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Mittwoch, 28. November 2018

Rezension: Verschwörung (David Lagercrantz)





Schweden 2015

Verschwörung
Originaltitel: Det som inte dödar oss
Autor: David Lagercrantz
Verlag: Heyne
Übersetzung: Ursel Allenstein
Genre: Mystery, Thriller


Die Hintergründe zur Millennium-Reihe sind nicht weniger interessant als die Romane selbst. Für Journalist und Schöpfer der Reihe, Stieg Larsson, war sein Werk immer ein Hobby, welches er nach einem stressigen Tag in der Redaktion daheim fortsetzen konnte. Noch bevor einer der drei fertiggestellten Romane veröffentlicht und zu dem Welthit wurde, wie wir die Reihe heute kennen, verstarb Larsson mit nur fünfzig Jahren an einem Herzinfarkt. Nach drei Romanen sollte die Geschichte von Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist jedoch nicht enden. Es existieren Drafts für weitere Romane, laut einigen Aussagen wäre es für Larssons Lebensgefährtin ein leichtes gewesen, diese unvollendeten Drafts fertigzustellen. Was folgte war jedoch ein jahrelanger, schmutziger Rechtsstreit mit Larssons Lebensgefährtin und seiner Familie. Am Ende gingen sämtliche Rechte an die Familie Larsson und man entschied sich dafür, einen Autor von Beruf für das Vermächtnis der Original-Trilogie zu engagieren. Die Wahl fiel auf den in Schweden sehr bekannten Autor David Lagercrantz. Für Lagercrantz ist Millennium aber nicht nur eine Auftragsarbeit. Nach zwei Romanen die unter seiner Feder entstanden sind, kann man von einer regelrechten Obsession sprechen. Eine detailverliebtheit, nicht zu finden in Larssons Romane. Wir haben es hier mit zwei Autoren zu tun, die verschiedener nicht sein könnten. Und dennoch scheint Stieg Larssons irdisches Abschiedsgeschenk bei David Lagercrantz in den besten Händen zu sein.

Unter Fede Alvarez (Evil Dead Remake, Don't Breathe) ist die Verfilmung zu "Verschwörung" entstanden. Der Verleih gab weniger als zwei Stunden Laufzeit für den Film frei, sich beweisen zu können. Bei einem Roman, der, je nach Sprache zwischen 500-600 Seiten pendelt, eine, mal wieder, nahezu unlösbare Aufgabe. Als Filmfan könnte ich zudem noch sagen, dass man mit Fede Alvarez einen jungen Filmemacher engagiert hat, für den ein solch ambitioniertes Projekt eine Nummer zu groß war. Während der Roman von Lagercrantz überraschend gut aufgenommen wurde, war die Euphorie der Verfilmung gegenüber eher zurückhaltend. Die Zukunft der Reihe auf großer Leinwand ist vermutlich nach diesem Versuch ungewisser als je zuvor. Ein weiteres Reboot mit neuen Darstellern wird sie vermutlich nicht verkraften.

Zurück aber zum Roman aus dem Jahr 2015. Für Leser, die die Original-Trilogie kennen und lieben gibt es hier durchaus eine große Umstellung. Der größte Unterschied ist einfach, sowohl Larsson und Lagercrantz sind zwei völlig unterschiedliche Typen. Larsson baute sehr viel von seinen eigenen Erlebnissen in seine Romane mit ein. Als Chefredakteur für ein Linkes Magazin war unschwer zu erkennen, dass viele Facetten von ihm selbst in seinen Protagonist Miakel Blomkvist geflossen sind. Lagercrantz hingegen ist in seiner Arbeit als Autor weitaus weniger politisch aktiv. Drifteten die Romane von Stieg Larsson gerne mal in eine schier endlose Debatte über Politik ab, stehen bei Lagercrantz völlig andere Dinge im Fokus. Der Plot geht schneller voran, wirkt kurzweiliger und kommt schneller zum Punkt. Auch bei den Charakteren ließ man Lagercrantz freie Hand. Diese agieren aber nur in einigen Details anders als die Vorbilder von Larsson. Mikael Blomkvist wirkt reifer und möchte nicht mehr jede Frau betten, der er begegnet (wobei sie sich ja eigentlich ihm an den Hals werfen). Ansonsten ist zumindest in "Verschwörung" noch größtenteils alles beim alten.

Wie viel letztendlich von Larssons geplanten vierten Teil in die Geschichte von Lagercrantz eingeflossen ist, bleibt wohl ein Geheimnis. Es gibt einige seltsame Parallelen, die etwas zu genau sind, um Zufälle sein zu können. So soll auch der Auftritt von Camilla Salander, der Schwester der eigenwilligen Hackerin und Anti-Heldin, ein zentrales Thema in dem nicht mehr umgesetzten vierten Teil gewesen sein. In "Verschwörung" verlagert sich der Plot, wirkt wesentlich globaler und aktueller als in den Romanen zuvor. Lagercrantz schafft es überraschend gut, die Geschichten und Schicksale von Charakteren fortzuführen, die er selbst nicht erschaffen hat. Doch sind es vor allem die Charaktere, die Lagercrantz selbst entworfen hat, die hier eine prägnante Rolle übernehmen. Für mich ein Beweis dafür, dass er die Serie so eigenständig gestalten möchte, wie möglich. Vielen Fans der Reihe dürfte dies zu viel in Sachen Eigenständigkeit sein, mir hats besser gefallen, als ich es für möglich hielt. Der Plot selbst, der sich hier rund um die NISA dreht, mag drei Jahre später nicht mehr so eine Aktualität besitzen wie zur Zeit der Veröffentlichung des Romans, aber an Spannung büßt das (mittlerweile) etwa durchgekaute Thema auch nicht ein. Und für genügend Überraschungen wurde zudem auch noch gesorgt. Was die Gesamtlänge des Romans angeht ist Lagercrantz besser aufgestellt als Larsson, aber auch hier hätten vielleicht ein "paar" Seiten weniger der gesamten Geschichte nicht schlecht getan.




Resümee

Das Millennium-Debüt von David Lagercrantz ist geglückt. Unter Fans der Reihe fand "Verschwörung" größtenteils Anklang, was für das fortbestehen der Reihe essentiell wichtig war. An vielen Ecken und Enden ist es mal gewöhnungsbedürftig und ich würde lügen, wenn ich nicht scharf auf den ursprünglichen vierten Teil von Stieg Larsson wäre, aber es wäre unfair Lagercrantz gegenüber, nun irgendwelche absurden Forderungen zu stellen. Wichtig ist, dass der Autor es nicht vollbracht hat, alles, was sein Vorgänger aufgebaut hat, vor die Wand zu fahren wie es aktuell in der Filmwelt eine sehr bekannte Science-Fiction Saga macht. 
Einen neuen Schreiber für eine etablierte Serie auszuwählen ist eine komplizierte Angelegenheit. Denn, ob man Autor, Drehbuchschreiber oder Filmregisseur ist, auch einem Werk, welches man übernommen hat, möchte man seinen Stempel aufdrücken. David Lagercrantz ist dies in "Verschwörung" ziemlich gut gelungen.

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