Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 9. Mai 2018

Die letzten Jedi - Die seltsame Star Wars Episode von Rian Johnson




Massive Spoiler. Mach kehrt sofern du nicht erfahren willst welch ikonischer Charakter sich am ende des Films in Luft auflöst!



Es hat nur rund 34 Jahre gedauert, bis das Star Wars Franchise endlich seinen David Lynch Film bekommen hat. Episode Nummer 8 markiert einen Punkt, wo jede bekannte Film-Marke einmal durch muss: Exploitation. Genau diesen Weg schlägt die neuste Episode aus der Feder von Rian Johnson ein. Rian Johnson machte sich mit Filmen wie Brick und Looper einen Namen. Ein Regisseur, der mehr Kunstfilmer ist als Filmemacher, der nach den strikten Regeln Hollywoods vorgeht. Seine Filmkunst ist nicht wirklich vergleichbar mit den Werken von David Lynch, aber ihre art ein Projekt anzugehen weist viele Parallelen auf. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Kanadier Denis Villeneuve der für Blade Runner 2049 gefeiert wurde und Johnsons Star Wars bei den Oscars in den für beide Filme relevanten Kategorien ausstach.

Die ursprüngliche Planung für Disneys neue Star Wars Trilogie war 3 Regisseure anzuheuern, die für diese Materie wie geschaffen waren. Angefangen bei J.J. Abrams (der für Disney am liebsten die Lösung für alle 3 Filme gewesen wäre und er selbst diesen Fakt nach Episode VII eingesehen hat) der anschließend den Staffelstab an Rian Johnson weitergeben wird und dieser wiederum die Verantwortung an Colin Trevorrow (Jurassic World) übergeben sollte. Zwischen Trevorrow und Disney soll jedoch ein Dissens entstanden sein der wiederum Disney goldenes Kind, Abrams, zurück ins Boot holte. Abrams beteuerte noch mehrmals wie sehr er es bereut hat, abgelehnt zu haben, bei allen 3 Filmen Regie zu führen. Nun wird Abrams beim Finale, Episode IX, wieder übernehmen. Doch vorher muss er sich um den riesigen Scherbenhaufen kümmern, den Johnson hinterlassen hat.

Ganz recht, Abrams hat circa 130 Minuten Nettospielzeit Zeit, auszubügeln, was Rian Johnson mit seiner Episode angerichtet hat. Die Ausgangslage nach Episode VII war dabei nicht so schlecht um wirklich eine große Möglichkeit zu haben, Episode VIII entweder in den Sand zu setzen oder es zu schaffen, etwas anderes als Star Wars aus dieser Episode zu machen. Und genau so fühlen sich "Die letzten Jedi" an: Ich bestelle einen Big Mac und erhalte einen Whopper. Es ist nicht einmal ein Big King sondern ein Whopper. Etwas komplett anderes also. Ein Unding so zu sagen, denn in einem McDonald's wird man niemals einen Whopper oder einen Big King erhalten, es sei denn man besucht den Burger King nebenan und verspeist sein Essen im McDonald's gegenüber. Überhaupt sind Fast Food Vergleiche zu Star Wars beinahe eine Majestätsbeleidigung. Ist es also so weit gekommen?

Aus technischer Sicht gesehen kann man Johnsons Film (welches durch und durch sein Baby ist da er hier auch das Drehbuch verfasst hat) nichts vorwerfen. Wenn auch nicht ganz so stimmig wie der bereits erwähnte Blade Runner 2049 (natürlich Geschmackssache), so ist Episode VIII zumindest optisch ganz großes Kino. Für Episode VII waren für die Geschichte und somit auch für das Drehbuch Veteran Lawrence Kasdan (welcher der Prequel-Trilogie von Lucas komplett ferngeblieben ist) sowie J.J. Abrams selbst. Die Geschichte in Episode VII war weder unglaublich originell noch wirklich neu, besonders hier hat man sich gerne mal am Expanded Universe bedient welches ja bekanntlich von Disney eingestampft wurde. Die Prämisse und Ausgangslage war aber vielversprechend genug, um aus dieser Storyline, dieser Idee, etwas taugliches zu erschaffen. Abrams setzte hier zusätzlich auf den Faktor Nostalgie. Die immer wieder gern benutzte Anschuldigung, Episode VII sei eine direkte Kopie des Erstlings "Eine neue Hoffnung" begreife ich bis heute nicht. Wenn man Abrams Film so etwas vorwirft, kann man genau diese Kritik auch für jeden anderen Star Wars Film (inklusive Episode 1) benutzen, denn rein von der Struktur her sind sie alle gleich aufgebaut. Abrams Film ist da genau so wenig eine Ausnahme wie die anderen Ableger.

Und hier kommt Episode VIII von Rian Johnson ins Spiel. Dieser Film tanzt nämlich, was seine Struktur und was sein Aufbau angeht, größtenteils aus der Reihe. Der Film möchte anders sein und hat auch Erfolg darin, allerdings enden sämtliche Versuche anders zu sein als die Filme davor darin, dass der Film entweder sich selbst oder andere Episoden parodiert oder sich so drastisch von der Star Wars Mythologie unterscheidet, dass es schwer ist, hier noch behaupten zu können, es mit einem legitimen Nachfolger der vorherigen Episoden zu tun zu haben. Ein Schwenker auf Rogue One: Ausgerechnet ein Spin-Off, an das ich kaum irgendwelche Erwartungen hegte und wo die Maus persönlich noch einmal Nachdrehs und Änderungen vornahm, besitzt die pure Essenz von Star Wars in seinem Kern (noch mehr sogar als es Abrams bei seinem Versuch über 2 Stunden lang versuchte). Das große Problem an Johnson Film ist jedoch die Geschichte. Der gesamte Plot wirkt wenig durchdacht und ohne ein wirkliches Konzept. Wurde im Vorgänger die Erste Ordnung und ihr Anführer, der Supreme Leader Snoke (sozusagen der Nachfolger des Imperiums mit einem Anführer nicht weniger mächtig als der Imperator) bereits wenig logisch in die allgemeine Geschichte eingebunden, gelingt Johnson es nicht einmal, diese Kritikpunkte zu beseitigen. Stattdessen macht er es schlimmer. Die interessanten Charaktere, die Abrams im letzten Film eingeführt hat stagnieren, entwickeln sich nicht weiter und sämtliche Wege führen sie in Sackgassen. Kylo Ren wird zu einer schizophrenen Teenie-Nervensäge degradiert die gegen seine Eltern und Lehrer rebelliert, General Hux mutierte zu einer belanglosen Ulk-Figur die für ein paar Comedy-Momente sorgt während Poe Dameron zu einem schießwütigen Revolverheld-Macho umgebaut wurde. Genau so ins Nichts verläuft auch die Storyline von Finn mit seiner asiatischen Freundin auf dem Kasino-Planet (beide so unbedeutend, dass mir nicht einmal der Name des Mädchens und dem Planet einfällt). Doch nicht nur die Charaktere stagnieren, es ist das gesamte Star Wars Universum welches hier stagniert. Zwar gibt es einige neue niedliche Kreaturen die sich sicherlich im Merchandise gut schlagen werden, aber nichts davon bringt den Film weiter oder aber erweitert dieses vielversprechende, große Universum. Johnson lag nichts an exotischen neuen Planeten, Rassen und nicht einmal lag ihm etwas an Lichtschwerter. Ein seltsamer, unangebrachter, beinahe schon surrealer Auftritt von Yoda bestätigte nur noch einmal, wie überfordert der Film mit sich selbst ist.

Abrams Probleme mit der Ersten Ordnung, dem Orden von Ren und Snoke waren nicht so schwerwiegend, dass man sie in "Die letzten Jedi" nicht hätte ausbügeln können. Im Gegenteil. Abrams Story besaß zumindest noch so viel Potential, um ein Feuerwerk in den beiden Fortsetzungen entfachen zu können. Stattdessen werden neue Charaktere, eingeführt im letzten Film, entweder auf einen Cameo reduziert oder aber in zwei Hälften geschnitten. Noch bevor überhaupt ans Licht kam, wer oder was Snoke ist, woher er seine ungeheure Macht schöpft, da wurde er auch schon aus dem Film geschnitten (alle die den Film gesehen haben werden nun in Gelächter ausbrechen, welches sicherlich noch 2 Tage andauern wird). Kein Charakter in Episode VIII bekommt auch nur ein einziges mal die Chance, wirklich etwas relevantes zu tun oder sich weiterzuentwickeln. Besonders die neu eingeführten Charaktere bleiben leere Hüllen oder werden verheizt wie Captain Phasma, Vizeadmiral Holdo oder Benico Del Toros Charakter DJ (der sinnbildlich für die Philosophie des Films steht, dazu gleich noch einmal mehr). Und all das führt letztendlich zur großen, polarisierenden Kontroverse im gesamten Film: Luke Skywalker.

Am Set gab es bereits zwischen Rian Johnson und Mark Hamill einen großen Disput über die Fortführung der Geschichte von Luke Skywalker. Was hat er die vergangenen 30 Jahre getrieben? Warum wurde er zu einem kautzigen, alten Eremit auf einer einsamen Insel, der den Glaube an die gesamte Philosophie der Jedi verloren hat? Ein Mann, der dafür plädiert, dass die Jedi endgültig aussterben müssen. Wer sich wirklich all die Jahrzehnte gefragt hat, was aus dem glücklichen jungen Mann am Ende von "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" passiert ist, der wird hier seine Antwort finden. Man kann sich sicherlich drüber streiten, ob die Geschichte der Skywalker am Ende von Episode VI erzählt ist oder noch etwas Raum für eine letzte, weitere Geschichte bietet. Prinzipiell gehöre ich nicht zu den Leuten, die sich nach Episode VIII nun die Augen unter der Luke Skywalker Fan-Bettdecke ausweinen, ich begrüße diese etwas andere Ausrichtung des Charakters sogar. Probleme habe ich nur damit, wie destruktiv Johnson mit diesem Charakter umgeht. Johnson macht Skywalker zu einem Antiheld. Er wurde zum Cop, dessen Partner von einem Gangsterboss erschossen wurde, damit durchkommt und jener Cop nun den Glaube an das System verloren hat, was die Gesellschaft eigentlich vor der Ungerechtigkeit beschützen soll. Luke Skywalker mutierte zu diesem frustrierten Cop der den Glaube an das System, in dem Falle an seine Bestimmung und Glaubensrichtung, verloren hat. Schockierend ist hier, wie irrelevant Luke Skywalker für die gesamte Geschichte ist und in seinem letzten großen Auftritt so dermaßen belanglos von der Bühne abtritt, als hätte dieser Charakter niemals existiert. Luke Skywalker geht nicht mit einem Knall, er verschwindet einfach und löst sich in Luft auf. Dabei hätte dieser Charakter zumindest einen letzten großen, epischen Kampf verdient gehabt. In seinem bekannten Song hat es Neil Young bisher am schönsten ausgedrückt: "It's better to burn out than to fade away".

Was am Ende bleibt ist ein seltsamer Film, der den Leuten nie das gibt, was sie sehen wollen. Ikonische Dinge. Simple Dinge wie Lichtschwerter die sich kreuzen, Bösewichte die geschwollen reden und charmante Machos die überhebliche Reden schwingen. "Die letzten Jedi" scheint das Franchise für eine neue Zielgruppe aufzubereiten. Ein Opfer, welches man dafür bringen muss ist jenes zu zerstören, was man sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Die alten Helden werden entweder von ihren eigenen Sprösslingen ermordet oder lösen sich in Luft auf. (oder vaporisieren im Falle von Admiral Ackbar). Obwohl ich an sich kein wehmütiger Mensch bin, tut all der Pessimismus, die Neuausrichtung, aber, und ich bin immer noch ein leidenschaftlicher Filmfan, besonders die schwache Geschichte weh. Die Möglichkeiten waren hier vermutlich so unbegrenzt wie die weit, weit entfernte Galaxis. Um noch einmal auf DJ, dem Gauner-Charakter von Benicio Del Toro zurückzukommen: Dieser Charakter ist eine perfekte Metapher für den gesamten Film. Ein Gauner, der sich als liebenswerter Schuft herausstellt und am Ende für ein paar Credits unsere Freunde verrät. Bis zur letzten Sekunde wünscht man sich, dass auch dies nur ein Gauner-Trick des Halunken war. Doch man wartet und wartet und irgendwann realisiert man, dieser liebenswürdige Gauner war in Wahrheit ein unverschämtes, selbstgefälliges Arschloch, eine Hülle, genau so leer wie die Charaktere und Planeten in diesem Film. Vermutlich die größte Überraschung, die sich Rian Johnsons Film bis kurz vor Schluss aufgehoben hat und sein Werk bestens repräsentiert. Und so endet diese etwas andere, seltsame Star Wars Episode von Rian Johnson die rund 140 Minuten lang versucht, anders zu sein als die vergangenen Episoden. Die Geschichte bietet nur noch wenig Spielraum für einen weiteren Film da es an Bösewichten und Helden gleichermaßen fehlt (und Lichtschwerter). Abrams wird sich nun beweisen können, ob er wirklich ein Zauberkünstler ist. Denn hier hilft nur noch ein Magier.



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