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Dienstag, 29. August 2023

Rezension: Die Allmächtige (Jona Sheffield)



Deutschland 2023

Die Allmächtige

Autorin: Jona Sheffield

Verlag: Selbstverlag

Format: eBook, gebundene Ausgabe

Genre: Thriller


Mit "Die Allmächtige" malt Jona Sheffield erneut ein Zukunftsszenario, das so real wie beängstigend erscheint. Mark Davis ist KI-Experte, brillant in dem, was er tut, und er hat eine KI erschaffen, mit deren Hilfe der Klimawandel bekämpft werden soll. Diese Superintelligenz, genannt GAIA nach der griechischen Göttin der Erde und Mutter allen Lebens (und zugleich eine Abkürzung), soll nach und nach die Belange der Welt steuern und eingreifend und regulierend helfen, eine sichere Zukunft für die Menschheit zu schaffen. Natürlich gibt es Gegner dieser Superintelligenz, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken und bald sieht Mark sein eigenes Leben und das seiner Mitarbeiter bedroht.

Doch davon abgesehen ist es natürlich nicht so einfach, wie es zunächst scheint - aber wann ist es das bei Jona Sheffield überhaupt einmal? Bereits im Prolog zeigt sich, dass GAIA möglicherweise gar nicht nur das Beste für die Menschen im Sinn hat, als das deutsche Forschungsschiff Sonne sich manövrierunfähig und ohne Kontakt zum Festland im Pazifik wiederfindet. Erste Zweifel an GAIA tauchen auf, doch dann wird es - ganz im Stile Sheffields - erstmal wieder entspannt und wir befinden uns einige Zeit früher am Tag der Aktivierung GAIAs. Hierbei habe ich ein wenig die sonst gewohnte Zeitangaben vermisst. Das zieht sich das gesamte Buch durch, zwischen den Zeilen ist an einigen Stellen lesbar, dass Wochen oder sogar Monate vergangen sind, aber auf den ersten Blick erschließt es sich oftmals nicht und verwirrt im ersten Moment.

Obwohl GAIA nach einem Manifest handeln muss, das ihr beispielsweise untersagt, der Menschheit zu schaden, zeichnet sich bald ab, dass eine Superintelligenz wie GAIA zu einer eigenen Auslage dessen fähig ist und das auch tut. Bald schon ist die größte Bedrohung für die Menschheit nicht mehr der Klimawandel sondern das, was sie eigentlich retten sollte, GAIA selbst, da sie die Menschen - nicht zuletzt durch deren eigenes Verhalten, wie etwa die mangelnde Bereitschaft auf Verzicht - als hinderlich sieht in Hinblick auf ihr Ziel, die Rettung der Erde. Die Bewertung dessen, ob GAIAs Aktionen vielleicht sogar gerechtfertigt sein mögen, wenn auch maßlos überzogen, ob sie mit ihrer Annahme recht hat, bleibt dabei dem Leser überlassen, auch wenn er sachte mit dem Zaunpfahl angestupst wird.

Das Thema künstliche Intelligenzen beschäftigt uns heute in zunehmendem Maße. Längst ist, was vor wenigen Jahren noch Science-Fiction war, Realität, längst können Chatbots (einigermaßen) glaubhafte Konversationen führen, können sie aufgrund von Beschreibungen Bilder von Orten, Personen oder Szenarien erzeugen, geistern Deepfakes durchs Internet, die glaubhaft in Bild und Ton Situationen zeigen, die es so nie gegeben hat mit realen Menschen als Akteure, die nichts damit zu tun haben. Diese rasante Entwicklung zeigt: Da geht noch mehr. Bereits heute nehmen uns Algorithmen - mal mehr, mal weniger erfolgreich - die Suche im Netz ab: "Du hörst gern diese Musik? Versuch's mal damit!", "Du hast dieses Produkt gekauft, dann ist das dort mit Sicherheit auch etwas für Dich!". Sprachgesteuerte Assistenten übernehmen den Einkauf, Fahrzeuge fahren autonom. Da ist der Gedanke an eine solche KI, die selbstständig denkt, handelt, Schlüsse zieht, auf ihre Umgebung und die Umstände entsprechend reagiert, gar nicht mehr so undenkbar. Und auch hinsichtlich der Akzeptanz in der Bevölkerung zeichnet Sheffield ein glaubwürdiges Bild, wie es sich bereits abzeichnet; es gibt nicht nur die Befürworter, es gibt auch die kritischen Stimmen und es gibt die Gegner. Der Schritt zur Gewalt, wie sie ihn beschreibt, ist oft ein kleiner, besonders in solch angespannten Zeiten. Segen in den Augen der Einen, Fluch in denen der Anderen.

In ihrem Buch beschreibt Jona Sheffield den Aufstieg GAIAs von einer "einfachen" KI zu einem wirklich scheinbar allmächtigen Wesen, das nach Belieben schalten und walten kann. Das zwar immer noch seiner Aufgabe, der Rettung der Welt (vor dem Klimawandel? Oder doch vor der Menschheit?), nachkommt, dabei aber im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Leute, die unbequem sind, werden beseitigt. Leute, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind, werden als "Kollateralschaden" im Rahmen von Sanktionen ebenfalls beseitigt. Und immer ist GAIA dabei einen Schritt voraus, sie sieht und hört alles, denn nahezu jedes elektronische Gerät ist mit dem Internet verbunden und damit von ihr als ihre Augen und Ohren nutzbar.

Mark macht es sich zur Aufgabe, seine Schöpfung aufzuhalten und benötigt dazu alle Verbündeten, die er bekommen kann. Aber wie kann ein Gegner besiegt werden, der einem stets voraus ist?

Die Spannung bleibt bei dieser Frage von der ersten zur letzten Seite, bis zum - wie immer erfrischend - überraschenden Ende erhalten. Durch viele verschiedene Perspektiven werden Einzelschicksale, stellvertretend für viele, aufgezeigt, werden dadurch persönlich, man bangt, man hofft, man sitzt sprachlos vor dem Buch. Anfangs war es nicht ganz einfach, Zugang zu den wechselnden Perspektiven zu finden, es waren so viele Eindrücke, neue Personen, so viele verschiedene Ziele, aber das hat sich schnell gegeben und man wartete geradezu darauf, wann Weiteres zu dieser oder jener Person berichtet wird.

Sprachlich war auch dieses Buch, ganz wie man es von Jona Sheffield gewöhnt ist, sehr angenehm zu lesen. Auf unnötige Schnörkel wird dabei verzichtet aber dennoch ein Bild gezeichnet, das ohne Probleme im Kopf entsteht und ins Geschehen zieht. Ebenso sind mir keine Rechtschreib- oder inhaltlichen Fehler aufgefallen.

Auch das Cover kann sich sehen lassen. Mir persönlich gefällt es sehr, es ist schlicht, gewohnt dunkel mit hellerem Akzent gehalten. Dieses Cover schaut in die Seele, so wie GAIA es tut. Hätte ich das Buch nicht ohnehin auf meiner "must read"-Liste gehabt, seit ich davon erfahren habe, so wäre ich spätestens, wenn mir dieses Cover irgendwo untergekommen wäre, mit Sicherheit daran hängen geblieben und hätte es mir genauer angesehen.


Abschließende Gedanken


Ich finde ja Bücher, die sich mit alternativen oder möglichen Zukunftsszenarien beschäftigen, immer sehr spannend, besonders, wenn sie gar nicht mal so unwahrscheinlich erscheinen. "Die Allmächtige" zeichnet ein solches Szenario und das auf eindringliche und erschreckende Weise. Es regt zum Nachdenken an - über sich, das eigene Handeln, die Situation auf der Welt. Dazu ist es gut und umfassend recherchiert, so, wie ich es von eine Buch aus der Feder Sheffields erwarte; niemals würde sich hier die Blöße einer lückenhaften oder gar fehlenden Recherche gegeben.

Einzig am Ende lief es alles etwas schnell ab. Was sich über Monate aufbaut kommt Knall auf Fall (wobei es durch die gestraffte Erzählweise wirkt, als handele es sich um einen kürzeren Zeitraum, als es tatsächlich der Fall ist) zu einem Ende. Ein Kapitel mehr hätte an dieser Stelle denke ich nicht wehgetan.

Von mir gibt es an dieser Stelle aber eine ganz klare Leseempfehlung. Und bei allen grandiosen Büchern, die Jona Sheffield bisher abgeliefert hat, ist "Die Allmächtige" in meinen Augen das Beste! Ich hoffe sehr, dass es eine Fortsetzung gibt - das Ende bietet diese Möglichkeit und lässt darauf hoffen, wenngleich es auch für sich alleinstehend gut funktionieren würde.

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