Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 24. März 2011

Verfilmung: Norwegian Wood. Der Wind weht eine sanfte Brise der Enttäuschung


Japan 2010
Roman: Noruwei no mori (Haruki Murakami)
Regie: Tran Anh Hung
Darsteller: Rinko Kikuchi, Kenichi Matsuyama, Kiko Mizuhara, Tetsuji Tamayama, Reika Kirishima
Genre: Drama, Arthouse
Lauzeit: 129 Minuten (mit Abspann)


Trailer:




Es soll Jahre gedauert haben bis Haruki Murakami einer Verfilmung seines erfolgreichsten Romans (der so erfolgreich war, das er daraufhin aus Japan geflüchtet ist) zugestimmt hat. Norwegian Wood machte Murakami zum Star. Er selbst wollte mit dieser Geschichte beweisen das er auch anders kann. Das er in der Lage dazu ist ein waschechtes Liebesdrama zu schreiben. Ganz ohne Schafsmänner und Paralleluniversen.

Ich selbst habe erst einen kleinen Teil des Romans gelesen, mich aber dafür entschieden zuerst den Film zu schauen. Was vielleicht keine schlechte Idee war, bin ich doch immer so furchtbar enttäuscht von einer Verfilmung wenn ich das Buch bereits vorher gelesen habe.

Als Regisseur fungierte der vietnamesisch-französische Filmeacher Tran Anh Hung (Der Duft der grünen Papaya). Für die Kameraarbeit war der Taiwanese Mark Lee Ping Bin (In the Mood for Love) zuständig. Zweiteren gebührt dabei ein ganz besonderer Respekt. Der Soundtrack stammt von Johnny Greenwood (There Will Be Blood), Can und selbstverständlich den Beatles. An und für sich ein Team, welches durchaus für Qualität bekannt ist. Doch reichen knapp 130 Minuten aus um etwas brauchbares auf die Leinwand zu zaubern? Funktioniert hat das leider nicht so ganz. Aber etwas sehenswertes ist dennoch dabei rausgekommen.

Die Geschichte handelt von dem Studenten Toru Watanabe. Zusammen mit seinem besten Freund Kizuki und dessen Freundin Naoko fühlt er sich sehr verbunden. Es sind seine einzigen Freunde. Mit 17 Jahren begeht Kizuki, anscheinend ohne besondere Gründe, Selbstmord. Kizuki hinterlässt bei Toru und Naoko ein großes Rätsel. Die beiden beschließen nach ihrem Abgang vom Gymnasium getrennte Wege zu gehen. Doch einige Zeit später kreuzen sich die Wege von Toru und Naoko wieder. Beide suchen sie Trost, und kommen sich dabei näher. Das Verhältnis der beiden zueinander ist an sich schon nicht einfach, und dann tritt auch noch die schöne und lebenslustige Midori in Torus Leben.

Die wenigen Seiten des Romans die ich damals gelesen habe zogen mich sofort in ihren Bann. Sie starten mit dem 37 jährigen Ich-Erzähler Toru, der durch den Song Norwegian Wood von den Beatles, welcher im Radio eines Flugzeuges gespielt wird, an seine Jugend zurück erinnert wird. Er denkt dabei an eine ganz besonderes Szene mit Naoko. Zusammen sitzen sie gemeinsam auf einer riesigen Wiese. Der Wind bläst ihnen um die Ohren. Und Naoko erzählt Toru eine Geschichte. Eine Geschichte über einen Brunnen, der sich in dem Wald vor ihnen befinden soll. Ein unsichtbarer Brunnen der jeden verschlingt wenn man nicht dem korrekten Weg folgt.

So hart es nun auch klingen mag, bereits in diesen Seiten steckt mehr Magie als im kompletten Film. Denn dieser beginnt gar nicht mit einem 37 jährigen Toru. Auch fungiert er nicht wirklich als Erzähler. Der Film startet direkt in den Sechzigern. Als Toru ein Student war. Damit wird auch die Bedeutung des Titels Norwegian Wood nicht richtig klar. Regisseur Tran Anh Hung, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, entschied sich wohl eher für eine konventionelle Erzählweise und musste daraufhin bereits einiges an Emotionen und Charakterentwicklung einbüßen.
Wieso er sich dagegen entschied, Toru ebenfalls im Film als Ich-Erzähler fungieren zu lassen, begreife ich leider nicht.

Und trotzdem hat diese Verfilmung ihren Reiz. Norwegian Wood gehört zusammen mit Pen-Ek Ratanaruangs "Das Leben nach dem Tod in Bangkok (Last Live in the Universe)" und Shinya Tsukamotos "Vital" zu den wohl schönsten Filmen die ich je gesehen habe. Die Betonung liegt hier jedoch auf die Schönheit der Schauplätze (Schön und Tiefgang bietet wohl nur Takeshi Kitanos Dolls). Diese sind so wundervoll ausgewählt das man spätestens nach dem Film Fernweh haben wird. Dazu gibt es die passende Untermalung von Soundeffekten und Musik. Das Rauschen des Windes auf der besagten Wiese zum Beispiel. Ein Plätschernder Wasserfall oder eine herrlich gefilmte Schneelandschaft. Mit Worten ist das gar nicht zu beschreiben. All das wird verfeinert mit der brillanten Kameraarbeit von Mark Lee Ping Bin. Der Mann fängt jede Emotion der Darsteller und Landschaft ein. Großartig.

Selbstverständlich gibt es aber auch in bester Arthouse Manier viele starke Szenen. Dieses mal meine ich auch die Dialoge. Leider macht Regisseur Tran Anh Hung nur zu selten Gebrauch von seinem Können. Gab es eine tolle Szene zu sehen, kommt es einem anschließend nach dem Cut der nächsten Szene sofort wieder vor als enthalte man uns wichtige Passagen vor. Teilweise wirkt der Film dadurch manchmal etwas zusammenhangslos, viel zu kompliziert. Auch die Charaktere vermissen an Tiefgang. Besonders aber das Verhältnis der Charaktere untereinander kann man alles andere als Murakami typisch bezeichnen. Das merkt man dem Hauptdarsteller Toru an, der etwas blass wirkt. Kaum irgendwelche Murakami Eigenschaften besitzt. Das gleiche gilt für Torus Beziehung zu Midori. Diese wurde nahezu lieblos umgesetzt. Wirklich sehr schade. Auch wenn es den ein oder anderen Murakami Dialog gibt, Murakami Momente gibt es nur sehr wenige. Hätte ich nicht gewusst das es sich hier um die Verfilmung eines Romans von Haruki Murakami handelt, hätte ich es auch nach dem Film wohl nicht gewusst das es sich bei Norwegian Wood um eine Adaption handelt.

Die Schauspieler haben mir hingegen richtig gut gefallen. Besonders von Kenichi Matsuyama (Death Note) hätte ich eine solche Darstellung nicht erwartet. Er holt das beste aus der Rolle des Toru raus. Rinko Kikuchi (Babel) als Naoko erweist sich ebenfalls als eine ausgezeichnete Wahl. Sie ist süß (alleine wie sie das Koko Wa Doko ausspricht, zum dahinschmelzen), bringt aber auch viel Erfahrung mit und spielt sehr professionell. Bis auf einige etwas unfreiwillig komische Szenen gegen Ende mit Kenichi Matsuyama wurde auch der Cast sehr sorgfältig ausgewählt.

Obwohl eigentlich alles passt, scheitert die Adaption leider an vielen mir wichtigen Details. Ich verspürte nach dem Ende kein Gefühl der Melancholie. Ein Gefühl welches mich praktisch nach jedem beendeten Murakami Roman ergreift. Auch fand ich das Ende nicht wirklich traurig. Dafür gab es im Film viel zu wenig Gelegenheiten sich mit den Charakteren anzufreunden. Sich mit ihnen zu identifizieren. Zwar fängt Tran Anh Hung eine gute Atmosphäre der sechziger Jahre ein, konzentriert sich dafür aber nicht auf das wichtige. Ich meine Charakterentwicklung. Man bekommt so wenig Hintergründe. Da wurde eine Menge Potenzial einfach verschwendet. Murakami kann damit nicht zufrieden sein.


Als Fazit bleibt mir nicht viel zu sagen. Optisch ist Norwegian Wood eine Augenweide. Alleine für all die schönen Bilder lohnt es sich den Film anzuschauen. Für Cineasten ein wahrer Genuss. Kombiniert mit fantastischer Kameraarbeit und einem toll ausgewählten Soundtrack wird der Film zu einem Erlebnis für die Sinne. Leider aber fehlt es Norwegian Wood selbst an Charakter. Neben einigen echt starken Szenen, wirkt der Film meistens jedoch aber zu unvollständig. Die Schauspieler geben ihr Bestes, doch das bügelt die vielen Schwächen leider nicht aus. Obwohl der Name Murakami auf dem Plakat steht, ist zu wenig Murakami im Film selbst vertreten. Daher bleibt lediglich ein sehr ansehnliches Arthouse Drama. Für das westliche Publikum vielleicht schon wieder zu speziell. Wer jedoch Asia erprobt ist wird natürlich wissen was ihn erwarten wird. Norwegian Wood ist kein schlechter Film. Dafür aber viel zu lieblos. Man hätte den Film bereits wesentlich interessanter gestalten können wenn es einen Ich-Erzähler gegeben hätte der die Geschichte aus der Gegenwart erzählt. So hat Regisseur Tran Anh Hung leider zu viele Credits verspielt. Was ich mir für die Zukunft wünsche wäre eine Verfilmung (falls es so eine überhaupt noch geben wird) von Murakamis aktuelleren Werken. Aber vielleicht ist das ja eine unlösbare Aufgabe.


Wertung

3 Kommentare:

  1. Hey, durch Zufall bin ich heute auf deine Seite gestoßen, da ich bei google ein brauchbares Cover zu "Am Meer ist es wärmer" für meine Website gesucht habe.

    Mir hat dein Review gut gefallen! Bisher habe ich mich an den Film nicht rangetraut, da ich "Naokos Lächeln" als mit den besten Roman von Murakami halte... naja, und so ne Verfilmung ist immer eine Sache. Aber vielleicht werde ich dem Film mal eine Chance geben.

    Jedenfalls: Mir gefällt dein Blog, du hast einen neuen Stammleser gewonnen ;D

    Gruß,
    Julian
    salvoschreibt.wordpress.com

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  2. Hallo Salvo

    Es freut mich zu lesen das immer mehr Leute zu meinem noch jungen Blog finden. Deinen Blog habe ich auch bereits unter meinen Favoriten im Browser gespeichert. Schön das du auch Kurzgeschichten schreibst. Ich schreibe auch gerne.

    Was Norwegian Wood angeht musst du natürlich sämtliche Erwartungen etwas kleiner halten. Das der Film einiges an Murakami Feeling vermissen lässt, habe selbst ich, jemand der das Buch noch nicht komplett gelesen hat, bemerkt. Sehenswert ist er aber dennoch.

    Liebe Grüße,
    Marcel

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  3. Hi^^
    Deine Rezi ist wirklich passend, ich habe fast komplett genauso empfunden!
    Wunderschöne Bilder, teilweise sehr passende Musik (nur die Szene am Meer hat mir diesbezüglich gar nicht gefallen) und eine Storyumsetzung die zwischen "Wie im Buch" und "Ähm ja.." schwankte.
    Lg^^

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