Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 29. Juli 2016

Rezension: Heilige Mörderin (Keigo Higashino)






Japan 2008

Heilige Mörderin
Originaltitel: Seijo no Kyūsai
Reihe: Physikprofessor-Yukawa Band 2 (Detective Galileo Series)
Autor: Keigo Higashino
Taschenbuchausgabe: Erschienen beim Piper Verlag (Deutsche Erstveröffentlichung bei Klett-Cotta)
Übersetzung: Ursula Gräfe
Genre: Krimi


">>Als die Kollegen den Tatort untersuchten, klingelte das Handy des Toten. Der Anruf kam von einem Restaurant in Ebisu. Mashiba hatte dort für acht Uhr einen Tisch bestellt. Für zwei Personen. Da er nicht aufgetaucht ist, wollten sie nachfragen. Die Reservierung hatte er gegen halb sieben vorgenommen. Wie gesagt, hat Frau Wakayama Herrn Mashiba gegen sieben angerufen und nicht erreicht. Schon ein bisschen ungewöhnlich, oder? Ein Mensch, der um halb sieben einen Tisch in einem Restaurant reserviert und dann um sieben Selbstmord begeht.<<
Kusanagi runzelte die Stirn und kratzte sich mit einem Finger die Augenbraue. >>Das hättest du mir auch gleich sagen können.<<
>>Wegen Ihrer Fragen bin ich noch nicht dazu gekommen.<<
>>Ist ja gut.<< Kusanagi schlug sich auf die Knie und stand auf.
Utsumi kam aus der Küche und stellte sich erneut vor den Wandschrank."



Yoshitaka Mashiba, erfolgreicher Unternehmer, wurde ermordet! Vergiftet von dem Kaffee, den er so gerne trank. Seiner nicht minder erfolgreichen Frau Ayane, eine bekannte Patchwork-Designerin, gab er einige Tage zuvor bereits zu verstehen, dass er die Ehe bald auflösen wird, da sie ihm keine Kinder gebären kann. Ersatz steht aber schon bereit mit Ayanes Musterschülerin (und enge vertraute) Hiromi, die nicht nur jünger als Ayane ist, sondern anscheinend auch bereit dazu ist, Yoshitakas Kinder zu bekommen. Kurz vor der offiziellen Bekanntgabe bei der "noch" Ehefrau verstirbt Yoshitaka jedoch, gefunden wird seine Leiche von Hiromi, mit der er an diesem Abend verabredet war. Seine Frau Ayane war zum Zeitpunkt des Mordes jedoch zu Besuch bei ihren Eltern, weit außerhalb des Geschehens also. Einen Selbstmord schließt die Polizei schnell aus und bekommt dies auch schnell auf dem Papier bestätigt. Inspektor Kusanagi und seine Partnerin Utsumi stehen vor einem Rätsel, da es bisher nicht einmal verdächtige Personen im Umfeld des Opfers gab. Die scharfsinnige Utsumi ist sich aber relativ sicher, auch wenn Ayane, die Frau des ermordeten Ehemannes, ein perfektes Alibi hat, so kann nur sie für den Mord in Frage kommen. Zumindest sagt ihr das ihr Gespür. Um Hilfe bittet sie jedoch einen alten Bekannten, der bereits ihrem Chef Kusanagi schon oft zur Seite stand: Physikprofessor Kusanagi, der hier vor seinem bislang schwierigstem Rätsel steht.


Ich fange nur selten mit dem Inhalt eines Buches eine Besprechung an. Das faszinierende an den Kriminalromanen von Keigo Higashino ist jedoch, relativ früh steht fest, wer es war, aber nicht, wie es geschehen ist. Und doch wiederum ist durch ein perfektes Verwirrspiel dafür gesorgt, dass der Leser bis auf der Zielgeraden absolut im Unklaren über die gesamten Geschehnisse ist. Bereits im Vorgänger "Verdächtige Geliebte" hat der Japaner dies eindrucksvoll bewiesen.

Higashinos Werke sind in Japan Bestseller in Millionenhöhe an verkauften Exemplaren. Sowohl die Physikprofessor-Yukawa Reihe als aber auch die Kommissar Kaga Reihe feierten gleichermaßen Erfolge, und das nicht nur in Japan. Auch in Deutschland (ein Land, wo Kriminalromane sich allgemein extremer Beliebtheit erfreuen) wurden die Leser auf Keigo Higashino aufmerksam und machten ihn vermutlich neben Haruki Murakami zum erfolgreichsten japanischen Schriftsteller in Deutschland.  Hierzulande ist bisher jedoch nur ein Bruchteil von dem erschienen, was Higashino in Japan publiziert hat. Besonders seine viel gelobten Frühwerke haben es bisher noch nicht in die deutschen Bücherregale geschafft.

Doch was macht Higashinos Schreibkunst so erfolgreich? "Heilige Mörderin" glänzt nicht unbedingt durch anspruchsvolle (wenn auch wesentlich anspruchsvoller als die Mehrheit der meisten Krimis) oder tiefgründige Prosa. Dafür gibt es von Seite 1 an ein Konzept. Ein Konzept, welches einem erst schlüssig wird, wenn man die letzten Seiten gelesen hat. Der Autor trägt uns durch die Geschichte, ohne dass wir dies jedoch bemerken. Für die Leser bleibt eine menge Spielraum, selbst zu knobeln, sich Gedanken zu machen und sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Und genau hier punktet Heilige Mörderin. Die 3 Ermittler besitzen alle eine eigene Persönlichkeit, wirken nicht austauschbar (auch wenn der exzentrische Professor Yukawa sicherlich seine Kontroversen mit sich bringt und polarisieren dürfte, vielleicht sogar als unsympathisch angesehen wird) und wirken längst nicht so überzeichnet wie die Ermittler in so manchen skandinavischen Krimis. Womit ich nicht sagen will, "Heilige Mörderin" oder Higashinos Werke kämen ohne Klischees aus. Klischees gehören zu einem Krimi wie Finger an Hände. Es kommt jedoch drauf an, wie geschickt man diese Klischees einsetzt.

Für mich war es eine große Freude, an den Gedankenspielen der Protagonisten teilnehmen zu dürfen. Bei etwas über 300 Seiten (Taschenbuchausgabe) wirkt "Heilige Mörderin" absolut rund und sehr kurzweilig.
Für die flüssige Übersetzung ist einmal mehr Ursula Gräfe verantwortlich, die einen weiteren japanischen Autor uneigennützig in die deutsche Sprache übersetzt hat.


Resümee

"Heilige Mörderin" ist japanische Handarbeit. Wer denkt, Japaner können keinen Whiskey brennen oder Bier brauen, der sollte mal kosten. Das gleiche gilt für Krimis, wieder etwas, wo man nicht automatisch an Japan denkt. Doch was die Japaner anfassen, da fließt Hingabe. Keigo Higashino weiß, wie man einen Krimi schreibt und wie er seine Leser ein komplettes Buch lang unterhält. Und dabei verzichtet der Autor auf unnötig brutale Beschreibungen der Morde oder widmet 20 Seiten der Obduktion des Opfers. Dass es sich hier um japanische Literatur handelt, wird man wohl nur an den Namen der Charaktere und Ortsnamen sofort erkennen. Was aber nicht bedeutet, dass die Essenz der japanischen Literatur in "Heilige Mörderin" nicht vorhanden ist. Fans japanischer Literatur wie auch Krimis werden hier gleichermaßen exzellent unterhalten. Und vielleicht ja sogar auch Krimi-Muffel.

Hoffen wir, dass uns Keigo Higashino noch mit vielen weiteren deutschsprachigen Veröffentlichungen spannende Abende bereiten wird.

2 Kommentare:

  1. Seit über einem Jahr liegt das Buch auf meinem Stapel der Schande...dabei haben mich die ersten Seiten total angefixt, aber leider hab ich es dann warum-auch-immer aus den Augen verloren. Muss ich mal wieder hervorholen!

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  2. Am besten nochmal von vorn beginnen. Ich glaube, es kommt auch immer drauf an, wie Krimi-versiert man ist. Wenn man viele Krimis konsumiert, dann dürfte glaube ich auch Keigo Higashino nicht mehr viel zu bieten haben. Aber dem Buch solltest du definitiv nochmal eine Chance geben : )

    Beste Grüße,
    Aufziehvogel

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