Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 6. April 2012

Takeshi Kitano Special: Boiling Point





Japan 1990
Originaltitel: 3-4 x jugatsu
Regie: Takeshi Kitano
Darsteller: Takeshi Kitano, Yurei Yanagi, Yuriko Ishida, Gadarukanaru Taka, Dankan, Katsuo Tokashiki
Laufzeit: Circa 97 Minuten (Mit Abspann)
Genre: Unterweltdrama, Komödie, Sportfilm
Label: Rapid Eye Movies
FSK: 18 (Ungeschnitten)




Trailer:





Nach fast 7 Monaten geht mein Kitano-Special endlich weiter. Sein zweiter abendfüllender Spielfilm, 3-4 x jugatsu (Originaltitel: Bezogen auf ein Baseball-Ergebnis im Film), ist nach dem sehr düsteren Violent Cop jedoch weitaus unterhaltsamer, gleichzeitig aber auch wesentlich schräger. Ja, es war eine sehr seltsame Odyssee. Einmal Tokio-Okinawa Bitte. Bei diesem Film ist das Ticket für die Rückfahrt aber nicht inklusive.

Wenn man Boiling Point, so der Internationale Titel, sehr ernst nimmt, könnte man ihn sogar als Sportfilm bezeichnen. Denn es ist eine wirklich ganz große Hommage an den in Japan beliebten Sport. Dieser blühte dort zu dieser Zeit nämlich erstmal so richtig auf. Aber es ist natürlich auch wieder ein Yakuza-Drama. Aber auch ungemein witzig ist Boiling Point. Die teilweise absurde Situationskomik ist genial und spiegelt Kitanos Wurzeln als Comedian/Entertainer wieder. So wirklich kann man Boiling Point also nicht in ein Genre packen. Das muss man auch gar nicht. Denn dieser herrlich schräge Trip wird auch nachhaltig bei jedem interessierten Zuschauer noch seine Spuren hinterlassen. Ob man sich nun für Baseball interessiert oder nicht.

Die Handlung ist schnell zusammengefasst. Die Geschichte dreht sich um den Tankwart Masaki der ein sehr tristes und langweiliges Leben führt. Wöchentlich sitzt er auf der Bank um seinen Teamkollegen zuzusehen wie sie ein Baseballspiel nach dem anderen verlieren. Als die Tankstelle jedoch von einer Bande der örtlichen Yakuza tyrannisiert wird, lehnt sich Masaki gegen sie auf und rutscht somit in einen Kleinkrieg. Als die Geschichte eskaliert, macht sich Masaki mit einem anderen Mitspieler aus seiner Mannschaft auf nach Okinawa. Dort wollen sie sich für den Kampf gegen die Yakuza mit Waffen ausrüsten. Auf ihrer seltsamen Reise treffen sie auf den leicht psychopathischen Yakuza Uehara, der fortan mit seiner Entourage ein Begleiter der beiden sein wird.

Wie bereits in einem späteren Werk von Takeshi Kitano, Sonatine, ist das vom amerikanischen Militär besetzte Okinawa ein wichtiger Schauplatz in Boiling Point. Kitanos Okinawa ist meistens ein idyllischer, verträumter Ort. Fernab der Realität praktisch. Surreale Dinge gehen dort vor. Aber es ist auch ein unglaublich gefährlicher Ort. Die Ruhe täuscht, und meistens kann der Zuschauer ein Blutbad im Verlauf der Geschichte erwarten. Und es sind sogar diese künstlerisch in Szene gesetzten Blutbäder, die seine Filme so einzigartig machen. Kitano selbst nimmt einen überraschend kurzen Part in dem Film ein. Seine Rolle als psychotischer, abtrünniger Yakuza mit leicht homosexuellen Eigenschaften ist abgedreht und ein Meisterstück der vielen Charaktere, die er bereits verkörpert hat (vergleichbar mit seiner Rolle in Takashi Ishii's Gonin. Dort spielt er ebenfalls einen homosexuellen Yakuza, jedoch nicht ganz so abgedreht wie seine Rolle in Boiling Point). Trotz des ernsten Hintergrundes der Geschichte, findet man alle  Figuren auf Anhieb sympathisch und witzig. Durch die teils sehr trockene Situationskomik wird die Stimmung stets aufgelockert. Den Ernst der Lage vergisst der Film jedoch nie. Als besonderen Bonus gibt es dann auch noch den vielleicht sensationellsten Flash-Forward der Filmgeschichte inklusive.

Als Lückenfüller negativ auffallen tun leider die Szenen in denen Baseball gezeigt wird. Dies trifft nicht auf alle Momente zu, wo der Sport thematisiert wird, aber dafür gibt es teilweise viel zu lange Szenen, in denen sich die Darsteller lediglich einen Ball zuwerfen. Dem Film an sich tut das nur einen geringen Abbruch. Die Laufzeit ohne diese Szenen würde aber vermutlich circa 10 Minuten kürzer sein.

Der Soundtrack ist ein weiteres Highlight. Bis auf die natürliche Umgebung gibt es nämlich keinen. Wer also Joe Hisaishi vermisst,  der wird vergeblich suchen. Versucht doch mal auf eine Musikuntermalung im Film zu achten. Wer eine findet, bekommt eine Überraschung von mir spendiert ;)
Die Karaoke-Szenen zählen nicht!

Ein Lob geht mal wieder an Rapid Eye Movies die den Film nach so vielen Jahren endlich unzensiert nach Deutschland gebracht haben. Und das auch noch in einer hervorragenden Qualität. Das Bild weist keine Verschmutzungen auf und ist scharf. Für das Alter und das eher geringe Budget des Films eine schöne Präsentation. Eine deutsche Synchronisation gibt es nicht. Man muss sich also mit der Originalfassung und Deutschen Untertiteln zufrieden geben. Und das ist nicht einmal Kritik. Rapid Eye Movies hat hier einfach eine sehr gute DVD abgeliefert.


Fazit:


Fans bezeichnen das Frühwerk Boiling Point gerne mal als eines der schwächeren Werke von Kitano. Allerdings stimmt das nicht so ganz. Boiling Point ist viel mehr ein ungeschliffener Diamant. Es ist ein Film, den man entweder sympathisch, oder wirr finden wird. Der Mix aus ernstem Gangsterfilm und Komödie ist gewagt, hat mir aber sehr gut gefallen. Zudem gibt es einzigartige Stilmittel die das Zuschauen zu einem wahren Vergnügen machen. Kitano beweist bereits in seinem zweiten Film was er drauf hat. Viele Elemente aus Boiling Point wird man in seinen späteren Filmen wieder antreffen. Darunter auch diese unbeschreibliche Ruhe, die seine Filme so an sich haben. Die Baseball-Szenen nehmen ein wenig an Fahrt aus der Entwicklung der Geschichte. Jedoch ist das nur ein kleines Manko. Insgesamt macht Boiling Point umso mehr richtig und stellt bis Heute einen Geheimtipp des Japanischen Kinos dar. Wer sich an Kitanos Frühwerke wagt, und wem Violent Cop ein wenig zu düster und pessimistisch war, der wird an Boiling Point vermutlich mehr Freude finden. Es ist ein einzigartiger und gleichzeitig auch besonderer Trip in eine sehr fernöstliche Welt.

Das nächste Kitano Special: Das Meer war ruhig.

Fans des Japanischen Kinos sollten also wieder vorbei schauen, falls ihnen Takeshi Kitano bisher entgangen ist.

Wertung

8,5 von 10 Punkte