Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 31. Dezember 2021

Meercast Episode 4: Heaven von Mieko Kawakami

 




Was lange währt, wird nicht zwangsläufig gut. Der Start in mein neues Meercast-Format ist ein wenig ruppig verlaufen und der einzige Grund, wieso ich die Episode nun doch veröffentlicht habe ist vermutlich ein Vorsatz, an dem ich mich in meinem Jahr 2021 als Blogger geklammert habe, in diesem Jahr doch noch eine Episode zustande zu bringen. Das Endergebnis ist ein kieseliges Reboot mit Überlänge. Bereits seit einigen Jahren habe ich meine eigene Variante eines Podcasts geplant und es gab mit der Präsentation zur Gesamtausgabe von Erdsee, der Gesamtausgabe des Herrn der Ringe und der Besprechung der Neuauflage des Aufziehvogels von Haruki Murakami schon 3 Ausgaben des Meercasts. Der neue Meercast soll häufiger erscheinen und verschiedenste Themen abdecken, über die ich gerne plaudern möchte.

In Folge 4 wollte ich mir einen Titel vornehmen, der mich ausgesprochen gut gefallen hat und die dazugehörige Rezension der meistgelesene Artikel im Jahr 2021 auf "Am Meer ist es wärmer" war. In Folge 4 des Meercast spreche ich über das neue Format und plaudere anschließend über den Roman von Mieko Kawakami. Da ich hier mit neuem Equipment gearbeitet habe, wirkt alles noch etwas ungeschliffen. So gibt es kleinere Tonsprünge, hörbares Klicken der Maus sowie eine zu laute Hintergrundmusik gegen Ende. Technische Probleme sind somit vorab zu entschuldigen.

Wenn ihr das Video direkt anklickt, findet ihr in der YouTube-Beschreibung zudem Zeitstempel, mit denen ihr euch durch das Video navigieren könnt.

Der Aufziehvogel stottert sich in das neue Jahr 2022! Mit diesen Worten möchte ich allen Lesern und Leserinnen von "Am Meer ist es wärmer" einen entspannten Jahresausklang wünschen. Kommt gut ins neue Jahr und stottert euch bitte nur mit einem guten Schluck rein, um das furchtbare Jahr 2021 ordentlich weg zu spülen!


-Meercast Episode 4 enthält erhebliche Spoiler zum Buch "Heaven"-


Sonntag, 19. Dezember 2021

Special: Durchgeschaut und durchgelesen - Das ABC der Videospiele (Gregor Kartsios)

 



Deutschland 2021

Autor: Gregor Kartsios
Erscheinungsdatum: 21.10.2021 beim Lappan Verlag
Format: Hardcover, E-Book
Genre: Sachbuch



Obwohl es Videospiele seit einigen Jahrzehnten gibt, so ist das Fachgebiet immer noch relativ jung. In kaum einer anderen Industrie für Unterhaltungsmedien gab es in den vergangenen 30 Jahren solch technische Sprünge wie in der Videospielindustrie. Dies ruft wiederum ganz spezielle Historiker auf den Plan: Videospiel Historiker oder Gaming Historians sind mittlerweile fest verankert auf YouTube oder auch in der Literatur. Besonders via Kickstarter haben hier so manche Historiker der virtuellen Medien ihr literarisches Projekt realisiert. In den vergangenen 10 Jahren waren Videospiele kein großes Thema auf "Am Meer ist es wärmer", aber es ist ein Hobby, welches mich noch länger begleitet als Literatur und Filme. Ich bin mehr oder weniger mit einem NES-Controller in der Hand geboren. Gut, eine kleine Übertreibung aber meine Eltern schafften sich circa 1991 ein NES an, ich war also ungefähr 4 Jahre alt, als ich das erste mal Super Mario Bros. und Zelda spielte. Die Liebe zum Medium war eine heiße Flamme, die bis heute nicht verglüht ist, obwohl die Branche alles dafür tut, diese Flamme zu löschen.

Im deutschsprachigen Raum sieht es hier, was Videospielhistorie angeht, ein wenig mauer aus. Aber es gibt hier ein Kleinod, welches ich, nachdem ich etwas ausgeholt habe, gerne hervorheben möchte. Vom Alter her gehöre ich zur Giga-Generation, bin aber in diesen Kosmos erst mit dem Ableger GIGA Games eingestiegen. Die Jungs, die dort täglich 2 Stunden live über Videospiele berichteten, wurden zu guten Freunden, die ich nie persönlich kennengelernt habe. Dann kam der Moment, als der Vermieter NBC Europe aus dem Kabelprogramm geschmissen hat und somit für über 3 Jahre GIGA TV nicht mehr empfangen konnte. Als der Sender dann wieder ins Kabelfernsehen zurückkehrte, konnte diese Freundschaft nicht neu entfacht werden, da bereits ein Teil des Teams den Sender verlassen hatte. 2006 startete auf MTV das Format Game One welches von 2006-2014 lief und es auf stolze etwas über 300 Episoden brachte. Game One wiederum bestand aus Mitgliedern des GIGA Games Kernteam. Eine Sendung, die auch in meinem Freundeskreis wieder recht beliebt war. Und bis zum heutigen Tage habe ich keine einzige Folge Game One gesehen. Als 2015 dann der Online-TV Sender Rocket Beans als eine Art geistiger Nachfolger zu Giga Games und Game One startete und ein langjähriger Freund mich darauf aufmerksam machte, wurde die alte Liebe doch wieder entfacht. Die Jungs von damals waren zurück, deutlich älter, genau wie ich selbst, aber sie waren es, unverkennbar. Da ich Game One nie geschaut habe, kannte ich viele der Formate, Mitarbeiter und Insider nicht. Und ich hatte zu dem Zeitpunkt absolut noch keine Ahnung, wer Gregor Kartsios war, der bereits bei Game One öfter zu sehen war und größtenteils redaktionell hinter der Kamera stand.

Es dauerte aber nicht lange, bis ich den Autor des hier präsentierten Buches über Rocket Beans besser kennenlernen konnte, er war nämlich auf einmal in verdammt vielen Shows zu sehen. Und hier kommt nun das Kleinod ins Spiel, von dem ich gerade schon berichtete. Der Retro Klub. Ich denke anhand des Namens muss ich das Format nicht groß erklären, aber tue es dennoch. Der gute Gregor moderiert hier im Alleingang oder auch mal mit Gästen eine Show über alte Videospiele. Und da ich ein Nostalgiker bin, war diese Show genau das richtige für mich. Der Retro Klub (Link führt zur offiziellen YouTube Playlist) läuft nun auch schon seit 2015 und wird auch seit der großen Rocket Beans Umstellung von November 2021 noch immer produziert. Ein weiterer Ableger des Retro Klubs ist der Future Klub (Link führt erneut zu einer offiziellen Playlist auf YouTube).

Der selbe Gregor Kartsios, der diese beiden Retro-Formate moderiert, hat nun also ein Buch veröffentlicht. Als Zuseher eines beliebten Formats horche ich hier automatisch etwas skeptisch auf. Sich gut vor der Kamera im heimischen Becken zu präsentieren bedeutet nicht automatisch, ein gutes Buch schreiben zu können und umgekehrt. Das Buch wurde auf den Titel "Das ABC der Videospiele" getauft und ist nicht über Kickstarter entstanden, sondern in Zusammenarbeit mit dem Lappan Verlag, der zur Carlsen Verlag GmbH gehört.




 

Die wichtigste Frage, die ich mir hier stelle, ist, ob so ein Buch noch Trivias/Fakten/Anekdoten präsentieren kann, die ich selbst noch nicht kenne. Erstmal muss ich aber anmerken und sehr positiv hervormerken, es ist schön, solch ein Buch endlich auch mal in deutscher Sprache verfasst lesen zu dürfen. Was die deutsche Sprache angeht, so befinden wir uns hier in einer kleinen Nische. Sprachlich fällt, unverkennbar, schnell der Stil von Gregor auf, den man aus seinem Retro Klub kennt. Und genau so funktioniert "Das ABC der Videospiele" nach einer ganz einfachen Formel. Das Buch ist kein Sammelsurium an abgedroschenen Trivias, die man sich über Wikipedia oder Did You Know Gaming zusammengesucht hat, wir haben es stattdessen hier mit dem Retro Klub im Literaturformat zu tun. Hier schreibt ein Autor, der in jedem Kapitel Bock darauf hatte, etwas zu erzählen. Und hier überwindet Gregor die Startschwierigkeiten, die man haben kann, wenn man sich vornimmt, solch ein Buch in Angriff zu nehmen. Dies kann oftmals schnell in selbstverliebten Ergüssen enden. Etwas ähnliches fiel mir hier zum Beispiel in einem ähnlichen Buch ("Itchy, Tasty" zum Thema der Historie von Resident Evil) des Autors Alex Aniel auf, wo es vorab und auch immer mal wieder sehr häufig Selbstbeweihräucherung gab (die das Buch nicht einmal nötig hatte, da ich es höchst interessant fand). In "Das ABC der Videospiele" gibt es so etwas, glücklicherweise, nicht. Das Buch liest sich mehr wie ein passioniertes Projekt anstatt einer Flex-Maschine, die damit prahlt, welch fundiertes Wissen man hier auflistet und wie viel Vitamin B man vielleicht in der Szene hat.

Der Titel des Buches ist natürlich nicht minder selbsterklärend wie das Motto des Retro Klubs. Gestartet wird bei A wie Atari, allerdings endet das rund 200 Seiten befüllte Buch nicht mit C wie Commodore. Das Buch ist stattdessen eine bunte Reise durch die Videospielwelt, die tatsächlich bei Atari beginnt, aber nur ein kleiner Teil einer großen Videospielhistorie ist, die in diesem Buch abgedeckt wird. So befasst sich das Buch nicht nur mit den großen und exotischen Systemen, sondern auch mit zahlreichen Videospielmarken und Genres. Der Schreibstil sollte dabei für alle Zielgruppen leicht verständlich, aber dennoch äußerst informativ sein. Zudem gibt es unzählige Bilder, die im Buch abgedruckt wurden. Allerdings überwiegt hier ganz klar der Text, denn das Buch ist kein Kunstbuch mit ein paar textlichen Erläuterungen sondern ein Sachbuch mit etlichen Abbildungen.


 



Ein großes Lob gibt es auch für die Aufmachung des Buches. Wir haben es hier mit einem robusten Hardcover mit einem hübsch gestalteten Buchdeckel zu tun. Das Papier ist von exzellenter Qualität und die Bildqualität der abgedruckten Bilder, obwohl sie teilweise sehr klein sein können, ist exzellent und gut zu erkennen. Ein Lesebändchen oder Schutzumschlag hätte die Aufmachung noch einmal gekrönt, aber hier muss man natürlich einmal absolut ehrlich sein: Der Verlag bietet den Titel bereits für 14 Euro an (das E-Book liegt übrigens bei 9,99 Euro), was ein unfassbar sympathischer Preis ist für die gebotene Qualität. Somit wird "Das ABC der Videospiele" auch automatisch zu einem schicken Sammelgegenstand, der sich auch gut verschenken lässt. Ich muss zu meiner großen Überraschung aber sagen, dass das Buch deutlich mehr ist als "nur" ein Merchandise-Artikel unter dem Rocket Beans Banner. Viel mehr ist es für mich etwas, wovon in Zukunft gerne noch mehr hätte, da wir es hier, wie bereits geschrieben, mit einer Nische zu tun haben, die noch nicht ausreichend beackert wurde.




Abschließende Gedanken

Der Ausflug von Gregor Kartsios in die Welt der Autoren ist mit "Das ABC der Videospiele" gelungen. Ich hatte hier einige Zweifel über die Qualität des Buches, wurde aber bereits nach dem Vorwort bereits eines besseren belehrt. Ich war vorab wirklich sehr neugierig, aber es gab auch Bedenken, die darauf gefasst waren, dass das Buch vermutlich nicht so gut wie der Retro Klub funktioniert. Der Retro Klub funktioniert sehr wohl als Buch und vielleicht funktioniert so etwas ähnliches ja auch noch für den Future Klub. Schaut man sich die Resonanz zum ABC der Videospiele an, so wäre es ja beinahe schon fahrlässig, da in Zukunft nicht nochmal was nachzulegen. Ich war sehr angetan, mich durch die vielschichtige Themenwelt des Buches zu lesen und kann daher auch ganz entspannt eine Empfehlung für das Buch aussprechen und ist zeitgleich auch auf meiner Liste für Überraschungshits des Buchjahres 2021 gelandet.

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Einwurf: OFM at Amazon - Noch eine Retoure, dann Platzverweis!

 




Guten Tag,


wir haben Sie bereits aufgrund mehrfacher Rücksendungen von Ihrem Konto kontaktiert, bei denen die zurückgesendeten Artikel Beschädigungen bzw. Gebrauchsspuren aufwiesen oder nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand waren. Wir sind uns dessen bewusst, dass es bei Rücksendungen gelegentlich zu Problemen kommt, haben bei Ihrem Konto jedoch ein Häufung derartiger Rücksendungen beobachtet. Wiederholte Verstöße gegen unsere Richtlinien können dazu führen, dass Sie nicht mehr bei Amazon.de kaufen dürfen.


Am 22.12.2004 gab ich mit meinem ersten eigenen Account meine erste Bestellung bei dem Onlineriese Amazon auf. Das sind beinahe 20 lange Jahre. Ich blicke auf "Am Meer ist es wärmer" gerne auf das zurück, was sich in der Zeit seit der Gründung meines Blogs so verändert hat. Glücklicher oder unglücklicherweise, nicht so viel. Unzählige Bestellungen und Rezensionen später erhalten treue Kunden meistens Einladungen, Produkttester bei Amazons Vine-Programm zu werden. Ich hingegen erhalte seit einigen Monaten Mails vom sogenannten "Kontospezialist". Einer allmächtigen Erscheinung im Amazon-Universum. Anonym, streng und anscheinend konsequent. Wer sich hinter den "Kontospezialisten" versteckt, können mir nicht einmal die Mitarbeiter vom Kundenservice sagen. Angeblich verberge sich hier eine weitere Instanz, was ich jedoch anzweifle, da ich, wie auf Knopfdruck, eine weitere Droh-Mail vor einigen Wochen direkt nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter des Kundenservice erhalten habe. Wirklich nur ein sehr ungünstiger Zufall oder ist die gesonderte Instanz doch nur eine weitere Abteilung beim Amazon Kundenservice? Ich war neugierig und wollte mehr recherchieren, wer und warum mir ständig damit droht, meinen langjährigen Account mit zahlreichen Abos und digitalen Inhalten zu schließen. Was mir vorgeworfen wird habe ich relativ schnell auch noch einmal auf Nachfrage erfahren: Missbrauch von Amazons Rücksenderichtlinien. Ich kann unmöglich der einzige sein, der solche Mails erhält und habe mich wie in einer klischeeüberladenen Reportage auf die Suche gemacht nach Leuten, die nicht nur solche Mails erhalten haben, sondern ihr Konto bereits aufgrund von Rücksendungen gesperrt wurde.

Es ist viele Jahre her, wo ich zuletzt einen Einwurf über Amazon verfasst habe. So kontrovers Amazon sein mag, den heimischen Buchmarkt zu unterstützen ist für mich kaum noch möglich, da die Pandemie mittlerweile sogar selbst größere Ketten in den Ruin getrieben hat. Auch wenn ich mein Kaufverhalten bei Amazon inzwischen reduziert habe was Bücher angeht (und aus Platzgründen sowieso mittlerweile sehr oft auf E-Books ausweiche), so führt manchmal kein Weg um den Onlineshop vorbei, wenn die Sammlung um ein heißbegehrtes Buch, Comic oder Manga erweitert werden soll. Man bestellt also bei Amazon, weil es schnell und unkompliziert geht. So schnell und unkompliziert es auch geht, besonders Bücher werden in Eile hektisch in zu kleine oder große Pakete verpackt oder aber durch Amazons internen Lieferdienst "Amazon Logistic" zusätzlich beschädigt. Der Klassiker bei mir: Die zu großen Pakete oder die zu kleinen Pakete mit den viel zu dicken Büchern werden in den Briefschlitz gequetscht. Die Fahrer werden dabei kreativ und falten die Pakete und quetschen sie anschließend so lange, bis so ein Paket dann auch in diesen kleinen Briefschlitz passt. Das Endergebnis resultiert meistens in beschädigte Ware. Diese wurde entweder schon beim verpacken demoliert oder aber spätestens dann bei dem Versuch, das Paket in den Briefschlitz zu quetschen.

Als Kunde der für Neuware bezahlt, reklamiere ich diese Ware und bin dabei noch deutlich großzügiger als manch andere Rezensenten, die in den Amazon-Rezensionen ihre demolierten Artikel zur Schau stellen. In Gesprächen mit Mitarbeitern vom Kundenservice lege ich grundsätzlich meine Sicht der Dinge offen, schreibe Mails und sende Bilder der beschädigten Ware mit. Auf meine Frage, ob es in meinem Kundenkonto irgendwelche Abmahnungen gibt, wurde dies stets ausdrücklich verneint und man motivierte mich dazu, Amazons kulantes Rücksendesystem zu nutzen da ich ein stetes Anrecht auf perfekte Ware habe. Denn Amazon könne Missbrauch einiger dreister Kunden von Bestandskunden, die beschädigte Ware erhalten, unterscheiden. Dies war anscheinend eine Lüge oder dieses Statement ist nicht mehr aktuell. Zuerst sperrte man mich für Ersatzlieferungen. Später folgten dann die Mails des sogenannten Kontospezialist. Es beginnt mit einer sanften Ermahnung, die darauf aufmerksam macht, dass es überraschend viele Rücksendungen im Kundenkonto gibt. Schickt man dann noch einmal beschädigte Bücher (in meinem Falle) zurück, wird der Tonfall bereits schroffer und erhält die äußerst motivierende Drohung, dass das Konto bei weiteren Verstößen gesperrt wird. Ob damit dann auch sämtliche digital erworbene Inhalte futsch sind, konnte man mir nicht mitteilen.

Man solle sich zu diesen Mails äußern. Ungefähr so, wie ein Straftäter vor Gericht. Diese anscheinend mächtige Instanz scheint diese Antworten auch zu lesen. Die Mails selbst sind automatisch erzeugt, aber unverkennbar stecken hier echte Menschen hinter, die diese Fälle bearbeiten und anscheinend auch wie Cäsar im Kolosseum den Daumen nach unten oder oben zeigen. Darf der Kunde noch etwas weiter Geld bei Amazon ausgeben oder nicht?






Eine zufriedenstellende Antwort bekommt man übrigens nicht, wenn man auf diese Mails antwortet. Die Antwort ist ein automatisch generiertes "Zur Kenntnis genommen". Telefonisch teilte man mir mit, diese Instanz würde sich nicht weiter mit mir in Verbindung setzen, noch sei es möglich, bei einem klärenden Gespräch telefonisch seine Sicht der Dinge mitteilen zu können.

Aber ich dachte, Amazon könne Betrüger von aufrichtigen Bestandskunden unterscheiden? Hier habe ich bei Herrn D. aus Niedersachen nachgefragt (Kunde seit 2007), ein leidenschaftlicher Sammler von Graphic Novels, dessen Account temporär für mehrere Monate nach einigen Rücksendungen gesperrt wurde:

"Meine Konto wurde 2020 für circa 3 Monate gesperrt. Allerdings habe ich keine zweite Abmahnung erhalten sondern nur eine, habe mir nicht viel dabei gedacht da ich weiter das Rücksendezentrum nutzen konnte und erhielt dann eines Tages die Mail, mein Konto sei für weitere Bestellungen gesperrt. Da war ich baff. Telefonisch teilte man mir mit, man habe keine Befugnis dazu, das Konto wieder freizuschalten. Ich fragte, was genau der Grund für die Sperrung sei und ob es hier vielleicht um ausstehende Zahlungen ginge (was eigentlich unmöglich war). Die Mitarbeiterin teilte mir in gebrochenem deutsch mit, die Sperre sei auf eine Missachtung von Amazons Rücksende-Politik zurückzuführen. Ohne eine Benachrichtigung hatte ich aber nach mehreren Trial & Error Versuchen irgendwann Glück und mein Konto war wieder zugänglich. Bestellen tue ich nur noch das wirklich Allernötigste bei Amazon, erst recht aber keine Bücher oder Comics mehr. Alles, was in meine Sammlung kommt, würde nämlich nicht in einem einwandfreiem Zustand eintreffen. Diese Zeiten sind bei Amazon lange vorbei. Ich hatte mich nach meiner Freischaltung länger mit ein paar anderen Kunden Online ausgetauscht, die ebenfalls betroffen waren. Wir waren uns zwar einig, dass man das Retourensystem bei Amazon leicht austricksen kann und es eine menge Leute gibt, die sich daraus einen Jux machen, Amazon selbst scheint aber nicht mehr darauf zu achten, ob hinter den Rücksendungen tatsächlich beschädigte Ware steckt oder ob jemand dieses System missbraucht. Man will denke ich ein Exempel an unbequeme Kunden statuieren, die ihr Kaufverhalten anpassen sollen da man in der Öffentlichkeit ja stetig wegen den Retouren angeprangert wird, die viel Müll bei den Amazon Lagern verursachen. Da spielt es keine Rolle ob man viel bestellt, Amazon Prime Kunde ist oder jede Reklamation telefonisch meldet. Diese ausgewählten Kundenkonten stehen unter Beobachtung und man sollte nicht erwarten, dass man in der Kunden-Hierarchie wieder ein besseres Ansehen erlangen wird."


Und da hat Herr D. recht. Bei meiner zweiten Verwarnung telefonierte ich erneut mit dem Kundenservice, dort bestätigte man mir wieder, mit meinem Konto sei alles in bester Ordnung. Ich sollte am besten bei künftigen Problemen mit beschädigten Artikeln immer den telefonischen Kundenservice anrufen (der übrigens kostenlos ist). Man sei immer für mich da und höre sich aufrichtig das Feedback der Kunden an, hieß es. Als ich nach weit über 2 Monaten nach etlichen Bestellungen mal wieder ein zerfleddertes Buch reklamierte, erhielt ich meine dritte und vermutlich letzte Ermahnung. Ich telefonierte erneut mit dem Kundenservice, diesmal war man aber ehrlich zu mir: Dunkelrot sei der Status meines Kundenkontos. Auf meine Frage, ob mein Konto nach der nächsten Reklamation dann gesperrt wird, konnte er mir nicht sagen. Es kann nach der nächsten Reklamation passieren, nach der übernächsten oder vielleicht auch gar nicht. Aber er würde mir raten, nichts mehr zu reklamieren.

Inoffiziell teilte mir Amazon hier also mit, nicht mehr von meinem Rückgaberecht gebrauch zu machen und vielleicht auch mal einige beschädigte Artikel, die von Amazon selbst oder Amazon Logistics beschädigt werden, hinzunehmen. Offiziell hat mir der Mitarbeiter dies natürlich nicht so mitgeteilt.

Frau L. aus Bayern hatte sich auch auf meine kleine PN-Anfrage gemeldet. Frau L. aus Bayern (Kundin seit 2011) wurde noch nicht gesperrt, hat aber nun ebenfalls schon zwei Ermahnungen von OFM[at]Amazon erhalten.


 "Ich bestelle bei Amazon keine Bücher, aber hatte nun eine Reihe an beschädigten Elektroartikel erhalten, die durchaus auch teurer waren. Ein neues Smartphone wurde an einem regnerischen Tag von Amazon Logistics in meinem Garten abgelegt, komplett schutzlos. Verpackung und auch Gerät hatten einen Wasserschaden. Kurz darauf habe ich einen Kindle Paperwhite erhalten, der sich nicht anschalten ließ. Um mir weiteren Frust zu ersparen habe ich eine Erstattung angefordert. Einige Tage später erhielt ich eine Mail von dem Kontospezialist, der mir auffallend hohe Mengen an Erstattungen vorwarf und dass die Artikel bei Amazon nicht im ursprünglichem Zustand wieder angekommen seien. Natürlich kamen die Rücksendungen bei Amazon nicht in ordnungsgemäßem Zustand an, immerhin waren es Retouren, die mich selbst nie in einem guten Zustand erreichten, sonst hätte ich sie ja nicht zurückschicken müssen. Ich bestelle seit diesen Mails nicht mehr bei Amazon, da ich mir nicht weiter drohen lasse."


 

 

Ich denke, wieder normal bei Amazon einzukaufen macht für mich nicht mehr viel Sinn. Wer als langjähriger Kunde nun jedes mal mit einem Nervenkitzel bestellen muss, lästige Droh-Mails erhält zu denen man sich am besten auch noch äußern soll, der weiß, dass man hier nicht mehr wirklich willkommen ist. Ich konnte bei meiner kleinen Recherche aber glücklicherweise einige Leidensgenossen kennenlernen, die dafür gesorgt haben, dass ich die ganze Nummer deutlich entspannter sehen kann. "Einfach nicht mehr dort bestellen" ist im Jahr 2021 zu Zeiten einer Pandemie leichter gesagt, als getan. Aber es ist ein erster Schritt, den Onlineriese zu meiden. Ich habe mir mein eigenes Kundenkonto nochmal genauer angesehen und komme wie meine Gesprächspartner zum Schluss, dass wir nicht zu dem Klientel gehören, welches Amazon hier eigentlich mit diesen bösen Mails verfolgt. Aber auch hier sollte ehrlich und fair angemerkt werden: Wer solche Mails erhält, sollte sie ernst nehmen. Tut man dies nicht, wird das Kundenkonto temporär gesperrt oder wird vielleicht für immer von neuen Bestellungen ausgeschlossen. Ob man sich von Amazon vorschreiben lässt, beschädigte Ware hinzunehmen, dies ist jedem selbst überlassen, wie er hier agiert. Sich großartig drüber aufzuregen bringt nicht viel. Diese Mails werden weltweit versendet und wie mein Gesprächspartner, Herr D. schon sagte, steht man einmal auf der Liste unbequemer Kunden und Kundinnen, kommt man da wohl nicht mehr runter. Lasst euch also nicht zu sehr von Amazons kulantem Rücksendezentrum einlullen: Die Lauferei habt ihr sowieso immer für die Rücksendungen und im schlimmsten Falle könnte euer Kundenkonto dabei gesperrt werden.
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* Aufgrund der Anonymität werden die Identitäten von Herrn D. und Frau L. hier natürlich nicht namentlich genannt. Ich traf beide Amazon-Kunden auf einer Plattform für Amazon-Geräte und möchte mich vielmals bedanken, dass ihr auf meine Direktnachrichten geantwortet und euch zu dem Thema geäußert habt.