Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Aufziehvogel fragt nach bei "Manga Cult"




Aufziehvogel fragt nach

(Copyright: Cross Cult - Comics und Romane)


Manga und Anime im deutschsprachigen Raum erlebten in den letzten 15 Jahren einen ungeheuren Boom. Auch wenn die Verhältnisse in Deutschland wohl niemals ein Ausmaß wie in Japan (surprise), den USA oder Frankreich annehmen werden, so hat sich dieses japanische Kulturgut auch in Deutschland phänomenal entwickelt. Besonders Manga sind bei deutschen Buchhändlern von einer Nische zu einem Sortiment aufgestiegen, was man sich aus kleinen Comicläden bis hin zu großen Buchhandlungen nicht mehr wegdenken kann. Die Regale sind prall gefüllt und die Genre decken so ziemlich jede Zielgruppe ab, die es unter den interessierten Lesern gibt. Da müsste man doch eigentlich meinen, es gäbe unzählige Verlage, die bei dieser Erfolgsgeschichte mitwirken wollen.
Die Wahrheit sieht hier aber etwas anders aus. Nur selten kommt ein neuer Verlag hinzu, der sich auf dem Markt behaupten kann. Neben Carlsen, Egmont, Panini und Tokypop kam vor einigen Jahren noch Kaze dazu, die mit Tokyo Ghoul beispielsweise große Erfolge feiern.

Manga zu lizenzieren ist keine einfache Aufgabe. Umso seltener kann man daher auch einen neuen Verlag begrüßen, der sich der japanischen Zeichenkunst annimmt. Für etliche Fans dürfte es daher überraschend wie erfreulich gewesen sein, als mit Cross Cult, einer der größten Verlage für den Vertrieb von Comics in Deutschland, sich dazu entschieden hat, fortan ein Manga-Label zu gründen. "Manga Cult" lautet der einprägsame Name des neu gegründeten Labels. Das Vorhaben des Verlags ist durchaus ambitioniert, richten sich ihre Veröffentlichungen an eine reifere Zielgruppe.

Neben brandneuen Lizenzen gibt es bei Manga Cult auch ein Wiedersehen mit einem Manga, der seit vielen Jahren in Deutschland bereits nicht mehr gedruckt wird. Manga Cult legte Tsutomu Nihei's düsteres Sci-Fi Werk "Blame!" als sechsteilige Master Edition (aktuell sind 2 Bände erhältlich) neu auf. Von dieser Veröffentlichung war ich bereits nach dem entfernen der Folie des Bandes so begeistert, dass ich unbedingt mehr von Manga Cult und ihren Ambitionen erfahren wollte. Glücklicherweise gestaltete sich dieses Vorhaben als wesentlich einfacher als gedacht. Für ein kleines Gespräch erklärte sich Michael Schuster vom Verlag bereit, auf meine Fragen einzugehen. Ich stehe mit Michael schon ein wenig länger in Kontakt und bin sehr glücklich, ihn für dieses Interview in meiner "Aufziehvogel fragt nach" Rubrik gewonnen zu haben.

Viel Spaß nun mit dem Interview!


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Wer ist eigentlich dieser Micha von Cross Cult?


Also, wer ich bin:
Mein Name ist Michael und ich bin mittlerweile seit auch schon wieder fast zwei Jahre bei Cross Cult und kümmere mich dort um Lizenzen, Programm und die Zahlen - nebenher helfe ich etwas in der Manga Redaktion mit und kümmere mich überhaupt darum, dass Manga Cult ordentlich Fahrt aufnimmt.

Davor war ich bei einem Kinderzeitschriftenverlag als Leitender Redakteur und habe dort vor allem die ganzen LEGO Magazine (Ninjago, Star Wars etc.) betreut, mitentwickelt und tatsächlich sogar selbst Comics geschrieben und zusammen mit den Zeichnern umgesetzt. Ganz ganz früher war ich sogar mal kurz bei Panini (Praktikum) - habe also schon alles mögliche im Comicbereich durch.



Die Fragerunde


1. Aufziehvogel: Willkommen auf "Am Meer ist es wärmer" Michael. Vielen Dank für dieses Gespräch. Als langjähriger Leser von Cross Cult war ich überrascht, als ich hörte, ihr werdet euch fortan mit "Manga Cult" auch der japanischen Zeichenkunst widmen. Was war der Anstoß dafür, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

MichaelDiese Frage wird uns natürlich oft gestellt - und sie ist gar nicht so einfach zu beantworten. Da sind einige Faktoren zusammengekommen. Zunächst habe ich 2016 bei Cross Cult angefangen und man hatte zum ersten Mal jemanden, der sich etwas mit Manga und auch damit, wie man an die Japaner herantreten sollte, auskennt. Dann schaut man natürlich auch konstant etwas „neidisch“ auf die Manga Konkurrenz, die in den letzten Jahren schon einen echten Triumphzug hingelegt hat. In einer Zeit, in der Print totgesagt ist, halten sich Mangaverkäufe doch ganz beharrlich - und das ist für einen kleinen Verlag wie uns natürlich großartig. Die Fans sind treu und eifrig und es hat uns einfach in den Fingern gejuckt, da auch mitzumischen. Natürlich birgt ein starker Markt mit starker Konkurrenz auch Risiken … und in Erfolgssphären der Großen Vorzustoßen kann man als Ziel haben,  sollte man jedoch nicht erwarten. Trotzdem denken wir, dass der Mangamarkt groß und stark genug ist, um noch einen neuen Verlag auszuhalten (wir wussten damals natürlich noch nicht, dass mit Altraverse gleich noch der nächste Konkurrent so plötzlich auftaucht ;)


2. Aufziehvogel: Euer Manga-Projekt ist noch brandneu, aber bereits jetzt zeichnet sich ein Schema ab. Es sind die Titel, für die ihr euch bisher entschieden habt. Zum einen legt ihr Titel wie Basilisk und Blame! in hochwertigen neuen Editionen auf, euer gesamtes Programm scheint sich an eine ältere Zielgruppe zu richten. Die Kategorie "Seinen-Manga" (Manga für eine reifere Leserschaft) ist in Deutschland trotz vieler Bemühungen relativ unterversorgt. Was steckt dahinter, sich als Verlag solchen Titeln anzunehmen?

Michael:  Ganz ehrlich: wir suchten eine Nische bzw. einfach eine Möglichkeit, uns etwas abzuheben. Sowohl bei den Lesern, als vor allem auch bei den japanischen Lizenzgebern. Warum sollten die jemandem Vertrauen, der sagt „Ich mache jetzt genau dasselbe wie Carlsen, nur viel besser“. Deswegen war unsere Strategie, etwas etwas anders zu machen als die Großen und hoffentlich genau so gut ;) - und da wir von den Comics her ja einige Erfahrung mit schönen, dicken, Hardcoverausgaben hatten, lag die Idee nahe, soetwas auch für Manga zu versuchen. Am Anfang wurde das recht skeptisch beäugt, mittlerweile kann man aber sagen, dass die Idee gut angenommen wurde. Blame! verkauft sich super und auch Basilisk ist ganz sicher kein Flop.

Dass wir uns eher an Seinen halten wollen rüht aus einem ähnlichen Grund her. Shôjo ist schon super abgedeckt und passt zunächst auch gar nicht zu uns. Shônen passt zwar schon, aber auch da ist es schwer, noch an besondere Lizenzen zu kommen (außerdem war der Shônen-Markt auch schon stärker und interessanter). Da lag es nahe, zunächst auf Titel zu gehen, die zu unserem bisherigen Comic-Portfolio passten. An der Stelle sei aber auch noch mal deutlich gesagt, dass von uns ganz sicher auch mal ein Shônen kommt oder irgendwas dazwischen. In fernerer Zukunft vielleicht sogar mal was Romantisches. Um erfolgreich besondere Seinen im Handel platziert zu kriegen, muss man eben einfach auch Titel mit großem Potential bringen - und so toll anspruchsvollere Manga wie z.B. Monster sind (abgeschlossener Kult-Hit von Naoki Uraswa anm. des Bloggers), man wird sich keine goldene Nase mit ihnen verdienen.



3. Aufziehvogel: Auch wenn Manga noch immer Neuland für euch sind, so seid ihr lange genug im Geschäft, um zu wissen, wie kompliziert Lizenzierungen sein können. Eine Frage, die mich brennend interessiert; ist es wirklich schwieriger, mit japanischen Verlagen zusammenzuarbeiten um neue Lizenzen auszuhandeln? Man liest immer etwas von sehr strikten Auflagen, die es zu beachten gilt, einen japanischen Titel im Westen zu veröffentlichen. Kannst du uns etwas darüber erzählen, wie es für euch ist,  nun mit japanischen Firmen über Lizenzierungen zu verhandeln?

Michael: Es dauert definitiv länger, einen Titel zu lizenzieren - klar für einen neuen Verlag erst recht, aber ich erwarte nicht, dass das in Zukunft viel einfacher wird. Es ist alles sehr formell und man muss sich an so einige Regeln halten. Auch da sind US-Verlage (aber auch lang nicht alle) gerne etwas lockerer. Ist es aber wirklich schwieriger? Ich würde sagen nein. Strukturiertheit hat auch ihre Vorteile und für mich ist die Arbeit mit den Japanern recht angenehm. Man muss halt wissen, wie man sie zu nehmen und sich selbst zu verhalten hat. Holzhammer bringt nicht viel. Zudem ist auch wirklich nicht jeder Verlag gleich - am komplexen wird die Lizenziererei nämlich, wenn noch Agenturen dazwischengeschaltet sind.



4. Aufziehvogel: Ich war überrascht, wie gut die Master Editions zu Basilisk und Blame! bisher bei den Lesern angekommen sind. Beide Titel waren schon einmal bei anderen Verlagen in Deutschland erhältlich, haben aber nie die Aufmerksamkeit erfahren, die ihnen zustand. Wie zufrieden seid ihr mit dem Feedback zu diesen beiden Neuauflagen und wie wichtig ist es euch, diese Veröffentlichungen neu übersetzen zu lassen?


Michael: Wir sind sehr zufrieden. Sowohl mit den Verkäufen als vor allem auch mit dem Feedback der Leser. Der Mangamarkt hat sich etwas gewandelt. Blame! war damals eben Blame! Ein Manga. Heute gilt Blame! als Klassiker, wenn nicht gar Meisterwerk. Und es gibt viele Mangafans, die mittlerweile Erwachsen sind, etwas mehr Geld haben und sich eine Sammleredition eines solches Titels fast schon gewünscht haben. In diesem Fall funktioniert eine Neuauflage definitiv. Wir hören ja gerade z.B. oft den Wunsch nach einer Sammelausgabe zu Knights of Sidonia. Aber, mal abgesehen davon, dass die Rechte dazu natürlich bei Egmont liegen, wäre es dafür einfach noch zu früh. Man muss sich die Titel für eine Neuauflage schon sehr genau aussuchen, sonst ist ein Riesenflop leider fast garantiert.

Wichtig war uns eine Neuübersetzung vor allem bei Basilsik, da die erste deutsche Übersetzung echt nicht so schön war. Ob die neue Übersetzung nun den Lesern besser gefällt, ist schwer zu sagen - wir haben da schon Lob wie Kritik bekommen. Bei Blame! hatten wir vor einer Neuübersetzung etwas Bammel, da die alte recht gut war und es ja doch sehr viele „Fachbegriffe“ gibt, die die Leser schon kennen. Netzsphäre, Megastruktur etc. Da ist es eine Gradwanderung zwischen „Ich mach alles neu und keiner weiß mehr, wovon ich spreche“ und „Ich halte an so vielen bekannten Begriffen fest wie möglich“. Sonst kriegt man am Ende sowas wie die Neuübersetzungen von Herr Der Ringe oder Game of Thrones (beide grausig ^^). Wir haben Begriffe also nur geändert, wo wir der Ansicht waren, etwas verbessern zu können. Beispiel: Mensarb. Ist ja eine lautsprachliche Übersetzung vom japanischen „Mensarbu". Schaut man sich die Welt von Blame aber an, ist die Chance groß, dass das eigentlich besser „Menserv“ heißen sollte.



5. Aufziehvogel: Für die Leser dieses Interviews muss ich auch noch anmerken, neben den Hardcover-Ausgaben bei Titeln wie Basilisk und Blame! wird Manga Cult andere Titel auch als Taschenbuch mit Klappenbroschur veröffentlichen (die sich beide auch im Preis voneinander unterscheiden). Meine Frage ist nun, plant ihr die vorhandenen Master Editionen auch nochmal als Taschenbuch neu aufzulegen? Und falls nicht, müssen die interessierten Leser fürchten, dass diese Editionen bald vielleicht schon wieder vergriffen sind?

Michael: Ich denke nicht, dass wir noch Softcover-Editionen der Hardcovers herausbringen werden. Das gibt der Markt dann doch eher nicht her ;) Außerdem machen wir dann lieber Softcover von Titeln, die es noch nicht gab. Wir arbeiten aber gerade an Digitalausgaben. Dann haben auch Leute die Chance, die Geschichten zu erleben, die nicht bereit sind, das Geld für die Sammlerausgaben auf den Tisch zu legen. Fürchten, dass die Hardcovers vergriffen sind braucht aber vorerst sowieso niemand. Die sind nicht limitiert, im Fall von Blame! ist ein Nachdruck recht wahrscheinlich. Die Startauflage des ersten Bandes ist übrigens schon fast weg.


6. Aufziehvogel: Als letzte Frage kommt nun etwas sehr obligatorisches. Hier frage ich nicht nur als Blogger sondern auch als Fan. Gibt es schon einen kleinen Ausblick auf das kommende Jahr? Können die Leser neue Lizenzen erwarten und darunter vielleicht Überraschungen, an die sich vielleicht kein anderer Verlag getraut hätte?

Michael: Es gibt noch eine große Überraschung, an die sich tatsächlich schon ziemlich lang niemand mehr getraut hat. Ich kann nur leider immer noch nichts dazu sagen außer, dass der Vertrag jetzt in Arbeit ist und es wirklich passieren wird. Wie gesagt, superschnell geht das mit Japan meist nicht;)
Ansonsten haben wir für 2018, was ja eigentlich erst unser erstes, richtiges Mangajahr ist, schon ein ziemlich starkes Programm (meiner Ansicht nach).
Aposimz - Land der Puppen, das neue Meisterwerk von Tsutomu Nihei, das für seine Verhältnisse echt fast schon zugänglich ist und tolles (wenn auch spezielles) Artwork hat.
Tekkon Kinkreet von Taiyo Matsumoto zum ersten Mal in Deutschland und in einer schicken Hardcover-Ausgabe.
Green Worldz, ein cooler Action-Survival-Titel im Stil von Attack on Titan.
Kuhime - Die Menschenfresserin, ein mit vier Bänden abgeschlossener Horror-Manga.
Parataxis, das erste in Deutschland veröffentlichte Werk von Shintaro Kago (am besten Googlen :)


"Am Meer ist es wärmer" bedankt sich bei Cross Cult und ganz besonders bei Michael für das sympathische Interview und die daraus entstanden, sehr interessanten Antworten. Ich wünsche euch für 2018 viel Glück bei eurem Programm und bleibe nicht nur als Blogger, sondern auch als Fan dabei und werde eure Entwicklung mit großer Freude verfolgen.


Im Gespräch: 
Michael Schuster
Lizenz- und Produktmanagement
Cross Cult - Comics & Romane


Präsenz im Web:

Cross Cult: Website
Manga Cult: Website


Hinweis: Dieses Interview wurde exklusiv auf "Am Meer ist es wärmer" geführt. Zitate oder Auszüge aus dem Interview dürfen benutzt werden unter Angabe der Quelle oder am besten in der Kategorie "Kontakt" den Inhaber des Blogs kontaktieren.

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