nie in Interviews an den Tag gelegt), da Kelly hier einen Film geschaffen hat, der den Test der Zeit bestanden hat und auch in vielen Jahren noch relevant sein wird. Es ist zudem auch ein Film, der in dieser Art und Weise kein zweites mal existieren könnte. Vielleicht ist dies einer der Gründe, wieso eine Fortsetzung in diesem Universum alles andere als ein brillanter Geniestreich war. Richard Kelly selbst hat zu S. Darko nie einen filmischen Kommentar abgegeben, denn er hat den Film nie gesehen.

Mit diesem hoffnungsvollen Schlusswort über unnötige Sequels möchte ich diese Retrospektive beenden. Ursprünglich sollte dies mal ein Meercast werden (meine eigene Variante eines Podcasts, die genau das ist, was der Name suggeriert), allerdings habe ich mich sehr kurzfristig für eine schriftliche Version entschieden. Einiges, was ich für diese Retrospektive plante, konnte ich in schriftlicher Ausführung leider nicht umsetzen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, wenn ich die UHD-Version in kommender Zeit mal gesehen habe, werde ich dies nachholen. Donnie Darko ist ein Film, der mir bis heute sehr viel bedeutet (und er gestern wieder eindrucksvoll bewiesen hat) und ich bin sicher, ihm einen eigenen Meercast in absehbarer Zeit widmen zu können.

Für alle, die den Film noch noch nicht gesehen haben: Wir schreiben das 20. Jubiläum des Films, wir haben Oktober und die Welt ist auch so gut wie untergegangen - worauf wartet ihr? Anschauen!


"Unser Leben hat nicht nur zwei Kategorien, so einfach ist das nicht." - Donnie Darko