Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Montag, 24. November 2025

Er hätte uns ruhig noch etwas länger Gesellschaft leisten dürfen: Udo Kier (1944-2025)

 


Es gibt Menschen, die uns als Filmfans schon so lange begleiten, man könnte meinen, sie leben schon ewig und würden uns nie verlassen. Umso heftiger musste ich mir heute Morgen die Augen reiben, als die unmögliche Nachricht in der Tageschhau auftauchte: Udo Kier ist im Alter von 81 Jahren in seiner Heimatstad Palm Springs verstorben. Die Anteilnahme ist groß, denn, präsent war der gebürtige Kölner doch irgendwie immer. In über 200 Filmen verteilt auf eine Karriere, die etliche Dekaden andauerte gab es kaum große Namen, die nicht mit Udo Kier bereits einmal zusammengearbeitet haben.

Bekannt wurde er durch seine exzentrischen, teils exotischen Charakterrollen. Man konnte Kier überall einsetzen. Ob als Hauptdarsteller oder in winzigen Nebenrollen. In ernsten Dramen oder kultigsten Trashfilmen. Ein Charakterdarsteller der alten Schule. Skandale, Fehlanzeige. Über seine Sexualität hat Kier nie einen großen Hehl gemacht. Erst kürzlich hat man zwei von seinen unbestritten legendärsten Filmen wiederentdeckt, zwei Andy Warhol Produktionen (bei denen bis heute glaube ich nie so ganz aufgeklärt wurde, was der Künstler hier genau mit diesen Filmen eigentlich zu tun hatte). In Deutschland lange aufgrund ihrer damals "skandalösen" Inhalte von der Bildfläche verschwunden, seit einiger Zeit wieder rehabilitiert - Frankenstein und Dracula, beide Filme in Szene gesetzt von Paul Morrissey, der fast zur gleichen Zeit vergangenes Jahr im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Es mutet fast schon romantisch an, dass zu diesem Zeitpunkt sowohl Frankenstein als auch Dracula von Guillermo del Toro und Luc Besson neu verfilmt wurden.

Als vergleichsweise noch immer junger Filmfan entdeckte ich Udo Kier in den späten 90ern für mich in Filmen wie Blade und dem mittlerweile nahezu komplett vergessenen Schwarzenegger-Streifen End of Days. Der Mensch hinter den Rollen war weitaus weniger exzentrisch, besaß eine menge Sinn für Humor, ganz besonders rückblickend auf seine vielen verschiedenen Rollen. Es gibt einen Kurzfilm von John Carpenter aus der Masters of Horror Serie (für mich unbestritten eines von Carpenters besten Werken, welches viel zu wenig Beachtung erhalten hat), Cigarette Burns, wo Kier, neben Norman Reedus, die Hauptrolle spielte. Udo Kier spielte in fast schon hypnotischer, furchteinflößender Darstellung den todkranken, exzentrischen Millionär Bellinger, der vor seinem Tod noch einen letzten Film sehen möchte, der mehrere Menschen in den Wahnsinn getrieben haben soll. Es ist die Rolle, die mir von Udo Kier, obwohl das nun auch schon über 20 Jahre her ist, so stark in Erinnerung geblieben ist.

Und jetzt wird man ihn und seine fast schon unheimlich bedrohliche Präsenz auf der Leinwand nie wieder sehen. Und dennoch stimmt es versöhnlich, da wir ihn so lange um uns hatten. Es hätte noch etwas länger sein dürfen, vielleicht noch ein letzter großer Auftritt, der ihm leider verwehrt geblieben ist. Udo Kier sollte sich im kommenden Horrorspiel OD von Hideo Kojima und Jordan Peele verewigen. Aufgrund der Streiks kam die Produktion nicht mehr in die Gänge und mussten auf das kommende Jahr verschoben werden. Für Udo Kier kommt das nun leider zu spät, aber beweisen brauchte er sowieso niemandem mehr etwas. Ob Film oder Videospiel, für ihn hätte es sowieso keine Rolle gespielt. Und genau das schätzten wir all die Jahre so sehr an ihm.

Text: Aufziehvogel

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