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Donnerstag, 24. Januar 2019

Im Rückblick: Unterwerfung (Michel Houellebecq)





Am 04.01.19 erschien in Frankreich Michel Houellebecq's neuster Roman "Serotonin" (Rezension folgt bald). Nur drei Tage später am 07.01.19 veröffentlichte der DuMont Verlag das Werk auch in deutscher Übersetzung. In Europa wandelt der Franzose damit mal wieder auf sämtlichen Bestsellerlisten, er selbst verzichtet seit den Ereignissen aus dem Jahr 2015 auf öffentliche Auftritte.

Nun sind exakt 4 Jahre verstrichen, seit Houellebecq "Unterwerfung" veröffentlicht hat. Eine Buchveröffentlichung, die wohl europäische Geschichte geschrieben hat. Unterwerfung ist zu unruhigen politischen Zeiten in Frankreich erschienen und leider auch an dem Tag, als das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo von radikal-fanatischen Terroristen angegriffen wurde und 12 Todesopfer und viele verletzte forderte. Unter den Opfern der Redaktion befand sich auch ein guter Freund Houellebecq's, weshalb er anschließend eine große Promo-Tour für sein Buch absagte und sich anschließend immer weiter zurückgezogen hat.

Ich selbst entschied mich damals dazu, das Buch nicht auf "Am Meer ist es wärmer" zu besprechen sondern dieses privat zu lesen und stattdessen im Freundeskreis darüber zu diskutieren. Doch die Jahre, die verstrichen sind, sind eine recht lange Zeit und zumindest einen kleinen Rückblick auf meine Eindrücke zum Buch möchte ich nun gerne mal in Worte fassen.

Grundsätzlich kann man Unterwerfung als Dystopie sehen. Mit einem Augenzwinkern sogar als Science-Fiction. Aber keine sorge, es geht hier nicht um Aliens, die eine Invasion auf Paris geplant haben. Die Geschichte siedelt im Jahr 2022 an und spielt mit einer Idee. Eine Idee, die durchaus Substanz besitzt. Wie würde sich ein westliches Land verändern, wenn ein Präsident islamischer Herkunft an die Macht kommt? Natürlich ist Houellebecq viel zu klug dafür, hier einen plumpen islamfeindlichen Roman abzuliefern, der einzig und allein Islamophobie verbreitet. Stattdessen spielt der Autor hier lediglich mit einer Idee, einem Konzept und siedelt seinen Roman daher in einer nahen Zukunft an. Realität und Fiktion vermischen sich in Unterwerfung und verschmelzen zu einer Einheit. Im Mittelpunkt steht jedoch wieder einer von Houellebecqs melancholischen Protagonisten, ein Literaturprofessor mittleren Alters, der aufgrund der Veränderungen an seiner Universität mitten in den Strudel der Unruhen gesogen wird. Der größte Teil des Romans befasst sich mit dem Ich-Erzähler, der seine Ereignisse als Privatperson relativ nüchtern erzählt.

So nüchtern wie Erzähler François seine Erlebnisse schildert, so nüchtern endet die Geschichte auch. Es ist mal wieder Houellebecqs eigene art, wie er ein kontroverses Thema behandelt und abschließt. Viele Leser werden hier sicher auf der Suche nach Tabubrüchen gewesen sein, doch meiner Meinung nach wurde man da wohl nicht so fündig, wie manche es gerne gehabt hätten. Viel interessanter als die ausgeprägten Sexszenen (die traditionell vorhanden und pikant beschrieben sind) war für mich die bedrückende Atmosphäre, die Houellebecq makellos in seinen Text eingefangen hat. Es war die art, wie er mit diesem Konzept experimentierte ohne alte Klischees oder erzwungene Tabubrüche aus der Schatulle zu kramen. Für einige mag dieser nüchterne, melancholische Erzählstil nicht das gehalten haben, was die Inhaltsangabe vielleicht versprochen hat, aber wer genau danach geht, der ist bei Houellebecq grundsätzlich falsch aufgehoben.

Ich blicke weiterhin sehr zufrieden auf Unterwerfung zurück. Natürlich wird man auch in Zukunft den Roman mit den fürchterlichen Ereignissen verknüpfen, die zur gleichen Zeit nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa erschütterten. Doch hat sowohl der Roman als auch die vielen Reaktionen der Menschen bewiesen, die künstlerische Freiheit ist immer noch eine unserer wertvollsten Güter. Und diese Botschaft vertritt der Roman auch heute noch bravurös.

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