Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 19. Dezember 2021

Special: Durchgeschaut und durchgelesen - Das ABC der Videospiele (Gregor Kartsios)

 



Deutschland 2021

Autor: Gregor Kartsios
Erscheinungsdatum: 21.10.2021 beim Lappan Verlag
Format: Hardcover, E-Book
Genre: Sachbuch



Obwohl es Videospiele seit einigen Jahrzehnten gibt, so ist das Fachgebiet immer noch relativ jung. In kaum einer anderen Industrie für Unterhaltungsmedien gab es in den vergangenen 30 Jahren solch technische Sprünge wie in der Videospielindustrie. Dies ruft wiederum ganz spezielle Historiker auf den Plan: Videospiel Historiker oder Gaming Historians sind mittlerweile fest verankert auf YouTube oder auch in der Literatur. Besonders via Kickstarter haben hier so manche Historiker der virtuellen Medien ihr literarisches Projekt realisiert. In den vergangenen 10 Jahren waren Videospiele kein großes Thema auf "Am Meer ist es wärmer", aber es ist ein Hobby, welches mich noch länger begleitet als Literatur und Filme. Ich bin mehr oder weniger mit einem NES-Controller in der Hand geboren. Gut, eine kleine Übertreibung aber meine Eltern schafften sich circa 1991 ein NES an, ich war also ungefähr 4 Jahre alt, als ich das erste mal Super Mario Bros. und Zelda spielte. Die Liebe zum Medium war eine heiße Flamme, die bis heute nicht verglüht ist, obwohl die Branche alles dafür tut, diese Flamme zu löschen.

Im deutschsprachigen Raum sieht es hier, was Videospielhistorie angeht, ein wenig mauer aus. Aber es gibt hier ein Kleinod, welches ich, nachdem ich etwas ausgeholt habe, gerne hervorheben möchte. Vom Alter her gehöre ich zur Giga-Generation, bin aber in diesen Kosmos erst mit dem Ableger GIGA Games eingestiegen. Die Jungs, die dort täglich 2 Stunden live über Videospiele berichteten, wurden zu guten Freunden, die ich nie persönlich kennengelernt habe. Dann kam der Moment, als der Vermieter NBC Europe aus dem Kabelprogramm geschmissen hat und somit für über 3 Jahre GIGA TV nicht mehr empfangen konnte. Als der Sender dann wieder ins Kabelfernsehen zurückkehrte, konnte diese Freundschaft nicht neu entfacht werden, da bereits ein Teil des Teams den Sender verlassen hatte. 2006 startete auf MTV das Format Game One welches von 2006-2014 lief und es auf stolze etwas über 300 Episoden brachte. Game One wiederum bestand aus Mitgliedern des GIGA Games Kernteam. Eine Sendung, die auch in meinem Freundeskreis wieder recht beliebt war. Und bis zum heutigen Tage habe ich keine einzige Folge Game One gesehen. Als 2015 dann der Online-TV Sender Rocket Beans als eine Art geistiger Nachfolger zu Giga Games und Game One startete und ein langjähriger Freund mich darauf aufmerksam machte, wurde die alte Liebe doch wieder entfacht. Die Jungs von damals waren zurück, deutlich älter, genau wie ich selbst, aber sie waren es, unverkennbar. Da ich Game One nie geschaut habe, kannte ich viele der Formate, Mitarbeiter und Insider nicht. Und ich hatte zu dem Zeitpunkt absolut noch keine Ahnung, wer Gregor Kartsios war, der bereits bei Game One öfter zu sehen war und größtenteils redaktionell hinter der Kamera stand.

Es dauerte aber nicht lange, bis ich den Autor des hier präsentierten Buches über Rocket Beans besser kennenlernen konnte, er war nämlich auf einmal in verdammt vielen Shows zu sehen. Und hier kommt nun das Kleinod ins Spiel, von dem ich gerade schon berichtete. Der Retro Klub. Ich denke anhand des Namens muss ich das Format nicht groß erklären, aber tue es dennoch. Der gute Gregor moderiert hier im Alleingang oder auch mal mit Gästen eine Show über alte Videospiele. Und da ich ein Nostalgiker bin, war diese Show genau das richtige für mich. Der Retro Klub (Link führt zur offiziellen YouTube Playlist) läuft nun auch schon seit 2015 und wird auch seit der großen Rocket Beans Umstellung von November 2021 noch immer produziert. Ein weiterer Ableger des Retro Klubs ist der Future Klub (Link führt erneut zu einer offiziellen Playlist auf YouTube).

Der selbe Gregor Kartsios, der diese beiden Retro-Formate moderiert, hat nun also ein Buch veröffentlicht. Als Zuseher eines beliebten Formats horche ich hier automatisch etwas skeptisch auf. Sich gut vor der Kamera im heimischen Becken zu präsentieren bedeutet nicht automatisch, ein gutes Buch schreiben zu können und umgekehrt. Das Buch wurde auf den Titel "Das ABC der Videospiele" getauft und ist nicht über Kickstarter entstanden, sondern in Zusammenarbeit mit dem Lappan Verlag, der zur Carlsen Verlag GmbH gehört.




 

Die wichtigste Frage, die ich mir hier stelle, ist, ob so ein Buch noch Trivias/Fakten/Anekdoten präsentieren kann, die ich selbst noch nicht kenne. Erstmal muss ich aber anmerken und sehr positiv hervormerken, es ist schön, solch ein Buch endlich auch mal in deutscher Sprache verfasst lesen zu dürfen. Was die deutsche Sprache angeht, so befinden wir uns hier in einer kleinen Nische. Sprachlich fällt, unverkennbar, schnell der Stil von Gregor auf, den man aus seinem Retro Klub kennt. Und genau so funktioniert "Das ABC der Videospiele" nach einer ganz einfachen Formel. Das Buch ist kein Sammelsurium an abgedroschenen Trivias, die man sich über Wikipedia oder Did You Know Gaming zusammengesucht hat, wir haben es stattdessen hier mit dem Retro Klub im Literaturformat zu tun. Hier schreibt ein Autor, der in jedem Kapitel Bock darauf hatte, etwas zu erzählen. Und hier überwindet Gregor die Startschwierigkeiten, die man haben kann, wenn man sich vornimmt, solch ein Buch in Angriff zu nehmen. Dies kann oftmals schnell in selbstverliebten Ergüssen enden. Etwas ähnliches fiel mir hier zum Beispiel in einem ähnlichen Buch ("Itchy, Tasty" zum Thema der Historie von Resident Evil) des Autors Alex Aniel auf, wo es vorab und auch immer mal wieder sehr häufig Selbstbeweihräucherung gab (die das Buch nicht einmal nötig hatte, da ich es höchst interessant fand). In "Das ABC der Videospiele" gibt es so etwas, glücklicherweise, nicht. Das Buch liest sich mehr wie ein passioniertes Projekt anstatt einer Flex-Maschine, die damit prahlt, welch fundiertes Wissen man hier auflistet und wie viel Vitamin B man vielleicht in der Szene hat.

Der Titel des Buches ist natürlich nicht minder selbsterklärend wie das Motto des Retro Klubs. Gestartet wird bei A wie Atari, allerdings endet das rund 200 Seiten befüllte Buch nicht mit C wie Commodore. Das Buch ist stattdessen eine bunte Reise durch die Videospielwelt, die tatsächlich bei Atari beginnt, aber nur ein kleiner Teil einer großen Videospielhistorie ist, die in diesem Buch abgedeckt wird. So befasst sich das Buch nicht nur mit den großen und exotischen Systemen, sondern auch mit zahlreichen Videospielmarken und Genres. Der Schreibstil sollte dabei für alle Zielgruppen leicht verständlich, aber dennoch äußerst informativ sein. Zudem gibt es unzählige Bilder, die im Buch abgedruckt wurden. Allerdings überwiegt hier ganz klar der Text, denn das Buch ist kein Kunstbuch mit ein paar textlichen Erläuterungen sondern ein Sachbuch mit etlichen Abbildungen.


 



Ein großes Lob gibt es auch für die Aufmachung des Buches. Wir haben es hier mit einem robusten Hardcover mit einem hübsch gestalteten Buchdeckel zu tun. Das Papier ist von exzellenter Qualität und die Bildqualität der abgedruckten Bilder, obwohl sie teilweise sehr klein sein können, ist exzellent und gut zu erkennen. Ein Lesebändchen oder Schutzumschlag hätte die Aufmachung noch einmal gekrönt, aber hier muss man natürlich einmal absolut ehrlich sein: Der Verlag bietet den Titel bereits für 14 Euro an (das E-Book liegt übrigens bei 9,99 Euro), was ein unfassbar sympathischer Preis ist für die gebotene Qualität. Somit wird "Das ABC der Videospiele" auch automatisch zu einem schicken Sammelgegenstand, der sich auch gut verschenken lässt. Ich muss zu meiner großen Überraschung aber sagen, dass das Buch deutlich mehr ist als "nur" ein Merchandise-Artikel unter dem Rocket Beans Banner. Viel mehr ist es für mich etwas, wovon in Zukunft gerne noch mehr hätte, da wir es hier, wie bereits geschrieben, mit einer Nische zu tun haben, die noch nicht ausreichend beackert wurde.




Abschließende Gedanken

Der Ausflug von Gregor Kartsios in die Welt der Autoren ist mit "Das ABC der Videospiele" gelungen. Ich hatte hier einige Zweifel über die Qualität des Buches, wurde aber bereits nach dem Vorwort bereits eines besseren belehrt. Ich war vorab wirklich sehr neugierig, aber es gab auch Bedenken, die darauf gefasst waren, dass das Buch vermutlich nicht so gut wie der Retro Klub funktioniert. Der Retro Klub funktioniert sehr wohl als Buch und vielleicht funktioniert so etwas ähnliches ja auch noch für den Future Klub. Schaut man sich die Resonanz zum ABC der Videospiele an, so wäre es ja beinahe schon fahrlässig, da in Zukunft nicht nochmal was nachzulegen. Ich war sehr angetan, mich durch die vielschichtige Themenwelt des Buches zu lesen und kann daher auch ganz entspannt eine Empfehlung für das Buch aussprechen und ist zeitgleich auch auf meiner Liste für Überraschungshits des Buchjahres 2021 gelandet.

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