Japan 2023
Godzilla Minus One
Regie: Takashi Yamazaki
Distribution: Toho (lizenziert durch Peppermint in Deutschland)
Genre: Kaiju
Darsteller: Ryunosuke Kamiki, Minami Hamabe, Sakura Ando, Yuki Yamada, Munetaka Aoki
Laufzeit: Circa 125 Minuten
FSK: Ab 12
Seit dem Release von Godzilla: Final Wars aus dem Jahr 2004 geht es Godzilla-Rechteinhaber Toho eher ruhig mit neuen Ablegern an. Nach Ryuhei Kitamuras Final Wars sollte es 12 Jahre bis zum nächsten Live-Action Film dauern. Als Shin Godzilla 2016 unter der Regie von Neon Genesis Evangelion Schöpfer Hideaki Anno sowie Shinji Higuchi erschienen ist, brach auch unter den Toho Godzilla-Streifen ein neues Zeitalter an. War der neue Godzilla doch so anders als jemals zuvor. Ja, irgendwie verhielt er sich wie ein Zombie, war zerstörungswillig wie nie zuvor und absolut unberechenbar. Den Japanern war er ein wenig zu distanziert und man hielt Anno und Higuchi vor, keine Helden zu bieten, zu denen man aufschauen kann. Obwohl Shin Godzilla mit vielen Fragezeichen endete, ist die Fortsetzung bis heute nie realisiert worden. Von dem Film war ich damals wie heute begeistert, gehe sogar noch einen Schritt weiter und bezeichne ihnen als einen der besten japanischen Filme seit der Jahrtausendwende und einen der besten Filme der vergangenen Dekade. 2017 verfasste ich auf Am Meer ist es wärmer ein Review.
Seit Shin Godzilla sind nun wieder über 7 Jahre vergangen und in Sachen Toho-Godzilla gab es nur die animierte Spielfilmtrilogie, die zwischen 2017 und 2018 auf Netflix erschienen ist (mittlerweile auch ganz normal im Heimkino erhältlich). Toho verwies hier immer wieder auf das sogenannte MonsterVerse von Legandy Pcitures, welches kürzlich mit der TV-Serie Monarch auf Apple TV fortgesetzt wurde. Doch das Verlangen nach einem neuen Godzilla aus Japan von Toho war ungebrochen. Mit Godzilla Minus One ist man den Wünschen nun nachgekommen und liefert den ersten Live-Action-Godzilla seit Shin Godzilla ab. Das Ergebnis? Ich kann meine Gefühle noch nicht so ganz einordnen.
Mit Godzilla Minus One geht man ins Japan der Nachkriegszeit zurück. Minus One ist kein direktes Remake des Originals aus dem Jahr 1954 von Ishiro Honda, obwohl es mehr Anlehnungen an diesen Film gibt als man an zwei Händen abzählen kann. Man bräuchte vermutlich 50 verschiedene Hände, um die Parallelen abzählen zu können, die es zwischen Godzilla (1954) und Minus One (2023) in dem Moment gibt, als Godzilla Tokyo überfällt.
Eines war aber von vornherein klar. War Shin Godzilla noch sehr politisch und gesellschaftskritisch angehaucht und verzichtete auf einen übergeordneten Hauptcharakter/Held (einen Shujinko) sowie einer Liebesgeschichte, hat man bei Minus One dafür gesorgt, einen emotionalen, teilweise schon kitschigen Subplot in die Geschichte einzuweben der Gefahr läuft, dem eigentlichen Star des Filmes unfreiwillig den Rang abzulaufen. Zwar wartet Minus One mit großartigen Darstellern auf, die alle eine fantastische Performance abliefern, doch nicht selten drängt das Drehbuch die Darsteller in eine Ecke, melodramatisch zu agieren. Von den etwas mehr als 120 Minuten Spielzeit geht also eine Menge dieser Spielzeit darauf zurück, den Subplot zwischen dem Kamikaze-Deserteur Koichi (Ryunosuke Kamichi) und seiner ungewöhnlichen Beziehung zur schönen Ersatzmutter Noriko (Minami Hamabe) voranzutreiben. Habe ich mich hier auf ein spannendes Porträt der japanischen Gesellschaft kurz nach der Stunde Null gefreut, bekommt man davon im Film leider relativ wenig mit, zieht man den Angriff von Godzilla auf Tokyo sowie den Showdown mal ab. Die Botschaft des Films wird aber dann aller spätestens zum Ende klar: Werfe dein Leben nicht einfach weg, wenn du einen Krieg überlebt hast, lebe dein Leben. Eine überraschende Botschaft, wirkt Minus One doch über einen weiten Teil eher so, als glorifiziere er so furchtbare Selbstmord-Truppen wie die Kamikaze.
Und an meinem Review bemerke ich es nun selbst wieder: Beinahe könnte man meinen, man schaue ein J-Drama mit gelegentlichen Auftritten von Godzilla. Das Pacing in Minus One hätte deutlich besser zu einer TV-Serie gepasst. Doch taucht das Riesenmonster einmal auf, ist Spektakel geboten. Das Design von Godzilla ist auch in diesem Film wieder absolut herausragend. Die Spezialeffekte müssen sich grundsätzlich vor keinem Film verstecken, die im US MonsterVerse produziert wurden. Hier glänzt Minus One natürlich. Ob Godzilla selbst oder sämtliche Kulissen, alles wirkt wie aus einem Guss. Wenn Godzilla auftaucht, herrscht Chaos und Anarchie. War Shin Godzilla schon ein zerstörungswilliges Monstrum, agiert der Godzilla in Minus One noch einmal brachialer, was daran liegt, dass er wesentlich organischer wirkt. Godzilla, der sich nach dem Angriff mit seinem Atomatem stolz die Verwüstung ansieht, die er hinterlassen hat, lässt ihn nahbarer erscheinen als vielleicht in keinem Film zuvor. Das Schicksal von Godzilla und Koichi, der hilflos die Verwüstung des Monsters mit ansieht, ist eng miteinander verflochten. Hier glänzt Minus One dann auch mal dann bei den Emotionen, wenn Godzilla mit in die Geschichte rund um die Hauptcharaktere mit eingebunden wird. Leider geschieht das nicht so oft, wie ich mir das gerne gewünscht hätte und der Film driftet zu häufig in jenen Subplot ab, der sich ausschließlich mit Koichis Trauma und sein gemeinsames Leben mit Noriko abspielt. So vergeudet der Film auch einmal wertvolle Zeit, als Koichi Noriko noch einmal ganz von vorn erzählt, was ihm auf dem Fliegerstützpunkt auf Odo passiert ist. Eine Information, die dem Zuschauer unlängst bekannt ist, da es sich hier um die Eröffnungsszene des Films handelt. Diese Zeit hätte man durchaus dafür nutzen können, mehr auf das japanische Alltagsleben nach dem Krieg einzugehen. Zum Beispiel indem man Noriko etwas länger bei ihrem Alltag begleitet hätte, die einen neuen Job in der neu aufgebauten Tokioter Innenstadt angenommen hat.
In den letzten rund 25 Minuten schafft man es aber wieder, die Gesellschaft, die kleinen Menschen, als Kollektiv gegen das große Böse, in den Film einzubinden. Hier geht Minus One dann nicht einmal so andere Wege als zum Beispiel Shin Godzilla.
Copyright: Toho |
Bei der Auswahl bezüglich der Regie blieb sich Toho treu. Mit Takashi Yamazaki hat man sich ähnlich wie bei dem Gespann Anno/Higuchi einen Mann gesucht, der mit Spezialeffekten bewandert ist und sowohl Know-How aus Live-Action Filmen aber auch aus der Animationskunst mit sich bringt. Yamazaki zeichnete sich schon für einige bekannte Adaptionen aus, zu denen Umsetzungen wie Space Battleship Yamato, Parasyte, Dragon Quest und Lupin III zählen. Die Herangehensweise von Yamazaki könnte aber kaum unterschiedlicher sein, besonders wenn man hier die letzten Godzilla-Filme mit einbezieht wie Final Wars und Shin Godzilla. Diese Freiheiten überlässt Toho dann auch den Filmemachern und Drehbuchschreibern, dem Film ihren Stempel aufzudrücken.
Fazit
Godzilla Minus One ist ein abendfüllendes, bildgewaltiges Kaiju-Abenteuer. Durch seinen etwas trägen und melodramatischen Subplot um einen in Ungnade gefallenen Kriegsdeserteur steht sich die neuste Godzilla-Verwüstung ein wenig selbst im Weg. Etwas mehr Straffung hätte dem Film gut getan und ein besserer Ausblick auf die Gesellschaft des Japans im Jahr 1947 hätten sicherlich zusätzlich eine noch deutlich dichtere Atmosphäre geschaffen. Dennoch möchte ich Godzilla Minus One (eine Anspielung auf die Stunde Null) nicht kleiner reden, als er ist. Allen voran zeigt der Film wieder einmal die große Kluft zwischen den West und Ost Varianten des Monsters und welchen einzigartigen Touch die Filme aus Japan nochmal hinzufügen. Genau wie Shin Godzilla endet Minus One mit einem ähnlichen Cliffhanger, ob dieser noch einmal aufgegriffen wird? So schnell wird es darauf wohl keine Antwort geben. Was bleibt ist ein gut gespielter und technisch beeindruckender Kaiju-Film der uns einmal mehr mit dem puren Zorn von Godzilla auf die von Menschen geschaffene Gesellschaft konfrontiert. Eine Zerstörungsgewalt, die, würde sie wirklich existieren, unsere Existenz wohl schnell auslöschen würde. Dieses Monstrum hinter einer Kinoleinwand oder einem Fernsehbildschirm in Schach zu halten macht sie nicht weniger furchteinflößend.
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Rezension verfasst von Aufziehvogel
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