Es ist gerade kurz nach 01:00 Uhr in der Nacht am Dienstag, den 28.05.2024. Das Wetter draußen ist regnerisch, passend sicherlich zur Stimmung, die gerade in Düsseldorf herrscht nachdem die Fortuna in der Relegation nach einem 3:0 im Hinspiel auswärts anschließend im eigenen Stadion im Elfmeterschießen dann doch noch an dem VfL aus Bochum scheiterte. Ein Duell welches mich, zumindest regional gesehen, unglaublich gepackt hat. Doch, seltsamerweise, kreisen meine Gedanken gerade einmal mehr um ein Thema, dem ich anscheinend nicht entkommen kann. Prequels und Spin-offs. Wieso zu solch einer unwirtlichen Uhrzeit? Ich lag immerhin bereits im Bett. Doch sobald ich meine Augen schloss, hatte ich das irre Grinsen von Chris Hemsworth aus Furiosa vor mir. Ich selbst garnierte dieses mittlerweile bekannte Bild noch mit zwei Köpfen, die ich ungeheuer stark mit fragwürdigen Prequels in Verbindung bringe. Aus den einstigen Lichtgestalten Anakin Skywalker und Bilbo Beutlin, einstmals zwei selten anzutreffende Partygäste, wurden Kneipenstammgäste, die man erst aus dem Laden bekommt, wenn die letzte Runde Weinbrand auf den Wirt geht. Dann ist aber auch wirklich Feierabend. Doch was passiert, wenn der Rausschmeißer-Schnaps auch nicht mehr hilft? Der Wirt könnte ungemütlich werden, aber er möchte auch ungern seine besten Kunden verlieren.
Ich mache mir sicherlich seit einer halben Stunde bereits Gedanken darüber, wie ich diesen Einwurf verfassen soll, ohne wie ein zynischer, arroganter Filmbesserwisser zu klingen. Denn mein Ziel ist es nicht, Prequels und Spin-offs per se zu verteufeln. Im Gegenteil, diese Formate haben durchaus Potential, wenn die Studios dahinter mal mehr Mut hätten, sich von den sogenannten Lichtgestalten zu trennen und etwas komplett neues zu wagen. Für einige scheint es doch noch irgendwie Hoffnung zu geben, andere scheinen den alten Mustern treu zu bleiben. Welche Reihen ich hier meinen könnte, kann man vielleicht vorab schon meinem Titelbild entnehmen, aber ich werde natürlich gleich namentlich drauf eingehen.
Aus irgendwelchen Gründen floppt an den US-Kinokassen gerade das Mad Max Prequel-Spin-off Furiosa: A Mad Max Saga. Maestro George Miller setzte sich dafür sogar nochmal persönlich ans Drehbuch und auf den Regiestuhl. Furiosa, im letzten Mad Max Film (Fury Road) noch gespielt von Charlize Theron, wird in dieser Origin-Story des Charakters von Anya Taylor-Joy verkörpert, während mit Chris Hemsworth ein echter Australier wieder einmal den Gegenpart spielt. Auch George Miller geht nun rückwärts, scheint sein eigenes geschaffenes Universum ausbauen zu wollen während er die Oscarprämierte Erfolgsformel aus Fury Road auf Furiosa anwendet. Trotz äußerst guter Kritiken will der Film an den Kinokassen im Gegensatz zu den vielen Explosionen im Film nicht zünden. Vielleicht teilen sich jetzt gerade, in diesem Augenblick, Furiosa, Garfield und die Mannschaft von Fortuna Düsseldorf im Klub der Enttäuschten bei ihrem Lieblingsitaliener ein großes Blech Lasagne, welches sie mit dem billigen Frascati runterspülen. Zeit für ein kleines Geständnis: Ich fand bereits Fury Road damals überwertet. Ich wollte den Film wie so viele andere auch lieben, aber der Funke ist letztendlich nie übergesprungen. Ob es am hölzernen Schauspiel von Tom Hardy lag oder meiner Gleichgültigkeit gegenüber Furiosa vermag ich nicht zu sagen. Aber es reichte völlig aus, dass das lang angekündigte Furiosa-Prequel mich nicht interessieren wird. Vielleicht denken auch einige andere Filmfans so. Vielleicht haben aber die meisten diesen Charakter auch einfach schon wieder vergessen. Vielleicht, vielleicht sind es aber auch Gründe, die einfach nicht wirklich zu erklären sind.
Für mich schlägt Furiosa leider in eine ähnlich uninspirierte Prequel-Kerbe wie so viele andere bekannte Reihen, die diesen Weg bereits gegangen sind. Prequels waren vor der Star Wars Prequel-Trilogie längst nicht so ein großes Thema wie heute. Mittlerweile wird alles, was auch nur annähernd erfolgreich ist, ausgeschlachtet. Ganz schlimm ist es im Horrorsektor wo sich eine Reihe wie Saw unlängst in einem unsäglichem Wirrwarr aus Sequel und Prequel und dann wieder Sequel und noch ein Prequel und etwas Spin-off nahezu selbst kannibalisiert hat (auch wenn der letzte Ableger wohl wieder ein Schritt nach vorn war). Ein gleiches Schicksal musste Paranormal Activity damals hinnehmen, zahlreiche japanische Geister-Horrorfilme und auch noch einige Slasher wie zum Beispiel Texas Chainsaw Massacre, wo man sogar so weit ging, ein Prequel in der Remake-Timeline zu produzieren. Und dann gibt es ja auch noch Insidious, The Conjuring und so weiter. Und es wird wohl nicht lange dauern, bis auch der Horror-Hit aus Australien (ein Film, den auch Chris Hemsworth wärmstens empfiehlt) Talk to Me mit mehreren Prequels und Spin-offs ausgestattet wird. Doch die Milchkühe machen auch vor einem so gefürchteten Mann wie John Wick keinen Halt, wo es mit The Continental den ersten "Ableger" der Reihe gibt, der gleichzeitig als Prequel-Serie fungiert. Und Donnie Yen macht sich bestimmt schon bereit für das angekündigte Caine Spin-off.
Die Ideenlosigkeit, die ich hinter den meisten Prequels sehe, ist die Angst der Studios, etablierte, bekannte, ikonische Figuren nicht weiter verwenden zu können. Entfernt man sich zu sehr von einer bestimmten Timeline, besteht die große Gefahr, dass eben genau diese bekannten Figuren nicht mehr zu sehen sind. Bei Warner und MGM war die Angst beim Hobbit anscheinend damals so groß, dass man es vollbrachte, viel mehr Jacksons Ring-Trilogie zu kopieren als Tolkiens Hobbit zu adaptieren. Denn hier herrschte eindeutig verkehrte Welt. Der Herr der Ringe ist unverkennbar das Sequel zum Hobbit. Doch die Verfilmung des Hobbits wurde so konzipiert, dass sie viel mehr ein Prequel zu Peter Jacksons Ring-Trilogie ist. Es ist ein Dilemma, in dem sich Star Wars nun seit Jahrzehnten befindet. Dieses Dilemma startete einst mit der Prequel-Trilogie und dem Wunsch von George Lucas, seine Geschichte, die irgendwo in der Mitte begann, zu Ende erzählen zu können. Dabei verrannte sich Lucas nur in so viele Widersprüche zur Originaltrilogie, dass man alleine aus diesen Widersprüchen eine eigene Trilogie an Spielfilmen anfertigen könnte. Das Prequel-Dilemma. Es begleitet Star Wars praktisch seit der ursprünglichen Trilogie, als sich alle Leute nach dem "Wie, Wieso und Warum" fragten. Die Skwalker und einige andere beliebte Charaktere wurden über die Jahrzehnte viel mehr zu einer Bürde als Hoffnungsträger, die das Franchise tragen. Als Disney nach der Übernahme von Lucasfilm die Marke endgültig ausschlachtete und man fast meinen konnte, vielleicht würde auch noch Jar Jar Binks eine eigenständige Event-Serie erhalten, wurde klar, wie klein die weit, weit entfernte Galaxie wirklich ist. Sämtliche Prequel-Shows wie The Mandalorian, Andor und Ahsoka wagten sich trotz ihrer Qualitäten, wie auch schon die CG-Zeichentrickserien, kaum aus ihrer Komfortzone. Ein bisschen wirkt Star Wars wie ein sehr isolierter Mensch, der tagtäglich das gleiche sieht und sich fragt, wie die Welt wohl hinter Ampel Nr. 5 aussehen mag. Star Wars ist im Prequel-Gefängnis gefangen, obwohl man Geschichten erzählen könnte, die hunderte, gar tausende Jahre zurückreichen oder nach vorn blicken, fernab der Skywalkers und einem weiteren verzweifelten Auftritt von Darth Vader, Luke Skywalker oder dem Imperator. Die Studios klammern sich in ihren Prequels zu sehr an Komfortzonen und Wohlfühloasen, die den Zuschauern aber immer mehr aus den Ohren kommen. Da die Geschichten der Prequels und damit oft verbundenen Spin-offs nur wenige Jahre bis Jahrzehnte auseinander liegen, gibt es kaum Weiterentwicklungen oder echte Neuerungen. Das Schicksal vieler Charaktere kennt man unlängst aus etlichen Filmen. Doch frische, unverbrauchte Geschichten und Charaktere könnten vor diesen legendären Marken liegen.
Jedoch es gibt wenige Beispiele, wo ein Prequel auch funktionieren kann. Zuletzt hat mir dies erst House of the Dragon bewiesen, eine Serie, die rund 200 Jahre vor den Ereignissen in Game of Thrones spielt. Nicht nur respektiert man hier das Buch von GRRM, die Macher haben es auch geschafft, sich von bekannten Charakteren zu lösen, anstatt irgendwelche unsinnigen Origin-Stories zu Publikumsliebling XYZ zu erzählen. House of the Dragon erzählt nicht die Geschichte einzelner bekannter Figuren weiter, die Serie erzählt einen Mythos weiter, die Geschichte einer Familiendynastie und erweitert damit den gesamten Serienkosmos, während man immer noch eine altbekannte Atmosphäre aufbaut, sei es durch bekannte Locations oder Familiennamen. Dies ist etwas, was der Prequel-Serie zum Herrn der Ringe, den Ringen der Macht, nur in den seltensten Fällen gelungen ist. Genau wie der Hobbit ist man trotz einer gewaltigen Zeitspanne zur Ring-Trilogie zu sehr darauf bedacht, auf Gedeih und Verderb namhafte Charaktere in der Geschichte unterzubringen. Hier entsteht eine erneute Abhängigkeit zu den bereits etablierten Charakteren, obwohl das Schaffen von Tolkien so viele weitere Geschichten aus verschiedenen Zeitaltern umfasst, die es nicht nur alle wert sind, erzählt zu werden sondern zeitgleich auch auf neue Helden und Bösewichte setzen.
Um nun aber zu meinem Ausganspunkt von ganz oben zurückzukommen, es scheint Hoffnung zu geben und gleichzeitig auch wieder die Befürchtung, einige verharren in ihrer Komfortzone, um sich von bekannten Charakteren, die die Zuschauer kennen und lieben, nicht trennen zu müssen. Ausgerechnet Disney mit Star Wars scheint nun aber verstanden zu haben, dass die Marschrute, die man viel zu lange gefahren ist, nicht mehr weiter befahrbar ist. Bereits seit 2021, als man die High Republic mit viel PR etabliert hat, sind einige sehr gelungene Romane erschienen die mehrere Jahrhunderte vor der Skywalker-Saga spielen. In den Jahren zuvor haben immer mal wieder einige ältere Star Wars Romane Ausflüge in frühere Zeiten gemacht, doch mit der High Republic zählen diese Geschichten erstmals zum neu etablierten Kanon. Auf Grundlage dieser Ära und Romane startet im Juni mit The Acolyte die erste Serie in der High Republic und die rund 100 Jahre vor den Ereignissen der Skywalker-Saga spielen wird. Frische, neue Geschichten und Charaktere, völlig unverbraucht aber in einem etablierten Mythos. Star Wars könnte dies gelingen, was zuletzt House of the Dragon gelungen ist.
Düsterer sieht es da hingegen schon wieder in Mittelerde aus. Auch dort wird weiter neuer Stoff für neue Adaptionen entwickelt. In wenigen Monaten startet die zweite Staffeln zu den Ringen der Macht. Ein erster längerer Teaser zeigt nur wenig Weiterentwicklung und erschuf viel mehr Internet-Memes über Perücken und elbischen Plastikohren. Vor wenigen Wochen wurde die Rückkehr von Peter Jackson und seinem Team angekündigt, die mit Andy Serkis auf dem Regiestuhl für 2026 einen neuen Spielfilm planen, der die Jagd auf die Kreatur Gollum behandeln soll. Warner und Tolkien Estate wollten schon lange einen Film über Aragorn haben, hier können die Verantwortlichen gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie in diesem Film mit Aragorn, Gollum und Gandalf gleich drei extrem populäre Charaktere aus dem Franchise unterbringen können. Bereits 2009 erfreute sich ein Non-Profit-Film von Fans, die sich dieser kleinen, verlorenen Geschichte widmeten, großer Beliebtheit. Warner hat nach all diesen Jahren die Verfügbarkeit dieses Fan-Films nun einschränken lassen. Die Jagd nach Gollum taugt sicherlich als kurzer Fan-Film, der nicht ganz eine Stunde Laufzeit für sich beansprucht. Es ist selbst im Herrn der Ringe (Bücher) als auch in den Anhängen (Buch) eine Geschichte, die nicht mehr als eine Randbemerkung von Aragorn wert ist. Die Geschichte bietet keinerlei Spielraum für irgendwelche Weiterentwicklungen des Mittelerde-Kosmos. Noch vor Filmbeginn kennt man das Schicksal aller drei Charaktere. Sollte es hier also nicht die ganz große Überraschung geben, haben die Verantwortlichen erneut den Sprung verpasst, das Universum von Tolkien sinnvoll zu erweitern.
Eine Plage namens Prequels. Etwas melodramatisch von mir nun ausgedrückt, wenn ich ehrlich bin! Aber ich bin nun mal sehr ehrlich und ende diesen Einwurf trotzdem versöhnlich, dass Prequels sowie Spin-Offs ihre Daseinsberechtigung haben, wenn man diese sinnvoll angeht. Wie man an House of the Dragon oder auch der High Republic sieht, kostet es einiges an Aufwand, ein etabliertes Franchise auf neue Gewässer zu führen. Ein Übergang darf nicht zu radikal stattfinden und muss behutsam vorgenommen werden. Auch ohne etablierte Charaktere müssen die Zuschauer sich am Ende heimisch fühlen. Wenn das gelingt, dann kann man auch skeptische Zuschauer wie mich wieder für sich gewinnen. Im altbekannten Trott zu verweilen, weil die Verantwortlichen dahinter sich nicht trauen, von bekannten Charakteren Abschied zu nehmen, bewirkt gegenteiliges. Die Geschichten und Schiskale vieler dieser Charaktere sind unlängst erzählt und besiegelt, stattdessen versäumt man es, aus diesen faszinierenden Universen Geschichten zu präsentieren, die es wert sind, erzählt zu werden. Für Lasagne ist es nun etwas spät (oder früh), aber ich denke, dies war ein ganz brauchbares Schlusswort.