Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 31. Januar 2019

Japanuary 2019 Teil 2: Filme 5-8





Mein zweiter Japanuary ist auch schon wieder vorüber und wird hoffentlich im nächsten Jahr eine Fortführung finden. Die japanischen Filme, die wirklich mein Interesse wecken, werden von Jahr zu Jahr weniger da sich das japanische Kino kontinuierlich verändert (ob Spielfilme mit realen Darstellern oder Anime). Nicht unbedingt in eine kreative, einzigartige Richtung wie es noch vor rund zehn Jahren der Fall war, sondern eher in eine Einbahnstraße, aus der es wohl vorerst kein Zurück gibt. Auf diese Thematik will ich demnächst in einem gesonderten Artikel eingehen. Dies ist aber auch einer der Gründe, wieso ich für mein Japanuary-Special einige ältere Filme ausgewählt habe. Dennoch habe ich erneut einen ausgewogenen Mix an verschiedenen Genres und Entstehungsjahren gefunden, der vielleicht noch den ein oder anderen Geheimtipp für Fans der japanischen Filmkunst bereithält.

Viel Spaß nun mit Teil 2 des Japanuary! Mein Dank geht erneut an SchönerDenken und Spätfilm, die dieses Event besonders auf Twitter gefördert und sich wieder einmal viele Leute mit interessanten Empfehlungen dem Japanuary angeschlossen haben!

Filme werden aufgelistet nach dem Datum ihrer Veröffentlichung. Diesmal macht der älteste Film den Anfang.





#5



Akira Kurosawa's Träume
Originaltitel: Yume
Regie: Akira Kurosawa
Genre: Fantasy
FSK: Ab 12


Bereits 2013 hatte ich mich mit "Träume" von Akira Kurosawa schon einmal hier auf "Am Meer ist es wärmer" auseinandergesetzt. Mein Fazit einige Jahre später fällt gar nicht mal so anders aus als damals (Link). Was sich aber geändert hat, ist die Bildauflösung des Films. Auf Blu-ray kommen viele Facetten zum Vorschein, die mir meine damals geschaute Fassung verwehrte. Die abstrakten Bilder und die aufwendig gestalteten Sets kommen hier sehr schön zur Geltung und machen den Film zumindest visuell zu einem Genuss.

Inhaltlich bleibt dieses Spätwerk weiterhin einer von Kurosawas schwächeren Filmen. Natürlich sollen hier allen voran die Bilder einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Doch auch das Film-Pacing passt nicht so ganz. So wirkt die dritte Geschichte um die Bergsteiger künstlich ziemlich in die Länge gezogen. Leider aber haftet den meisten Episoden auch eine ziemlich aufgesetzte Moral an. Etwas, was man von Kurosawa eigentlich nicht gewohnt ist. Doch am Ende von Träume ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich positiv auf den Film zurückblicke. Er scheint also etwas zu haben, was zumindest nachhaltig einen bleibenden Eindruck hinterlässt.





#6



Charisma (1999)
Originaltitel: Karisuma
Regie: Kiyoshi Kurosawa
Genre: Drama, Mystery
FSK: Ab 16


Filme wie Cure, Charisma oder Pulse dreht Regisseur Kiyoshi Kurosawa (noch immer nicht verwandt oder verschwägert mit Akira Kurosawa) heute nicht mehr. Kurosawa ist auch wieder ein exemplarisches Beispiel eines japanischen Filmemachers, der seinen Stil über die Jahre komplett umgekrempelt hat und anstatt aus seiner eigenen, großartigen Kreativität eine Story für einen Film zu erschaffen, lieber auf eine Adaption setzt. Charisma stammt aus einer Zeit, wo Kurosawa eine menge außergewöhnlich gute Filme gedreht hat. Immer wieder setzte der Filmemacher dabei auf Hauptdarsteller Koji Yakusho, der mit seiner Präsenz jeden Film Kurosawas bereicherte. Kurosawa bezeichnete den Schauspieler einst als Seelenverwandten, ein Grund für die vielen Zusammenarbeiten.

Charisma ist sicherlich einer von Kurosawas kompliziertesten Filme. Im Grunde handelt es sich hier um einen Kunstfilm der auf viele philosophische Themen eingeht. Die deutsche DVD, die damals von AFN veröffentlicht wurde, befindet sich schon lange in meinem Besitz, allerdings habe ich den Film in all den Jahren aufgrund der unterirdischen Bildqualität nicht geschaut. Etwas, worüber ich mich nun ziemlich ärgere denn, obwohl die Bildqualität so unterirdisch ist wie ich sie in Erinnerung hatte, ist der Film, der sich dahinter versteckt, umso sehenswerter. Im Vordergrund steht hier ein Baum namens "Charisma", der für das Ende der Welt verantwortlich sein könnte. Die Frage nach dem "Wieso" und "Warum" bekommt man nicht auf einem Silbertablett serviert, aber umso wichtiger ist es, dem Film aufmerksam zu folgen um einige wirre Enden später miteinander zu verknüpfen (besonders mit dem Anfang). Charisma ist sicherlich kein massentauglicher Film, aber allen voran erst einmal eine wundervolle Idee, die für mich den Geist des japanischen Kinos beherbergt und woran so viele amerikanische Studios bei all den Remakes gescheitert sind, diesen Geist für ihre Filme einzufangen.




#7



Children Who Chase Lost Voices (2011)
Alternativ: Die Reise nach Agartha
Originaltitel: Hoshi o ou kodomo
Regie: Makoto Shinkai
Genre: Fantasy, Anime
FSK: Ab 12


Mit "Your Name" hat Filmemacher Makoto Shinkai zweifelsohne sein wohl bekanntestes Werk abgeliefert. Doch auch die Filme, die vor diesem Welthit entstanden sind, weisen eine beeindruckende Schaffenskraft auf. Der Vorteil von Shinkais Filmen ist denkbar einfach, all seine Werke basieren auf ein Original-Script. Somit muss kein bereits erhältliches Werk wie ein Manga oder ein Roman adaptiert werden und in einen denkbar kürzeren Anime-Spielfilm gepresst werden.

"Children Who Chase Lost Voices" oder auch "Die Reise nach Agartha" könnte durch den Erfolg von "Your Name" etwas in Vergessenheit geraten. Ich selbst hatte, als ich den Film vor einigen Tagen erstmals sah, keine großen Erwartungen. Häufig setzt Shinkai auf reale Settings (zieht man die kurze OVA Voices of a Distant Star mal ab), in einem Fantasy-Setting konnte ich mir kein Werk von ihm so recht gut vorstellen. Zumal die Chance groß ist, einfach ein erfolgreiches Konzept von Hayao Miyazaki zu kopieren. Doch Makoto Shinkai ist es mit "Children Who Chase Lost Voices" überraschend gelungen, dem großen Studio Ghibli lediglich Tribut zu zollen, aber nichts zu kopieren. Thematisch setzt sich der Film sehr intensiv und auf eine interessante art mit dem Thema Leben und Tod auseinander. Bildgewaltig und von beachtlicher Lauflänge wird hier die Geschichte einzelner Schicksale erzählt, die alle mit Verlusten in ihrem Leben umgehen müssen. Was hier in einem vor Kitsch triefendem Klischeefest hätte ausarten können, hat Shinkai unglaublich seriös und reif gemeistert. Auch ein Grund, wieso der Film vermutlich nicht gerade ein idealer Film für Kinder ist (die Altersfreigabe ist hier sogar mal wegweisend). Auch mit einigen grafischen Spitzen geht der Film nicht gerade zimperlich um, weshalb wohl eine ältere Zielgruppe, wie bei allen Filmen von Shinkai, hier mehr ihre Freude finden wird. Eine sehr angenehme Überraschung und geplant ist demnächst sicherlich auch eine weitere Sichtung.




#8



Fires on the plain (2014
Originaltitel: Nobi
Regie: Shinya Tsukamoto
Genre: Kriegsdrama
FSK: In Deutschland (noch) nicht erschienen


Im Gegensatz zu prominenten japanischen Filmemachern wie Takashi Miike oder Kiyoshi Kurosawa ist Shinya Tsukamoto seinem Stil treu geblieben. Tsukamoto ist mit "Fires on the plain" bereits zum dritten mal in meiner Japanuary Liste seit 2018 dabei. Bereits mit "Kotoko" hat er bewiesen, dass er seinen brachialen Stil nicht verändert hat. Ein Fakt, der mich sehr erfreut denn ich schätze die Filmkunst des Japaners sehr. "Fires on the plain" ist Shinya Tsukamotos ganz eigenes Remake von Kon Ichikawas gleichnamigen Film aus dem Jahr 1959 (der wiederum eine Adaption des Romans von Shohei Ooka ist).

Inhaltlich von der Machart her ähnlich paranoid und wahnsinnig wie "Aguirre" von Werner Herzog, setzt Shinya Tsukamoto hier in jeder Rubrik noch einmal einen drauf. Entstanden ist ein schonungsloser Antikriegsfilm, der den Wahnsinn zum Ende des 2. Weltkriegs in bewegten Bildern dokumentiert, die einem Fiebertraum gleichkommen. "Fires on the Plain" ist gespickt mit den surrealen Halluzinationen des Protagonisten (wieder einmal verkörpert von Tsukamoto selbst) die einen Wimpernschlag später wieder in der blutigen Realität andocken. Wenn "Kotoko" laut Tsukamotos eigenen Aussagen der geistige Nachfolger zu "Vital" ist, dann ist "Fires on the Plain" der geistige Nachfolger zu seinem beeindruckendem Kurzfilm "Haze". In weniger als 90 Minuten schafft Shinya Tsukamoto es, die Hölle auf Filmmaterial zu bannen. Nachdem er selbst nicht komplett mit seinem Zweiteiler Nightmare Detective zufrieden war, läuft der Japaner mit diesem Remake wieder zur Höchstform auf. "Fires on the Plain" zählt für mich zu den stärksten Werken, die Tsukamoto in seiner langen Karriere abgeliefert hat. Eine ganz klare Empfehlung und zudem sehr schade, dass sich für seine neusten Filme kein deutscher Verleih zu finden scheint. Das Werk von Shinya Tsukamoto findet man derzeit in Großbritannien im Programm des Verleihs Third Window Films (Link).

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