Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 10. November 2011

150 Jahre Freundschaft zwischen Deutschland und Japan: Der große Haruki Murakami Abend


Haruki Murakami bleibt ein aktuelles Thema auf meinem Blog. So ist er auch in diesem Beitrag präsent. Doch war es diesmal nicht Murakami selbst der mich am Abend des 08 November faszinierte. Es waren seine Fans.

Das Literaturhaus Köln veranstaltete zu Ehren der deutsch japanischen Freundschaft (immerhin wurden vor genau 150 Jahren die ersten Handelsverträge zwischen Deutschland und Japan geschlossen) einen ganz besonderen Abend. Dieser fand im japanischen Kulturinstitut Köln statt. Hier passte einfach alles. Nicht nur eine langjährige Freundschaft wurde gefeiert, auch eine Ausstellung über das japanische Buchdesign der Gegenwart konnte bestaunt werden (was ich überraschenderweise sehr interessant fand. Fängt die Kunst der japanischen Literatur hier schon bei der Gestaltung des Covers und der Buchbindung an). Hauptthema an diesem Abend war jedoch Haruki Murakami. Das Thema: Wieso ist Haruki Murakami eigentlich so unglaublich erfolgreich im Westen? Was macht dieses Phänomen aus? Eine Frage die eigentlich schwerer zu beantworten ist als es den Anschein macht. Vielleicht ist sie sogar unmöglich zu beantworten.

Der gemütliche Saal war längst vor dem 08 November ausverkauft. Tickets konnte man sich nur im Literaturhaus Köln reservieren. Wer dann nicht das Glück hatte seinen Namen auf der Gästeliste zu finden, musste den Abend wohl leider vor geschlossenen Türen verbringen. Ein Glück, denn ich stand auf der Gästeliste des DuMont Verlages. Die immerhin diesen Abend mit organisiert haben. Viele Gäste kamen wohl aber auch noch in der Hoffnung, den großen Meister selbst an diesem Abend anzutreffen. Weit gefehlt. Murakamis Besuch in Berlin im letzten Jahr sollte etwas ganz besonderes darstellen. Gilt Murakami, wie so viele andere Schriftsteller, eher als Scheu was die Öffentlichkeit angeht (auch wenn sich dies in den letzten etwas Jahre geändert hat). Glück für diejenigen, die letztes Jahr in Berlin waren.

So fühlte sich die Veranstaltung etwas an wie der Spielfilm "I'm not there" von "Todd Haynes". Eine filmisch Biographie über Bob Dylan, ohne Bob Dylan. Und genau so war das dann auch im japanischen Kulturinstitut in Köln. Ein Abend über Haruki Murakami, ohne Haruki Murakami. Anzumerken wäre jedoch noch das Murakami selbst schon einmal im Institut anwesend war. Genau so wie Schriftsteller Kenzaburo Oe.
Allerdings gab es keinen Grund zur Enttäuschung. Die geladenen Gäste waren dafür ebenfalls mehr als vielversprechend.

Geleitet wurde die Diskussion einfach großartig von Hubert Winkels. Der Literaturkritiker aus Düsseldorf ist ein großer Bewunderer der japanischen Literatur und natürlich ein Fan von Murakamis Werk. Dazu gesellt haben sich Schriftsteller Leif Randt (welcher eine menge Lob für seinen aktuellen Roman "Schimmernder Dunst über Coby County" einheimste), die Japanologin Lisette Gebhardt und, ein Gast worauf ich mich ganz besonders gefreut habe, Japanologin und Übersetzerin Ursula Gräfe. Ursula Gräfe hat nicht nur einen Großteil von Murakamis Werk ins deutsche übersetzt, ihr Name findet sich auch noch in zahlreichen anderen deutschen Publikationen japanischer Literatur. Den krönenden Abschluss machte Schauspieler Joachim Krol, dessen markante Stimme perfekt zu Murakamis Text passt. So stellte der Abend also eine Mischung aus Diskussion und Lesung dar, der abgerundet wurde durch ein kleines Konzert das Jazzpianistin Aki Takase.

Was an diesem Abend so besprochen wurde möchte ich zusammenfassen und kommentieren. Für alle die, die es nicht geschafft haben persönlich anwesend zu sein.

Eröffnung


Direktor Professor Kazuaki Tezuka eröffnet den Abend. Mit schwacher Stimme und extrem gebrochenem Deutsch wünscht er allen Anwesenden einen schönen Abend. Anschließend betritt eine der Veranstalterinnen des Literaturhaus Köln die Bühne und gibt ungefähr das gleiche wie Professor Tezuka wieder. Sie bittet die Gäste des Abends auf die Bühne.


Diskussion


Hubert Winkels stellt die Gäste vor. Japanologin Lisette Gebhardt gibt bekannt sie werde an diesem Abend nicht die Rolle der Sigrid Löffler einnehmen, sich aber Murakami kritisch gegenüber stellen und sich nicht zurückhalten. Gelächter unter den Gästen. Etwas zurückhaltender stellt sich der sympathische Leif Randt und die ebenfalls sehr sympathische Ursula Gräfe vor. Hubert Winkels kann sich einen Schmunzler auf Frau Gebhardts Anmerkung nicht verkneifen.


Professor Doktor Lisette Gebhardt, die mit ihrer Aussage über Sigrid Löffler ziemlich ins Fettnäpchen getreten ist, ist als Fachvertreterin an der Goethe Universität Frankfurt tätig. Der erste Eindruck kann trüben, doch mir kam sie ein wenig besserwisserisch rüber. Rechthaberisch. An ihrer Kompetenz will ich nicht zweifeln, allerdings kam sie mir doch neben Leif Randt und Ursula Gräfe etwas abgehoben vor. Das liegt nicht daran das sie an sich Murakamis Werk kritisch gegenübersteht, sondern daran das ihre Argumente teilweise sehr belanglos waren. Aber dies ist jedoch meine persönliche Meinung. Warum die nicht so prall ist, verrate ich im nächsten Teil.

Diskussion


Hubert Winkels stellt die Frage wie man den Erfolg von Haruki Murakami, besonders im Westen, erklären kann. Lisette Gebhardt sagt, Murakami sei der erste japanische Autor bei dem die Verlage erfolgreiches Marketing angewandt haben um auch Verkäufe außerhalb Japans zu erzielen. Ein Raunen ist im Publikum zu hören. Hubert Winkels fragt zurück: Aber irgendwo muss ja dann doch Literatur im Spiel gewesen sein, denn ganz ohne ist so viel Erfolg nicht möglich. Lisette Gebhardt schweigt. Einmal mehr ein Lachen im Publikum. Ursula Gräfe ist am Zug. Sie erzählt das Murakami für sie der westöstlichste Autor ist den sie kennt. Ein Autor der geschickt westliche und östliche Stilelemente miteinander vermischt, dabei aber nicht seine japanische Herkunft vergisst. Desweiteren wurde darauf eingegangen wie schwierig es ist die japanischen Texte ins deutsche zu übertragen.


Mein Kommentar soll natürlich nicht dazu gedacht sein über Frau Gebhardt zu lästern. Ich gebe alles so wieder wie es sich zugetragen hat. Ihre Meinung erntete zwar keine Buh Rufe, dafür aber ein wenig Hohn. Kein Wunder. Keiner der Besucher machte sich auf den Weg ins japanische Kulturinstitut um sich eine kritische Rede über Haruki Murakami anzuhören. Auch kam es mir so vor, als wolle sie auf Gedeih und Verderb etwas finden, was Murakami an diesem Abend schlecht dastehen ließ. Dazu haute sie auch noch den "Bata Kusai" Klassiker raus (eine abfällige Bemerkung für einen Japaner, der von etwas westlichem begeistert ist. ungefähre Übersetzung: Jemand der nach Butter stinkt). Alles ein alter Hut! Und immer wieder kann ich nur sagen, wenn man versucht Murakami und Oe miteinander zu vergleichen: Murakami ist ein Schriftsteller nach dem zweiten Weltkrieg. Oe fing zu Japans düstersten Momenten an zu schreiben. Zwei völlig unterschiedliche Generationen. Doch Murakami ist nicht weniger japanisch als Oe. Lediglich ist das Werk von Haruki Murakami weiter verbreitet als das des Nobelpreisträgers Kenzaburo Oe. Murakami ist in allen Belangen ein japanischer Autor.

Eine weiterer Punkt war die Übersetzung. Hubert Winkels verwechselte etwas und sagte das Ursula Gräfe "Gefährliche Geliebte" neu übersetzt hätte. Das war natürlich eine Fehlinformation (vielleicht gewollt?). Sowohl "Gefährliche Geliebte" als auch "Mister Aufziehvogel" liegen in Deutschland weiterhin "nur" in einer Übersetzung aus dem Englischen vor. Also basierend auf den Übersetzungen von Philip Gabriel und Jay Rubin. Ursula Gräfe sah das aber gar nicht so dramatisch wie es unter Fans immer dargestellt wird. Besonders die deutsche Übersetzung von "Mister Aufziehvogel" gefalle ihr. Da wäre noch so ein amerikanischer Touch in den deutschen Worten. Auf eine Frage von mir im letzten Jahr, oder besser gesagt eine Aussage, schrieb sie auf meinen Kommentar das sie die Übersetzungen von Jay Rubin sogar gerne lese. Lediglich Alfred Birnbaum sei ihr etwas zu pikant. Hoffe ich habe ihn nun nicht mit Philip Gabriel verwechselt.

Eine Neuübersetzung scheint jedoch auch nicht in Sicht zu sein. Das ist natürlich auch mit Kostengründen verbunden. Vermutlich würde es sich für den Verlag nicht einmal lohnen.

Die Diskussion ging weiter. Auf einen richtigen Nenner kam man bei dem Thema jedoch nicht. Man war sich aber sehr einig das Murakami wohl der wichtigste noch lebende, japanische Autor ist. Weiter ging es anschließend mit zwei Lesungen von Schauspieler Joachim Krol. Dieser las drei unterschiedliche Parts aus den ersten zwei Bänden von 1Q84 vor. Krol selbst merkte noch an das er Murakami sehr gerne lese.
Etwas zu kurz kam leider Leif Randt. Dieser fühlte sich glaube ich etwas unbehaglich in der Rolle eines "deutsche Murakamis". Auch er las noch etwas aus seinem hervorragendem neuen Roman "Schimmernder Dunst über Coby County" vor. Am Bücherstand vom Literaturhaus Köln war der Roman an diesem Abend auch recht schnell vergriffen. Interessant war allerdings die Geschichte wie Leif Randt vor einigen Jahren Murakamis Werk kennengelernt hat. Er hatte Liebeskummer, und immer wieder kam er mit dem Roman "Naokos Lächeln" in Kontakt. Er las ihn, und war am Ende sogar eher weniger begeistert. Doch im laufe der Jahre lernte er das Werk von Murakami schätzen. Er machte aber auch klar das sein Stil etwas völlig eigenständiges ist. Was ich wirklich gut fand. "Während Murakami die ganz großen Geschichten erzählt, schreibe ich eher über die kleinen Dinge". So lautete ungefähr sein Zitat. Eine sehr bodenständige Bescheidenheit.

Natürlich waren knapp 2 Stunden sehr knapp bemessen. Aber was wäre eine angemessene Zeit um über Murakamis Werk zu diskutieren? Etwa 2 Tage? 2 Wochen? Wahrscheinlich hätten die Murakami Anhänger an diesem Abend auch noch die Nacht durchgemacht. Natürlich wurde noch einiges mehr bei der Diskussion besprochen. Doch grob zusammengefasst waren das einige wichtige Punkte die ich hier wiedergegeben habe.

Und wie kann ein Abend schöner enden als mit einigen Gläsern Wein und Reisbällchen? Man wurde vorzüglich bewertet. Und das auch noch alles auf Kosten des Hauses. Der Abend endete mit einem kleinen Konzert der Jazzpianistin Aki Takase. Diese spielte, so erfuhr man an diesem Abend, damals in Haruki Murakamis Jazzbar "Peters Cat". Ich habe den Abend bis zum Ende ausgekostet und fühlte mich sehr wohl. Die Reise von Dortmund nach Köln lohnte sich. Um die Atmosphäre perfekt wiederzugeben hätte man natürlich selbst anwesend sein müssen. Ich hoffe sehr das dies nicht der letzte solcher Abende war. Vielleicht ja dann wieder hier im viel zu vernachlässigtem NRW.

Mein Dank geht daher noch einmal an alle Veranstalter und alle anwesenden Gäste. Selbstverständlich ist damit auch Frau Lisette Gebhardt gemeint.

4 Kommentare:

  1. Gut, dass man von den interessantesten Veranstaltungen immer erst erfährt, wenn sie bereits stattgefunden haben.
    Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich dich um dieses Privileg, an dem Abend dabei gewesen zu sein, beneide. Natürlich schade, dass Murakami nicht persönlich da war, aber Ursula Gräfe als Übersetzerin seiner meisten Werke, war doch immerhin schon ein wichtiger Name, zumindest in Deutschland.

    Weißt du, aus welchem Grund genau sie Leif Randt in den Abend mitaufgenommen haben? Der Name ist mir neu und somit habe ich leider keine Ahnung über seine Werke. Hat er jap. Bezüge in seinen Romanen oder ähnelt sich einfach nur der Schreibstil mit dem Murakamis?
    Wenn nur zweites Zutrifft, dann könnte man ja vermuten, er wäre nur ein "Lückenfüller" gewesen, oder?

    Die Reisbällchen haben hoffentlich gemundet und Aki Takase hat einen guten Auftritt geliefert. ;) Echt, wie gut kann man es haben? ;D

    Abendliche Grüße!

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  2. Das kannst du laut sagen. In Berlin wurde selbst Ursula Gräfe im letzten Jahr, soweit ich weiß, nicht eingeladen. Und die hatte Murakami zu dem Zeitpunkt noch nie getroffen (ich glaube daran hat sich auch bis Heute nichts geändert). Auch von der Veranstaltung im japanischen Kulturinstitut wusste ich gar nichts. Bis ich an dem Gewinnspiel dann auf Facebook mitgemacht habe. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet das ich das Ticket gewinnen werde. Dementsprechend war ich doch recht überrascht.

    Leif Randt ist ein wichtiger Vertreter wenn es um junge, deutsche Literatur geht. Sein aktueller Roman kann schon als sehr exotisch bezeichnet werden. Wie man an dem Abend hörte setzte sich Hubert Winkels mit ihm in Verbindung ob er nicht gerne an der Diskussion teilnehmen möchte. Leif Randt war wirklich gut, zum Abend perfekt hätte jedoch Michael Weins gepasst. Immerhin ist sein Roman Lazyboy eine Hommage an Werke wie Hard Boiled Wonderland und das Ende der Welt und Mister Aufziehvogel.

    Das Reisbällchen und auch der Wein waren wirklich sehr gut. Und Aki Takase war sehr geschickt mit ihren Fingern. Was die damit alles auf einem Piano anstellen kann. Auch wenn es nicht so meine Musik ist, fasziniert war ich jedoch.

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  3. Ich kann mich Salvo nur anschließen, weshalb erfährt man immer zu spät von solchen Events?
    Und mal wieder habe ich das Gefühl, dass alles nur noch über Facebook abläuft, zu dumm dass ich diesen Verein boykottiere^^
    neidische Grüße^^

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  4. Hi, Mikage!

    Momentan finde ich kaum Zeit für meine Blogs, daher werde ich wohl auch von Dezember bis Januar erstmal keinen neuen Inhalt posten. Aber mein Hotmail hat mir angezeigt das du geschrieben hast.

    Also Facebook kann man tatsächlich auch für sinnvolle Dinge benutzen. Ich habe jetzt schon öfter was gewonnen. Und besonders Interessant ist tatsächlich die 1Q84 Facebook Page von DuMont. Aber ich kann die Kritik gegenüber Facbook auch genau so gut nachvollziehen.

    Schön das du immer noch meinen Blog liest. Hab einen schönen Abend.

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