Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 30. Dezember 2020

Einwurf: Hat der Mandalorian Star Wars repariert?

 



Könnte einige Spoiler beinhalten. Lesen auf eigene Gefahr!


Normalerweise ist solch eine Überschrift Tabu für mich. Das sind solche Titel, die man vermutlich in seinem Google-Feed auf dem Smartphone finden wird. Das gute aber ist, erst einmal ist mein Blog nicht prominent genug für den Google-Feed und zweitens stelle ich in dem Titel eine Frage und mache daraus nicht einen Fakt, wie es bei Bloggern oder YouTubern ja schon unlängst Tradition ist. Normalerweise müsste da also stehen: "Wie der Mandalorian es geschafft hat, Star Wars zu reparieren" oder im heutigen Zeitalter wo alles schnell gehen muss: "Mando biegt Star Wars gerade".

Warum stelle also ausgerechnet ich eine Frage in der Überschrift? Die Frage, ob da was repariert werden muss. War da denn je was kaputt? Nun, wer irgendwann doch mal hier gelandet ist und einen anderen Einwurf las, wo es öfters mal um Star Wars ging, der wird wissen für wie reparaturbedingt ich Star Wars halte. Ich halte die neue Sequel Trilogie für konzeptlos und am Ende wurde es dann auch noch ideenlos. Dabei kritisiere ich nicht einmal die Machart der Filme die handwerklich einfach fantastisch sind. "Das Erwachen der Macht" halte ich sogar auch noch immer für den besten Star Wars Kinofilm nach "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" sofern es sich nur um die Skywalker-Saga handelt. "Rogue One" sehe ich immer noch recht deutlich über "Das Erwachen der Macht". Aber es war halt ein vielversprechender Auftakt, der den Weg für eine herausragende Trilogie ebnen sollte. Star Wars zurück vom kompletten Greenscreen zu echten Sets mit Charakteren zum anfassen. Das Problem mit dem fehlendem Konzept hingegen sollte diese Pläne zunichte machen. Aus Charaktere zum anfassen wurden leere Hüllen mit wirren Backstories und die Geschichte selbst zu einer Parodie von allem, was man sich über die letzten Jahrzehnte aufgebaut hat. Zähneknirschend muss ich zugeben, selbst Lucas seine Prequel-Trilogie hat hier noch mehr abgeliefert da er von Beginn an eine Story versprach, die von Anakin Skywalker und dem Untergang der Jedi sowie den Aufstieg des Imperiums handeln sollte. Lucas hatte also ein Konzept welches er lange verfolgte und vermutlich so umsetzte, wie er es geplant hatte. Die Sequel-Trilogie hingegen kann sich nicht entscheiden ob sie kopieren möchte oder lieber etwas ganz eigenständiges sein will (dazu gleich mehr). Doch auf diese Probleme bin ich schon sehr häufig eingegangen. Fakt ist aber auch: Die Sequel-Trilogie hat ihre Fans und das ist vollkommen in Ordnung und sogar gern gesehen. In dem Falle stelle ich mir daher die Frage, ob Star Wars wirklich repariert werden musste wenn die neue Spielfilmtrilogie für viele die Erwartungen absolut erfüllt hat.

Doch selbst wenn man viele Sympathien für die Sequel-Trilogie hegt, so muss man sich vielleicht eingestehen, dass es nicht unbedingt die Fortsetzung zu Episode VI ist, die man auch nur ansatzweise erwartet hat oder die das Vermächtnis verdient hat. Schriftsteller Timothy Zahn hat 1991 mit "Erben des Imperiums" in seiner berüchtigten Thrawn-Trilogie bereits bewiesen, wie man es besser macht ohne dabei das Original kopieren zu müssen. Und hier kommt der Mandalorianer ins Spiel. Als vor rund einem Jahr die erste Staffel vom Mandalorianer fast einhellig abgefeiert wurde, hatte ich mich gefragt, ob sie wirklich so gut war oder die Serie enorm von dem Unmut des Star Wars Anhangs gefeiert wurde, weil man so wenig mit der Sequel-Trilogie anfangen konnte. Ich denke es war eher letzteres. Staffel 1 vom Mandalorianer bewies natürlich, wie eine Big Budget TV-Serie aussehen kann, aber ein wirkliches Konzept fehlte auch hier noch. Bei nur 8 Episoden brachten nur wenige davon die Story wirklich weiter. Es war, als wollten Jon Favreau und Dave Filoni (der übrigens schon ne menge Erfahrung mit der Clone Wars Serie sammeln konnte) einfach mal die Wassertemperatur fühlen. Verständlicherweise. Star Wars befand sich in einem Tief, man wusste nicht wie das Serienformat ankommen würde und die sehr komplizierte Situation zum Start des Disney+ Dienstes war ebenfalls ein Hindernis. In welche Richtung sich die Story vielleicht noch entwickeln würde, war nicht abzusehen. Mit Baby Yoda hatte man natürlich ins Schwarze getroffen und zumindest bei diesem Charakter mal wieder alte Star Wars Qualitäten bewiesen: Das Merchandise anheizen! Da darf man ja keinen Hehl draus machen, Star Wars bedeutet auch Konsum und kann ein teures Hobby werden. Man hatte also Baby Yoda (oder The Child oder nun kennt man ja auch seinen richtigen Name) und der Mandalorianer Din Djarin (Pedro Pascal) eine Aufgabe: Den kleinen Kerl irgendwohin bringen wo es Jedi gibt. Wo das sein wird, wer das sein wird und wer den kleinen vielleicht ausbilden wird spielte da noch keine Rolle. Man hatte außerdem Mandos Verbündete und den Gegenspieler sowie einige ulkige wie kuriose Sidekicks, die es schon immer in Star Wars gab. Das wichtigste war es, das Grundgerüst erst einmal stehen zu haben. Über alles andere konnte man sich nachträglich Gedanken machen.

Doch man hat sich Favreu und Filoni nicht ins Boot geholt, weil einer davon das Marvel MCU erschaffen hat und der andere bereits Star Wars Fahrwasser in den Schuhen hatte. Man hat sich diese beiden Herren besonders ins Boot geholt, um eine Konstanz zu erhalten um solche Fehler wie bei der Sequel-Trilogie mit den stets wechselnden Regisseuren und fehlenden Anweisungen für den Nachfolger zu vermeiden. Man übergab Favreu das Szepter und der hat ein eingeschworenes Team rund um den Mandalorianer gegründet und arbeitet zudem noch eng mit den Schauspielern zusammen. Favreu und Filoni agieren hier mehr wie zwei Fußballtrainer, die einen kriselnden Verein zurück auf die Spur bringen wollen. Man musste ungefähr wissen, wo man bei Star Wars ansetzen muss. Da war es wichtig mit der ersten Staffel schon einmal eine Grundlage zu schaffen. Der Rest kommt später. Und genau da hat man dann mit Staffel 2 weitergemacht als das Grundgerüst stand. Die Fassade. Und wenn man die Credits nach jeder der achte Episoden mal verfolgt, wird auch schnell klar was ich mit eingeschworenem Team meinte. Neben Favreau selbst nimmt natürlich auch wieder Filoni auf dem Regiestuhl platz. Und welche andere Folge hätte es nur sein können als bei S2E5 "The Jedi". Spoiler: Es war die Ahsoka Tano Episode. Ahsoka Tano ist größtenteils Filonis Baby und auch nach der Übernahme von Disney und der damaligen Absetzung von The Clone Wars konnte sich Filoni nie so wirklich von Anakin Skywalkers einstigem Padawan trennen. Hatte ich vorher noch Skepsis geäußert bezüglich der Auswahl von Rosario Dawson als Darstellerin, war diese schon relativ früh verflogen. In S2E3 nahm erneut Bryce Dallas Howard (Rons Töchterchen) auf dem Regiestuhl platz und lieferte "The Heiress" die erste enorm starke Episode ab, die die Story erstmals ins Rollen brachte. In S2E4 "The Siege" durfte dann in einer ähnlich furiosen Episode Carl Weathers ran, den man hier sowohl als Regisseur als auch wieder als Schauspieler in seiner Rolle als Greef Karga sieht. In S2E6 "The Tragedy" kommt dann sogar Star Wars Geek Robert Rodriguez ins Spiel der hier, wie er selbst sagt, ein Last Minute Ersatz war und seinem Kumpel Jon Favreau damit einen großen Gefallen erwiesen hat (und dessen Idee für diese Episode auf das spielen mit Star Wars Actionfiguren zurückgeht). Rick Famuyiwa, der in Staffel 1 noch bei zwei Episoden Regie führte ist auch hier wieder bei S2E15 "The Believer" mit einer sehr starken Episode dabei. Der Löwenanteil mit zwei Episoden (darunter die mit einer 9,9 Sternen in der IMDb bewerteten finalen Episode S2E8 "The Rescue") geht jedoch an Peyton Reed, dem sein Durchbruch mit Ant-Man im Marvel MCU gelang.

Was bei diesem kleinen, aber eingeschworenem Team sofort auffällt sobald man etwas mehr ins Detail geht: All diese Leute wurden persönlich von Jon Favreau ausgesucht. Es sind teilweise Leute mit denen er schon zusammengearbeitet hat oder sie schon vorab aufgrund ihrer Verdienste sehr schätzt. Keine Episode ist eine arrogante One-Man-Show sondern teil eines Kollektivs, ein Konzept, was hier komplett aufgeht. Es ist ein ähnliches Konzept welches es bereits bei "Star Trek - Das nächste Jahrhundert" gab. Auch dort war es nicht ungewöhnlich, als Darsteller wie Jonathan Frakes oder LeVar Burton irgendwann auch hinter der Kamera auf dem Regiestuhl Platz nahmen. Anders als bei dem gefloppten Star Trek Nemesis Kinofilm nahm bei der Star Wars Sequel-Trilogie aber niemand auf diesem Stuhl Platz, der das Franchise nicht ausstehen konnte oder einfach keinerlei Erfahrung damit hatte. Im Gegenteil. Sowohl J.J. Abrams als auch Rian Johnson sind so große Star Wars Fans, dass sie Bedenken äußerten, die richtigen Männer für diesen Job zu sein (wenn auch die Zweifel bei Abrams deutlich größer waren). Das Problem was sich dadurch ergab war folgendes: Der eine Regisseur wollte weniger sein eigenes Star Wars als viel mehr ein Star Wars, das an alte Zeiten erinnert ohne die Formel zu sehr zu verändern. Während dies Abrams Philosophie war, wollte der andere, Johnson, sein eigenes, exotisches Star Wars haben wo einfach alles ein wenig anders war. Wenn man die Pole von zwei Magneten aneinander hält, entfernen sie sich voneinander. So ungefähr verlief es mit den Philosophien von Abrams und Johnson. Und hier wiederum kommt Favreau und sein Team ins Spiel. Größtenteils alles alte Star Wars Fans, wollen sie jedoch beide Philosophien miteinander verbinden. Man will das alte Star Wars Feeling, möchte aber auch einen vollständig eigenen Weg gehen. Dass es auch in andere Richtungen gehen kann beweist Favreau auch bei der Auswahl der Darsteller. So ist Comedian und Schauspieler Bill Burr ein bekannter Star Wars Anti-Fan (neben Harrison Ford vermutlich der zweitprominenteste Star Wars Anti-Fan der in direkter Verbindung zum Franchise steht). Etwas, was Favreau so reizvoll fand, dass er ihn in der Serie haben wollte.

Was das Team rund um Favreau und Filoni hier allmählich aufbaut entwickelt sich, ohne, dass man es so richtig bemerkt, zu dem "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" Sequel, welches sich Fans so lange gewünscht hatten. Zu verdanken hat man dies natürlich auch der Timeline, so spielt The Mandalorian nicht einmal 10 Jahre nach Episode IV, im starken Kontrast zu Episode VIII, die rund 34 Jahre nach Episode IV spielt. Die Sequel-Trilogie kämpft also mit dieser riesigen Zeitspanne, die leer bleibt und selbst durch Romane oder Comics, von dessen Existenz der gewöhnliche Zuschauer vermutlich nicht einmal etwas weiß, nicht zufriedenstellend ausgefüllt wird. Und hier komme ich nun zu dem Punkt, wo der Mandalorianer die Sequel-Trilogie, zumindest die großen zeitlichen Lücken, reparieren und füllen könnte. Sofern Disney die Sequel-Trilogie also noch nicht vom offiziellen Star Wars Canon gestrichen hat, so könnte der Weg, den man hier geht, irgendwann dorthin führen (wobei man dafür natürlich auch eine komplett eigene Serie entwickeln könnte).

Und so ist es besonders die viel besprochene letzte Episode der zweiten Staffel, die weitaus mehr als nur Fanservice und Seelenbalsam sein könnte. Denn Fevreau und sein Team haben glaube ich verstanden, dass ein alter Zaubertrick seine Wirkung schnell verliert und ein Darth Vader oder Imperator Palpatine Cameo niemanden mehr vom Sofa fegen wird. Es sei denn natürlich, man baut so etwas mit Sinn und Verstand ein und möchte somit eine ähnliche Reaktion hervorrufen wie bei dieser finalen Episode.

The Mandalorian könnte also das wichtige Reparaturkit sein, welches das Franchise alleine dafür benötigt, um den Star Wars Canon wieder in Schuss zu bringen. Aber die Serie ist so viel mehr, nämlich etwas völlig eigenständiges ohne dabei ständig einen Abgesang auf die gute alte Zeit zu veranstalten. Disneys Pläne derzeit liegen nicht bei einer neuen Filmtrilogie oder irgendwelchen Spin-Off Filmen. Man hat das derzeit perfekte Format für Star Wars entdeckt, welches auch nach aktueller Weltlage vermutlich auch am profitabelsten ist. TV-Serien. Wobei "TV" hier nur noch ein sehr vager Begriff ist, da sich zumindest The Mandalorian kaum von einem Big Budget Spielfilm unterscheidet. Man mag fast glauben, Disney habe die Essens von Star Wars endlich begriffen. Doch wie stark die Macht in diesen neuen Serien wirklich ist, wird sich ende 2021 beweisen wenn "The Bookf of Boba Fett" auf Disney+ erscheinen wird. Und auch hier werden wieder Favreau und Filoni am Werke sein, denn die Macht scheint besonders in diesen zwei Herren derzeit besonders stark zu sein.

Was The Mandalorian angeht: Es wird eine dritte Staffel geben und die Möglichkeiten sind scheinbar so unendlich wie die weit, weit entfernte Galaxis. Wenn Staffel 1 das Grundgerüst war und Staffel 2 die Fassade, dann müsste Staffel 3 nun also die Inneneinrichtung werden.

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