Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film
Samstag, 23. Juli 2011
Eine Gruselgeschichte: Kirschblüten im Winter Teil 2
Keine Einleitung diesmal. Das ist Teil 2, was bedeutet, danach kommt nur noch einer ;)
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Teil 2: Nostalgia
2.
Nacht für Nacht den gleichen Traum zu haben, der auch noch wie eine TV-Serie stets fortgesetzt wird, kann man wohl als ein absurdes, nicht wissenschaftlich zu erklärendes Phänomen bezeichnen. Ich erwarte von niemandem das man mir diese Geschichte abkauft. Aber wenn sie euch nicht interessieren würde, oder ihr nicht ein Stückchen an ihr glauben würdet, bin ich mir sehr sicher das ihr schon gar nicht mehr bei Teil 2 dabei wärt.
Genau wie bei Bigfoot gibt es auch bei meiner unheimlichen Geschichte keinen Beweis für ihre Glaubwürdigkeit. Ich kann euch also nur immer wieder erzählen das ich hier von wahren Tatsachen spreche. Und ich spreche nicht über den Freund eines Freundes, über eine stark abgenutzte Geschichte die bereits zu einer Legende wurde weil sie von vielen Personen erzählt wurde, ich spreche, oder besser gesagt, ich schreibe über mich. Über ein Horrorszenario welches mich jede Nacht aufs Neue heimsucht.
Bereits jetzt kämpfe ich wieder mit der Müdigkeit. Doch bevor mich mein eigener Verstand endgültig in den Wahn treibt, möchte ich diese Geschichte bis zu seinem derzeitigen Höhepunkt erzählen.
Der Traum endete meist immer das ich vor jener Tür ohne Knauf stand und meine Augen schloss. Mein Verstand führte mich jedoch immer tiefer ins Labyrinth. Vielleicht ist die einfachste Erklärung ja auch, dass ich hier den Traum einer anderen Person Träume. Indizien dafür gäbe es (zu denen ich später kommen werde).
Mein Ich im Traum handelte immer gleich. Der Gang über die verschneite Wiese, die Ankunft auf dem Hügel, der Blick zum Kirschblütenbaum, der Marsch jenseits der Grenze. Immer wieder kam ich zu dem verlassenen Haus an der Klippe an, dort wo die Welt endete. Der Sternenhimmel schien immer finsterer zu werden, und das Haus immer unheimlicher. Ich konnte mein Traum-Ich nicht davon abhalten immerzu diesen Weg zu bestreiten.
Bis dann eines Nachts der Moment kam, als plötzlich ein Knauf an der riesigen Stahltür befestigt war. Er sah so familiär aus als könne die Tür nicht ohne ihn bestehen. Wie ich bereits erwähnte, wusste ich zu dem Zeitpunkt nichts davon was für eine Welt hinter dieser Tür lauert. Das ich eine weitere Grenze überschreiten werde. Doch wie immer hatte ich keinen Einfluss darauf. Mein Traum-Ich drehte den Türknauf nach Rechts. Ich verschloss nicht mehr die Augen um zu hoffen das ich aufwachen würde. Mit einer seltsamen Überzeugung drehte ich den Türknauf und öffnete die Tür. Und schon als ich Eintrat wurde mir klar das dieses Haus sich gegen sämtliche Logik sträubt. Es war modrig, düster und es hätte nicht realer wirken können. Der Boden bestand aus verrottetem Holz. Es stand ein einsamer Holztisch sowie zwei einsame, morsche Holzstühle im Esszimmer. Die Küche war komplett verrostet und verwahrlost. Eine geöffnete Tür wies den Weg in einen weiteren Raum, vermutlich das Wohnzimmer. Doch egal wie sehr ich versuche mich zu erinnern, es will sich einfach kein Bild von der Einrichtung aufbauen. Auch kann ich mich nach dem aufwachen nie daran erinnern ob es noch weitere Räume gab als die Küche und das Wohnzimmer. Das signifikanteste woran ich mich erinnern kann ist folgendes; im Wohnzimmer steht auf einem kleinen, runden Tisch, ein altes Radio. Und ganz in der Ecke des Raumes ein genau so alter Schaukelstuhl. Als ich das erste mal das Haus betrat, die Küche inspizierte, hörte ich aus dem Wohnzimmer kommend eigenartige Geräusche. Sie wirkten abgehackt und ich konnte sie keinem bekannten Geräusch zuordnen. Wie sich die meisten von euch nun sicher denken können, diese eigenartigen Geräusche machte das Radio. Doch was aus diesem Radio kam konnte man als wahrlich beunruhigend bezeichnen. Ich betrat das kleine Wohnzimmer und näherte mich dem Radio. Und zu hören war..... es klang wie die Rede eines Politikers. Eine uralte Rede. Vielleicht war es eine Kriegserklärung. Ich weiß nur das ich mich ziemlich davor fürchtete und sich mir die Nackenhaare sträuben wenn ich nur daran denke. Ein verlassenes Haus, unbewohnt, die Einrichtung kann man bestenfalls als antik bezeichnen, und plötzlich spielt das nicht minder antike Radio eine kryptische Nachricht ab. Das ganze ist zu vergleichen mit den unheimlichen Verschlüsselungen die man in einem gängigem, herkömmlichen Radio hören kann. Speziell eingerichtete Sender über die Geheimdienste und deren Agenten ihre Botschaften erhalten. Diese Botschaften bestehen aus Zahlencodes die für Jedermann, außer dem Agenten selbst, unverständlich sind. Dennoch wirkt es befremdlich wenn eine Computergenerierte Stimme auf einem unbekannten Sender scheinbar ohne Sinn irgendwelche Zahlen aufsagt. So erging es mir als ich das erste Mal vor dem Radio in meinem Traum stand und plötzlich diese uralte Nachricht hörte. Wollte man mir wohl etwas mitteilen? So wie es Glen Runciter in Ubik tat? Mir Hinweise in meinem Traum liefern. Das wäre eine Erklärung, würde aber ebenfalls wieder ins Absurde abdriften.
In dem Haus fühlte ich mich hoffnungslos verloren. Der Drang aufzuwachen war enorm. Ich realisierte erstmals eine unwirkliche Atmosphäre. Ich merkte das etwas nicht stimmte. Ich versuchte aus dem Haus zu rennen, doch nun fehlte der Türknauf wieder. Da es keine Fenster gab konnte ich nicht fliehen. Wie zuvor, als ich noch draußen vor der verschlossenen Tür stand, schloss ich meine Augen und hoffte das dieser Albtraum bald ein Ende finden würde. Doch es viel mir schwer mich aufs aufwachen zu konzentrieren da ich einen Krach aus dem Wohnzimmer vernahm, gepaart mit unmenschlichen Lauten. Meine Knie schlotterten und ich traute mich nicht umzudrehen. Dabei wusste ich das sich mir etwas näherte. Ich vernahm einen abscheulichen Geruch. Es roch wie vergammeltes Fleisch. Fleisch genau so antik wie die Einrichtung in diesem Haus. Und dieses Etwas welches vor wenigen Momenten noch monströse Laute von sich gab, stand nun genau hinter mir.
Und als ob die Episode einer TV-Serie mit einem Cliffhanger enden würde, wachte ich kurz danach auf. Wieder einmal schweißgebadet und voller Furcht.
Ich fühle mich wie der Hauptcharakter in einer Neil Gaiman Story. Die geraten auch immer in irgendwelche abstrakten, seltsamen Geschichten. Wer weiß, vielleicht bin ich ja nur eine fiktionale Figur in einer Neil Gaiman Story. Vielleicht begegne ich ja noch dem Sandman. Doch das würde keinen Sinn ergeben, ich bin mir ziemlich sicher das ich wirklich existiere. Ich bin lediglich im Begriff den Verstand zu verlieren. Meine weiteren Exkursionen in die Hütte sollten dies besser erläutern warum meine Nerven so blank liegen.
Mein zweiter Trip in die Hütte war noch befremdlicher. Der an der großen Stahltür befestigte Türknauf gehörte mittlerweile zum festen Inventar dieser skurrilen Baute. Erneut trat ich ein, gesteuert von einer unsichtbaren Kraft. Ich fürchtete mich schrecklich, doch ich bewegte mich wieder ohne selbst zu handeln. Ich stand erneut in der Küche, und aus dem Wohnzimmer war wieder das Radio zu hören. Diesmal ertönte Musik. Alte Musik. Es grauste mir als ich hörte das es I Don't Want To Set The World On Fire von den Ink Spots war. Ich tastete mich vorsichtig durch die Küche, völlig im unklaren was sich diesmal im Wohnzimmer befand. Je weiter ich mich dem Zimmer näherte, umso mehr Geräusche vernahm ich. Das knarzen des Schaukelstuhls zum Beispiel. Dabei hielt ich die ganze Zeit über meine Augen geschlossen. Als ich die diesmal geschlossene Tür zum Wohnzimmer öffnete vernahm ich optisch keine Veränderungen in dem Zimmer. Bis auf den Unterschied das ich nicht mehr alleine war. Im Schaukelstuhl saß ein alter Mann. Er wippte hin und her. Allerdings war nicht auszumachen ob es wirklich ein alter Mann war, denn sein Gesicht sah nicht menschlich aus. Es war eine grauenhafte Fratze voller Narben. Seine Augen glichen die einer Fliege. Blutrot waren sie. Sein Körper, selbst seine Kleidung wirkten jedoch völlig menschlich. Sein gesamtes Erscheinungsbild widersprach allem was ich zuvor kannte. Eine innere Panik ergriff mich. Doch bevor ich mich wirklich fürchten konnte wanderten meine Augen einen Blick nach Links, abseits der Gestalt auf dem Schaukelstuhl. Vor dem Radio stand mit dem Rücken zu mir Gewandt, eine alte Frau. Sie war extrem dünn, trug ein langes, billiges Kleid wie man sie oft bei den Trümmerfrauen aus dem zweiten Weltkrieg sah. Ihre Haare waren so weiß wie der Schnee außerhalb des Hauses. Keiner der beiden schien mich zu bemerken. Die alte Frau drehte ein wenig am Radio, und promt wechselte der Sender. Nun ertönte Sleepwalk und ich begriff allmählich worauf die ganze Situation hinaus laufen sollte. Ich ging ein paar Schritte Rückwärts. Dies tat ich jedoch so langsam das es den Anschein vermittelte als würde ich gleich einen Tanz zu Sleepwalk ablegen. Dann drehte sich die alte Frau um. Ich begann zu zittern und ein eiskalter Schauder ergriff meinen Körper. Sie trug eine große Brille mit gigantischen Gläsern (gigantisch. ein Wort welches ich wirklich nicht oft benutze), ihr Gesicht war so faltig das ihre Stirn beinahe ihre Augen verdeckten. Diese Frau wird Mühen gehabt haben überhaupt etwas vernünftig zu erkennen. Dennoch ließen die riesigen, lupenartigen Gläser ihre kleinen kleinen Äuglein riesig erscheinen. Was mir jedoch diesen unbändigen Schrecken einjagte waren zwei Dinge: Zum einen war ich verblüfft das sie, im Gegensatz zu dem Wesen im Schaukelstuhl, komplett menschlich aussah. In einem solch verrückten Traum ist ein menschliches Wesen wohl das geringste was man erwarten würde. Zum anderen schien mir ihr liebliches, und durch die ganzen Falten auch zugleich bedrohliches Gesicht ungemein vertraut. Ich meinte sie schon einmal gesehen zu haben. Sie sah aus wie eine Person die öfter auf mich aufpasste als ich noch klein war. Jedoch gehörte sie nicht zur Familie, die Mutter meiner Mutter, meine Oma, starb bereits kurz nach meiner Geburt. Die alte Frau musterte mich gründlich. Der alte Mann im Schaukelstuhl tat es ihr gleich, wenn auch wesentlich uninteressierter. Ich erschrak erneut als sie plötzlich ihren knochigen Arm ausstreckte und nach mir griff. Ich trat einige Schritte zurück, doch sie begann mir zu folgen. Und anschließend vernahm ich wieder diese unmenschlichen Laute. Diese ertönten als die alte Frau ihren Mund aufmachte. Sie riss ihn so weit auf das ich Angst hatte ihr Kiefer würde gleich heraus brechen. Der alte Mann verfolgte das Geschehen amüsiert. Das kreischen der alten Frau verwandelte sich jedoch immer mehr zu einem röcheln. Es waren qualvolle Laute. Sie würgte Blut aus ihrer Lunge hoch und eine dunkelrote Brühe quoll ihr aus dem Mund und tropfte auf den maroden Holzboden. Ich bewegte mich schnell durch die Küche, wo es nun nach gegrilltem Fleisch roch, auf die Tür zum Ausgang zu. Zu meiner Verwunderung war sie geöffnet. Als ich draußen war stapfte ich durch den Schnee, doch den Lauten zu urteilen war die alte Frau immer noch hinter mir. Als ich in die Ferne blickte sah ich den Kirschblütenbaum der nun hell strahlte. Ein unheimliches leuchten. Man konnte es glaube ich viel mehr als ein glühen bezeichnen. Doch bevor ich den Baum weiter aus der Ferne begutachten konnte spürte ich wie es angenehm warm wurde. Diese angenehme wärme breitete sich auf meinen kompletten Unterleib aus. Diese liebliche wärme riss mich aus dem Horror und ich befand mich einmal mehr, völlig erledigt, in meinem Bett wieder. Nun auch noch durchnässt. Das letzte mal das mir so etwas passiert war muss 10 Jahre her sein.
An dieser Stelle enden meine Erinnerungen. Seit einigen Tagen schlafe ich nun schon wieder ohne mich an irgendetwas erinnern zu können was während der Traumphasen geschehen ist. Meine Augen werden schwer, das Radio plärrt vor sich hin. Ich höre noch den Auftakt von Sleepwalk als mir endgültig die Augen zufallen und ich die Kontrolle über meinen menschlichen Körper verliere und durch die ruhige Melodie entspannt einschlafe.
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Da muss ich mal wieder was zu schreiben. ;)
AntwortenLöschenDu hast echt diese mysteriöse Erzählstimme drauf, das ist fabelhaft! Ohne, dass du den Erzähler genauer beschreibst, hat man ein ungefähres Bild von ihm durch seine persönliche Sprache. Das macht viel Atmosphäre aus, die ja ohnehin schon sehr beklemmend ist.
Vom Stil her erinnert es ein wenig an Lovecraft, aber kein Wunder, wenn du dich von einer seiner Geschichten inspirieren gelassen hast.
Ich fands jedenfalls sehr geil, macht Spaß zu lesen. Freu mich auf den dritten Teil. (und vll bald den anderen Blog)
Hallo Salvo!
AntwortenLöschenEin Teil der Geschichte war bereits fertig bevor ich die Kurzgeschichten Sammlung von Lovecraft angefangen habe zu lesen. Aber was ich dann in diesem Buch gelesen habe fand ich faszinierend. Seine Charaktere entwickeln eigentlich eine Furcht vor ihrer eigenen Phantasie. Das fand ich an Dagon so toll. Und diese Thematik ist eigentlich ein toller Stoff für eine Gruselgeschichte.
Zu meinem Projekt, der Blog ist längst fertig. Auch das Konzept steht. Ich fand nur noch keine Zeit die fertiggestellten Kapitel zu überarbeiten. Hoffe das ich das Heute Abend noch erledigen kann.
Toller Erzähl-Stil, heimisch und exotisch zugleich! Die zahlreichen Adjektive saugen mich förmlich in deine Geschichte hinein - "gesteuert von einer unsichtbaren Kraft"! Ich hoffe, ich höre - bzw. lese noch von Dir.
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