Norwegen/Großbritannien 2018-2021
Death in Ice Valley
Genre: True Crime Podcast
Produktion: NRK und BBC
Moderation: Marit Higraff, Neil McCarthy
Verfügbarkeit: YouTube, Apple Podcast, Spotify und anderen Podcast Plattformen (kostenlos)
Sprache: Englisch
Website: Offizielle Website
Ein Hinweis vorweg: Der Podcast ist ausschließlich auf Englisch verfügbar. Sichere Englischkenntnisse sind hier für ein ausgewogenes Hörerlebnis unabdingbar.
Die Winterpause auf "Am Meer ist es wärmer" ist vorbei und ich möchte mich mit einem Review zurückmelden, zu dem der Inhalt mich nun über die vergangenen Wochen sehr gepackt hat. Reviews zu Podcasts und Hörbüchern sollen künftig ein wenig die Themenvielfalt erweitern und frischen Wind in ein neues Jahr bringen. Mir ist es also ein umso größeres Vergnügen, Death in Ice Valley etwas näher vorstellen zu dürfen.
Death in Ice Valley ist vermutlich der frostigste Podcast, den man zu dieser Jahreszeit hören kann. Ich selbst führe eine relativ komplizierte Beziehung zum True Crime Genre. Auf der einen Seite bin ich leicht zu gruseln, ich steigere mich in die Fälle hinein und kann, wie ein kleiner Junge der sich vor Monstern fürchtet, auch anschließend nicht gut schlafen (der Fall zum Verschwinden von Emma Fillipoff bereitete mir sogar schlaflose Nächte). Doch einem interessanten Fall und einer gut erzählten Geschichte kann ich einfach nicht widerstehen. Ich muss hier vielleicht vorab anmerken, mich interessieren bei True Crime hauptsächlich unaufgeklärte Fälle. Unaufgeklärte Fälle haben natürlich die Angewohnheit, einen immer tiefer in den sogenannten Kaninchenbau mitzunehmen. Je tiefer man gräbt, desto finsterer wird es. Dabei habe ich nicht einmal die Isdal-Frau aus Norwegen gesucht, sie hat, mehr oder weniger, mich gefunden. Um es weniger kryptisch auszudrücken: Auf den Podcast wurde ich im "Unresolved Mystery" Subreddit auf Reddit aufmerksam gemacht. Ein User empfahl mir den Podcast wärmstens und bereits nach dem Trailer wusste ich, dass das eine höchst interessante Reise werden wird, die mir den Schlaf rauben wird.
Doch immer langsam. Wie bin ich denn nun zur Isdal-Frau gekommen? Es gab einen Fall aus Norwegen, der wollte mich nicht loslassen. Ich hörte vor einigen Jahren die Geschichte von einer unidentifizierten Toten aus Norwegen, Etwas, was mir stark im Gedächtnis geblieben ist, ist, dass einige Augenzeugen diese Frau als elegant beschrieben, sie aber sehr stark nach Knoblauch gerochen hätte. Ich las exakt einmal über den Fall und erst vergangenes Jahr kehrte der Fall aus Norwegen zu mir zurück. Die Geschichte über eine unbekannte Tote aus Norwegen, die auf unnatürlichste Weise mit einem Kopfschuss am 03.06.1995 in einem Osloer Luxushotel aufgefunden wurde. Ich habe zu dem Fall um die Tote aus Zimmer 2805 so ziemlich alles aufgesaugt, was man dazu aufsaugen kann. Eine unheimliche Geschichte, die bis heute ungeklärt ist. Das einzige, was mich jedoch zutiefst wurmte, war, dass die Beschreibung der Dame aus Zimmer 2805 nicht zu der Dame passte, von der ich zuvor hörte. Auch wurde von keiner einzigen Person erwähnt, dass die Tote aus Zimmer 2805 intensiv nach Knoblauch gerochen hätte. Und hier wurde es mir langsam klar: Ich befand mich hier nicht in nur einem ungelösten Fall aus Norwegen, sondern in zwei völlig verschiedenen Fällen die rund 25 Jahre auseinander liegen. Die Tote aus Zimmer 2805 (Pseudonym Jennifer Fairgate) ist nicht die Frau, die nach Knoblauch gerochen hat. Die Frau, um die es hier geht, hört schlicht und ergreifend auf den Name "Isdal-Frau", da ihre Leiche im Eistal in der norwegischen Stadt Bergen aufgefunden wurde. Da diese beiden Fälle so viele Parallelen zueinander aufwiesen und ich von der Isdal-Frau zuvor nur einmal hörte, bestand für mich nie ein Zweifel daran, dass es sich hier nicht um ein und den selben ungeklärten Fall handeln könnte.
Ich wurde in meiner Berichterstattung über Jennifer Fairgate im Subreddit freundlich von einem hilfsbereiten Nutzer darauf aufmerksam gemacht, dass die Isdal-Frau ein weitaus bekannterer Fall aus Norwegen sei, der sich am 29.11.1970 in Norwegen ereignete. Da ich über den Fall nicht zu viel vorweg nehmen möchte da man den Podcast selbst für sich entdecken sollte, möchte ich nur kurzen Kontext zum Fall liefern: Bei der Isdal-Toten handelt es sich um eine bis heute unidentifizierte Frau die sowohl ihr Alter als auch ihre Identitäten und Herkunft bestens verschleiern konnte. Sie reiste unter mehreren gefälschten Pässen durch Norwegen und fand am Ende ihrer Reise ein heißkaltes Ende in Isdal, wo sie von zwei Mädchen und ihrem Vater entdeckt wurde. Noch lebenden Augenzeugen ist diese Frau, besonders ihr Geruch, auch Jahrzehnte später noch im Gedächtnis geblieben. Ihr seltsames Verhalten, ihr Auftreten, ihr Akzent - Menschen, denen sie begegnete und die zu Ihr Kontakt hatten, auf die hinterließ sie einen bleibenden Eindruck. Über 50 Jahre später ist der Fall noch immer ungelöst, die Mehrheit der Hobby-Detektive vermutet hierhinter bis heute Spionage, da sich der Fall exakt zur Zeit des kalten Krieges ereignete.
Der Podcast Death in Ice Valley befasst sich in 10 Episoden nicht mit verschiedenen True Crime Fällen, er befasst sich und widmet sich ausschließlich der Isdal-Frau. Bei diesem Podcast handelt es sich um eine gemeinschaftliche Produktion des norwegischen NRK und der britischen BBC. Durch die Sendung begleitet uns die norwegische Reporterin Marit Higraff und der Brite Neil McCarthy, der hier auch gleichzeitig als Produzent fungiert. Insgesamt 10 Episoden wurden im Jahr 2018 produziert, im Jahr 2019 und 2021 erschienen 2 Bonus-Episoden. Hiermit sei auch gesagt, Death in Ice Valley gilt noch nicht als abgeschlossen, das Ziel ist es, immer mal wieder über neue Zwischenmeldungen und Ereignisse zu diskutieren. Insofern sollte man sich also nicht wundern, wenn demnächst mal wieder vielleicht eine neue Episode erscheinen wird. Mein Hauptanliegen im Review werden aber die 10 Episoden sein, die 2018 erschienen sind. Die Laufzeit der einzelnen Folgen liegt zwischen 30-40 Minuten (ausgenommen davon sind die Specials, die eine Laufzeit von je über eine Stunde haben).
Bereits in Folge 1 ist mir aufgefallen, dass man an diesen Fall nicht Klein-Klein herangeht, sondern die schweren Geschütze in Sachen Qualität auffährt. Dies fängt direkt an, bevor auch nur irgendein Wort gesprochen wird: Die Soundkulisse. Ich kann alleine aus diesem Grund schon nur dazu raten, Death in Ice Valley mit Kopfhörern zu genießen. Das Main-Theme ist ein unglaublich atmosphärisches wie mysteriöses Stück, welches bedrohlich und gleichzeitig unheilvoll klingt. Man weiß, dass man nun in den wohl bekanntesten, ungeklärten Kriminalfall von Norwegen gezogen wird. Ich versuche mich hier, so gut es möglich ist, zurückzuhalten den Begriff "Mordfall" zu benutzen, da der Fall offiziell von der norwegischen Polizei als Selbstmord deklariert wurde.
Nachdem die herausragende Soundkulisse funktioniert, geht es auch schon los. Es ist ein regnerischer, stürmischer Tag in Bergen und die Journalisten Marit (die gleichzeitig auch die Expertin ist, was diesen Fall angeht da sie sich seit Jahren damit befasst hat) und Neil erklären uns, worum es in diesem Podcast gehen wird. Die beiden sitzen nicht bequem in einem kleinen Kabuff und diskutieren am Tisch miteinander, sie sind vor Ort, in dieser Szene mit dem letzten noch lebenden Mitglied der Polizei Taskforce, die damals für den Fall abgestellt wurde. Man ist Live dabei. Man hört jeden Regentropfen, jeden knirschenden Kieselstein. Es fühlt sich an, als sei der Hörer direkt im Geschehen drin, als nehme er an dieser Unternehmung teil.
Der Podcast ist aufgeteilt in mehrere Segmente. Von Theorien über forensische Analysen bis hin zu Interviews mit ehemaligen Augenzeugen und Experten, die sich mit dem Fall befasst haben oder bereits damals an diesem Fall direkt mitgearbeitet haben. Hier entsteht einfach eine unglaublich starke Synergie zwischen den handelnden Personen, mir kam es beinahe wirklich so vor, als würde ich einen Krimi schauen (und ich habe normalerweise absolut nichts für Krimis übrig). Obwohl ich selbst leider noch nie in Norwegen war, so fühlte es sich für mich aber doch an, als würde sich vor meinem geistigen Auge die komplette norwegische Kulisse aufbauen, was auch an den äußerst detailreichen Beschreibungen von Marit und Neill liegt. Es gab einige wenige Momente bei den Interviews, wo ich mir ein paar Untertitel gewünscht hätte (was natürlich nicht möglich war über Apple Podcast) oder einem zusätzlichen Zweikanalton, der die Aussagen der etwas schwerer zu verstehenden Personen noch einmal wiedergegeben hätte.
Das ultimative Ziel des Podcast ist es nicht, die Identität der Isdal-Frau aufzudecken (auch wenn dies natürlich ein herausragender Nebeneffekt wäre). Man möchte hier mit modernen, zeitgenössischen Methoden neue Hinweise in einem Fall finden, der vor Jahrzehnten verjährt ist. Man möchte der Frau in diesem anonymen, einsamen Grab endlich einen Namen geben, dies wäre natürlich ein riesiger Erfolg für das gesamte Team.
In Folge 9 geht es nach Deutschland, da viele Spuren der Isdal-Frau ins Deutschland der Nachkriegszeit führen. So interessant diese Episode auch aufgebaut war und so viel Mühe man in diese Episode steckte, dies war für mich als Zuhörer jedoch das erste mal, dass ich das Gefühl hatte, Death in Ice Valley hätte sich in einer fiesen Sackgasse verheddert. Obwohl die Investigation in Deutschland vielversprechend begann, so merkte man sehr schnell, dass es in Sachen Hinweise und Erkenntnisse nicht viel neues zu erkunden gab. In der finalen Folge 10 kehrte man dann aber noch einmal extrem stark zurück.
Wie geht es mit Death in Ice Valley weiter? Im Jahr 2019 und im Jahr 2021 gab es, wie schon erwähnt, zwei Spezial-Episoden. Die Interaktion mit der Community spielt hier eine enorm wichtige Rolle, was natürlich auch eine großartige Eigenschaft des gesamten Podcasts ist. Die Zuhörer/die Community tragen/trägt einen großen Anteil daran, dass der Podcast solche Kreise zog. Vieles, was in den einzelnen Episoden des Podcasts besprochen wird, ist auch auf eine offizielle Facebook-Gruppe zurückzuführen. Hier fühlte ich mich leider ein bisschen ausgeschlossen, da ich seit vielen Jahren kein Facebook mehr benutze. Das Problem an Social-Medial Gruppen ist natürlich, irgendwann wird es dort bei viel Andrang recht chaotisch. So erging es mir dann auch, als ich extra für die Death in Ice Valley Gruppe nach sehr langer Zeit mal wieder Facebook besucht hatte. Allerdings fand ich es wirklich chaotisch, dort für mich einige lesenswerte Beiträge zu finden, an Bildmaterial wurde mittlerweile auch so viel von Fans gepostet, dass es schwer war, dort den Überblick zu behalten.
Wer Bildmaterial sehen möchte, der sollte jedoch die offizielle Website der BBC besuchen (oben verlinkt) oder den Podcast auf YouTube verfolgen, denn dort werden auch dazugehörige Bilder zu den wichtigen Szenen gezeigt, wo Beweismaterial ins Spiel kommt (und zum Verständnis des Kontext ungemein helfen könnte. Leider erfuhr ich von den YouTube Uploads erst, als ich mit dem Podcast via Apple Podcast bereits komplett durch war). Wer noch mehr Bildmaterial und Informationen zu einzelnen Beweisstücken recherchieren möchte, der wird hier fündig: The Isdal Woman dot com
Etwas gemischte Gefühle hatte ich jedoch bei den zwei Bonus-Episoden. Bei dem großen Special aus dem Jahr 2019 wurde teils vor Live-Publikum aufgenommen. Hier lag der Charme natürlich eindeutig darauf, bei diesem Event Live anwesend zu sein. Hier gab es viel Interaktion mit Fans, aber es gab auch keine neuen spannenden Erkenntnisse. Episode 12 erschien 2021 und geht einen ganz anderen Weg. Auch hier gibt es Interaktion mit Fans, anders als in der Episode zuvor wird hier aber die Geschichte von zwei verschiedenen Frauen erzählt, die eine ähnlich mysteriöse Hintergrundgeschichte wie die Isdal-Frau haben. So spannend ich den Ansatz fand, umso weniger konnte ich mich auf die Geschichten der beiden Damen einlassen, weil es einfach zu sehr vom eigentlichem Thema abwich. Hier hätte ich mir wirklich etwas gewünscht, was vielleicht tatsächlich in die Richtung Jennifer Fairgate geht, denn diese beiden Fälle haben eine menge unheimliche Parallelen und ich könnte mir vorstellen, die Zuhörer würden es sehr spannend finden, mal einen Einblick in diesen Fall zu erhaschen.
Fazit
Draußen stürmt es, es ist ungemütlich und kalt. Für diese Jahreszeit gibt es wohl kaum einen besseren Podcast als Death in Ice Valley, sofern man sich für ungeklärte True Crime Fälle interessiert. Die Soundkulisse und die Moderation des Podcasts sind herausragend gut und das Thema selbst weiß 10 Episoden lang zu fesseln. Ich wünschte, so einen Glückgriff in Sachen Podcasts würde mir schnell wieder gelingen, da ich nun auch hungrig auf mehr davon bin. Obwohl die Geschichte von Death in Ice Valley vorerst wohl als erzählt angesehen werden dürfte, so verliert der Podcast aber nicht an Relevanz. Der Fall ist noch immer ungeklärt und so lange dies der Fall ist, kann man diesen Podcast wohl vor allem als eines betrachten: Eine fortlaufende Serie. Ich würde natürlich aus allen Wolken fallen, wenn die nächste Episode heißen sollte: "The Identity of the Isdal Woman finally revealed". Dem Team, welches so viel Arbeit in diesen Podcast gesteckt hat, wäre es zu wünschen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen