Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Montag, 25. April 2011

Tipp: Ein Roman für den Sommer: Das böse Mädchen


Wie gelingt es ihr nur immer wieder, ihn um den Finger zu wickeln? Und warum tut sie das, wenn sie seine ehrlichen Gefühle doch zugleich schroff zurückweist? Schon als aufmüpfige Halbwüchsige verdreht sie dem jungen Ricardo im konservativen Lima der 50er Jahre den Kopf. Von da an wird sie regelmäßig seine Wege kreuzen, wird in Paris, London, Madrid oder Tokio mal als Guerrillera, mal als Heiratsschwindlerin mit falschem Paß in sein Leben treten – und es immer wieder durcheinanderwirbeln. Auf rätselhafte Weise scheinen beide dennoch füreinander bestimmt; oder ist nur er es, der nicht lassen kann von diesem faszinierend »bösen Mädchen«?

Gerade noch habe ich mit dem Schafsmann in Honolulu getanzt, nun tanze ich zusammen mit einem bösen Mädchen Mambo. Und ich kann förmlich den Jasmin in den Gärten von Miraflores riechen. Das lateinamerikanische Temperament haftet dieser Geschichte auf jeder Seite an.

Das böse Mädchen ist mein erster Roman von Mario Vargas Llosa (der 2010 entgegen vieler Erwartungen den Nobelpreis für Literatur gewann) den ich in mein aktuelles Leseprogramm aufgenommen habe.
Es ist eine Liebesgeschichte. Sie hat sogar etwas Murakamisches an sich. Wir folgen dem bösen Mädchen von Peru bis hin nach Paris und Tokyo. Auf Kitsch und übertriebener Romantik verzichtet Llosa. Hier dürfen auch die Männer zugreifen.

Was mich wohl noch erwarten wird? Doch ich werde mich einfach weiter führen lassen von diesem bösen Mädchen. Einfach weiter den Mambo tanzen. Ganz gemütlich.

Freitag, 22. April 2011

Ryunosuke Akutagawa, Die Fluten des Sumida: Das Vermächtnis eines Narren





Die Akutagawa Rezensionen 1

Autor: Ryunosuke Akutagawa
Erscheinungsjahr: Gesammelte Werke zwischen 1912 und 1927. Erschienen als Sammelband im Juli 2010, iudicium Verlag.
Übersetzung: Armin Stein
Genre: Kurzgeschichten, Fantasy, Drama, Mystery, Religion



"Der Glaube an die Familie ist die ewige und unantastbare Grundlage unserer einzigartigen Nation. Selbstverständlich trägt das Oberhaupt einer Familie daher eine hohe Verantwortung. Hat ein Familienoberhaupt also das Recht, nach eigenem Belieben den Verstand zu verlieren? Diese Frage kann ich nur mit einen entschiedenem "Nein!" beantworten. Nehmen wir einmal an, die Familienoberhäupter hätten tatsächlich das Recht, den Verstand zu verlieren. Würden nicht alle unweigerlich auf der Stelle ihre Familien im Stich lassen und das Weite suchen, um das Glück zu genießen, singend über Landstraßen zu ziehen, Berge und Täler zu durchwandern oder freie Kosten und Logis in Irrenanstalten zu genießen?
Wahrlich, das wäre der Untergang unseres zweitausendjährigen Familiensystems, für das die ganze Welt uns Bewunderung zollt.
Wie sagt die alte Schrift: "Hasse das Verbrechen, nicht den Verbrecher". Ich fordere dann auch nicht, dass Oshino streng bestraft werde. Dennoch schlage ich laut die Trommel und klage ihn des Vergehens an, fahrlässig den Verstand verloren zu haben. Nein, nicht nur Oshino klage ich an, sondern auch unsere Regierungen, die es allesamt unverzeihlicherweise bislang versäumt haben, das Verlieren des Verstandes rechtlich unter Strafe zu stellen." -Mudaguchi in Pferdebeine (Uma no ashi)-



Obwohl klar sein dürfte, dass Ryunosuke Akutagawa zu den bedeutendsten und wegweisendsten Autoren der japanischen Literatur zählt, steht im gleichen Kontrast dazu, dass er wohl zu den traurigsten Seelen seiner Generation gehörte. Geplagt von Wahnvorstellungen und dem Wandel der Zeit, nahm er sich in der Nacht zum 24. Juli 1927 mit einer Überdosis Veronal und diversen anderen Schlafmittel das Leben. Er wurde fünfunddreißig Jahre alt. Als Vermächtnis hinterließ er ein Werk, welches schon zu seinen Lebzeiten geschätzt wurde und fast ein weiteres Jahrhundert später umso mehr verehrt wird. Er prägte die japanische Literatur. Er brach die Regeln und vermischte erstmals Elemente moderner westlicher Literatur mit der klassisch japanischen. Sein guter Freund und Schriftsteller Kan Kikuchi stiftete daraufhin 1935 den Akutagawa Preis, welcher mitunter zu den angesehensten Literaturpreisen in Japan gehört.

Doch wer war Ryunosuke Akutagawa eigentlich? Wer noch nie was zuvor von ihm gehört, der weiß vielleicht mit Akira Kurosawas Oscar prämierten Spielfilm Rashomon mehr anzufangen. Kurosawa wagte sich als einer der ersten japanischen Regisseure an Akutagawas Werk. Er verknüpfte die beiden Kurzgeschichten Rashomon und Im Dickicht (Yabu no naka) miteinander und formte daraufhin einen kompletten Spielfilm, für welchen er 1952 den Oscar für den besten ausländischen Film einheimste.

In dem im Jahr 2010 veröffentlichten Band Die Fluten des Sumida lernen wir den unergründlichen Schriftsteller jedoch noch besser kennen als je zuvor. Von seinen Anfängen als Journalist und Schriftsteller, bis zum bitteren Ende seiner Karriere. Es beginnt mit der gleichnamigen Erzählung Die Fluten des Sumida aus dem Jahr 1912 und endet mit der religiösen Sammlung Der Mann aus dem Westen, ein Werk, welches er wenige Stunden vor seinem Tod 1927 fertigstellte. Erweitert wird diese schöne wie nachdenkliche Sammlung durch die fabelhafte Übersetzung des Japanologen Armin Stein. Dieser übersetzte Akutagawas an sich schon modernen Schreibstil nicht nur flüssig lesbar ins Deutsche, er verfasste auch eine kleine Biographie über das Leben Akutagawas, welche mindestens genau so interessant ist wie die einzelnen Geschichten des Bandes. Auch einen ausführlichen Glossar gibt es, welcher komplizierte Begriffe aus jener Zeit und ihre dazugehörigen Persönlichkeiten erklärt. Das auf den ersten Blick handliche Buch ist dennoch recht schwer, klein bedruckt und prall gefüllt. Es sollte seine Leser etliche Tage fesseln.

Die Erzählungen in der Sammlung sind chronologisch angeordnet. Anzumerken dabei ist, dass die Storys zunehmend düsterer und surrealer werden. Akutagawas Gemütslage verschlechterte sich von Jahr zu Jahr. Dabei wird immer wieder seine Liebe zu Tokyo und dem Sumida deutlich. "Ich liebe Tokyo für den Sumida, und das Leben für Tokyo", schreibt er. Doch je mehr der Sumida verfiel (welcher schwere Schäden durch das Kanto Erdbeben am 01.09.1923 nahm), umso mehr schien Akutagawa zu leiden. Auch Tokio war im Wandel. Fort waren all die Handelsschiffe auf dem Sumida. Die Industrie gewann immer mehr an Überhand über das traditionelle Japan, welches noch völlig unberührt von den verheerenden Schäden des bevorstehenden zweiten Weltkriegs war. Für Akutagawa wäre der Anblick eines brennenden Tokios wohl der schlimmste Alptraum gewesen. Ertrug er all die Veränderungen an sich schon schwer, wie wäre es ihm da wohl während des Krieges ergangen? Ein Gedanke, der sogar die Leute betrüben dürfte, die sich nur flüchtig mit dem Werk des Autors auseinandergesetzt haben.

Basierend auf Akutagawas Wahnvorstellungen und Träume entstanden auch etliche interessante Kurzgeschichten. Die geheimnisvolle Insel (1923) wäre da ein ziemlich gutes Beispiel. Dort wacht der namenlose Ich-Erzähler ohne weitere Erinnerungen auf einem Schiff auf, welches auf eine mysteriöse Insel zusteuert. Vor ihm ein Berg, welcher beinahe in den Himmel ragt. Dieser Berg jedoch wurde komplett aus Gemüse errichtet. In der ziemlich düsteren Geschichte Der Traum (1927), berichtet Akutagawa über einen Maler, der mit schweren Depressionen kämpft und in einem Traum sein Modell erwürgt. Die Geschichte weist etliche surreale Elemente auf. Besonders wird am Ende nicht wirklich klar, ob es sich tatsächlich um einen Traum handelte. Womöglich basierte die komplette Geschichte auf einem Traum Akutagawas. Dieser litt in seiner letzten Schaffensphase vor seinem Tod unter ähnlichen Depressionen. So unterscheidet sich Der Traum stilistisch komplett von all den anderen Werken in der Sammlung. Kalt und trostlos sind die Worte, die diese Geschichte beschreiben würden. Sind in Akutagawas Kurzgeschichten doch sonst immer Ironie und Wortwitz zu finden.

Die erwähnte Ironie findet man in Geschichten wie Zwei Frauen Namens Komachi (1923). Dort thematisiert er sehr kritisch das Geschlecht der Frauen, welchem er immer etwas ängstlich Gegenüberstand. Es geht um zwei gerissene Frauen, die selbst den Boten des Todes austricksen um ihr eigenes Leben zu bewahren. Die Erzählung bringt selbstverständlich einiges an Humor mit und sollte besonders in unserer heutigen, empfindlichen Gesellschaft als Satire angesehen werden. Akutagawa war kein Frauenfeind, er war sogar glücklich verheiratet.

Dann gibt es auch noch Geschichten wie Agni, der Feuergott (1920). Die Geschichte spielt in Shanghai und weist phantastische Elemente auf. In Japan wird die Geschichte oft in der Schule mit jüngeren Schulpflichtigen besprochen. Es ist eine klassische Fantasy Geschichte (eine ziemlich gute übrigens).

Man lernt den Schriftsteller, Journalist, Philosoph, Analytiker und Mensch, allesamt Seiten, die Akutagawa innewohnten, in den Fluten des Sumida kennen. Und immer wieder ist eine kindliche Neugierde und Naivität aus den Texten zu lesen. In den teils sehr persönlichen Sammlungen Erinnerungen (1926-1927) und Honjo-Ryogoku (1927) bekommt man einen sehr guten Einblick darüber, wovon ich in dieser Besprechung schreibe. Akutagawa setzt sich auseinander mit Tradition und Mythen. Und natürlich Veränderungen. Er gibt zu, dass er mit diesen Veränderungen überfordert sei. Beschreibt seine Ängste, die ihn seit seiner Kindheit plagen und spricht darüber, wovor er sich fürchtet. Und Ryunosuke Akutagawa hat sich vor so einigen Dingen gefürchtet. Doch diese sehr sympathische und bescheidende Art hat mich immer wieder in den einzelnen Erzählungen fasziniert. Er stammte aus einfachen Verhältnissen und wurde zu keiner Zeit seiner Karriere als bekannter Schriftsteller überheblich.

In Das Lächeln der Götter (1921), befasst sich Akutagawa das erste mal mit dem Christentum. Dieses wurde seinerzeit auch in Japan immer populärer. Die Geschichte handelt von einem Pfarrer, der dem Christentum angehört und der Kirche als Missionar in Japan dient. Dieser Pfarrer ist von dem traditionellem, japanischem Glauben überhaupt nicht begeistert. Sein Ziel ist es, möglichst viele Japaner zum Christentum zu konvertieren. Doch wird in einer Nacht der konservative Pfarrer von fürchterlichen Visionen in seiner Kirche heimgesucht. Später vermag dieser gar nicht mehr Wahn von Realität zu unterscheiden.

Akutagawa selbst war vom Christentum mehr als angetan. Er studierte die Bibel in und auswendig und verfasste kurz vor seinem Freitod eine letzte Sammlung. Der Zweiteiler Der Mann aus dem Westen (1927) ist eine kurze Zusammenfassung wichtiger christlicher Ereignisse aus der Sicht Akutagawas. Dabei bezieht er sein Hauptaugenmerk auf Jesus Christus. In jeder Zeile liest man wie sehr Akutagawa Christus verehrte. Er sah ihn weniger als jene mystische Figur an wie sie im Christentum bekannt ist, eine Person, die Übernatürliches bewirkte. Er sah ihn als einen der ersten Journalisten und Schriftsteller der Geschichte an. Als Philosoph. Akutagawa begann sich mit Christus zu identifizieren. Doch die Identifikation wurde immer mehr zu Fanatismus. Er verehrte Christus zu sehr. Zu Akutagawas damaligem Gesundheitszustand war dies nicht unbedingt von Vorteil. Ob Ryunosuke Akutagawa sich am Ende selbst mit Christus verglich, kann man natürlich nicht genau sagen. Es ist unklar, ob letztendlich die Bibel selbst Akutagawas Wegweiser zum Freitod war. Fest steht nur, Akutagawas letzte Schaffensphase war sehr vom Christentum geprägt.



Resümee

Für mich stellen Die Fluten des Sumida ein absolut vielschichtiges wie umfangreiches Vermächtnis des großen japanischen Schriftstellers dar. Ryunosuke Akutagawas moderner Schreibstil (er verwendete sogar englische Anglizismen) ist eingängig und durch die wirklich gelungene Übersetzung von Armin Stein leicht verständlich. Für Liebhaber japanischer Literatur ist die Lektüre praktisch Pflicht. Es scheint jedoch, als hätte sich der Geist Akutagawas auf die gesamte moderne japanische Literatur übertragen. Er selbst sah sich nie als einen bedeutenden Schriftsteller. Doch würde er noch leben und wissen, das sein Name noch immer ein ganz großes Thema in seinem Heimatland ist, welches er so liebte und verehrte, würde wohl auch er endlich einmal diese Bescheidenheit ablegen.



Anmerkung des Verfassers (Aufziehvogel): Besprechung neu durchgelesen, korrigiert und ergänzt am 08.12.2016.

Donnerstag, 14. April 2011

Haruki Murakami, Wilde Schafsjagd & Tanz mit dem Schafsmann: Einfach brillant Tanzen




Hinweis:
In beiden Rezensionen befinden sich Spoiler die bereits einiges über die Geschichte verraten. Lest bitte nur weiter wenn ihr damit einverstanden seid ein wenig gespoilert zu werden.


Die Murakami Rezensionen 2 und 3


Die Trilogie der Ratte 3
Wilde Schafsjagd


Autor: Haruki Murakami
Originaltitel: Hitsuji o meguru bōken
Erscheinungsjahr: 1982 (Japan), 1991 (Detuschland), Suhrkamp (DuMont Neuauflage 2006)
Übersetzung: Annelie Ortmanns-Suzuki
Genre: Mystery, Detektivgeschichte



"Ich habe mich an dem Balken in der Küche erhängt", sagte Ratte.
"Der Schafsmann hat mich neben der Garage begraben. Das Sterben war gar nicht so schlimm – falls du dir darum Gedanken machen solltest. Aber das spielt wirklich keine Rolle."
"Wann?"
"Eine Woche bevor du kamst."
"Und vorher hast du die Uhr aufgezogen?"
Ratte lachte. "Kaum zu glauben, was? Du lebst dreißig Jahre, und deine letzte, deine allerletzte Handlung besteht darin, die Uhr aufzuziehen. Warum sollte einer mit dem Tod vor Augen noch die Uhr aufziehen? Wirklich sonderbar."
Als Ratte schwieg, herrschte Stille ringsum; nur das Ticken der Uhr war zu hören. Alle anderen Geräusche schluckte der Schnee. Mir war, als wären wir die beiden letzten Überlebenden im All. -Aus dem zwölften Kapitel: Ratte und die Uhr-



Haruki Murakamis Karriere als Schriftsteller begann 1979. Und mit Wilde Schafsjagd kommen wir diesen Anfängen schon sehr nah. Bei der Wilden Schafsjafd handelt es sich bereits um den dritten Teil der Trilogie der Ratte. Es begann mit Hear the Wind Sing (Kaze no uta o kike, 1979), es folgte Pinball, 1973 (1973-nen no pinbōru, 1980), und endete mit der Wilden Schafsjagd (1982). Als Zugabe folgte Tanz mit dem Schafsmann (1988). Anzumerken wäre das die beiden erstgenannten Werke nicht in Europa oder Nordamerika erschienen sind. Eine englische Übersetzung ist zwar verfügbar, wird aber ebenfalls nur in Japan publiziert (Auf Wunsch des Autors).

Beginne ich einmal mit Wilde Schafsjagd. Die abgedrehte Reise auf der Suche nach einem seltsamen Schaf mit einem Stern auf seinem Fell machte Murakami zu einem Star (lange bevor Naokos Lächeln erschienen ist). Die Story umfasst alle nur erdenklichen Murakmischen Stilmittel. Da wäre diese herrliche Melancholie, Jazz, exotische Drinks und Frauen. Skurrile Frauen. Eine Frau mit irreal schönen Ohren. Sie arbeitet am Tage als Ohren-Modell, in der Nacht als Callgirl. Dann gibt es da auch wieder diesen typischen Murakami Helden. Ende zwanzig. Alles was er anfasst scheint in die Brüche zu gehen. So durchschnittlich das er ihm nicht einmal einen Namen gegeben hat. Es geht um Verluste und der Auseinandersetzung mit dem Tod. Es geht um Illusion und Wirklichkeit. Ach was rede ich hier noch großartig. Ich liebe dieses Buch.

Die Geschichte beginnt mit der Einführung des namenlosen Ich-Erzählers. Er führt sich praktisch selbst in die Geschichte ein. Er erzählt etwas über sein bisheriges Leben. Was alles schiefgelaufen ist. Wie durchschnittlich sein Leben doch sei. Er hat durch den Job seine neue Freundin kennengelernt. Ihre Ohren sind von unbeschreiblicher Schönheit. Für den Erzähler scheint es, als seien sie ein Geschenk der Götter.
Eines Tages besucht ihn in seiner Firma ein dubioser Geschäftsmann. Er schwafelt rätselhaft vor sich dahin. Bis er ihm ein Foto mit einem Schaf vorlegt. Es war der Erzähler selbst der dieses Foto für eine Kampagne in Auftrag gab. Es zeigt eine Herde von Schafen auf einer Weide. Allerdings soll sich unter all diesen Schafen ein ganz besonderes verstecken. Ein Schaf mit einem Stern auf seinem Fell. Es soll übernatürliche Kräfte besitzen. Nur dieses Schaf könnte seinen Boss, einem mächtigen und einflussreichen Mann der Unterwelt, vor dem Tod bewahren. Der Geschäftsmann erteilt dem Erzähler den Auftrag dieses mysteriöse Schaf zu finden. Sollte er das Schaf finden, würde er reich belohnt werden. Falls nicht, würde man dafür sorgen das er nie wieder Fuß in der Gesellschaft fasst. Schon bald bemerkt unser Erzähler das es dieser Geschäftsmann ernst meint. Zusammen mit seiner Freundin macht er sich auf eine abstrakte Odyssee quer durch Japan auf. Je weiter er des Rätsels Lösung kommt, desto näher scheint er dabei seinem anscheinend verschollenen Freund Ratte zu kommen.

Wilde Schafsjagd ist eine im wahrsten Sinne des Wortes wilde Mischung. Durch die surrealen Aspekte kann man die Geschichte an sich dem Mystery zuordnen. Doch auch Elemente des klassischen Roadmovies sind vorhanden. Und nicht zu vergessen, die Detektivgeschichte. Man versucht hier einen Fall aufzuklären. Auch wenn es vermutlich eine Suche ohne Ziel ist.
Murakami schien eine wahre Freude zu haben mit diesen unterschiedlichen Genres zu spielen und dabei auch noch seine ganz eigene Philosophie zu übermitteln.

Wiedereinmal werden uns die verschiedensten, skurrilsten Charaktere präsentiert. Umgeben von Rätseln und Geheimnissen. Auch eine Murakami-Frau gibt es wieder zu bewundern. Das in diesem Buch noch namenlose Callgirl hat es mir dabei sehr angetan. Sie unterscheidet sich völlig von ihren Gegenstücken in Murakamis späteren Werken. Sie ist liebevoll, sympathisch, und irgendwie völlig normal. Seltsame Angewohnheiten halten sich bei ihr in Grenzen. Es ist eine Frau bei der man sich wohlfühlt. Auf die man zählen kann. Das spürt auch der Erzähler und nimmt sie mit auf seine Reise. Lernt sie immer mehr lieben. Dies geht so weit bis er sie völlig begehrt. Vielleicht ist sie sogar die Liebe seines Lebens. In ihr findet er all das was er bei seiner Ex-Frau immer vermisst hat. Bis sie, kurz vor dem großen Finale, einfach so verschwindet. War sie eine Halluzination oder existierte sie wirklich? Das verschwinden des Callgirls zog den namenlosen Erzähler in einen Strudel. Auf dieser eh schon absurden Reise war sie sein letzter halt.

Dann wäre da noch der Schafsmann selbst. Der Anführer des Kuriositätenkabinetts. Ein schmutziger Kerl in einem Schafkostüm. Er scheint irgendwo alleine in den Wäldern zu leben. Wie trägt er zu dieser Geschichte bei? Zudem scheint er in Verbindung mit dem gesuchten Schaf und Ratte zu stehen. Und man kann sich entspannen. Auch nach der Geschichte kann man weiter grübeln welche Rolle der Schafsmann nun erfüllte.

Für den Leser gibt es am Ende genug Möglichkeiten zur Interpretation. Was ergibt Sinn? Wie setze ich das Puzzle zusammen? Hat Murakami selbst eine Ahnung wie man es zusammensetzt? Viele Fragen die mich auch Heute noch beschäftigen. Das Ende bescherte mir zumindest einen ordentlichen Schauder.

Neben all diesen surrealen Elementen gibt es in der Geschichte jedoch auch noch die Wirklichkeit. Diese beschäftigt sich mit den Problemen des Ich-Erzählers. Mit diesem konnte ich mich einmal mehr selbst identifizieren. Murakami schreibt wie ein Mann der viele Enttäuschungen erlebt hat. Sein Charakter erzählt über Dinge die mir bereits selbst widerfahren sind. Er teilt Aspekte mit mir. Er beweint ähnliche Dinge wie ich. Es geht um Freundschaft. Das Schwelgen in Erinnerungen. Mit der Vergangenheit abzuschließen. Endlich versuchen in der Gegenwart zu leben. Murakami beschreibt diese Gefühle einfach perfekt. Welchen Platz nimmt man eigentlich in der Gesellschaft ein? Was hält das Leben noch für einen bereit? Er spricht die Sprache unserer Generation. Und auch Heute noch ist die Thematik in Wilde Schafsjagd aktuell.


Resümee

Als ich am Ende der Reise angekommen bin verkroch ich mich vorerst in eine dunkle Ecke. Ich wollte von niemanden etwas wissen. Krallte Ich musste nachdenken. Wilde Schafsjagd stürzte mich am Ende selbst in tiefe Melancholie. Schon erstaunlich welch einen Einfluss Haruki Murakami auf mich hat. Er verbindet all seine Stilmittel in dieser Geschichte und präsentiert sie völlig makellos. Ja, es ist schon eine sehr seltsame Geschichte. Voller Absurditäten und Rätsel. Doch was würde ich bloß dafür geben auch zu solch einer Reise anzutreten. Eine Frau mit den schönsten Ohren auf dieser Welt dabei zu haben und im heruntergekommenen Hotel Delfin einzukehren. Ich würde diesen Trip genießen. Alles um mich herum vergessen. Einfach nur dieses Schaf finden. Koste es was es wolle.


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Tanz mit dem Schafsmann


Autor: Haruki Murakami
Originaltitel: Dansu, dansu, dansu
Erscheinungsjahr: 1988 (Japan), 2002 (Detuschland), DuMont Verlag
Übersetzung: Sabine Mangold
Genre: Mystery, Drama

Also gab es eine Leiche mehr. Ratte, May, Dick North und nun Kiki. Das waren vier. Blieben also noch zwei. Wer würde als Nächstes sterben? Der Tod steht uns allen bevor, früher oder später. Jemand wird als weißes Skelett in jenes Zimmer verfrachtet. Sonderbare Räume verschiedenster Art waren in meiner Welt miteinander verknüpft. Das Totenkabinett in Honolulu Downtown. Das dunkle, kalte Kabuff des Schafsmannes. Das sonnendurchflutete Schlafzimmer, in dem Gotanda mit Kiki am Sonntagmorgen im Bett liegt.
Wie weit reicht die Wirklichkeit? Was geht in mir vor? Bin ich noch ganz richtig im Kopf?
Alle möglichen Ereignisse geschahen in unwirklichen Räumen, wurden verzerrt, in die Realität gezerrt. Oder gab es etwa..... gar keine Realität? Je mehr ich darüber nachdachte, desto weiter schien sich die Wahrheit mir zu entziehen. War das verschneite Sapporo im März Wirklichkeit gewesen? Es hatte so unwirklich ausgesehen. Hatte ich wirklich neben Dick North am Strand von Makaha gesessen? Auch das erschien mir jetzt irreal. Obwohl sich die Dinge so ereignet hatten, hatte ich das Gefühl, es sei nicht die echte Wirklichkeit gewesen. Wie konnte ein einarmiger Mann so perfekt Brot schneiden? Und wieso hinterließ mir ein Callgirl in Honolulu die Telefonnummer, die ich dann in dem Totenkabinett fand, zu dem mich Kiki geführt hatte? Aber das musste real gewesen sein. Denn diese Wirklichkeit existierte in meiner Erinnerung. Wenn ich an deren Echtheit zweifelte, käme mein ganzes Weltbild ins Wanken.
Bin ich verrückt, geisteskrank?
Oder ist es die Welt, die verrückt spielt, krank ist?
Ich weiß es nicht, es gibt zu viele Ungewissheiten.
Aber wer oder was auch immer verrückt oder krank sein mochte, ich konnte diese chaotischen Zustand nicht einfach hinnehmen, sondern musste Ordnung schaffen. Auch wenn Trauer, Zorn, Resignation im Spiel waren, ich musste einen Schlusspunkt setzen. Das war meine Aufgabe. Von allen Seiten erhielt ich Hinweise. Darum begegnete ich all diesen Menschen und wurde zu den merkwürdigsten Orten geführt.
Na los! Es ist wieder einmal Zeit zum Tanzen. So brillant, dass alle mich bewundern.
Schritt für Schritt – das ist die einzige Realität. Eine beschlossene Sache. Nicht grübeln. Das war in meinem Kopf als tausendprozentige Wirklichkeit eingraviert. Also tanzen, Gotanda anrufen und ihm die Frage stellen: "Hast du Kiki umgebracht?"


Mit diesem langen, herausragenden Monolog endet die Schafsjagd hier. Ein letztes mal fordert der Schafsmann zum Tanz auf. Zum vierten und letzten mal nimmt uns der namenlose Erzähler mit auf eine seltsame Reise.

Murakami bezeichnete Tanz mit dem Schafsmann nie als offizielle Fortsetzung zu Wilde Schafsjagd. Die Ereignisse spielen zwar einige Jahre nach dem Vorgänger, auch sind Charaktere und Orte aus der Trilogie der Ratte dabei, stilistisch unterscheidet es sich aber komplett von den vergangenen Romanen. Es ist ein eigenständiges Werk. Eine letzte Zugabe. Murakami schrieb den Roman nach Naokos Lächeln. Da der Erfolg und Rummel um den Roman Murakami so zusetzte, und Japan sogar daraufhin verließ, war es für ihn die größte Freude überhaupt Tanz mit dem Schafsmann zu schreiben. In dieser Geschichte konnte er all diese Ereignisse verarbeiten. Einfach drauf los schreiben. Und dies tat er auch. Manchmal vielleicht etwas zu viel. Aber dabei raus gekommen ist ein würdiger Abschluss einer Reihe, die er so viel zu verdanken hat.

Wie schon erwähnt spielt Tanz mit dem Schafsmann einige Jahre nach Wilde Schafsjagd. Der namenlose Ich-Erzähler resümiert über die vergangene Zeit. Jener Zeit nach dem verschwinden von Kiki (das namenlose Callgirl aus Wilde Schafsjagd), dem Auftauchen des Schafsmannes und Rattes Tod. Er erzählt das ihn diese Ereignisse in tiefe Depressionen stürzten. Er hat den Sinn im Leben verloren. Menschen zu denen er Zuneigung aufgebaut hat verschwinden oder sterben um ihn herum. Er ist nun vierunddreißig Jahre alt und hat sämtliche Bezüge zu der realen Welt verloren. Dann stirbt auch noch sein Kater, das letzte Überbleibsel an die Vergangenheit. Er weiß das er noch eine Sache zu Ende bringen muss. Er muss zurück ins Hotel Delfin. Nach Kiki suchen. Noch einmal den Schafsmann aufsuchen. Der Showdown würde in Sapporo stattfinden. Doch alles scheint sich verändert zu haben. Das Hotel Delfin wurde zu einem Luxushotel umgebaut, der Besitzer des alten Hotels scheint unauffindbar. Alle Angestellten scheinen etwas zu wissen, aber keiner will mit Details rausrücken. Bis er auf Yumiyoshi trifft. Eine Empfangsdame. Diese berichtet von mysteriösen Vorfällen die ihr in der Nacht im Hotel passiert sind. Von da an nehmen die seltsamen Ereignisse ihren Lauf. Ein letztes Mal muss sich unser namenloser Erzähler all seinen Problemen stellen. Und dabei steht einfach alles auf dem Spiel.

Der Anfang der Geschichte war teilweise sehr seltsam zu lesen. Als hätte Murakami all seine Aggressionen gebündelt und diese dann in Worte gefasst. Der eigentlich so charismatische Ich-Erzähler kommt sehr depressiv rüber. Er beschwert sich über nahezu alles um ihn herum. Darunter muss die moderne Popmusik am meisten leiden. Ich war von seinem Verhalten nicht wirklich begeistert. Das passte nicht zu Murakamis Stil. Daraufhin habe ich das Buch auch für eine ganze Weile nicht angerührt. Ich wollte mir den grandiosen Vorgänger dadurch auf keinen Fall ruinieren. Dabei war Tanz mit dem Schafsmann an sich ein Roman den ich erst ganz zum Schluss lesen wollte. Immerhin steht hier noch der ein oder andere Murakami ungelesen in meiner Vitrine. Aber irgendwas sagte mir, ich solle genau diesen Roman lesen. Und am Ende muss ich dieser Fremden Stimme doch danken. In einer Zeit, wo es mir verdammt schlecht ging, holte ich Tanz mit dem Schafsmann wieder aus der Vitrine. Ich las da weiter wo ich aufgehört habe und konnte das Buch danach eigentlich nicht mehr aus den Händen legen. Sobald das Hotel Delfin (welches nun Dolphin Hotel heißt) wieder ins Spiel kommt, fühlt man sich gleich sehr familiär. Man weiß das man auf eine neue Reise mitgenommen wird. Und diese würde dieses mal bis nach Hawai führen. Auch weiterhin las sich die Geschichte komplett anders als Wilde Schafsjagd. Doch es wurde vertrauter. Die verrückten Charaktere und Situationen kehrten zurück.

Tanz mit dem Schafsmann ist ein Mix aus phantastischen Elementen und Alltagsstory. Man weiß sofort das im neuen Hotel Dolphin eigenartige Dinge vor sich gehen. Der besagte Knotenpunkt, von dem der Ich-Erzähler immer spricht ist somit das Hotel Dolphin. Es ist praktisch wie mit Gates am Flughafen welche die ganze Welt miteinander verbinden. Er lernt die hübsche Empfangsdame Yumiyoshi kennen. Und er lernt die dreizehnjährige Yuki kennen. Ein eigenwilliges Mädchen. Beide Frauen sind selbstverständlich typische Murakami Frauen. Ich weiß immer noch nicht was ich von ihnen halten soll. Die große ist spleenig und voller Neurosen, teilweise auch sehr strange vom Verhalten. Die kleine ist arrogant und frühreif. Nicht unbedingt die Frauentypen welche mich ansprechen. Kiki dagegen war mir von Anfang an sympathisch.

Vom Hotel Dolphin aus nimmt die Geschichte dann ihren Lauf. Der Erzähler findet Kiki in einem klischeehaften Liebesfilm wieder. Ganz zufällig siehter sie als Nebendarstellerin in einer Szene. Und das zusammen mit seinem ehemaligen Schulfreund Gotanda. Dieser ist nun ein erfolgreicher Schauspieler und spielt in diversen, fragwürdigen Liebesfilmen mit. Unser Erzähler kann seinen Augen nicht trauen. Gotanda hat eine Bettszene mit Kiki in diesem Film. Und ihr Text bezieht sich lediglich auf eine Zeile. Nun hat er endlich einen Anhaltspunkt gefunden. Und an dieser Stelle beginnt nun ein ziemlich komplexes Spiel. Es treten die verschiedensten Charaktere auf. Das Drama wird allmählich zu einem Krimi. Es geschieht ein Mord. Unser Erzähler wird in diesen Fall verwickelt. Es fällt das Wort "Kafkaesk". Das Verhör bei der Polizei ist definitiv eine Hommage an Kafkas Prozess. Wie schon im Vorgänger spielt Murakami mit verschiedensten Genres. Verliert aber dieses Mal leider öfter den Faden. Besonders die teilweise langen Unterhaltungen mit Gotanda kommen einem ziemlich zäh vor. Zumindest ging es mir so. Aber immer wieder fängt Murakami sich. Er schafft es immer wieder zu den spannenden und wichtigen Ereignissen zurückzukehren.

Da die Welt in Knotenpunkten unterteilt ist (In dieser Geschichte währen das Sapporo, Tokio und Honolulu), findet sich der nächste in Honolulu Downtown. Das Totenkabinett ist hier vielleicht sogar der wichtigste Kontenpunkt. Hier muss man eindeutig zwischen Wirklichkeit und Illusion unterscheiden können. Was eigentlich unmöglich ist. Der Erzähler folgt einer Person die Kiki sehr ähnlich sieht (ungefähr eine ähnliche Situation wie in Gefährliche Gliebte. Er ist sich sogar sehr sicher das sie es ist. Er folgt ihr bis zu einem Gebäudekomplex in dem sich viele Büros befinden. Er dringt so weit ein bis er nur noch verwahrloste Räume sieht. Anscheinend unbewohnt. Er dringt weiter in den Kaninchenbau ein (auch Anspielungen auf Alice im Wunderland gibt es viele). Er folgt Schritten. Diese führen in vermutlich in eine Parallelwelt. In dem unheimliche, finsteren Raum angekommen, entdeckt er sechs Skelette. Erst später bemerkt er das diese Skelette für die Verluste in seinem Leben stehen. Am Ende bleibt sogar ein Skelett übrig. Murakami behält sich das Recht vor dieses Rätsel nicht zu lösen. Es wird jedoch klar das es Zentrale Personen gibt die eine wichtige Rolle in dem Leben des Erzählers spielen. Man könnte sie ungefähr mit Dantes Führern (Wegweisern) aus der Göttlichen Komödie bezeichnen. Jeder hat spezielle Fähigkeiten. Sie alle dienen dazu dem Protagonisten den richtigen Weg zu weisen.

Wie immer verschwimmen in dieser Geschichten die Realitäten miteinander. Und am Ende gibt es dann den großen Twist. Vielleicht kann man Murakami vorwerfen das er uns am Ende eine ähnliche Erklärung serviert wie bereits im Vorgänger. Aber war das nicht viel mehr von Anfang an so geplant? Erfährt man nicht spätestens nach der Hälfte des Buches das es darauf am Ende hinauslaufen wird? Ich denke schon. Denn mit dem Ende war ich doch schon ziemlich zufrieden. Ich konnte mich letztendlich wieder mit dem Erzähler und seiner Situation identifizieren. Alle Personen für die er etwas empfand, verschwanden. In meinem Leben war und ist das selbst nicht anders.

Das Ende an sich wirkt dann tatsächlich auch noch versöhnlich. Auch wenn es von einem Happy End natürlich weit entfernt ist. Aber darauf kann man zumindest schon bauen. Es ist ein Anfang. Irgendwann müssen die ganzen Enttäuschungen ja mal enden. Und egal welche Meinung man nun über die Geschichte hat, man wird zustimmen das der Erzähler endlich zu seinem verdienten Glück kommt. Egal ob es am Ende nun in der Realität oder in einer Traumwelt geschah. Lediglich das Schicksal des Schafsmannes wird ungeklärt bleiben. Dies trifft eigentlich auch auf seine gesamte Existens zu.


Resümee

Sehr traurig stimmte es mich dann als ich die letzte Seite gelesen hatte. Das bin ich eigentlich immer wenn etwas herausragendes ein Ende findet. Aber es waren viel mehr die ungeklärten Schicksale der Charaktere welche mich traurig stimmten. Wurde Kiki ermordet? War Gotanda ihr Peiniger? Was wurde aus dem Schafsmann? Doch es gab auch kleine Happy Ends. Yuki schien endlich ihren Platz im Leben gefunden zu haben. Der Erzähler fand am Ende doch noch seine Seelenverwandte mit der er (wahrscheinlich) glücklich wurde. Die Reise endet hier. Murakami hat die Ereignisse nie wieder aufgegriffen. Auch für ihn war es vermutlich ein versöhnlicher Abschied.

Was den Roman im allgemeinen betrifft, so kann er nicht ganz mit Wilde Schafsjagd mithalten. Dafür war der Vorgänger zu einzigartig. Aber Murakami hat ja auch nie behauptet, dass es sich um eine Fortsetzung handeln würde. In Kauf nehmen muss man einige Längen, ein paar kuriose Wendungen und eine vielleicht nicht ganz so befriedigende Auflösung der Geschehnisse. Das Haruki Murakami mir aber wieder einmal etwas über das Leben beigebracht hat verzeiht alles. Was ich mir für das Ende noch gewünscht hätte wäre ein Gruppenfoto. Mit allen beteiligten. Wo sie alle fröhlich und vereint an diesem kleinen Hafen stehen. Dort, wo alles begann. Aber was schreibe ich da? Dieses Gruppenfoto existiert doch schon lange. Man muss nur seine eigene Fantasie dazu benutzen. Dann Lebewohl, Schafsmann. Mögest du mich bitte nie heimsuchen.

Donnerstag, 7. April 2011

Erzählung: Poetry and the City


Poetry and the City (damals noch Poetry in the City) habe ich gegen Ende 2009 geschrieben. Damals wo ich noch motiviert genug war neue Geschichten zu schreiben. Eigentlich wollte ich eine kleine Anthologie veröffentlichen die "Der Vielfraß" heißen sollte. Inklusive des Erstlings "Vielfraß Gesellschaft"
sollten es Fünf Erzählungen werden. Da die Plattform, wo ich immer voller Motivation meine Geschichten veröffentlicht habe, immer mehr zu Staub verfallen ist, habe ich das Projekt vorzeitig beendet. Fragmente davon gibt es nun in der aktuellen Geschichte. Poetry and the City. Diese poste ich nun aus reiner Nostalgie. Ich habe sie etwas verändert, aber Fehler werden wohl immer noch enthalten sein.

Ich habe es sogar geschafft wieder etwas neues zu schreiben. Auch nicht schlecht. Seht es als kleinen Vorgeschmack zu der kommenden Sammlung die ich Gravitation nenne.


Der Vielfraß
Die neuen Chroniken


Prolog:

Wir sind die Dichter des Volkes. Wir sind die Poeten der Gesellschaft. Wir lassen ein "Fick Dich" klingen wie eine freundliche Begrüßung. Unsere Namen sind es die ihr niemals in einem Feuilleton zu lesen bekommt.

Wir geben uns Pseudonyme weil wir mutig genug sind über das Chaos zu sprechen. Aber nicht damit klarkommen würden wenn unsere Familien, Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen oder Vorgesetzte von unserem Denken mitbekommen. Wir verlassen jeden Morgen unsere Liebsten um einen weiteren Tag für diese profane Gesellschaft zu arbeiten. Und wenn wir Abends heimkommen, fragen wir uns, während wir unsere Kinder zu Bett bringen oder mit unseren Frauen schlafen, wer in dieser Gesellschaft eigentlich die Fäden zieht. Wer ist jener Puppenspieler der uns vorschreibt wie wir uns zu verhalten haben?

Wir sind jene Dichter und Poeten dessen Namen im Feuilleton stehen sollten. Über die diskutiert werden sollte. Aber wir viel zu eitel sind uns jemals zu erheben.

Ich werde jedoch diese Leute finden. Ich werde mir ihre Geschichten anhören. Ich werde sie in einem Buch verewigen. Ein Buch was genau diese Gesellschaft spalten wird. Doch wohin wird mich meine Reise überhaupt führen? Habe ich ein Gespür eben jene unglaubliche Leute zu finden, die mir "Ihre" Geschichte erzählen werden?

Nun, finde ich diese Leute nicht, so bleiben diese Seiten blank.


Intermission 01
16 November 2009


Obwohl ich für Heute eigentlich Schluss machen, und den Abend in einer Bar ausklingen lassen wollte, traf ich einen unglaublich interessanten Kerl. In dieser kleinen versifften Bar kam ich ins Gespräch mit dem Barkeeper. Der redete und redete, ohne das es ihn interessierte ob ich überhaupt zuhörte. Wahrscheinlich erzählt er jedem Gast, der an der Bar sitzt, diese Geschichten. Ich bezweifle, dass dieser Laden überhaupt mehr als Fünf Gäste pro Tag bedient.

Dieser Barkeeper bemerkte überhaupt nicht, dass ich, während ich dieses nach Pisse riechende Bier trank, ihm genau zuhörte wie er mir seine Lebensgeschichte erzählte. Manchmal verschluckte ich mich beim trinken wenn er erneut ein widerliches Detail erzählte. Manchmal verschluckte ich mich wenn er etwas wirklich lustiges erzählte.

Als er sich letztendlich zu mir umdrehte, bemerkte er schließlich das ich gespannt zugehört habe. Und so lernte ich Stephen Nicholson kennen. Die Begründung für dieses Pseudonym ist diese: Stephen liebt die Geschichte "The Shining". Er hasst aber sowohl Stephen King als auch Jack Nicholson. Jedoch ist er trotzdem von der Verfilmung begeistert. Diese Mischung aus Yin und Yang gefällt ihm.

Stephen, dieser verkommene Barkeeper im mittlerem Alter erzählte mir, dass er mal beinahe ein berühmter Schriftsteller geworden wäre. Natürlich fragte ich mich, wie man es "beinahe" schafft ein berühmter Schriftsteller zu werden. Und Stephen meinte, dass er noch eine ganz besondere Geschichte für mich auf Lager hätte. Er widmete diese Geschichte seiner Frau. Dabei schenkte er mir, obwohl ich abgelehnt hatte, noch einen Krug von diesem abscheulichen Bier ein.

Cheers.


Kapitel 1: Poetry and the City
(Die Geschichte Von Stephen Nicholson)

Hallo Schatz. Hier schreibt dir mal wieder dein geliebtes Stück Scheiße. Hast du von meinen letzten Zwei Selbstmordversuchen gehört? Wahrscheinlich nicht. Ist ja auch egal. Dies ist der letzte Brief den ich dir schreiben werde.
Sei dir dies jedoch gesagt: Ich hasse dich. Welche Droge hat mich dazu nur gerissen bei der Entscheidung, einen Vertrag bei einem renommierten Verlag sausen zu lassen und dich dafür zu heiraten? Und weißt du was das schlimme ist? Dieses Angebot habe ich auch während unserer Ehe ein zweites mal sausen lassen.
Sei dir auch dies gesagt: Ich habe dich nicht aufgrund deiner Schönheit geheiratet. Der nicht vorhandenen.
Nein, ich hatte ehrlich gesagt immer angst vor dir.
Um es etwas poetisch auszudrücken: Die Ehe mit dir fühlte sich an als wäre man in einen Kerker geschmissen worden und dort eingesperrt. Man wird nach jahrelanger Einsamkeit und Folter freigelassen und anschließend sagt dir ein hässlicher Zwerg das Weihnachten eine Erfindung von Coca Cola sei. So fühlte sich die Ehe mit dir an.

Wahrscheinlich hattest du recht damit das ich kein guter Geschichtenerzähler sei. Daher habe ich in den letzten Zwei Jahren, nachdem ich euch verlassen habe auch keine einzige Geschichte mehr geschrieben. Und ich dachte das mir diese widerwärtige Stadt Ideen liefern würde. Diese Stadt ist jedoch wie ein riesiger Mastbetrieb für Schweine. Ich suche nur noch irgendwo, am Ende der Stadt (falls es ein solches überhaupt gibt), einen riesigen Fleischwolf. Du würdest perfekt zu dieser Stadt passen.

Nun, ich schreibe dir ja nicht weil ich Spaß daran habe, sondern weil ich noch eine echt lustige Geschichte auf Lager habe, die mir kürzlich bei meinem Nebenjob als Versicherungsvertreter (wie ich zu dieser Tätigkeit gekommen bin ist an sich schon eine Geschichte die es wert ist erzählt zu werden), widerfahren ist.

Es war also kurz vor 13 Uhr an einem heißen Dienstagnachmittag. Meine Mittagspause. Die mache ich immer pünktlich. Pünktlich zur Mittagspause bedeutet jedoch das ich es nicht geschafft habe auch nur einen einzigen dieser ledigen Yuppie Ärsche eine Versicherung angedreht zu haben.

Da stand ich nun, in meinem von Schweiß durchnässten Hemd. Die Krawatte war so eng geschnürt das ich dachte meine Eier würden explodieren. Ich lockerte sie anschließend. In der Innenstadt herrschte Hochbetrieb. Diese ganzen abscheulichen Menschen holten sich etwas zu essen oder tranken etwas zur Erfrischung. Das ich diese ganzen Menschen bildlich als Schweine sehe (nicht die Beleidigung, sondern tatsächlich das Tier), liegt nicht einmal daran das ich sie nicht leiden kann. Nein, es ist diese verdammte Stadt. Die wirkt sehr bedrückend auf mich mit den ganzen Hochhäusern. Doch wir Bauernidioten sehen doch sogar unsere eigenen Kinder als Tiere, nicht wahr?

Da stand an der Haltestelle also ein fetter Eber. Ich meine, da stand an der Haltestelle also so ein fetter Kerl.
Meine Güte, dieser Fettsack war ein echter Sadist. Ich beobachtete ihn schon die ganze Zeit wie er einen Burger nach dem anderen fraß. Von weitem hätte man denken können das du da stehst.
Ich beobachtete diesen Kerl. Er stellte sich absichtlich neben ein junges Mädchen. Das Mädchen war ungefähr 16. Sehr zärtlich gebaut und ein zuckersüßes Gesicht. Keine von diesen Oberschulschlampen. Diesem Kerl tropften die Schweißperlen von der Stirn. Sie tropften auf seine riesige Brille. Sah aus als hätte er Flaschenböden als Gläser. Das Mädchen schaute angeekelt zu ihm rüber. Tat mir richtig Leid die kleine. Ich überlegte, ob sie wohl zu unserem Sohn passen würde.

Ich beobachtete immer noch alles aus der Ferne. Ohne das ich es jedoch richtig bemerkte näherte ich mich dem ganzen Geschehen. Die anderen Passanten nahmen all das anscheinend nicht wahr. Irgend ein Oberschüler schien in seiner Karre Bloc Party zu hören. Es dröhnte regelrecht aus den Boxen. Ich konnte mich dabei nicht konzentrieren. Ich beschloss an der Haltestelle zu verweilen und dort meinen Sandwich zu essen.

Und schon stand ich am Ort des Geschehens. Ich konnte einfach nicht anders als mir dieses Spektakel anzusehen.

Der Fettsack überlegte etwas und nahm dann all seinen Mut zusammen und sprach das Mädchen an.

Fettsack: Hallo, ich wollte nur mal fragen.....
Mädchen: Nicht sprechen deine Sprache.


Nicht sprechen deine Sprache, säuselte das Mädchen mit einem französischem Akzent. Doch die Unterhaltung ging weiter. Während der Fettsack nach seinen Hosenträgern griff, so als ob ihn eine weitere Antwort des Mädchens umhauen würde und diese Haltung seinen Sturz bremsen würde, nahm er erneut seinen Mut zusammen und sprach das Mädchen an.

Fettsack: Mich würde interessieren.....
Mädchen: va te faire foutre, connard.
Fettsack: Tut mir leid ich verstehe nicht.....
Mädchen (lächelnd): foutre le camp.
Fettsack (In Bedrängnis): Nun damit kann ich nichts.....
Mädchen: Clochard
Fettsack: Aber.....


Ich verstand die Ausdrücke des Mädchens. Zumindest Verbal konnte er absolut nichts dagegen ausrichten. Also fing dieser Kerl nun etwas schwerer an zu atmen. Dabei taumelte er etwas. Er nahm seine Schweinepfote, ich meine, er nahm seinen Arm und stützte sich auf der rechten Schulter des zierlichen Mädchens ab. Er schunkelte weiter und begrabschte die Kleine dabei. Auch ihre Brüste blieben nicht unberührt. Noch immer wurde keiner der Anwesenden aufmerksam auf dieses Geschehen.

Was auch immer dieser Kerl da vorspielen wollte, es war peinlich. Das Mädchen schubste den Fettsack mit voller Kraft von sich und schimpfte ihm ein sympathisches Fils de pute hinterher. Als der Kerl schließlich auf dem Boden knallte bekamen diese Leute um mich herum dann auch endlich mal was mit. Da lag es nun auf dem Boden, dieses Riesenbaby, vor all den Schaulustigen. Seine Show zog er dabei weiter ab. Ich hörte die Leute reden ob er vielleicht einen Hitzschlag erlitten hätte, weil es ja Heute so verdammt heiß sei. Daran das dieser dämliche Idiot den Leuten nur etwas vorspielte, und davor ein minderjähriges Mädchen belästigte, darauf kam jedoch niemand.

Mittlerweile versammelten sich an der eh schon überfüllten Haltestelle noch viel mehr Menschen. Aber selbst wenn er wirklich einen Hitzschlag erlitten hätte, bisher rief noch niemand einen Krankenwagen. Auch das Mädchen stand noch dort. Alle schauten sich das Spektakel bloß an. Ich hörte von einer Ecke bemitleidende Worte von einigen Personen, wie er sich da so auf dem Boden räkelte. Andere gaben ein paar höhnische Bemerkungen ab.

Doch plötzlich richtete sich dieser unästhetische Kerl auf. Seine Show würde nun bizarre Wendungen nehmen. Immerhin will man ja eine gute Einschaltquote erreichen.

Die dort anwesenden Angestellten, samt einem erfolglosen Schriftsteller (und einen noch erfolgloseren Versicherungsvertreter) waren sein Publikum. Wir warteten gespannt was wohl als nächstes kommen würde. Also ergriff er nach einem misslungenen Flirt-Versuch und gespielten Hitzeschlag nun die letzte, einzig vernünftige Methode. Sich entkleiden.

Ein mit Schweiß durchtränktes Kleidungsstück nach dem anderen flog durch die Gegend. Er verspürte dabei weder Scham noch war es ihm peinlich das nun alle anwesenden Frauen anfingen zu kreischen und alle Männer ihn dafür am liebsten ins Jenseits geprügelt hätten.

Da stand das Wesen nun. Nur noch mit einer Windel bekleidet vor einem aufgebrachten Pöbel. Ganz in der Ecke vor der Imbissbude das süße französische Mädchen, die nun völlig schockiert beobachtete was nun weiter geschah.

Nun sahen wir etwas wahrlich unglaubliches. Die Meute war sprachlos. Zumindest diese eine Haltestelle beteiligte sich für jenen Moment, als dieses Riesenbaby entblößt vor uns stand, nicht am Lärm dieser Stadt. Was wollte er damit nur bezwecken? Diese Geschichte war nun völlig außer Kontrolle. Da fragte ich mich, ob dies wirklich gerade die Realität ist. Im Fernsehen sieht man häufig skurrile Dinge, doch wann bekommt man so etwas mal wirklich mit eigenen Augen zu sehen?

Der fette Kerl der tatsächlich eine Windel für Erwachsene trug fing nun an sich auf einer Stelle zu bewegen. Erstaunen und kichern waren zu hören. Wieso rief denn niemand einen Krankenwagen?Dieser Kerl musste abgeführt werden. Abgeführt in die Psychiatrie.

Allmählich begann die Meute wieder etwas lauter zu werden. Aus den Bewegungen auf einer Stelle war inzwischen zu erkennen das dieser Kerl einen Tanz andeuten wollte. Nun standen bereits um die 50 Leute an der Haltestelle.

Du findest das alles übertrieben oder? So unglaublich das du vielleicht längst aufgehört hast diesen Brief zu lesen. Du denkst das ich mir alles nur ausgedacht habe. Mir eine neue Geschichte für einen Roman ausdenke. Aber du irrst dich Liebling. Auf dem Sofa wirst du jedoch nie eine solch abstrakte Situation kennenlernen.

Bisher ist das nur eine ganz normale, abstrakte Geschichte. Nun will ich aber über das große Finale schreiben. Dieses Finale, oder besser gesagt der letzte Akt dieses Theaterstücks, ist auch gleich der Beste. Er nahm mir nicht nur jeglichen Glauben an diese Gesellschaft, nein, er hat mich so aus der Realität gerissen das ich keinen Zweifel mehr daran habe das wir alle absolut verblödet sind.

Plötzlich hörte ich wieder Bloc Party aus der Ferne. Der Sound näherte sich dieses mal allerdings. Da war wieder dieser Oberschüler in seinem aus Ersatzteilen zusammengebauten Ford Cabrio. Wahrscheinlich besuchte er die $&€$ Oberschule hier ganz in der Nähe. Auch er konnte nicht glauben was sich an dieser Haltestelle gerade abspielte. Der Fettsack tanzte jedoch weiter und weiter. Die laute Musik im Autoradio erlosch wie die Flamme einer abgebrannten Kerze. Doch der Oberschüler wechselte nur die CD. Das eine Bloc Party Album wurde durch ein anderes ersetzt.

Es ertönte ein Beat. Ein verdammter House-Beat war zu hören! Es war laut, die Boxen waren aufgedreht. Selbst der Fettsack hörte auf zu tanzen. Doch nur für einen Moment. Denn dieser stimmte sich nun auf den Song ein der aus dem Cabrio ertönte. Er stimmte sich absolut zu diesen elektronischen Klängen ein. Ja, beinahe sah es elegant aus wie dieses Ekel versuchte zu tanzen.

Nun wippte der Büroangestellte neben mir schon ein wenig mit seinem Fuß mit. Auch er begann zu diesem Beat zu tanzen. Ich schaute durch die Reihe, diese mehr als 50 Personen die sich hier versammelt hatten. Sie alle begannen zu diesem Song zu tanzen. Dann ertönten nun auch die Vocals zu One More Chance aus dem Auto:

give me one more chance
give me one more chance
give me one more chance to love you


Beinahe hätte es mich bei den melodischen Klängen mitgerissen. Doch was passierte hier? Was war das für ein albernes Theater? Sie alle tanzten. Und um sie herum ein fettes Riesenbaby in einer Windel das den Takt angab. Waren denn alle wahnsinnig geworden?

Ja, das französische Mädchen an der Imbissbude bliebe da ja noch. Doch wo war sie nur hin? Sie war weg. Ich habe es gar nicht mitbekommen, doch sie stand nun neben dem Fettsack. Auch sie tanzte mit. Zusammen mit dem fetten Kerl. Welch ein abscheulicher Anblick das war. Sie schmiss sich an ihn ran, rieb sich in tänzerischer Bewegung an seinen nackten, verschwitzten Körper. Dieser Griff ihr dann mit seinen Schweinepfoten an die Hüfte. Und anscheinend war der Konflikt von davor völlig vergessen. Die Ansammlung von Idioten jubelten den beiden zu. Beinahe konnte man dies hier als eine echte Bloc Party bezeichnen. Nur ich stand völlig verblüfft da. Und ich beobachtete das Schauspiel weiter. Der Platz war völlig überfüllt. Wo blieb eigentlich der verdammte Bus?

Auch wenn ein kleiner Teil von mir sich danach sehnte, sich ebenfalls in diese tanzende Meute zu stürzen, so hatte mich doch mein klarer Verstand davor bewahrt es nicht zu tun. Dieser abgefuckte klare Verstand. Das ich den nicht einfach ausschalten kann. Wenn ich es so überlege hätte ich an dieser abstrakten Party gerne teilgenommen. Doch der verdammte klare Verstand. Wie viele Biere bräuchte ich nun diese Geschichte zu vergessen?
Ich wusste von da an das es ein Fehler war in die Stadt zu ziehen.

Aber ganz plötzlich, als der Song endete, war alles vorbei. Der Fette stand nicht mehr im Rampenlicht. Und auch die kleine Französin löste sich von ihm. Die Leute gingen an ihre gewohnten Plätze zurück. Der Oberschüler fuhr weiter. Als sei überhaupt nichts passiert. Hat denn niemand Bilder oder Videos von diesem Ereignis gemacht? Was habe ich da nur mit angesehen? Vielleicht bekam mir die Hitze ja auch nicht.

Der fette Kerl rannte so schnell wie er konnte davon. Der Bus war aus der Ferne bereits zu sehen. Die Leute die gerade noch ausgelassen zu Bloc Party tanzten würden sich nun nicht einmal mehr anschauen wenn die Welt im Begriff wäre unterzugehen. Ich entschloss mich dazu, nicht in den Bus einzusteigen. Nicht in den Bus einzusteigen und zu kündigen. Mich dafür zu entscheiden, jetzt wo ich die Wahrheit über diese Stadt kenne, ein Leben der Bedeutungslosigkeit vorzuziehen. Ich verzichte darauf Schriftsteller zu werden. Nein, sogar von den Selbstmordgedanken bin ich nun befreit.

Ja, und sogar von dir Liebling. Das alles interessiert mich nun nicht mehr. Und auch wenn ich geschrieben habe das du gut zu dieser Stadt passen würdest, so rate ich dir doch, bleib einfach weiter auf deinem Sofa liegen. Ich hoffe wirklich das dich meine kleine und letzte Geschichte die ich dir zu erzählen hatte ein wenig unterhalten hat. Und nun verabschiede ich mich von dir.

In Liebe, Dein $&ß&$


Das Fazit von K. an Stephen Nicholsons Geschichte

Stephen erzählte mir das diese Geschichte nun fünf Monate her sei. Ich habe mich stets gefragt ob sie wohl stimmt. Denn wie er bereits sagte, es existieren keinerlei Bilder oder Videos, geschweige Zeitungsberichte von diesem Ereignis. Stephen erzählte mir ebenfalls das seine Frau, nachdem sie diesen Brief gelesen hatte, sich erhängen wollte. Durch ihr Gewicht sei der Strick jedoch gerissen. Sie entschloss sich danach dazu Schriftstellerin zu werden und hat bereits einen Roman veröffentlicht. Das Buch habe ich in einer Buchhandlung gesehen und trägt den Titel Poetry and the City.

In diesem Buch geht es exakt um die Geschichte die mir Stephen in der Bar erzählte. Nur eben auf 500 Seiten aufgeplustert und mit einer Frau als Ich-Erzählerin. Der Teil den mir Stephen so genüsslich erzählte umfasst nur Zwei Kapitel in diesem Buch. Vielleicht war alles gelogen was er mir erzählte. Und die Autorin ist weder seine Frau, noch ist diese Geschichte jemals wirklich passiert. Das Buch erschien tatsächlich erst im letzten Monat. Jedoch ist dies kein Beweis für Stephens Glaubwürdigkeit, er hätte es längst lesen können und seine Frau dafür verklagen können das sie seine Geschichte geklaut hat. Irgendwie albern wenn ich es mir recht überlege. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr muss ich schmunzeln das mich hier vielleicht ein verkommender Barkeeper reingelegt hat. Unterhaltsam war diese seltsame Geschichte alle male. Und die Seiten bleiben somit auch nicht blank. Ein guter Start.

Ende der ersten Geschichte

Mittwoch, 6. April 2011

Blogs die man lesen muss


Ich fand bisher noch keine Möglichkeit die Blogs zu nennen auf denen ich gerne stöbere und durch die ich viele neue, interessante Titel unabhängiger Literatur kennenlerne. So viele Blogs sind es gar nicht die ich verfolge. Das gute aber ist das diese ausgewählten Blogs eigentlich alles haben was ich (und eigentlich auch für alle anderen Leser gilt) brauche um auf dem neusten Stand zu sein.
Es sind charismatische Blogs. Man hält sich gerne dort auf. Als ob man in seine Stammbar geht und seinen Lieblingsdrink bestellt. Diesen Blogs möchte ich gerne eine angelegte Seite auf Am Meer ist es wärmer widmen.

Das Leben an sich gleicht einem Dominoeffekt. Eine Sache kommt ins rollen und schaltet dabei viele andere Ereignisse frei. So war es auch als ich vor nun fast drei Jahren die Welt von Haruki Murakami für mich entdeckt habe. Nicht nur sind seine Geschichte ein persönlicher Wegweiser für mich, nein, ohne ihn hätte ich auch nicht die Liebe zur teilweise abstrakten Literatur für mich entdeckt, die mich doch so sehr fasziniert. Und ohne Murakami hätte ich letztendlich auch nicht den Blog Reading Murakami entdeckt und damit verbunden auch nicht die Damen die diesen Blog gegründet haben. Und ohne die Damen von Reading Murakami wiederum hätte ich wohl nicht nochmal den Entschluss gefasst, noch einmal einen eigenen Blog zu gründen. Und auch wenn Am Meer ist es wärmer niemals einen solchen Einfluss besitzen sollte wie die erwähnten Blogs, so macht es mir dennoch einen riesigen Spaß zu schreiben.
Das Leben ist ein Dominoeffekt. Anders kann ich es nicht erklären.

Nun aber zu den Blogs.



Reading Murakami
Gründungsmitglieder: Ada Mitsou, Klappentexterin, Bibliophilin, Friederike
URL zum Blog: http://murakami.japanliteratur.net/


Ich war auf der Suche nach neuen Informationen zu Haruki Murakami's neuestem Roman 1Q84. Dann bin ich über Google zu Klappentexterin's Blog gekommen und habe gelesen das es auf einem gesonderten Blog der von Haruki Murakami handeln wird, ein Leseprojekt stattfinden wird. Das Leseprojekt umfasste die ersten zwei Bände von 1Q84. Das Projekt fand statt zwischen Oktober und November 2010. Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe natürlich dass das Leseprojekt mit dem dritten Band (welcher noch nicht in Deutschland erschienen ist) weitergehen wird. Aber auch so ist der Blog für jeden Murakami Fan ein kleines Juwel. Da es so wenig deutschsprachige Seiten zu Haruki Murakami gibt, ist dieser Blog eine wahre Offenbarung. Dort findet ihr nicht nur aktuelle Infos zu Murakami's neusten Projekten, sondern auch Diskussionen und Interpretationen zu seinen Werken. Auch ein exklusives Interview mit Murakami's deutschen Übersetzerin Ursula Gräfe steht auf Reading Murakami zur Verfügung.



Ada Mitsou liest.....
Gründerin: Ada Mitsou
URL zum Blog: http://adamitsou.wordpress.com/

Ada's Blog wurde erst kürzlich zur Wahl des Superblogs 2011 nominiert. Aktuelle News zu Neuveröffentlichungen und Buchrezensionen aller Art sind auf ihrem Blog zu finden. Das stöbern macht viel Spaß, man entdeckt immer wieder etwas neues.



Klappentexterin: Das gute Buch im Internet
Gründerin: Klappentexterin
URL zum Blog: http://klappentexterin.wordpress.com/


Jeder Beitrag ein kleines Kunstwerk. Die Klappentexterin geht mit viel Sorgfalt und Liebe an ihren Blog heran. Sie lässt uns an ihrer Welt teilhaben. Und das liest man in jedem ihrer Beiträge. Ob Kommentare zu Büchern oder die Besprechung zu Neuerscheinungen, all das liest sich als hätte ich gerade einen neuen Roman begonnen. Ein Besuch auf Klappentexterin's Blog ist alleine aus diesem Grund Pflicht.



Bibliophilin: Vorsicht! Suchtgefahr!
Gründerin: Bibliophilin
URL zum Blog: http://www.bibliophilin.de/?p=5575

Auch der Blog von Bibliophilin erhielt eine Nominierung zum Superblog 2011.
Wie auch schon auf den anderen Blogs die ich präsentiert habe gibt es auch auf Bibliophilin's Blog interessante Rezensionen zu bewundern. Und wenn ihr alle Rezensionen gelesen habt, besucht doch mal den Wochenrückblick.



Japanische Literatur
Gründerin: Friederike
URL zum Blog: http://japanliteratur.net/

Ich bin ein großer Bewunderer von Friederike's Blog. Liebhaber japanischer Literatur werden mit aktuellen Rezensionen und Terminen zu Neuerscheinungen bereichert. Alles nur einen Klick entfernt. Friederike (die zum Glück unbeschadet von ihrer Japanreise zurückgekehrt ist) geht mit unglaublichem Engagement an ihr Projekt ran. Für Fans japanischer Literatur ist ihr Blog unverzichtbar. Für alle Neulinge die hungrig geworden sind was die japanische Literatur anbelangt gilt selbstverständlich das gleiche.



Blau Raum
Gründerin: Friederike
URL zum Blog: http://blauraum.net/


Neben Japanische Literatur betreibt Friederike auch noch einen weiteren Literaturblog. Dieser heißt Blau Raum. Neben aktueller Gegnwartsliteratur bespricht sie auch noch Deutsche Klassiker und Chinesische Werke. Auch Manga sind der Germanistik Studentin nicht fremd.



Lese-Leuchtturm
Gründer: Tanja, Olli
URL zum Blog: http://lese-leuchtturm.blogspot.com/


Es war Tanja die auf meinen Blog gelandet ist. Ihr Lob schmeichelte mir sehr. Denn sie selbst führt einen absolut grandiosen Blog. Alleine optisch zieht er einen sofort in seinen Bann. Auch der Lese-Leuchtturm erhielt eine Nominierung zur Wahl des Superblogs 2011. Neben aktuellen Rezensionen sollte jeder Besucher auch einmal einen Blick in die Reading Challenges Kategorie werfen.



Der UNaufFÄLLIG FALLENDE
Gründer: Dirk Bernemann
URL zum Blog: http://dirkbernemann.blogspot.com/

Er sah die Unschuld kotzen und hört die Stimmen von Vögel. Was kommt dabei raus wenn das Enfant Terrible blogt? Das weiß ich selbst nicht so recht. Aber viel Sarkasmus. So viel ist sicher. Ob man es glaubt oder nicht, Dirk Bernemann ist sich nicht zu schade seinen Blog selbst zu schreiben und hält ihn aktuell. Ein skurriler Blog. Aber immer einen Besuch wert.



Establishmensch
Gründer: Andy Strauß
URL zum Blog: http://www.establishmensch.de/


Auch der Blog des Poetry King ist sehr interessant. Fans des Künstlers werden auf seinem Blog auf ihre Kosten kommen.



Salvo schreibt
Gründer: Julian Stawecki (Salvo)
URL zum Blog: http://salvoschreibt.wordpress.com/


Salvo ist durch Zufall auf meinem Blog gelangt. Er suchte nach einem Cover zu Hiromi Kawakamis Roman "Am Meer ist es wärmer". Und da mein Blog nicht nur so heißt, sondern auch ein Cover der deutschen Ausgabe hier zu finden ist, hat Google wohl meinen Blog als Suchergebnis ausgespuckt.

Savolo schreibt im wahrsten Sinne des Wortes phantastische Kurzgeschichten die er alle auf "Salvo schreibt" veröffentlicht. Stilistisch gesehen sind die Geschichten ein wenig an die japanische Literatur angelehnt. Wer genug Rezensionen zu Romanen gelesen hat, sollte nun den Blog eines jungen Studenten besuchen der eine menge Freude am schreiben von Kurzgeschichten hat. Und das liest man in jeder Zeile.



So. Das war es erst einmal. Falls ich weitere lesenswerte Blogs entdecke, werde ich die Liste natürlich aktualisieren.

Blogger scheint übrigens keine direkten Verlinkungen zuzulassen (was den Link Button eigentlich sinnlos macht). Daher müsst ihr die Linkadressen direkt in euren Browser kopieren. Ich wünsche noch viel Spaß auf den jeweiligen Blogs. Mögen sie euch auch so inspirieren wie sie mich inspirieren.

Dienstag, 5. April 2011

Matias Faldbakken, Unfun: Eine Familiengeschichte aus Norwegen




Skandinavische Misanthropie III

Autor: Matias Faldbakken
Originaltitel: Unfun
Erscheinungsjahr: 2008 (Norwegen), 2009 (Deutschland, Blumenbar), 2010 (Deutschland, in der Heyne Hardcore Serie)
Übersetzung: Max Stadler (Aus dem Norwegischen), Nadine Püschel für die englisch übersetzten Texte der Taschenbuch Ausgabe in der Heyne Hardcore Serie
Genre: Underground, Satire, Komödie, Drama, Gesellschaftskritik


"He, he, ihr zwei da!", ruft Atal. Der Helle zeigt auf sich selbst und setzt die "Wer, ich?" - Fresse auf.
"Ja, du", nickt Atal, "komm mal kurz her."

Sie nähern sich der Limousine. Der Hellblonde beugt sich vor und hebt kurz den Kopf, auf eine Weise, die besagt: "Was geht?"
"Wenn ich dir zweitausend Kröten gebe, darf ich dich dann eine verfickte Hure nennen und dir sagen, dass du dich verpissen sollst?", fragt Atal und hält zwei Tausender hoch. Der Typ sieht die Scheine an, nimmt sie und zuckt mit den Schultern. Er richtet sich wieder auf und wartet.
"Fahr zur Hölle, zisch ab du verschissene verfickte Fotzenhure!", brüllt Atal ihm aus voller Kehle ins Gesicht. Der hellhaarige Typ lächelt und hält den Daumen hoch. Atal hebt die Daumen, einen zu jeder Seite seines milden Lächelns, und blickt der Fotzenhure nach, bis die Fensterscheibe hoch fährt und sein Gesicht verdeckt. -Aus dem Kapitel "Chuckle Club"-


Mit Unfun nimmt Faldbakkens Skandinavische Misanthropie, welche voneinander völlig unabhängig ist, ein Ende. Es ist mit 270 Seiten dabei der kürzeste Vertreter der Serie.

Auf Mathias Faldbakken bin ich zufällig gekommen. Nämlich stand die Taschenbuch Ausgabe bei den Neuheiten in der Buchhandlung. Auf dem Cover prangern Pressestimmen die hier von Skandalen sprechen die Houellebecq als Kinderbuchautor dastehen lassen. Doch das Probelesen hatte sich gelohnt. Ich war von Faldbakkens irrwitzigen und ironischen Schreibstil sofort begeistert. Es ist als hätte er den kompletten Wahnsinn unserer Welt in einem Roman gebündelt. Die Hölle existiert. In Norwegen.

Nach "The Cocka Hola Company" und "Macht und Rebel" beendet Faldbakken mit "Unfun" die Trilogie. Und auch wenn alle Geschichten nichts miteinander gemein haben, so verbindet sie doch alle dieser unbeschreibliche Hass auf die Gesellschaft. Doch Hass ist sogar das falsche Wort. Matias Faldbakken nimmt sich selbst nicht ernst. Er macht sich vielmehr lustig über die moderne norwegische Gesellschaft. Er spielt mit Anglizismen herum und kreiert abstruse Wörter. Der Spaß den er beim schreiben dieser Geschichte hatte ist in jeder Zeile zu lesen. Praktisch alles könnte man zitieren. Die Situationskomik ist herrlich schräg.

Die Geschichte handelt von der Ich-Erzählerin Lucy. Sie erzählt, wie es so wunderschön auf dem Cover erwähnt wird, von den letzten Tagen ihres Familienlebens. Mutter von zwei Kindern die unter ADS leiden, Ex-Frau des Zynikers Slaktus der nur mit Medikamenten seine Psyche unter Kontrolle halten kann. Slaktus bezeichnet sich selber als Gewaltintellektueller. Ein hoch intelligentes Muskelpaket das nur zu gerne seine Kinder verprügelt, seine Frau vergwaltigt und Horror/Slasherfilme schaut (Anspielungen auf moderne Vertreter der Literatur und des Kinos gibt es in der Geschichte genug). Er will nun den ganz großen Wurf landen indem er ein Videospiel entwickeln lässt welches von einem farbigen Killer handelt der in Paris sein Unwesen treibt. Slaktus will das von der beauftragten Firma "Rapefruit" entwickelte DEATHBOX als Onlinevideospiel veröffentlichen. So können sich auch tausende von anderen Spielern miteinander an sein Werk ergötzen. Dabei bemerkt Slaktus gar nicht das sich dieser Wahnsinn, den er sich so sehr wünscht, schon bald in seiner eigenen Familie abspielen könnte.

Unfun ist Faldbakkens Hommage an den Horrorfilm. Genau so ist die Geschichte auch aufgebaut. Daher ist es sehr ratsam sich ganz genau Lucys Worte über das Final Girl durchzulesen. Jeder Charakter den Faldbakken geschaffen hat in seinem Roman ist durch und durch verdorben. Lucy, geplagt von ihrer Vergangenheit mit Slaktus. Slaktus, der eine Therapie macht und Medikamente schluckt damit er seine Gewaltausbrüche unter Kontrolle behält. Atal und Wataman, die beiden Söhne die mit ADS zu kämpfen haben und immer Tränen lachen wenn sich andere Menschen verletzen (und wahrscheinlich auch noch eine homosexuelle Beziehung miteinander führen). Und dann wäre da noch Faldbakkens prominentester Charakter. Dan Castellaneta. Die amerikanische Stimme von Homer Simpson. Faldbakken spinnt sich eine eigene Story über Castellaneta zusammen und macht aus ihm einen verbissenen, im Rollstuhl sitzenden Rassisten der nach dem Aus der Simpsons für wenig Geld seine Stimme verleiht. Faldbakken erzählt diese fiktive Nebengeschichte so brillant das man ihm beinahe jedes Wort abkauft was er über Castellaneta schreibt.

Selbstverständlich ist Faldbakken kein Kinderbuchautor. Unfun sollte überhaupt nicht in die Hände von Kindern fallen. Es ist politisch unkorrekt, rassistisch, frauenfeindlich und gewaltverherrlichend. Doch so abstrus es auch klingen mag, all das auf eine sehr sympathische Weise. Ja, selbst die Charaktere gewinnt man allesamt lieb. Man wird über Situationen lachen die absolut ernst sind. Man wird sich ertappen das man lacht obwohl es eigentlich absolut verwerflich ist. Faldbakken verbindet Satire mit Gesellschaftskritik. Eine schräge Idee folgt der nächsten. Die Mehrheit würde Unfun wohl noch während der Lesung verbrennen. Leute die auf Galgenhumor stehen werden hier ihre wahre Freude haben. Denn wirklich ernst nimmt sich der norwegische Künslter nie. Es ist ein Einblick in seine verrückte Welt.


Resümee

Es gäbe noch so viel zu schreiben, aber ich lasse es besser. All das muss man selber lesen um mitreden zu können. Aber ganz wichtig, um überhaupt zu verstehen worüber ich hier berichtet habe: Unfun liebt man entweder, oder man verabscheut es. Etwas dazwischen gibt es glaube ich nicht. Doch so viel Kreativität und Freude am Schreiben muss belohnt werden. Matias Faldbakken ist ein Geheimtipp. Wer all die genannten Punkte im letzten Teil sowohl humorvoll sehen kann, gleichzeitig aber auch die Gesellschaftskritik versteht, der wird nach der Lesung von Unfun als Sieger auf dem Podium Platz nehmen dürfen.
Fans von Dan Castellaneta (der amerikanische Homer Simpson) sollten von Unfun eher Abstand nehmen ;)