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Dienstag, 30. September 2025

Review: One Battle After Another

 



One Battle Another

Regie und Drehbuch: Paul Thomas Anderson
Vorlage: Vineland (Thomas Pynchon)
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Sean Penn, Benicio Del Toro, Teyana Taylor, Chase Infiniti
Genre: Drama, Komödie, Satire
Laufzeit: Circa 161 Minuten
Musik: Jonny Greenwood
FSK: Ab 16 


Alle paar Jahre meldet sich Paul Thomas Anderson zurück, weil er uns eine neue Geschichte erzählen möchte. Mit seinem zehnten Spielfilm "One Battle After Another" macht er einmal mehr klar, dass er zu den außergewöhnlichsten zeitgenössischen Regisseuren Hollywoods gehört. Vielleicht einer der letzten Geschichtenerzähler, den es in Tinseltown noch gibt. Umso schwieriger macht es die Lage in den USA, die Menschen zu überreden, sich knapp 3 Stunden ins Kino für einen Film zu setzen, der wie kaum ein anderer Film derzeit die aktuelle Lage der USA mit einem bissigen Galgenhumor wiedergibt. One Battle After Another - Eine Schlacht nach der anderen - gilt wohl auch für das amerikanische Box-Office, wo der Film eindeutig seine härteste Schlacht zu bestreiten hat.

Paul Thomas Anderson ist in keinem Genre so wirklich zu Hause. Er ist vermutlich der einzige Regisseur, der eine Romantic-Comedy mit Adam Sandler in der Hauptrolle drehen kann nur um viele Jahre später zwei Romane von Thomas Pynchon zu adaptieren. Wenn PTA ruft, kommen noch immer die ganz großen Namen. Genau wie einst Sergio Leone sind es die einprägsamen Charaktere, die Anderson entwirft. Sie alle sind auf der Suche nach etwas - Geld, Freiheit, dem Sinn des Lebens - sie alle sind ein bisschen paranoid, kaputt, ängstlich. Haben Verlustängste. All das sind Charaktermerkmale, die auch in One Battle After Another wieder zum Vorschein kommen. Und selten hat Anderson sie gleichzeitig so nah- und unnahbar dargestellt.

Die Geschichte in One Battle After Another handelt von Pat Calhoun (auch Ghetto Pat genannt und gespielt von Leo DiCaprio), der einer linksradikalen Aktivistengruppe namens "French 75" angehört und sich in eine ihrer Anführerinnen, Perfidia Beverly Hills (gespielt von Teyana Taylor), verliebt. Gemeinsam stürmen sie ein vom Militär bewachtes Immigrantenlager und befreien zahlreiche dort inhaftierte Menschen. Das Militär selbst wird gedemütigt, eingesperrt und entmachtet. Alles vor den Augen des stolzen Commanding Officer Steven J. Lockjaw, der sich wiederum ebenfalls unsterblich in Perfidia verliebt. Einige Zeit nach diesem Ereignis vergeht, Pat und Perfidia erwarten eine Tochter und versuchen es als Familie. Perfidia ist für dieses Leben jedoch nicht gemacht und macht stattdessen weiter mit French 75 und wird geschnappt. Nicht nur ist damit die bröckelnde Familienidylle hin, im laufe der Jahre wird Pat als Alleinerziehender Familienvater zu einem drogenabhängigen paranoiden Mann, der immerzu meint, die Vergangenheit könnte ihn und seine mittlerweile 16 Jahre alte Tochter wieder einholen.

In One Battle After Another müssen allen voran kleine Schlachten geschlagen werden. Ghetto Pat wird keine Verschnaufpause gegönnt. Besonders beeindruckend ist einmal mehr die Weitsicht von Paul Thomas Anderson. One Battle After Another ist ein amerikanisches Märchen. Ungefähr so läuft der Film ab. Sean Penn als völlig geistig umnachteter Colonel ist so herrlich überzeichnet, er könnte ein Disney-Bösewicht der alten Schule sein. Zwar sichtlich gealtert aber immer noch mit drahtiger Statur, überragt Penn's Darbietung als Colonel Lockjaw sich selbst. Herausragend stellt er diese Figur so lächerlich und zeitgleich furchteinflößend wie nur möglich dar. Und dann ist da ja auch noch Sensei Sergio St. Carlos (Benicio Del Toro), der Karatelehrer von Pat's Tochter, der zufällig auch noch so ein kleines "Latino-Ding" nebenbei am laufen hat. Nicht nur stiehlt Del Toro hier beinahe allen die Show, sein Zusammenspiel mit DiCaprio weckte bei mir auch wohlige Erinnerungen an Raul Duke und Dr. Gonzo aus "Fear and Loathing in Las Vegas".

Zum zweiten mal wagt sich Anderson hier an einen Thomas Pynchon Roman. Dies klappte bei "Inherent Vice" (ein Film, den ich persönlich absolut herausragend finde) noch nicht so ganz. Zu speziell, viel zu kompliziert und selbst für einen Pynchon-Roman war das schwere Kost. One Battle After Another macht es da ein wenig anders: Nicht nur basiert der Film sowieso schon auf den etwas zugänglicheren Roman "Vineland", die Adaption selbst nimmt es im adaptieren nicht so ernst und Anderson zieht stattdessen lieber einzelne Plot-Points aus dem Roman anstatt ihn wie Inherent Vice aufrichtig adaptieren zu wollen. Und das tut dem Film gut, denn es ist und bleibt nahezu unmöglich, irgendwas von Pynchon respektvoll zu adaptieren.

Die Spannung erreicht ihren Höhepunkt, als in Baktan Cross die Hölle losbricht. Chaos auf den Straßen. Ein ständiger Szenenwechsel, der einem aber gar nicht so vorkommt und alles viel mehr wie ein einziger großer Take abläuft. Eine Melodie, nur wenige Töne hat sie, begleitet von einem nervösen Klimpern auf einem Klavier, begleitet dieses Chaos und die Figuren auf ihrer Tour de Force durch die Anarchie. Wenn man all das verfolgt hat, kommt einem der letzte Teil des Film vielleicht fast schon handzahm, ein wenig in die Länge gezogen vor. Hier hätte man etwas straffen können, da besonders viele Szenen in der Wüste dabei sind, die kaum etwas zum eigentlich flotten Pacing des Films beitragen. Doch auch im finalen Showdown wird noch eine Schlacht ausgetragen. Sie ist persönlicher, emotionaler. Es ist nach der turbulenten Filmmitte nur schwerer, sich auf den deutlich ruhigeren Tonfall des Films danach wieder einlassen zu können.

Und um es kurz und knackig zu machen: One Battle After Another ist politisch angehaucht. Viel mehr sogar noch ist es eine aktuelle Stimmungslage der USA. Doch Anderson gelingt es, all das auf eine nicht penetrante Art zu verpacken. Den Film nicht in irgendwelchen Ideologien abdriften zu lassen. Als auf einmal der sogenannte "Christmas Adventurers Club", eine geheime Vereinigung reicher, weißer Männer (sogenannte White Supremacists) ins Spiel kommt, weiß man, worauf man sich bei One Battle After Another einlassen muss. Nichts ist heilig. Niemand ist sicher. Nicht einmal die Mitglieder in dieser Vereinigung. Getreu dem Motto, wer nicht mit am Tisch sitzt, der landet auf der Speisekarte. Gefressen oder gefressen werden - One Battle After Another.



Fazit:

Paul Thomas Anderson macht weiter genau das, worauf er Bock hat. One Battle After Another ist erneut eine Liebeserklärung von Anderson an das strauchelnde Kino. Nicht jeder wird Andersons modernes Märchen mögen. Dafür piekst der Film vielleicht auch manchmal zu sehr da, wo es weh tut. Bildgewaltig und herausragend geschauspielert (was auch für die Newcomerin Chase Infinity gilt, die hier als Pats Tochter Willa/Charlene überzeugt), gibt es außer einem vielleicht etwas zu großzügig angelegten Showdown nichts, was ich dem Film auch nur ansatzweise vorwerfen könnte. One Battle After Another ist ein Film, der einzig und alleine für die große Leinwand gemacht ist. Er erinnert uns daran, warum es Kinos gibt, warum wir diese mittlerweile völlig überteuerten Lichtspielhäuser mal gerne besucht haben.

Und vielleicht ist dann da doch noch eine einzige, weitere Sünde, die dieser Film begeht: Ein weiterer Paul Thomas Anderson Film ohne Philip Seymour Hoffman. Er war leider wieder unpässlich, wird es wohl auch für immer bleiben. Das wäre ein Film nach seinem Geschmack gewesen und er hätte ihn sehr wahrscheinlich geliebt. Auf dieser doch wehmütigen Note endet die Besprechung dann auch. Auf einer hohen Note aber: Bitte anschauen. Auf der großen Leinwand. Am besten im O-Ton.




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