Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 30. Mai 2018

Review: Isle of Dogs





USA/Deutschland 2018

Isle of Dogs
Alternativ: Ataris Reise
Regie, Drehbuch, Produktion: Wes Anderson
Musik: Alexandre Desplat
Sprecher (englischsprachige Auswahl): Bryan Cranston, Koyu Rankin, Edward Norton, Bob Balaban, Bill Murray, Jeff Goldblum, Kunichi Nomura,  Yoko Ono, Scarlett Johansson, Harvey Keitel
Laufzeit: Circa 101 Minuten
Verleih: Fox Searchlight Pictures
FSK: Ab 6



Wes Anderson (Darjeeling Limited, Moonrise Kingdom, Grand Budapest Hotel) ist kein Filmemacher, der besonders viel in der Öffentlichkeit steht und auch nicht Filme in Fließbandarbeit produziert. Wes Anderson präsentiert circa alle 2-3 Jahre ein neues Werk, erfindet sich meistens selbst neu, heimst eine menge Preise für sein Werk ein und verschwindet dann wieder so lange, bis sich das Spiel von vorn wiederholt. Zusätzlich muss dieser Mann anscheinend nur mit den Fingern schnippen, um sämtliche Größen des öffentlichen Lebens vor die Kamera zu bekommen.

Mit "Isle of Dogs" ging Anderson nach "Fantastic Mr. Fox" aus dem Jahr 2009 erneut den beschwerlichen Weg, uns einen Stop-Motion Animationsfilm zu präsentieren. Besonders interessant hierbei ist nicht nur der Ausflug nach Japan sondern auch die Zusammenarbeit mit dem deutschen Studio Babelsberg. Seine Premiere feierte der Film bereits im Februar auf der Berlinale, eine etwas größere Kinoauswertung gab es für deutsche Zuschauer jetzt im Mai. Genau wie bei Moonrise Kingdom schafft Anderson bei Isle of Dogs einen gewagten Spagat zwischen Indie-Arthouse und großer Produktion. Entstanden ist hier zwar ein Animationsfilm, aber bereits nach wenigen Minuten wird klar, wer dafür verantwortlich war. Insofern ist es schwierig, aufgrund des speziellen Humors und den Anspielungen auf die japanische Popkultur "Isle of Dogs" uneingeschränkt auch Kindern zu empfehlen (die vermutlich weiterhin bei Disney/Pixar und Dream Works mehr auf ihre Kosten kommen werden), aber dennoch bin ich mir sicher, dass auch die jüngere Zielgruppe hier ihren Spaß haben könnte. Anders als man bei der Thematik vielleicht erwarten könnte, so hat Anderson es hier nicht auf die Tränendrüsen der Zuschauer abgesehen sondern stellt elegant Humor und seine einzigartigen haarigen Hauptcharaktere sowie einen liebevollen Protagonist in den Vordergrund. Was nicht bedeutet, Isle of Dogs könne keinerlei Gefühle zeigen.

Die Geschichte ist überraschend schnell erzählt. Wie ein Theaterstück eröffnet der Film mit pummeligen Taiko-Trommlern und einer phantasievollen Vorgeschichte über Hunde und Katzen. Der Plot selbst spielt in einem recht dystopisch angesiedeltem Japan in einer nahen Zukunft. Die Hunde in Japan vermehren sich massenhaft und dabei entstand eine Hundegrippe, die bei der schieren Masse an Tieren zu einem Problem werden könnte. Die Regierung schmiedet einen Plan, all die Hunde Japans auf eine Insel namens "Trash Island" zu deportieren, wo diese anschließend auf sich selbst gestellt sind. 6 Monate später bruchlandet der junge Atari auf Trash Island um nach seinem Hund Spots zu suchen. Dieser findet gleich ein paar tierische Kumpanen und somit beginnt seine Odyssee, die in den höchsten Ebenen der japanischen Regierung ihren Höhepunkt finden wird.

Die Liste an namhaften Sprechern war zu lang, um sie weiter oben alle aufzuzählen. Besonders Darsteller aus Anderson letzten großen Filmen wie Moonrise Kingdom und Grand Budapest Hotel sind hier als Sprecher für die Hunde unterwegs. So sind in weiteren Rollen noch Frances McDormand, Tilda Swinton, Liev Schreiber, Ken Watanabe sowie Roman Coppola zu hören. Da ich leider nur die deutsche Vertonung im Kino sah (die übrigens ausgezeichnet ist und glücklicherweise nicht mit irgendwelchen deutschen Promi-Sprechern versehen wurde), kann ich zu der Performance der durchaus namhaften Besetzung leider nichts schreiben.

Die Dialoge unter den Hunden sind versehen mit trockenem Humor und Offbeat-Situationen. Das Drehbuch ist ausgeklügelt und facettenreich, auch wenn es nicht ganz ohne stereotypische Klischees auskommt. Ein paar Klischees, die im Netz leider mal wieder zu unschönen Debatten führten. Davon sollte sich jedoch niemand beeinflussen lassen, denn sämtliche Nebenschauplätze würden einem so wundervollen Film seinen Zauber nehmen.



Resümee

Untermalt mit einem gewohnt starken Soundtrack von Alexandre Desplat wird der Zuschauer gemeinsam mit dem kleinen Atari diese Reise durch Trash Island genießen. Die Stop-Motion Effekte sind großartig in Szene gesetzt und verleihen den Hunden sogar eine überraschend reale Gestalt. Etwas irreführend können vielleicht für einige Zuschauer die nicht untertitelten, japanischen Dialoge sein die im Film selbst gerne sogar mal von einem Dolmetscher übersetzt werden. Viele Nachrichtenberichte oder aber auch Dialoge unter der Yakuza Regierung wurden hier und da aber nicht vertont. Dies ist natürlich so gewollt, könnte aber besonders bei jüngeren Zuschauern eher für Verwirrung oder Langatmigkeit sorgen.

Von den kleinen Kritikpunkten abgesehen ist Isle of Dogs (die es übrigens tatsächlich in England gibt, allerdings nur vom Namen her) ein Juwel, welches man nicht nur Fans von Wes Anderson wärmstens empfehlen kann sondern auch Fans von klassischen Animationsfilmen. Ich gehe sogar so weit zu sagen, man sollte Isle of Dogs auch den jüngeren Zuschauern zeigen, die ausschließlich mit 3D CGI-Animationsfilmen aufgewachsen sind. Ein durch und durch schöner Film für sämtliche Altersgruppen. Anschauen!

Montag, 28. Mai 2018

Am Meer ist es wärmer und die EU-DSVGO

Foto: Lizenzfreie Testbild-Interpretation von Aufziehvogel zur freien Benutzung!



Ein Grund für die längere Stille auf dem Blog waren natürlich die neuen Datenschutzrichtlinien, die am 25. Mai in Kraft traten. Für viele kleine Websites oder alteingesessene Foren bedeutete die EU-DSVGO das Ende. Der Aufwand für viele Nutzer war entweder zu enorm seine Präsenz den neuen Datenschutzrichtlinien anzupassen oder manche Eigentümer sind schlicht und ergreifend in einer Flut an Abmahnungen ertrunken. Da das Gesetz bis heute für viele noch immer relativ undurchsichtig ist und praktisch unberechenbar ist, so wusste auch ich selbst nicht, wie es fortan hier weitergehen wird. Eine genaue Antwort darauf kann ich noch immer nicht geben, aber zumindest einen kleinen Ausblick auf das, was auf euch als Leser zukommen wird.

Hier mal ein paar wichtige Punkte:


- Google/Blogger informiert euch über die Verwendung von Cookies auf diesem Blog. Eure Daten sind innerhalb der Richtlinien von Google geschützt und mein Blog agiert unter den Nutzungsbedingungen von Google.

- Die beiden verwendeten Plugins auf meinem Blog "Bloglovin und Twitter" wurden überprüft und als unbedenklich eingestuft innerhalb der Richtlinien der EU-DSVGO.

- Weniger Bildmaterial auf "Am Meer ist es wärmer". Schon vor etwas über 2 Jahren trennte ich mich von Videomaterial auf meinem Blog. Bildmaterial wird fortan wesentlich eingeschränkter benutzt werden. Autorenfotos werden nur noch benutzt, sofern ich offizielles Pressematerial erhalte. Das gleiche gilt für Buch- oder Filmcover. Von mir selbst geschossene Fotos werden separat gekennzeichnet und werden für jeden Leser gut sichtbar sein.


Die wichtigsten Infos habe ich nun für euch zusammengefasst. Bei weiteren Fragen findet ihr Kontaktmöglichkeiten zu mir in der dafür erstellten Rubrik. Ein kleiner Hinweis auch dazu noch: Auch ich schätze meine Privatsphäre und werde sämtliche Anfragen über private Kanäle (was durchaus schon einmal vorgekommen ist) ignorieren. Speziell dafür habe ich vor einiger Zeit die Rubrik "Kontakt" eingeführt (klingt nun etwas schroffer, als es tatsächlich gemeint ist).

Insofern werde ich diesen Beitrag hier erst einmal ruhen lassen und bei Änderungen gegebenenfalls drauf zurückkommen.


Genießt weiterhin diese hochsommerlichen Tage und bis bald,
Aufziehvogel

Women in SciFi auf Binge Reading & More





Vor einigen Jahren berichtete ich schon einmal über "Klinken putzen unter Bloggern". Meine eher zurückhaltende Meinung gegenüber Gewinnspielen auf Blogs oder gegenseitige PR-Macherei ist bis heute bestehen geblieben. Ich selbst folge nur einer handvoll Blogs regelmäßig, dafür weiß ich aber, was ich bekomme. Die Wege von Binge Reading & More und Am Meer ist es wärmer kreuzten sich in den letzten Jahren immer wieder und ich bin sehr glücklich, dass ich diesen gemütlichen Blog hier mal präsentieren kann. Und ganz besonders will ich auf eine spezielle Rubrik aufmerksam machen. "Women in SciFi" präsentiert Autorinnen im Science-Fiction Genre, eine Gattung, die, auf den ersten Blick, Männern vorbehalten ist. Fans von Science-Fiction Literatur wissen natürlich, dem ist selbstverständlich nicht so. Alleine die Romane aus dem Star Wars Universum bilden ein erfrischendes Gleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Autoren. "Women in SciFi" ist aber nicht dafür da, irgendwelche Klischees und Stereotypen zu debattieren, es geht schlicht und ergreifend um Literatur in Reinkultur.

Präsentiert werden die jeweiligen Beiträge nicht nur von der Eigentümerin selbst, auch Gast-Autoren kommen hier zu Wort. Das Ergebnis ist eine bunte Mischung an fantastischen Empfehlungen und neuen Eindrücken. Und so kam auch ich ins Spiel, als ich, zu meiner Überraschung, von Sabine gefragt wurde, ob ich nicht selbst einen Beitrag hinzusteuern möchte. Obwohl ich nie der große Science-Fiction Leser war, so war das Angebot zu reizvoll, um es abzuschlagen. An dieser Stelle würde nun eigentlich eine Einleitung folgen, wie ich auf Octavia E. Butler aufmerksam wurde, eine geschätzte Science-Fiction Autorin die gleichzeitig zu Lebzeiten die afroamerikanische Kultur repräsentierte. Aber wer meinen Beitrag lesen möchte, der muss auf Binge Reading & More abbiegen, denn hier geht es einzig und allein darum, auf diese wundervolle Rubrik aufmerksam zu machen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch nochmal bedanken, dass ich einen Beitrag zu diesem schönen Projekt hinzusteuern durfte :)


Donnerstag, 10. Mai 2018

Empfehlung: In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter (Wakayama Bokusui)






Japan

In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter
Autor: Wakayama Bokusui
Verlag: Manesse
Übersetzung und Nachwort: Eduard Klopfenstein
Genre: Tanka, Lyrik



Vor beinahe exakt 3 Jahren hatte ich 2015 mit "Japanische Jahreszeiten" einen ähnlichen Titel besprochen. Der unterschied zum hier vorliegenden Band ist aber signifikant genug. Bei "Japanische Jahreszeiten" sammelte man Haikus und Tankas diverser Autoren gleichermaßen. Bei "In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter" vereint der Manesse Verlag diesmal die Tankas von Wakayama Bokusui.

Der Unterschied zwischen Tankas und Haikus (die Tankas waren als erstes da) ist die Länge. Handelt es sich bei Haikus um die weltbekannten Dreizeiler, so sind die im Westen weniger bekannten Tankas Fünfzeiler. Das Konzept hinter dieser alten japanischen Gedichtform ist ungefähr das selbe (ich hoffe, einen Laien der Dichtkunst wird man nun nicht steinigen sofern ich falsch liege). Man beschreibt eine Momentaufnahme. Schon in meiner letzten Besprechung habe ich angemerkt, dass ich mich für die allgemeine Dichtkunst nie begeistern konnte. Bis heute hat sich da nichts geändert, die Ausnahme sind jedoch besagte Tankas und Haikus aus Japan. Die Kunst dieser wunderschönen Gedichte besteht darin, in wenigen Zeilen etwas alltägliches zu beschreiben und es außergewöhnlich erscheinen zu lassen. Bei den Tankas ist das selbstverständlich nicht anders als bei den Haikus. An der Kunst der Haikus habe ich mich sogar für die auf NHK World ausgestrahlte Sendung "Haiku Masters" selbst einmal versucht und habe schnell meine Grenzen der Kreativität aufgezeigt bekommen, als ich ein eigenes Werk eingesandt habe.

Der japanische Poet Wakayama Bokusui (1885-1928) war damals daran beteiligt, die etwas angestaubte japanische Dichtkunst wieder zu modernisieren. Bokusuis Reisen führten in durch ganz Japan und Korea und die meisten seiner Schöpfungen sind Andenken an seinen Reisen. Bokusui verstarb bereits in einem recht jungen Alter was vermutlich auch seiner Liebe zum japanischen Reiswein Sake geschuldet war.


"Vogelgezwitscher
wie plätscherndes Wasser
Bergkirschen blühen
zur Mittagszeit     zwischen Kiefern
in Waldestiefe"


Wie bei dieser Dichtkunst üblich haftet den Tankas gerne eine melancholische Atmosphäre an. Nichts tragisches oder deprimierendes, es ist eine sehr angenehme Stimmung und bei so manchem Werk kann man beinahe das Meer im Hintergrund rauschen hören. Diese kleinen Fünfzeiler befassen sich mit der Schönheit der Natur und passen besonders jetzt zum Frühling ausgezeichnet gut.

Übersetzt (und mit einem ausführlichem Nachwort versehen) wurden die Tankas vom erfahrenen Japanologe Eduard Klopfenstein (geb. 1938). Neben den ausgezeichnet übersetzten Tankas in eine moderne deutsche Sprache findet sich im Nachwort noch viel wissenswertes über Wakayama Bokusui und der Entstehungsgeschichte seiner Tankas. Versehen sind alle Tankas zusätzlich mit der Jahreszahl ihrer Entstehung. Die einzelnen Abschnitte sind im Buch unterteilt und jeweils Kalligrafien von Bokusui versehen, die in ihrer Originalform abgedruckt wurden und zusätzlich in lateinischer Schrift (aber weiterhin in japanischer Sprache) hinzugefügt wurden. Die Tankas selbst befinden sich allerdings nur in deutscher Sprache im Buch.

Manesse präsentiert hier eine herrliche bibliophile Ausgabe, gebunden mit Schutzumschlag aus einem wie immer hochwertigem Material. Ein Buch, welches zwar zum mitnehmen einlädt, aber man sollte es ausreichend schützen während des Ausflugs. Kleiner Makel: Es gibt leider kein Lesebändchen.






Empfehlung

Erstmals in deutscher Sprache präsentiert Manesse hier einen wundervollen Sammelband, der über 250 Tankas aus Wakayama Bokusuis Schaffenskraft beinhaltet. Sammler von Gedichtbänden aber auch besonders Freunde der japanischen Literatur werden mit "In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter" ein kleines Juwel für ihr Geld erhalten. Und da alle guten Dinge bekanntlich drei sind, so hoffe ich, wird Manesse die Reihe der japanischen Dichtkunst fortsetzen.



"Kleine Imbissbude
an der Hafenmole
Ich schaue mir
die Schiffe an     beiße in einen
Apfel     da rieselt der Ruß..."

Mittwoch, 9. Mai 2018

Die letzten Jedi - Die seltsame Star Wars Episode von Rian Johnson




Massive Spoiler. Mach kehrt sofern du nicht erfahren willst welch ikonischer Charakter sich am ende des Films in Luft auflöst!



Es hat nur rund 34 Jahre gedauert, bis das Star Wars Franchise endlich seinen David Lynch Film bekommen hat. Episode Nummer 8 markiert einen Punkt, wo jede bekannte Film-Marke einmal durch muss: Exploitation. Genau diesen Weg schlägt die neuste Episode aus der Feder von Rian Johnson ein. Rian Johnson machte sich mit Filmen wie Brick und Looper einen Namen. Ein Regisseur, der mehr Kunstfilmer ist als Filmemacher, der nach den strikten Regeln Hollywoods vorgeht. Seine Filmkunst ist nicht wirklich vergleichbar mit den Werken von David Lynch, aber ihre art ein Projekt anzugehen weist viele Parallelen auf. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Kanadier Denis Villeneuve der für Blade Runner 2049 gefeiert wurde und Johnsons Star Wars bei den Oscars in den für beide Filme relevanten Kategorien ausstach.

Die ursprüngliche Planung für Disneys neue Star Wars Trilogie war 3 Regisseure anzuheuern, die für diese Materie wie geschaffen waren. Angefangen bei J.J. Abrams (der für Disney am liebsten die Lösung für alle 3 Filme gewesen wäre und er selbst diesen Fakt nach Episode VII eingesehen hat) der anschließend den Staffelstab an Rian Johnson weitergeben wird und dieser wiederum die Verantwortung an Colin Trevorrow (Jurassic World) übergeben sollte. Zwischen Trevorrow und Disney soll jedoch ein Dissens entstanden sein der wiederum Disney goldenes Kind, Abrams, zurück ins Boot holte. Abrams beteuerte noch mehrmals wie sehr er es bereut hat, abgelehnt zu haben, bei allen 3 Filmen Regie zu führen. Nun wird Abrams beim Finale, Episode IX, wieder übernehmen. Doch vorher muss er sich um den riesigen Scherbenhaufen kümmern, den Johnson hinterlassen hat.

Ganz recht, Abrams hat circa 130 Minuten Nettospielzeit Zeit, auszubügeln, was Rian Johnson mit seiner Episode angerichtet hat. Die Ausgangslage nach Episode VII war dabei nicht so schlecht um wirklich eine große Möglichkeit zu haben, Episode VIII entweder in den Sand zu setzen oder es zu schaffen, etwas anderes als Star Wars aus dieser Episode zu machen. Und genau so fühlen sich "Die letzten Jedi" an: Ich bestelle einen Big Mac und erhalte einen Whopper. Es ist nicht einmal ein Big King sondern ein Whopper. Etwas komplett anderes also. Ein Unding so zu sagen, denn in einem McDonald's wird man niemals einen Whopper oder einen Big King erhalten, es sei denn man besucht den Burger King nebenan und verspeist sein Essen im McDonald's gegenüber. Überhaupt sind Fast Food Vergleiche zu Star Wars beinahe eine Majestätsbeleidigung. Ist es also so weit gekommen?

Aus technischer Sicht gesehen kann man Johnsons Film (welches durch und durch sein Baby ist da er hier auch das Drehbuch verfasst hat) nichts vorwerfen. Wenn auch nicht ganz so stimmig wie der bereits erwähnte Blade Runner 2049 (natürlich Geschmackssache), so ist Episode VIII zumindest optisch ganz großes Kino. Für Episode VII waren für die Geschichte und somit auch für das Drehbuch Veteran Lawrence Kasdan (welcher der Prequel-Trilogie von Lucas komplett ferngeblieben ist) sowie J.J. Abrams selbst. Die Geschichte in Episode VII war weder unglaublich originell noch wirklich neu, besonders hier hat man sich gerne mal am Expanded Universe bedient welches ja bekanntlich von Disney eingestampft wurde. Die Prämisse und Ausgangslage war aber vielversprechend genug, um aus dieser Storyline, dieser Idee, etwas taugliches zu erschaffen. Abrams setzte hier zusätzlich auf den Faktor Nostalgie. Die immer wieder gern benutzte Anschuldigung, Episode VII sei eine direkte Kopie des Erstlings "Eine neue Hoffnung" begreife ich bis heute nicht. Wenn man Abrams Film so etwas vorwirft, kann man genau diese Kritik auch für jeden anderen Star Wars Film (inklusive Episode 1) benutzen, denn rein von der Struktur her sind sie alle gleich aufgebaut. Abrams Film ist da genau so wenig eine Ausnahme wie die anderen Ableger.

Und hier kommt Episode VIII von Rian Johnson ins Spiel. Dieser Film tanzt nämlich, was seine Struktur und was sein Aufbau angeht, größtenteils aus der Reihe. Der Film möchte anders sein und hat auch Erfolg darin, allerdings enden sämtliche Versuche anders zu sein als die Filme davor darin, dass der Film entweder sich selbst oder andere Episoden parodiert oder sich so drastisch von der Star Wars Mythologie unterscheidet, dass es schwer ist, hier noch behaupten zu können, es mit einem legitimen Nachfolger der vorherigen Episoden zu tun zu haben. Ein Schwenker auf Rogue One: Ausgerechnet ein Spin-Off, an das ich kaum irgendwelche Erwartungen hegte und wo die Maus persönlich noch einmal Nachdrehs und Änderungen vornahm, besitzt die pure Essenz von Star Wars in seinem Kern (noch mehr sogar als es Abrams bei seinem Versuch über 2 Stunden lang versuchte). Das große Problem an Johnson Film ist jedoch die Geschichte. Der gesamte Plot wirkt wenig durchdacht und ohne ein wirkliches Konzept. Wurde im Vorgänger die Erste Ordnung und ihr Anführer, der Supreme Leader Snoke (sozusagen der Nachfolger des Imperiums mit einem Anführer nicht weniger mächtig als der Imperator) bereits wenig logisch in die allgemeine Geschichte eingebunden, gelingt Johnson es nicht einmal, diese Kritikpunkte zu beseitigen. Stattdessen macht er es schlimmer. Die interessanten Charaktere, die Abrams im letzten Film eingeführt hat stagnieren, entwickeln sich nicht weiter und sämtliche Wege führen sie in Sackgassen. Kylo Ren wird zu einer schizophrenen Teenie-Nervensäge degradiert die gegen seine Eltern und Lehrer rebelliert, General Hux mutierte zu einer belanglosen Ulk-Figur die für ein paar Comedy-Momente sorgt während Poe Dameron zu einem schießwütigen Revolverheld-Macho umgebaut wurde. Genau so ins Nichts verläuft auch die Storyline von Finn mit seiner asiatischen Freundin auf dem Kasino-Planet (beide so unbedeutend, dass mir nicht einmal der Name des Mädchens und dem Planet einfällt). Doch nicht nur die Charaktere stagnieren, es ist das gesamte Star Wars Universum welches hier stagniert. Zwar gibt es einige neue niedliche Kreaturen die sich sicherlich im Merchandise gut schlagen werden, aber nichts davon bringt den Film weiter oder aber erweitert dieses vielversprechende, große Universum. Johnson lag nichts an exotischen neuen Planeten, Rassen und nicht einmal lag ihm etwas an Lichtschwerter. Ein seltsamer, unangebrachter, beinahe schon surrealer Auftritt von Yoda bestätigte nur noch einmal, wie überfordert der Film mit sich selbst ist.

Abrams Probleme mit der Ersten Ordnung, dem Orden von Ren und Snoke waren nicht so schwerwiegend, dass man sie in "Die letzten Jedi" nicht hätte ausbügeln können. Im Gegenteil. Abrams Story besaß zumindest noch so viel Potential, um ein Feuerwerk in den beiden Fortsetzungen entfachen zu können. Stattdessen werden neue Charaktere, eingeführt im letzten Film, entweder auf einen Cameo reduziert oder aber in zwei Hälften geschnitten. Noch bevor überhaupt ans Licht kam, wer oder was Snoke ist, woher er seine ungeheure Macht schöpft, da wurde er auch schon aus dem Film geschnitten (alle die den Film gesehen haben werden nun in Gelächter ausbrechen, welches sicherlich noch 2 Tage andauern wird). Kein Charakter in Episode VIII bekommt auch nur ein einziges mal die Chance, wirklich etwas relevantes zu tun oder sich weiterzuentwickeln. Besonders die neu eingeführten Charaktere bleiben leere Hüllen oder werden verheizt wie Captain Phasma, Vizeadmiral Holdo oder Benico Del Toros Charakter DJ (der sinnbildlich für die Philosophie des Films steht, dazu gleich noch einmal mehr). Und all das führt letztendlich zur großen, polarisierenden Kontroverse im gesamten Film: Luke Skywalker.

Am Set gab es bereits zwischen Rian Johnson und Mark Hamill einen großen Disput über die Fortführung der Geschichte von Luke Skywalker. Was hat er die vergangenen 30 Jahre getrieben? Warum wurde er zu einem kautzigen, alten Eremit auf einer einsamen Insel, der den Glaube an die gesamte Philosophie der Jedi verloren hat? Ein Mann, der dafür plädiert, dass die Jedi endgültig aussterben müssen. Wer sich wirklich all die Jahrzehnte gefragt hat, was aus dem glücklichen jungen Mann am Ende von "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" passiert ist, der wird hier seine Antwort finden. Man kann sich sicherlich drüber streiten, ob die Geschichte der Skywalker am Ende von Episode VI erzählt ist oder noch etwas Raum für eine letzte, weitere Geschichte bietet. Prinzipiell gehöre ich nicht zu den Leuten, die sich nach Episode VIII nun die Augen unter der Luke Skywalker Fan-Bettdecke ausweinen, ich begrüße diese etwas andere Ausrichtung des Charakters sogar. Probleme habe ich nur damit, wie destruktiv Johnson mit diesem Charakter umgeht. Johnson macht Skywalker zu einem Antiheld. Er wurde zum Cop, dessen Partner von einem Gangsterboss erschossen wurde, damit durchkommt und jener Cop nun den Glaube an das System verloren hat, was die Gesellschaft eigentlich vor der Ungerechtigkeit beschützen soll. Luke Skywalker mutierte zu diesem frustrierten Cop der den Glaube an das System, in dem Falle an seine Bestimmung und Glaubensrichtung, verloren hat. Schockierend ist hier, wie irrelevant Luke Skywalker für die gesamte Geschichte ist und in seinem letzten großen Auftritt so dermaßen belanglos von der Bühne abtritt, als hätte dieser Charakter niemals existiert. Luke Skywalker geht nicht mit einem Knall, er verschwindet einfach und löst sich in Luft auf. Dabei hätte dieser Charakter zumindest einen letzten großen, epischen Kampf verdient gehabt. In seinem bekannten Song hat es Neil Young bisher am schönsten ausgedrückt: "It's better to burn out than to fade away".

Was am Ende bleibt ist ein seltsamer Film, der den Leuten nie das gibt, was sie sehen wollen. Ikonische Dinge. Simple Dinge wie Lichtschwerter die sich kreuzen, Bösewichte die geschwollen reden und charmante Machos die überhebliche Reden schwingen. "Die letzten Jedi" scheint das Franchise für eine neue Zielgruppe aufzubereiten. Ein Opfer, welches man dafür bringen muss ist jenes zu zerstören, was man sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Die alten Helden werden entweder von ihren eigenen Sprösslingen ermordet oder lösen sich in Luft auf. (oder vaporisieren im Falle von Admiral Ackbar). Obwohl ich an sich kein wehmütiger Mensch bin, tut all der Pessimismus, die Neuausrichtung, aber, und ich bin immer noch ein leidenschaftlicher Filmfan, besonders die schwache Geschichte weh. Die Möglichkeiten waren hier vermutlich so unbegrenzt wie die weit, weit entfernte Galaxis. Um noch einmal auf DJ, dem Gauner-Charakter von Benicio Del Toro zurückzukommen: Dieser Charakter ist eine perfekte Metapher für den gesamten Film. Ein Gauner, der sich als liebenswerter Schuft herausstellt und am Ende für ein paar Credits unsere Freunde verrät. Bis zur letzten Sekunde wünscht man sich, dass auch dies nur ein Gauner-Trick des Halunken war. Doch man wartet und wartet und irgendwann realisiert man, dieser liebenswürdige Gauner war in Wahrheit ein unverschämtes, selbstgefälliges Arschloch, eine Hülle, genau so leer wie die Charaktere und Planeten in diesem Film. Vermutlich die größte Überraschung, die sich Rian Johnsons Film bis kurz vor Schluss aufgehoben hat und sein Werk bestens repräsentiert. Und so endet diese etwas andere, seltsame Star Wars Episode von Rian Johnson die rund 140 Minuten lang versucht, anders zu sein als die vergangenen Episoden. Die Geschichte bietet nur noch wenig Spielraum für einen weiteren Film da es an Bösewichten und Helden gleichermaßen fehlt (und Lichtschwerter). Abrams wird sich nun beweisen können, ob er wirklich ein Zauberkünstler ist. Denn hier hilft nur noch ein Magier.



Freitag, 4. Mai 2018

Rezension: Die drei Sonnen (Cixin Liu)





Die Trisolaris-Trilogie 1


China 2006/2008

Die Drei Sonnen
Alternativ: Three-Body, The Three-Body Problem
Autor: Cixin Liu
Verlag: Heyne
Übersetzung: Martina Hasse
Genre: Hard Science-Fiction


Die bemerkenswerte Science-Fiction Trilogie von Cixin Liu hört auf den Titel "Earth's Past" oder ganz einfach "Three Body" (dem Begriff aus der Physik). Im Heimatland China sind die 3 Romane zwischen 2008 bis 2010 erschienen, international schwappte die Begeisterung erst einige Jahre später über (vermutlich besonders ab jenem Moment, als Ex-Präsident Obama das Buch lobte und einen gewissen Trost darin fand im Bezug auf sämtliche irdische Probleme, mit denen er sich zu seiner Amtszeit befassen musste). Da die Geschichte vorher noch in China in Kapitel abgedruckt wurde, geht die Entstehungsgeschichte sogar zurück bis ins Jahr 2006. Die Veröffentlichung in den USA heimste den Hugo Award ein und besonders viel Anerkennung generierte besonders die Übersetzung von Ken Liu (Übersetzer und Autor von Science-Fiction Literatur). Deutsche Leser mussten bis ende 2016 darauf warten, eine übersetzte Ausgabe in die Finger zu bekommen. Eine große Überraschung hierbei ist, der Heyne Verlag lizenzierte nicht die englischsprachige Übersetzung von Ken Liu (die sich übrigens inhaltlich und in einigen anderen Punkten wie Chronologie vom Original unterscheidet), sondern kreierte mit der Übersetzerin Martina Hasse eine Übersetzung der chinesischen Originalausgabe.

Abseits des Buches selbst ist es mindestens genau so interessant zu recherchieren, wie sehr Cixin Liu nicht nur bei seinem Heimatvolk polarisiert, sondern auch bei den internationalen Lesern. Wo es Anerkennung gibt, dort gibt es auch Kritik und umgekehrt. Im Fokus der Kritik steht meistens die Komplexität der Geschichte. Einige internationale Leser kritisieren auch die mangelnden Erklärungen für die geschichtlichen Hintergründe. Und genau hier gibt es einen Einspruch von mir. "Die Drei Sonnen" wurde nie für den westlichen Markt konzipiert. Und dies gilt für die gesamte Trilogie. Wir haben es hier mit einem Autor aus China zu tun, gewisse kulturelle Unterschiede sind hier unvermeidbar (auf den letzten Seiten gibt es ein ausführliches Register). Verzichtet ein ausländischer Verlag aber auf diese Teile der Geschichte, könnte man sich die Veröffentlichung auch komplett sparen. Einen größeren Teil des Kulturschocks wird hier wohl die Thematik rund um die chinesische Kulturrevolution sein (1966-1976). Das komplette Buch baut seine Geschichte auf dieses signifikante Ereignis in der chinesischen Geschichte auf. Cixin Liu beschreibt die Zustände überraschend schonungslos aber auch ausführlich. Für mich als Leser, der sich mit der Revolution bisher nicht großartig befasst hatte (ein Ereignis, welches das China heute so prägte, wie wir es kennen), ein interessantes Thema was noch ein bisschen zusätzliche Recherche nötig machte. Es könnte diese zusätzliche Recherche sein, die einige Leser vielleicht als etwas lästig ansehen könnten, da man bei einem Roman der Kategorie Science-Fiction gerne sofort und ohne geschichtliche Hintergründe in eine exotische Welt eintauchen möchte.

Und genau hier liegt der springende Punkt: "Die Drei Sonnen" ist klassische harte Science-Fiction. Diverse Ähnlichkeiten zu Asimovs Foundation-Trilogie werden gewiss nicht zufällig sein, unterstreichen aber, in welchen Kreisen sich Cixin Liu aufhält. Denn schon lange gab es nicht mehr eine Trilogie, die in so eine klassische Kerbe einschlägt. Und dennoch sind die Wissenschaften im Buch eher zweitrangig und auch für den Leser relativ leicht verständlich. In einem Interview mit chinesischen Studenten an einer britischen Universität gab Liu besonders amüsiert zu, er habe nicht einmal einen besonders starken Draht zur Physik.

"Die Drei Sonnen" kombiniert also gleich mehrere Genre. Historischer Roman, eine Hard Boiled Geschichte und klassische Science-Fiction. Und dennoch schafft es der Autor, diese völlig verschiedenen Elemente natürlich in seine Geschichte einzubauen. Wir haben es hier mit einer Geschichte zu tun, die sich über eine extrem lange Zeitspanne erstreckt. Doch der Ausgangspunkt dieser epischen Reise ist das Jahr 1967 mitten in der Kulturrevolution.

Jetzt habe ich zwar eine menge über das Buch geschrieben und meine Begeisterung ausgedrückt, doch schaffe ich es auch, die Geschichte zusammenzufassen für die Leute, die hier eine Empfehlung suchen? Kann ich nicht einfach die Frage beantworten, ob es in dieser Geschichte Außerirdische gibt? Nun, damit würde ich es mir etwas zu einfach machen. Mit den Trisolanern gibt es zwar eine außerirdische Rasse die sich auf der Erde niederlassen will, aber es ist eher das Wie und Warum und Weshalb, was man hier erklären müsste. Und hier liegt dann die bereits angesprochene Komplexität die den Rahmen einer Rezension sprengen würde. Was man für "Die Drei Sonnen" braucht ist Zeit und eine Liebe zur klassischen Science-Fiction. Sofern man vor hat, Band 1 dieser dreiteiligen Reihe zu lesen, der sollte vorher ein wenig über die Kulturrevolution stöbern, bevor er sich mit dem Buch befasst um so einen leichteren Einstieg zu haben.


Resümee

Ein Buch, etwas zu komplex um es gebührend in einer Rezension zu besprechen. Cixin Liu macht mit "Die Drei Sonnen" Werbung für die chinesische Literatur. Dass ausgerechnet aus China ein solcher Science-Fiction Knaller kommt, damit hätten wohl im Vorfeld nicht viele gerechnet. Besonders das Gebiet, auf dem Liu wandelt galt beinahe als ausgestorben. Diese Renaissance wird seine Leser mit einer Geschichte belohnen, die sich über Zeit und Raum erstreckt. Ich könnte noch Stunden über das Buch weiter plaudern, aber ich denke, jeder sollte "Die Drei Sonnen" für sich selbst entdecken (außerdem würden sämtliche Namen und Begriffe die Rezension unnötig verkomplizieren und den Plot vermutlich wirrer darstellen, als er ist). Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass hier viel Konzentration vom Leser verlangt wird und sich die Ruhe antun sollte, denn sonst könnte es sein, dass man Gefahr läuft, aus der Geschichte geworfen zu werden. Wer sich darauf einlassen kann, der wird hier den Auftakt zu einer fantastischen Trilogie erleben.


Weiter geht es in einigen Tagen mit der Fortsetzung "Der dunkle Wald". Zusätzlich wird es demnächst noch einen Einwurf über Cixin Liu geben, wo ich ein wenig näher auf den Autor und seinen Stilmitteln eingehen werde.