Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Montag, 16. Dezember 2013

Evangelion Quickening: Der verschollene Evangelion Film?






Wie ich es bereits in der Rezension zu You Can (Not) Redo erwähnt habe, will ich mich diesem Thema mit einem komplett neuen Beitrag widmen. Denn hier wird es kompliziert. Es wird nicht nur kompliziert, sondern es ist vermutlich nicht einmal zu erklären. Das einzige, was den Fans bleibt, sind zahllose Gerüchte und Theorien über einen dritten Rebuild Film, der sich komplett von dem finalen Produkt unterscheidet, wie wir es nun kennen. Nennen wir diesen nicht verwirklichten Film einmal Evangelion Quickening. Ich weiß das Evangelion Q oder das japanische Kyu auch Heute noch in Japan für die aktuelle Version des Filmes verwendet wird, von dem Titel Quickenig jedoch diatnzierte man sich immer mehr. Ich werde den Film also, lediglich für diesen Artikel, Evangelion Quickening nennen.



Da ich vermutlich bereits mein halbes Leben ein exzentrischer, unsympathischer Film-Fanatiker bin, ist mir durchaus bewusst, dass ein Trailer nie das Endprodukt widerspiegelt. In Trailern zu Filmen, die sich noch in der Postproduktion befinden, findet man häufig Szenen, die letztendlich im Schneideraum noch aus dem Film geworfen werden. Man findet auch häufig mal Szenen, die noch nicht einwandfrei bearbeitet sind und im Kino dann wesentlich aufwendiger aussehen. Meistens werden solche Szenen in einem Directors Cut oder Extended Cut wieder in den Film eingefügt. Manchmal bleiben Szenen aus dem Trailer aber auch für immer verloren. Ein Fakt ist, zu Filmen wird unendlich viel Material produziert, manches davon wird sogar exklusiv nur für Teaser und Trailer verwendet.

Einen Trailer, oder eine Preview zu einem Film, wo es letztendlich keine Szene des gezeigten Materials in den Film schafft, so etwas kannte ich bisher noch nicht. Die Evangelion Previews sind seit der TV-Serie Kult und verraten dem Zuschauer mit hektischen Schnitten, was in der nächsten Episode passiert. Für die Rebuild Kinofilme hat man dieses Konzept übernommen. Die Filme sind aufgebaut wie eine Episode von Neon Genesis Evangelion. Somit gibts auch am Ende der Rebuild Filme immer eine Preview für den nächsten Film. Die Preview die man am Ende von You Are (Not) Alone findet machte die Zuschauer neugierig auf das, was in der Fortsetzung passieren wird, die sich erstmal von den Geschehnissen der TV-Serie abkoppelt. Nach dem fiesen Cliffhanger am Ende von You Can (Not) Advance war man auf die Preview zum kommenden Rebuild 3.0 natürlich sehr gespannt. Und diese anschließende Preview, die Evangelion Quickening bewirbt, versprach Großartiges. Anscheinend sollten die Ereignisse des Vorgängers nahtlos fortgeführt werden. Diesmal, so die Preview, wolle man sich der mysteriösen EVA Pilotin Mari ein wenig genauer annehmen. Kaji scheint, genau wie in der TV-Serie, erneut ein gefährliches Doppelagent Spiel zu spielen.

Natürlich machte das lust auf mehr, und umso ärgerlicher war es, dass man nun über 3 Jahre auf Evangelion Quickening, der letztendlich zu You Can (Not) Redo umbenannt wurde, warten musste. Und You Can (Not) Redo scheint wohl auch ganz gut die Entwicklung die zu zeigen, die dieser Film letztendlich genommen hat. Denn keine der gezeigten Szenen aus der Preview hat es letztendlich in den nun vollständigen Film geschafft. Die gezeigten Szenen aus Evangelion Quickening werden nun ausgiebig debattiert, und bleiben dennoch ein einziges Rätsel. Was war der Grund für die Änderungen? Hat Hideaki Anno sich im letzten Moment dazu entschieden, einen bereits fertiggestellten Film einzustampfen, weil ihm die Geschichte nicht gefallen hat? Oder wollte er mit einer Fake-Preview die Zuschauer auf eine falsche Fährte locken? Im Internet machen folgende Gerüchte die Runde, die ich mal kurz zusammenfassen will:

- Die gezeigten Szenen aus der Preview spielen alle vor dem 14 Jahre Timeskip, den wir nun aus Evangelion: 3.33 You Can (Not) Redo kennen. Aus unbekannten Gründen wurden die Szenen jedoch aus dem fertigen Film entfernt.

- Der Timeskip ersetzte die ursprünglich geplante Story zu Evangelion Quickening. Es wurde ein komplett neues Drehbuch und Szenario geschrieben, was auch dafür gesorgt haben könnte, dass der Film mit einer erheblichen Verspätung in die japanischen Kinos kam.

- Die Preview soll bereits als Brücke zu den Ereignissen in Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo dienen (Anmerkung des Verfassers: Was völliger Blödsinn wäre).

- Seit längerem kursieren Gerüchte, Studio Khara hätte mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Das Rebuild-Projekt ist zu kostspielig, so das auch die Laufzeit der kommenden Filme getrimmt werden muss, um Kosten einzusparen.

- Die Szenen aus der Preview stammen aus einem bereits kompletten fertiggestellten Film, mit dessen Story Hideaki Anno jedoch unzufrieden war.

- Die Rückblende-Szenen wurden aus Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo entfernt um den Zuschauer zusätzlich zu verwirren, und werden in Evangelion 4.0: Final wieder eingefügt oder als zusätzliche OVA veröffentlicht, um eine weitere Verzögerung von Evangelion 4.0: Final erträglicher zu gestalten.

Die meisten dieser Theorien (größtenteils zu finden auf Evageeks oder 4Chan) machen einen recht plausiblen Eindruck. Man kann sich recht sicher sein, dass all die Szenen aus Evangelion Quickening vor dem Timeskip spielen. Die Ereignisse, die dazu führen, warum sich alle Leute von WILLE, darunter auch Shinjis Freunde, wie die letzten Arschlöcher benehmen. Eine neue Theorie macht auch die Runde, dass You Can (Not) Redo auf einer komplett anderen Timeline spielt. Soll heißen, Evangelion 3.33 ist nicht die Fortsetzung zu Evangelion 2.22. In der Welt von Evangelion 2.22 soll Kaworu Nagisa den Third Impact verhindert haben. In Evangelion 3.33 jedoch wurde der Third Impact ja eindeutig nicht verhindert. So soll also jener Kaworu Nagisa anscheinend ein Zeitreisender sein, der seine Lehren aus der missratenen Zukunft aus Evangelion 3.33 gezogen hat, und mit allen Mitteln die Welt vor dem Third Impact bewahren will. Und genau das tut er in Evangelion 2.22. Und dies mit den Worten: "Diesmal will ich wenigstens dich glücklich machen, Shinji Ikari Kun". Man möge es mir verzeihen falls dies nicht der exakte Dialog aus dem Film ist. Nun, betrachtet man seine Worte mal genauer, in Evangelion 3.33 hat Kaworu Shinji alles andere als glücklich gemacht. Es ist eher alles komplett aus dem Ruder gelaufen. So absurd die Theorie über eine alternative Timeline und Zeitreisen auch klingen mag, so würde sie zumindest Evangelion 3.33 besser erklären, ein Film, der in einer alptraumhaft dystopischen Zukunft spielt.

All das erklärt natürlich immer noch nicht, wieso man die mysteriöse Preview zu Evangelion Quickening in Evangelion 2.22 mit eingebaut hat. Hideaki Anno ist zu schlau dafür, sich so viele Ungereimtheiten wie in 3.33 zu leisten.

Ich will noch einmal auf Mari zurückkommen. Wie bereits in der Rezension von mir erklärt, ist sie in Evangelion 3.33 zu einem unbedeutenden Nebencharakter verkommen. Wir erfahren weder Hintergründe, noch etwas von ihren Absichten. Ihren wahren Charakter versteckt sie immer noch unter kindlichem Getue. Unmöglich das die Konzipierung des Charakters, der so dermaßen verheizt wurde, geplant war. In der Preview ist in eine der hektischen Einblendungen folgendes zu lesen: Keept Out: Private Conference Between Makinari Mari Illustrious & $#&$#
Do Not Enter.
Ein Name wurde für diese Einblendung zensiert. In der Preview ist eine verärgerte Mari zu sehen, die sich anscheinend vor irgendwem (mit aller Voraussicht nach Ritsuko Akagi) entkleiden muss. Eine logische Schlussfolgerung, sollte NERV sie nach den Ereignissen aus Evangelion 2.22 gefangen genommen haben. Ein nicht unbedeutender Teil des Filmes wird sich vermutlich mit Mari befasst haben. Mit wem Mari nun dieses private Gespräch geführt haben soll wird wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben, sollte der kommende Film diese Ereignisse nicht mehr aufgreifen.

Als nächstes möchte ich auf Kaji eingehen, dem James Bond der Evangelion Saga. Es wurde nie geklärt, wer Kaji in der TV-Serie erschossen hat (nein, es war nicht Misato). Kaji schien diese Person jedoch zu kennen. In Evangelion 2.22 spielt Kaji, der als Doppelagent zwischen NERV und SEELE agiert, und vermutlich sogar noch ein Spion der japanischen Regierung ist, erneut eine recht geheimnisvolle Rolle. Die sollte in Evangelion Quickening wohl weiter ausgebaut werden. In der Preview sehen wir Kaji bewaffnet, und diesmal scheint er, im Gegensatz zur TV-Serie, nicht zu wissen mit wem er es zu tun hat. Dies verrät zumindest sein erschrockener Gesichtsausdruck. Von Kaji selbst fehlt in Evangelion 3.33 jegliche Spur. Er wird nur ein einziges mal erwähnt. Man kann also sehr wohl davon ausgehen, dass Kaji längst tot ist. Könnte Kaji somit ebenfalls einer der Gründe für Misatos abweisende und strenge Haltung gegenüber Shinji sein? Auch zu diesem Thema bekommen wir keinerlei Infos geliefert.

Schaut man sich auch mal die Untertitel zur Preview von Evangelion Quickening an, so wird schnell klar, dass auch die Geschichte des Filmes absolut nichts mit den seltsamen Geschehnissen in Evangelion 3.33 zu tun hat. Egal wie man es auch dreht und wendet, wir haben es hier mit einem völlig anderen Film zu tun. In welche Richtung Evangelion Quickening nun gegangen wäre bleibt weiterhin fraglich. Aber es macht eindeutig den Anschein, als wäre Evangelion Quickeing das fehlende Puzzlestück zu Evangelion 3.33: You Can (Not) Redo. Nur Anno und sein Team selbst wissen, warum dieses Puzzlestück entfernt wurde. Vielleicht ja auch genau aus diesen Gründen, dass wir nun darüber diskutieren können. Ebenfalls ist auch interessant, in Japan wurden damals Evangelion 3.0: Q und Evangelion 4.0: Final als Double Feature für die Kinos angekündigt. Das Studio Khara mit ihrem Zeitplan nicht hinterherkommen haben sie ja schon glanzvoll bewiesen, doch irgendwas muss während der Produktion passiert sein, dass man das Double Feature gestrichen hat, und mit reichlich Verspätung Evangelion 3.0 allein in die Kinos brachte.

Ob das verschollene Material als OVA nachgereicht wird, im Vierten und letzten Film wieder eingefügt wird, oder auf immer verschollen bleibt, wird sich also erst einmal noch zeigen müssen. So lange darf weiter diskutiert werden.

Rezension: Evangelion 3.33 - You Can (Not) Redo



Japan 2012

Originaltitel: Evangerion Shin Gekijōban: Kyū
Konzept: Hideaki Anno (Story), Yoshiyuki Sadamoto (Designs)
Regie: Hideaki Anno (leitender Regisseur), Kazuya Tsurumaki, Masayuki, Mahiro Maeda
Sprecher: Megumi Ogata, Megumi Hayashibara, Yuko Miyamura, Maaya Sakamoto, Akira Ishida
Lauflänge: 95 Minuten (mit Abspann)
Genre: Anime, Science-Fiction, Mystery, Endzeit-Drama
Deutscher Verleih: Universum
FSK: 16



Trailer






Diese Rezension könnte durchaus Spoiler enthalten!

Für viele Fans des Evangelion-Kanon dürfte der 13. Dezember 2013 ein vorgezogenes Weihnachten gewesen sein. Warum? Na da hat es Universum endlich geschafft nach einer weiteren Verzögerung den neuen Evangelion Film You Can (Not) Redo auf BluRay und DVD zu veröffentlichen. Und diese Fans, die sind ja praktisch zu einer Familie zusammengewachsen. Seit 1995 bestehen diese Bände. Zur Zeit seiner Veröffentlichung prägte Neon Genesis Evangelion die Moderne japanische Popkultur von neuem. Und dieser Kult sollte den Fernen Osten schon bald verlassen, und zu einem weltweiten Megahit werden. Schöpfer Hideaki Anno, der in der 26 teiligen TV-Serie viele persönliche Erlebnisse mit eingebunden hat, konnte sich von seinem Lebenswerk nie so ganz trennen. Und als 1997 dann The End Of Evangelion in die Kinos kam, und somit die letzten beiden Episoden der Serie ersetzte, konnten viele nicht glauben, dass es sich hier tatsächlich um das Ende von Evangelion handelte. Zu viele Fragen blieben unbeantwortet, so viele Geschehnisse wurden nicht aufgelöst.
Es sollte bis Ende 2007 dauern, bis Hideaki Anno sich noch einmal seinem Lebenswerk widmen sollte. Und wie es bei vielen großen Visionären so ist, stehen einem Filmemacher im Jahr 2007 einige technische Hilfsmittel zur Verfügung, die man in den Neunzigern nicht hatte. Mit Rebuild of Evangelion erschuf Anno etwas, was es im Anime Genre noch nicht gab. Denn seine Fans rätseln auch nach der Veröffentlichung des dritten Rebuild Kinofilms noch über folgendes: Ist die Rebuild-Reihe nun ein Remake, ein Reboot oder sogar eine Fortsetzung von The End of Evangelion? Diese Frage wird sich wohl erst mit der Veröffentlichung des Vierten und letzten Films klären.



War der erste Rebuild Film (You Are (Not) Alone) noch eine optisch aufpolierte Spielfilm-Version des ersten Episoden der TV-Serie, führte die geniale Fortsetzung (You Can (Not) Advance) die Geschichte komplett eigenständig fort. Auch spendierte uns Character Designer Yoshiyuki Sadamoto einen völlig neuen Charakter. Eine neue Pilotin. Mari. Mysteriös wurde sie in die Geschehnisse eingeführt, spielte aber dennoch lediglich eine kleine Rolle, die aber eindeutig lust auf mehr machte.
Dies sollte sich jedoch in der Fortsetzung ändern, so viel verriet bereits die Preview zum dritten Film, die man sich nach dem Abspann von Evangelion 2.22 ansehen konnte. Die Preview machte jedoch nicht nur lust auf mehr von Mari, sondern auf die komplette, geheimnisvolle Geschichte des kommenden dritten Films. Doch der geneigte Evangelion-Fan sollte bitter enttäuscht werden. Statt das es mit den Szenen aus der Preview von Evangelion 3.0 weitergeht, bietet die finale Fassung des neuen Evangelion 3.33 (bei der Heimkino Version wird die Zahl immer noch einmal angehoben) ein komplett anderes Szenario. Letztendlich hat es keine der Szenen aus der Preview in den Film geschafft. Dazu mehr in einem kommenden Artikel.

Evangelion: 3.33 - You Can (Not) Redo dürfte als der wohl kontroverseste Evangelion Ableger in die Geschichte der Saga eingehen. Von völlig erbosten, bis hin zu völlig verdutzten Fans, die Mehrheit ist sich einig: Was ging bei diesem Film schief? Würde man dem Film wirklich böses wollen, so könnte man sagen, er zerstört alles, was man sich so mühsam im Vorgänger aufgebaut hat. Grund für diese erbosten Fans ist ein sogenannter Timeskip von 14 Jahren, auf den im Film kaum eingegangen wird. Nicht einmal der größte Evangelion Theoretiker wird damit gerechnet haben. Der Zuschauer nimmt praktisch selbst als Darsteller im Film, in der Gestalt von Shinji Ikari, teil. Genau wie Shinji fragt der Zuschauer sich, ob er sich, im wahrsten Sinne des Wortes, im falschen Film befindet. Fragen gibt es viele, doch genau wie Shinji selbst erhält man keine Antworten.



Die Frage ist nun, wieso tut Anno seinen Fans das an? Praktisch alles, die gesamte Evangelion Formel/Atmosphäre, wurde hier über Board geworfen. Der Evangelion typische Humor, und all die kleinen Spielereien aus dem Vorgänger wurden komplett gestrichen. Stattdessen bekommt man es mit einem ziemlich harten, anscheinend alternativen Universum zu tun. Die charmanten Charaktere, die man in den vergangenen Fünfzehn Jahren lieb gewonnen hat (wir lachten und weinten gemeinsam mit ihnen) kommen einem fremd, kühl und abweisend vor. Automatisch wird man sich fragen, in welchen Horror ist Shinji nun wieder geraten? Doch Shinjis neuster Horrortrip soll noch ganz andere Ausmaße annehmen.

Die Idee hinter dem Timeskip, die düstere Atmosphäre und die neuen Designs der Charaktere sind Aspekte, die ich sogar ziemlich cool finde. Aber dann sind da auch Aspekte, die darf man keineswegs einfach so hinnehmen. Denn einen wirklich kompletten Eindruck macht der Film nicht. Ein Grund dafür dürfte die enttäuschende Lauflänge von gerade einmal 90 Minuten Spielzeit sein. Da habe ich bereits knapp 5 Minuten für den Abspann abgezogen. Bei rund 108 Minuten (ohne Abspann) hatte der Vorgänger wesentlich mehr Zeit, um sich mit den Charakteren beschäftigen zu können. Man muss auch die Einführung in Evangelion 3.33 eher kritisch betrachten. Rund 20 Minuten verschwendet man an einer prunkvoll in Szene gesetzten Kampfszene. Und genau in diesen 20 Minuten wird der Boden wackelig durch die vielen Plot Holes, die dadurch entstanden sind. Dies könnte gleichzeitig eine Retourkutsche der Macher sein, da sich viele Zuschauer beim letzten Film über zu ausufernde Teenager-Romanzen beschwerten. Dies darf aber keine Entschuldigung dafür sein, was man in You Can (Not) Redo geboten bekommt. Ich will die Entwicklungen der Charaktere kurz und knackig mal zusammenfassen:

- Shinji ist verdutzt über seine Lage, zerfließt in Selbstmitleid und das ausnahmsweise mal berechtigt
- Asuka ist durchgeknallter und herablassender denn je
- Mari entwickelte sich von einem interessanten Nebencharakter zu einem völlig belanglosen Nebencharakter ohne Hintergrundgeschichte
- Ayanami ist nur noch eine seelenlose Puppe
- Ritsuko agiert ungefähr so wie immer
- Misato hingegen machte die negativste Entwicklung aller Charaktere. Sie agiert arrogant und streng. Feuerte sie Shinji für seine letzten Taten im Finale des Vorgängers noch an, verachtet sie ihn nun genau dafür und würdigt ihm keines Blickes, oder hält es für angebracht, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.

Daraus würden sich dann aber weitere Fragen ergeben, ich würde abdriften und all das gehört nicht in diese Rezension. Worauf ich hinaus will- die Charaktere agieren völlig übertrieben, sind nicht besonders ausgearbeitet und verspielen sich so ziemlich jeden Kredit, den sie sich mühsam in all den Jahren erarbeitet haben.

Während die Plot Holes und die etwas unausgereiften Charaktere ein Fakt sind, so punktet der Film aber alleine schon in der Hinsicht was den Mut angeht, das Evangelion-Konzept so drastisch zu verändern. Praktisch alle Elemente in Evangelion 3.33 wurden exklusiv für diesen Film entworfen. Seine größten Momente feiert der Film in den Szenen zwischen Shinji und dem immer noch sehr geheimnisvollen Evangelion Pilot Kaworu Nagisa. Und genau darauf, so kommt es mir auch vor, ist der Film ausgelegt. Kaworu kam in den meisten Evangelion Interpretationen, sei es die TV-Serie oder der Manga, grundsätzlich zu kurz. Das Verhältnis zwischen Shinji und Kaworu, ihre Freundschaft zueinander, wird in Evangelion 3.33 noch wesentlich verständlicher.


Auch wenn es Kritik im Bezug auf Ungereimtheiten in der Geschichte gibt, so liefert Studio Khara jedoch Perfektion in Sachen Animationen hin. Der Film glänzt auf BluRay wie ein scharfes Messer, was nicht nur poliert, sondern auch gerade geschliffen wurde. Obwohl CGI Elemente sich in Evangelion mittlerweile etabliert haben, bleibt Evangelion 3.33 sich treu was die aufwendigen Zeichnungen angeht. Die Animationen sind extrem flüssig und farbenfroh, Standbilder werden nur noch als Stilmittel eingesetzt. You Can (Not) Redo gehört mit zu den optisch imposantesten Titeln, den die Anime-Branche in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat.

Infos zur deutschen Fassung: Wie gewohnt liegt dem Film eine hochwertige deutsche Synchronisation bei. Die Sprecher achten auf die japanische Aussprache der Namen (das machen sie mittlerweile sogar recht anständig im Gegensatz zu den beiden Vorgängern). Nicht das komplette Ensemble konnte jedoch seit der TV-Serie bestehen bleiben. So wurde nun (aus mir nicht bekannten Gründen) Kaworu Nagisas Sprecher Robin Kahnmeyer durch Dirk Petrick ersetzt. Im Gegensatz zu dem Verlust von Julia Ziffer (Misato) und dem leider 2009 verstorbenen Hans-Werner Bussinger (Fuyutsuki) fällt diese Änderung hier weniger ins Gewicht.
Präsentiert werden die Inhalte mit dem mageren Bonusmaterial (die enttäuschende Preview auf den vierten und letzten Film ist mittlerweile nur noch unter dem Bonusmaterial zu finden) lediglich auf einer Single Sided BluRay Disc. Ob es Abstriche in Sachen Qualität dadurch gibt, weiß ich nicht, da ich keine andere Veröffentlichung zum Vergleich habe (dies wäre aber Nörgeln auf extrem hohen Niveau). Die DVD kommt wie zuvor in einem Steelbook daher, während die BluRay in einem Pappschuber ausgeliefert wird. Den Erstauflagen beider Editionen liegt außerdem noch ein Booklet bei.
Technisch, sowohl Bild und Ton, befindet sich die von mir gesehene BluRay von Universum auf einem sehr hochwertigem Niveau. Die deutsche Tonspur überzeugte mich bei meiner Sichtung am meisten.


Resümee

Eine Rezension zu You Can (Not) Redo zu verfassen ist wahrlich keine einfache Aufgabe. Man könnte ewig so weiterschreiben und würde vermutlich zu keinem Fazit kommen. Der Film macht es einem aber auch wahrlich nicht leicht. Größtenteils macht Evangelion 3.33 aber dennoch mehr richtig als falsch. So bietet der Film genügend Stoff, um mindestens bis zur Veröffentlichung des Finales weiter zu diskutieren und zu theorisieren. 
Evangelion 3.33 ist Fortschritt und Rückschritt (im Bezug auf den gelungenen Vorgänger) zugleich. Anno hat viel gewagt, vieles richtig gemacht, sich aber auch etliche male verzockt. Plot Holes und wenig ausbalancierte Charaktere werden Anno wohl ein paar Drohbriefe erboster Fans mehr bescheren. Aber die kennt er ja mittlerweile nur zu gut und wird damit umzugehen wissen. Auch ist der Film kurzweilig genug, um ihn sich noch sehr viele weitere male ansehen zu können. Und ich garantiere, egal wie oft man ihn sich anschauen wird, immer wieder wird man etwas neues entdecken.

Kombiniert mit Animationen der Güteklasse Perfektion und einem wie immer mitreißendem Soundtrack wird man You Can (Not) Redo irgendwann von selbst zu schätzen wissen. Eine Wertung verkneife ich mir, denn noch kann man den Status, den dieser Film einmal haben wird, nicht genau einschätzen. Das volle Potential von Evangelion 3.33 wird sich erst entfalten, wenn die Saga abgeschlossen ist oder dem Film irgendwann Material angehängt wird, um welches er höchstwahrscheinlich beraubt wurde. So hat man momentan ein etwas seltsames und wackeliges, aber dennoch recht interessantes Konstrukt, welches wie immer mehr Fragen im Evangelion-Universum aufwirbelt, als es beantwortet. Nur eines dürfte bereits relativ sicher sein- dieser fürchterliche Albtraum wird im nächsten Film ein Ende finden. 

Oder auch nicht.