Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 26. April 2015

Aufziehvogel fragt nach: Im Gespräch mit Ekaterina Mikulich




Falls sich wer gefragt hat, ob ich auch noch etwas anderes für diesen Blog mache, außer Rezensionen und Einwürfe und Top 10's zu verfassen, der bekommt nun die Antwort: Ja, ich bin stetig dabei, Am Meer ist es wärmer zu erweitern. An der Kategorie "Aufziehvogel fragt nach" werkle ich schon seit mehr als einem Jahr. Im letzten Jahr war ich kurz davor, einen Erfolg zu vermelden, jedoch löste sich meine (durchaus sehr interessante) Gesprächspartnerin in Luft auf! So etwas soll es geben (auch wenn es schwer vorstellbar ist bei so einem charmanten Gesprächspartner)! Bevor ich also in Selbstverliebtheit zerfließe, möchte ich euch die Person vorstellen, die mutig genug war, sich meinen mehr oder weniger penetranten Fragen zu stellen :)

Aufziehvogel fragt nach: Im Gespräch mit Ekaterina Mikulich - Übersetzerin der deutschen Ausgabe der Accel World Light Novel

(Ekaterina bei der Arbeit)


Der Vorreiter für dieses kleine Interview ist folgender Einwurf: "Können sich Light Novels in Deutschland endlich etablieren?"

Ziel dieser Reihe ist es nicht nur, Leser auf Light Novels/Japanische Literatur aufmerksam zu machen, sondern auch auf die wichtigen Personen, die sie in unsere Sprache übersetzen. Wer die Rezensionen auf meinem Blog verfolgt, dem wird es vielleicht nicht entgangen sein, dass sowohl die Nennung des oder der Übersetzer(in) sowie ein gesonderter Absatz über die Übersetzung des jeweiligen Werkes sehr wichtig ist. Ich lasse daher keine Gelegenheit aus, wenn sich die Chance bietet, persönlich Kontakt zu einem Übersetzer aufzunehmen.

Bevor ich nun zum eigentlichen Gespräch komme, möchte ich noch kurz erzählen, wie es zu der Zusammenarbeit kam. Ekaterina lernte ich im Comicforum kennen (an dieser Stelle noch einmal ein aufrichtiges Danke an diese durchaus große Plattform für ihre Existenz). Ich halte es nicht für selbstverständlich wenn eine Übersetzerin sich in einem Forum anmeldet und mit den Usern ein wenig über das Projekt plaudert, an dem sie gerade sitzt. Persönlich finde ich, sowohl für Accel World als auch für Tokyopop war das eine sehr sympathische Werbung. Ich wollte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und habe Ekaterina persönlich angeschrieben. Das Ergebnis dieser Plauderei rund um die Übersetzung eines japanischen Light Novels und an welchen Projekten Ekaterina aktuell arbeitet, möchte ich euch nicht vorenthalten.

Das Interview ist aufgebaut in einer Einleitung und 5 Fragen, die Ekaterina sehr ausführlich beantwortet hat.


Einleitung:

Aufziehvogel: Hallo Ekaterina! Willkommen auf "Am Meer ist es wärmer". Bevor wir loslegen, beginnen wir lieber mit einer Einleitung, damit die Leute einen kleinen Einblick über deine Person bekommen. Erzähl uns doch, was genau dich zu einem exotischen Land wie Japan und dieser durchaus sehr komplexen Sprache gebracht hat.

E.M: Meine Verbindung zu Japan und der Sprache ist, wie man sich vielleicht denken kann, durch Manga und Anime entstanden - was zwar bei Weitem nicht bei allen Übersetzern der Fall sein muss, aber in meinem Fall war es eben schon dieser Bereich der japanischen Kultur, der mich dazu gebracht hat, mehr über das Land, das Leben dort und natürlich auch die Sprache erfahren zu wollen. Selbst durch die deutschen Übersetzungen hindurch, und natürlich die Bilder dazu, klang für mich viel Andersartiges heraus, viel Faszinierendes, weshalb ich diese Sprache irgendwann auch selbst einmal verstehen können wollte. Deswegen fing ich zunächst einmal autodidaktisch an sie zu lernen und entschied mich später für ein Japanologiestudium an der Uni.


Frage 1:

Aufziehvogel: Eine Frage, die ich endlich mal stellen kann: Was war das eigentlich für ein Gefühl, zum ersten mal professionell einen Text aus der japanischen Sprache zu übersetzen? Vermittelt dieses "Erste Mal" ein Gefühl der Verlorenheit, oder pendelt sich die Routine relativ schnell ein? Wie lange ist es her, als du zum ersten mal freiberuflich etwas übersetzt hast?

E.M: Das erste Mal ist jetzt schon über drei Jahre her … Oder „erst“ drei Jahre, wenn man sich ansieht, wie lange manche andere das schon machen. Natürlich war am Anfang etwas Unsicherheit da, die sich aber vor allem darauf bezog, was man formal alles zu beachten hat z.B. beim Erstellen des Übersetzungsdokuments - es gibt da Regeln für die Markierung innerer Monologe und aller möglicher anderen Dinge. Was die Sprache angeht, musste ich anfangs vielleicht noch häufiger überlegen, wie ich bestimmte Sachen formuliere, die man nicht wörtlich übersetzen kann, aber da entwickelt man mit der Zeit auch Strategien dafür. Nach einigen übersetzten Bänden beginnt sich in allen Bereichen Routine einzustellen - und trotzdem kann jederzeit wieder irgendwas Überraschendes kommen, woran man sich den Kopf zerbricht.


Frage 2:

Aufziehvogel: Wenn man mal etwas nachforscht, sind viele Übersetzer auch meistens Fan des jeweiligen Autors und dessen Werke, die sie übersetzen. Wie verhält sich das bei dir? Erreicht man vielleicht ein besseres Ergebnis, wenn man tatsächlich vom Hobby getragen wird? Oder braucht man sich an eine Übersetzung gar nicht erst heranwagen, wenn man zwar die Sprache beherrscht, sich aber persönlich nicht für das Werk interessiert, welches man gerade übersetzt?

E.M: „Meistens“ würde ich nicht sagen. Bei mir und in den mir bekannten Fällen anderer Übersetzer passiert es eher selten, dass man ein Werk bekommt, von dem man selbst „Fan“ ist oder wird. Von daher ist das auf keinen Fall eine Voraussetzung. Es gibt ja auch genug Übersetzer (und um noch einen anderen Bereich zu nennen, bei Synchronsprechern z.B. verhält es sich ganz ähnlich), die sich privat gar nicht oder nicht mehr mit Manga/Anime beschäftigen und dennoch ihren Job machen. Wobei ich beim Übersetzen schon der Meinung bin, dass ein generelles Interesse für diese Art von Populärkultur nur von Vorteil sein kann. Dann weiß man ja im besten Fall schon ungefähr, wie andere Übersetzungen aussehen und wie man selbst es gerne machen möchte. Kriegt man ein Werk auf den Tisch, das einem persönlich gefällt, fällt es einem natürlich schon leichter, sich da dranzusetzen (anstatt es morgens vor sich herzuschieben). Allgemein muss man zwar professionell genug sein, dass persönliche Vorlieben das Arbeitsergebnis qualitativ nicht beeinflussen, aber wenn einem das Werk dann doch gefällt oder man sich zumindest damit anfreunden kann, kommen die guten Ergebnisse mitunter schneller heraus als andernfalls. Aber das gilt auch nicht für jede Serie.


Frage 3:

Aufziehvogel: Bist du auch mal auf Hürden gestoßen, bei denen du dachtest: „An dieser Stelle verzweifle ich noch. Wie fahre ich jetzt am besten fort?“

E.M: Solche Stellen gibt es immer wieder. Wichtig ist, dass man weiß: es ist für (nahezu) alles eine Lösung zu finden, wenn man genug danach sucht. Ganz schwierige Stellen hebe ich mir für den Schluss auf und gucke da beim eigenen Korrekturlesen nach dem Übersetzen noch mal drüber. Manchmal hilft da allein schon der zeitliche Abstand dabei, das Problem auf einmal in einem viel einfacheren Licht zu sehen. Wenn es nicht um sprachliche Dinge, sondern die Verwendung von wichtigen Begriffen oder Ähnliches geht, bespreche ich mich auch schon mal mit dem zuständigen Redakteur, bevor der dann alles umändern muss.



(Foto: Aufziehvogel. Copyright Reki Kawahara, HiMa. Deutsche Ausgabe: Copyright @Tokyopop)


Frage 4

Aufziehvogel: Aktuell übersetzt du für den Tokyopop Verlag Accel World, die Light Novel Reihe von Sword Art Autor Reki Kawahara. Es sind bereits mehrere Bände in englischer Sprache bei Yen Press erschienen. Ist die Verlockung für einen Übersetzer groß, bei einer bereits übersetzten Ausgabe mal zu spicken bzw. einen kleinen Blick in das Werk eines anderen Übersetzers zu erhaschen, wenn man selbst an einer Stelle im Original mal nicht weiterkommt? Oder ist so etwas ein striktes Tabu?

E.M: Ich habe tatsächlich den ersten Band von Accel World auf Englisch zu Hause liegen - allerdings habe ich mir den erst bestellt, nachdem ich mit meiner Übersetzung davon fertig und auch der Korrekturdurchgang meiner Redakteurin schon vorbei war. Die Motivation dabei war einfach Neugier, und auch wenn ich bisher immer noch nicht mehr getan habe als ein wenig darin zu blättern (den Inhalt kenne ich ja schon halb auswendig, auch durch die Wiederholung im Manga), so habe ich dabei sogar mehr Gemeinsamkeiten entdeckt als gedacht. Man sagt ja, dass englische Übersetzungen oft freier sind als deutsche, aber in diesem Fall scheint es ähnlich gewesen zu sein.
Jedoch würde ich mir keine Bände zum „Spicken“ kaufen, das habe ich nicht nötig und es blockiert auch eigene Gedankenwege, wenn man weiß, wie jemand anderes es bereits gemacht hat.


Frage 5:

Aufziehvogel: Diese Frage habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Mal eine ganz persönliche Frage: Glaubst du, Light Novels aus Japan haben die Chance, auf dem deutschen Markt so richtig durchzustarten? Besteht ausreichend Interesse? Mehrere Verlage (darunter auch Tokyopop und Carlsen) haben in der Vergangenheit sich sehr bemüht, diese Romane der deutschen Leserschaft zugänglich zu machen. Leider mit mäßigem Erfolg. Denkst du, ein neuer Anlauf könnte eine neue Leserschaft mit sich bringen?
Und weil die Frage hier ebenfalls noch so gut reinpasst: Welche Manga bzw. Light Novel Künstler verfolgst du gerne? Gibt es Werke, die du vielleicht gerne in Deutschland sehen würdest (und vielleicht selbst gerne übersetzen würdest)?

E.M: Den ersten Teil der Frage kann wahrscheinlich TOKYOPOP besser beantworten als ich, aber man wird sicher eine ausreichende Basis dafür gehabt haben, diesen Neuversuch zu starten. Vor SAO* und den anderen großen Novels hat man es ja in den letzten Jahren bereits mit Einzelbänden oder kürzeren Serien zu bereits bekannten Manga versucht. Eine Chance ist sicher da - wobei ich persönlich auch denke, dass die Übersetzer sich ebenfalls in der Verantwortung sehen müssen, ein ansprechendes Ergebnis abzuliefern, um möglichst viele Leser anzulocken. Und ich würde Light Novels in Buchhandlungen gerne auch mal außerhalb der Manga-Regale sehen - so wie jetzt ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen, was Manga und was Novel ist. Man muss leider schon genau hingucken. Vielleicht tut sich da ja noch was in Zukunft …
Zu meinen persönlichen Lieblingskünstlern gehören Mangaka wie Kazue Katô (Blue Exorcist), Adachitoka (Noragami), Carolin Eckhardt (eine deutsche Mangaka in Japan, Erstlingswerk: Oku-sama Guten Tag!), Kou Yoneda (NightS) oder Mika Yamamori (Daytime Shooting Star). Die beiden zuletzt genannten Titel habe ich selbst übersetzt bzw. tue es noch, habe sie aber durch die Arbeit überhaupt erst kennengelernt. Ich könnte noch einige Künstler aus dem deutschen Sprachraum nennen, aber das würde jetzt wohl zu weit führen - ich denke, man sieht bereits, dass ein persönliches Interesse bei mir auf jeden Fall gegeben ist.  Hingegen lese ich Light Novels privat so gut wie gar nicht. „Welcome to the NHK“ ist da der einzige Titel, der mir jetzt einfällt, ansonsten sind es eher klassische Romane, die ich auf Japanisch lese, sofern ich dazu komme, allerdings dann auch größtenteils Werke aus dem Bereich Kinder-/Jugendliteratur. Von daher macht mir die Arbeit an „Accel World“ trotzdem Spaß, da es ja auch eine Form von Jugendliteratur ist. Wenn ich so darüber nachdenke, „Welcome to the NHK“ ist als Light Novel noch nicht auf Deutsch erschienen, also wenn das jemand verlegen möchte - ich denke, ich hätte meine Freude an dem Stil dieses äußerst talentierten Autors, und es ist nur ein Band. Auch an die „Moribito“-Reihe, auf deren erstem Band der Anime „Guardian of the Spirit“ basiert, würde ich mich gerne mal heranwagen, aber das ist keine Light Novel und insgesamt ein wenig anspruchsvoller. Außerdem ist Band 1 leider gar nicht so actionreich wie der Anime, was einige Fans abschrecken könnte …
SAO= Sword Art Online (Anmerkung des Verfassers)



Abschließende Gedanken

In diesem letzten Absatz dieses ziemlich interessanten Interviews möchte ich mich noch einmal bei Ekaterina für ihre Mühen und detailreichen Antworten bedanken. Ich hoffe sehr, Accel World wird auch in Deutschland seine Leser finden. Ich hoffe, ihr hattet beim Lesen auch eure Freude und habt einen kleinen Einblick in die Welt des Übersetzens erhalten. Ich hoffe, demnächst einen weiteren interessanten Gast aus der Welt der Übersetzungen zu finden, um diese Rubrik noch weiter zu füllen.

Und falls der Nikolaus, Osterhase oder ein Verlag dieses Interview lesen, ganz besonders "Frage 5": Bitte richtet doch die Veröffentlichung von "Welcome to the N.H.K. (Tatsuhiko Takimoto mit Zeichnungen von Yoshitoshi ABe)" irgendwie ein, eine fähige und motivierte Übersetzerin steht ja bereits zur Verfügung :D
Eine englische Übersetzung erschien damals bei Tokyopop US die unlängst nicht mehr gedruckt wird. Genau so gerne würde ich persönlich die "Moribito" Reihe gerne in Deutschland sehen, da ich bereits von dem Anime sehr angetan war.


Jukebox (Musik, die ich hörte, als ich diesen Beitrag verfasst habe): Kaerazaru Hibi von Joe Hisaishi


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