Japan 2007
Regie: Atsuko Fukushima, Shoji Kawamori, Shinji Kimura, Yoji Fukuyama, Hideki Futamura, Masaaki Yuasa, Shinichiro Watanabe
Sprecher: Tomoko Kaneda, Rinko Kikuchi, Lu Ningjuan, Taro Yabe, Yuya Yagira
Genre: Anime, Kurzfilm, Experimentell, Action, Komödie, Drama, Mystery, Romance, Fantasy
Verleih: Rapid Eye Movies
FSK: 12
Mit dem 2007 entstandenen Kurzfilmprojekt Genius Party geht Studio 4°C zu den Anfängen zurück. Zusammen mit Akira Schöpfer Katsuhiro Otomo entstand 1995 das erste Werk des Studios. Die Anthologie Memories umfasste 3 Kurzfilmen (Magnetic Rose, Stink Bomb, Cannon Fodder) und erschien zum Anime-Boom der neunziger. Durch den Erfolg wurde der ungewöhnliche Stil des Studios auch rasch im Westen bekannt.
Ganze zwölf Jahre später wagt es Studio 4°C erneut. Doch diesmal machten sich gleich sieben Regisseure ans Werk. Darunter versammelt sind junge Newcomer wie Maasaki Yuasa (Mind Game) bis hin zu Kultregisseuren wie Shinichiro Watanabe (Cowboy Bebop). Sieben verschiedene Stile. Sieben Kurzfilme die unterschiedlicher voneinander gar nicht sein können. In der folgenden Besprechung nehme ich mir gleich alle sieben Beiträge vor. Und am Ende wird dann auch der große Sieger gekürt.
Genius Party: Die Kurzfilme
1. Genius Party (Opener)
Regie: Atsuko Fukushima
Der kurze Eröffnungsfilm ist pures Eyecandy. Es wird weder eine Story erzählt, noch gibt es Dialoge. Der Kurzfilm dient lediglich dazu zu präsentieren was den Zuschauer erwarten wird. Atsuko Fukushima (einzige Frau an Board) geht mit ungeheurer Kreativität ans Werk und zeigt uns einen farbenfrohen Mix der geradezu einer Person auf einen LSD-Trip entstammen könnte. Ein kleines Kunstwerk. Hat mir sehr gut gefallen.
2. Shanghai Dragon:
Regie: Shoji Kawamori
Der etwas gesellsschaftkritische Shanghai Dragon von Mecha Meister Shoji Kawamori (Macross) stellt praktisch nach dem storylosen Opener den Beginn der Anthologie dar. Die Geschichte spielt im letzten Jahrhundert (vermutlich in den neunzigern) in China/Shanghai. Held der Geschichte ist der kleine Außenseiter Gonglong. Als ein außerirdisches Objekt aufs Schulgelände fällt gerät es in die Hände von Gonglong. Das Kugelschreiber ähnliche "Ding" scheint geheime Kräfte zu besitzen die nur Gonglong entfachen kann. Egal was er damit auch zeichnet, es wird lebendig. Bald darauf greift eine außerirdische Flotte an. Und Gonglong erfährt von zwei geheimnisvollen Männern aus der Zkunft, das nur er die Welt vor ihrer Vernichtung bewahren kann.
Shanghai Dragon ist auf eine Weise eine sehr lustige und actionreiche Story. Den völlig überzogenen Actionszenen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Auch die Geschichte um die kleine Rotznase Gonglong wird liebevoll erzählt. Dabei verarbeitet Kawamori auch noch ein wenig Geesellschaftskritik in die Story. Ein Grund wieso die Geschichte wohl in China spielt. "In der Zukunft werden keine Kinder mehr geboren. Die Maschinen kontrollieren die Menschen."
Mit diesen trostlosen Worten des Raumfahrers aus der Zukunft wird es klar. Die Zukunft der Menscheit wird in der Phantasie der Kinder aus der Vergangenheit (unserer Gegenwart) liegen. Ein Aspekt der zum nachdenken anregt.
Shanghai Dragon hat mir unglaublich gut gefallen. Der Zeichenstil ist modern und wirkt sehr erfrischend, teilweise gibt es ein paar CGI Animationen. Schaut man den Kurzfilm im Originalton, gibt es sogar einen sprachlichen Mix aus Japanisch und Kantonesisch.
Definitiv der actionlastigste Kurzfilm, aber auch extrem unterhaltsam. Klasse.
3. Deathtic 4
Regie: Shinji Kimura
Tim Burton lässt grüßen. Deathtic 4 von Shinji Kimura (natürlich eine Anspielung auf die Fantastic 4) ist der wohl skurrilste Beitrag. Die Zeichnungen/Animationen sind absolut einzigartig und wunderbar schräg. Die gesprochene Sprache scheint ein skandinavischer Mix zu sein. Ob es sich hier um eine erfundene Sprache handelt, oder tatsächlich norwegisch oder finnisch gesprochen wird, weiß ich leider nicht. Witzig anzuhören ist es aber auf jeden Fall.
Die Handlung ist einfach erklärt. Ein Frosch fällt vom Himmel in die Unterwelt. In dieser Welt gibt es keine fröhlichen Wesen. Alles in der Stadt wirkt düster und modrig. Die Bewohner an sich scheinen zu verwittern. Vor seinem Haus findet ein Schüler den gestrandeten Frosch und ist sichtlich fasziniert von dem Fremden Wesen. Er nimmt ihn mit in die Schule und bittet ein paar selbsternannte Superhelden um Hilfe den Frosch wieder in seine Heimat zu geleiten. Zusammen macht sich das schräge Team auf in ein kurioses Abenteuer.
Deathtic 4 verfügt über einen herrlich trockenen Humor. Die Episode ist genau wie der Opener sehr kurz gehalten. Dafür gibt es in jeder Szene aber schräge Einfälle zu bewundern. Nicht nur das total abgedrehte Team der Superhelden sorgen für Unterhaltung, es ist die komplette Welt dieser seltsamen Bewohner die zum schmunzeln anregt. Allen voran muss ich hier die kleinen roten Plüschwächter (siehe Cover) erwähnen, in deren Gasmaskenartiger Mund eine Muh-Dose steckt. Ein fantastischer Einfall. Wie kommt man auf so etwas verrücktes? Bewegt sich einer dieser kleinen Kerle ertönt sofort das Geräusch einer Kuh.
Den ganzen Spaß hätte ich mir auch gerne noch länger angeschaut. Ebenfalls wäre ich nicht abgeneigt davon einmal einen kompletten Film zu sehen. Auch Deathtic 4 hat mir unglaublich gut gefallen.
4. Doorbell
Regie: Yoji Fukuyama
Der eigene Schatten eines Schülers scheint immer mehr sein Eigenleben zu entwickeln. Jeder Weg den er bestreitet scheint sein Schatten ihm bereits voraus zu sein. Alles nur Einbildung? Trotzdem wird der Schüler weder von seiner Familie, noch von seinen Freunden mehr wahrgenommen.
In Doorbell geht es um die eigene Existens. Die Geschichte scheint erst etwas seltsam, wird aber am Ende deutlich verständlicher. Sowohl vom gewollt sehr schlichten Animations-Stil, wie aber auch von der Qualität der Episode muss sich Yoji Fukuyamas Doorbell leider den zuvor besprochenen drei Episoden unterwerfen. Was nicht bedeutet das Fukuyamas Beitrag schlecht ist, aber optisch und qualitativ konnte mich der Kurzfilm einfach nicht so begeistern wie die Vorgänger. Allerdings fällt das kaum ins Gewicht. Denn spaß macht auch diese Episode.
5. Limit Cycle
Regie: Hideki Futamura
Auch in Limit Cycle geht es um die Existens. Zumindest ist es ein Thema. Meine ich jedenfalls wahrgenommen zu haben. Denn leider ist dieser Kurzfilm so anstrengend, das man selbst bei voller Konzentration den Dialogen irgendwann nicht mehr folgen kann. So kann man Hideki Futamaras experimentellen Beitrag eigentlich schon als überflüssig bezeichnen. Bei der Handlung führt uns ein Ich-Erzähler durch ein futuristisches Japan. Plaudert praktisch über Gott und die Welt und zitiert auch noch Psalme. Dabei wäre das alles gar kein Problem wenn die Episode nicht gestreckt wäre wie ein Kaugummi. Die Optik überzeugt nämlich. Die Zeichnungen bestehen sowohl aus 2D als auch 3D Animationen. Zahlreiche andere Effekte wurden mit eingebaut um einen futuristischen Eindruck zu vermitteln.
Nach 10 Minuten wünscht man sich bereits das dieses Werk bitte zügig enden soll. Dialog folgt Dialog. Das macht müde und passt überhaupt nicht in das Konzept der guten Vorgänger. Ich bin zwar ein Fan experimenteller Werke, aber Limit Cycle geht selbst für mich zu weit. Vielleicht beabsichtigt dies aber auch Regisseur Futamara. Ich bin mir sicher das auch an Limit Cycle der eine oder andere seine Freude haben wird, mein Geschmack war es aber nicht.
6. Happy Machine
Regie: Masaaki Yuasa
Experimentell geht es weiter. Regisseur Masaaki Yuasa (Mind Game) nimmt uns mit auf die surreale Reise eines Babys. Der kleine wird einem sofort sympathisch. Wir folgen ihm duch diese geheimnisvolle Welt in der er da geraten ist und bewundern erneut Yuasas Vorstellungsvermögen (Baby pinkelt von seinem Gefährt aus in die Tiefe und ein kleines Wesen mit Rüssel saugt den Strahl auf). Anders als bei Mind Game muss Happy Machine aber mit der einen oder anderen Länge kämpfen. Selbstverständlich wirkt Yuasas Beitrag längst nicht so zäh wie Futamuras Limit Cycle, aber da wäre sicherlich mehr drin geewesen. Interessant ist dafür aber das seltsame Ende. Was bleibt ist erneut mal wieder eine erstaunliche Vision von Masaaki Yuasa. Er spielt hier lediglich unter seinen Möglichkeiten.
7. Baby Blue
Regie: Shinichiro Watanabe
Wie heißt es so schön? Das Beste kommt zum Schluss. Wer ein fulminantes Ende erwartet welches die anderen Kurzfilme an Ideenreichtum übertrifft, der wird vermutlich enttäuscht werden. Denn Regisseur Shinichiro Watanabe (Cowboy Bebop, Samurai Champloo), welchen ich sehr verehre und uns leider viel zu selten etwas neues präsntiert, liefert hier eine Geschichte ab wie sie alltäglicher nicht sein könnte. Baby Blue ist eine Geschichte um das erwachsenwerden, die erste Liebe und Abschied.
"Lass uns für Heute einfach mal die Zukunft vergessen".
Zwei Schulfreunde resümieren ihre gemeinsame Zeit. Gestehen sich gegenseitig das sie seit ihrer Kindheit Gefühle für einander hegen. Für einen Tag all die Sorgen vergessen und sich einfach treiben lassen. Ein beinahe utopischer Gedanke.
Shinichiro Watanabe erzählt die Geschichte mit einer solchen Ruhe und Hingebungskraft das sie den Zuschauer sofort in ihren Bann zieht. Die Atmosphäre ist unglaublich melancholisch. Der Zeichenstil ist sehr erwachsen und erinnert sogar ziemlich an Werke Makoto Shinkai's (5 Centimeters Per Second). Für Shinichiro Watanabe selbst ist Baby Blue ein unglaublich ungewöhnliches Werk wenn man seine Vorgänger wie Cowboy Bebop und Samurai Champloo kennt. Doch der Visionär beweist das er auch anders kann. Gefühlvoll und am Ende sogar recht traurig liefert Watanabe den besten Beitrag dieser Anthologie ab. Baby Blue passt vielleicht genau so wenig wie Limit Cycle ins Konzept, aber die perfekte Harmonie zwischen Story und Bildern, vermischt mit dem grandiosen Soundtrack von Yoko Kanno, hat mich ziemlich fasziniert. Ein Kurzfilm der auch als kompletter Kinofilm sehr gut funktionieren würde.
2. Deathtic 4 (Shinji Kimura)
3. Shanghai Dragon (Shoji Kawamori)
5. Doorbell (Yoji Fukuyama)
6. Happy Machine (Masaaki Yuasa)
7. Limit Cycle (Hideki Futamura)
Der große Sieger dieser Anthologie von Kurzfilmen ist für mich Shinichiro Watanabe's Baby Blue. Zwar präsentiert uns der Regisseur ein alltägliches Szenrario und reale Situationen, hebt sich damit aber auch aus der Masse von Genius Party. Baby Blue hat mich wirklich berührt. Vielleicht weil die Geschichte so völlig aus dem Leben gegriffen ist. Eine angenehme Abwechselung die in einer solch abgedrehten Sammlung sehr willkommen ist.
Das Schlusslicht stellt Hideki Futamura's Limit Cycle da. Optisch überzeugt sein Beitrag, inhaltlich wirkt er aber ermüdend. Ich konnte der Episode einfach keinen Reiz abgewinnen. Wäre zumindest die Laufzeit gestrafft worden, hätte es sicherlich angenehmer werden können.
Genius Party ist eine interessante Sammlung an Kurzfilmen die sich bis auf den besprochenen Limit Cycle auf einem außerordentlich hohen Niveau der Animations-Kunst befindet. Studio 4°C beweist einmal mehr wie unabhängig sie sind. Sicherlich ist Genius Party ein schwer zugägngliches Werk, selbst für Veteranen. Hat man aber einmal gefallen an dieser furiosen Mischung gefunden, wird man auch den eigenwilligen Stil zu schätzen wissen. Ich bin begeistert.
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