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Montag, 8. November 2021

Besprechung (Verspätet): Murakami T: Gesammelte T-Shirts

 



Japan 2020


Murakami T: Gesammelte T-Shirts
Originaltitel: Murakami T - Boku no aishita T-Shatsu tachi
Autor: Haruki Murakami
Erscheinungsdatum: 11.10.2021 bei DuMont
Übersetzung: Ursula Gräfe
Format: Gebunden, E-Book
Genre: Non-Fiction, Artbook


Hinweis: Die hier abgebildeten Fotos aus dem Buch "Murakami T: Gesammelte T-Shirts" dienen einzig und allein zu Besprechungszwecken. Sämtliche Urheberrechte liegen sowohl bei dem Autor als auch bei den jeweiligen Verlagen.



"Während ich auf meinen Cheeseburger warte, trinke ich in aller Ruhe ein eiskaltes Coors Light und lausche der mich umgebenden Geräuschkulisse aus menschlichen Lauten und dem Klirren von Tellern und Gläsern. Unterdessen stellt sich allmählich das Gefühl ein, wieder in Amerika zu sein..."


Man könnte sagen, wenn ein Autor anfängt, über seine T-Shirt oder Whisky-Sammlung zu schreieben, wäre dies ein wenig vermessen. Es gibt aber Autoren, die hier eine Ausnahme darstellen. Ein Autor, der verrückt genug wäre, um damit durchzukommen wäre wohl Stephen King. Doch weiter fernöstlich gibt es noch einen anderen Autor, der sich so etwas erlauben kann: Haruki Murakami. In einer Artikelreihe für das japanische Magazin Popeye suchte Murakami nicht nur über 100 seiner liebsten T-Shirts raus, er verfasste zu nahezu allen abgebildeten Shirts auch kleinere Texte, die aus Anekdoten, Weisheiten und Smalltalk bestehen. In Japan ist dieses Sammelsurium 2020 auch als Sammelband erschienen. Dieser Sammelband ist nun auch in deutscher Übersetzung beim DuMont Verlag erschienen.

Doch was genau ist Murakami T: Gesammelte T-Shirts denn nun? Aufgrund des Formats könnte man schnell sagen, hierbei handle es sich um ein klassisches Artbook. Doch für ein Artbook ist hier eindeutig zu viel Text. Für mich ist das Werk daher ein interessanter Hybrid aus Artbook und Non-Fiction. Hier darf man zwar nicht mit einem typischen Roman oder einer Kurzgeschichtensammlung rechnen, aber ein klassisches Bilderbuch ist Murakami T sicherlich nicht. Wer mit Murakamis autobiografischen Werken und Essays vertraut ist, der wird ungefähr wissen, was einem textlich hier erwartet. Man bekommt hier sogar einen überraschend persönlichen Einblick in den Kleiderschrank eines Weltenbummlers. Wusstet ihr, dass die Inspiration für eine von Murakamis wohl bekanntesten Kurzgeschichten einem T-Shirt im Wert von $1 entsprungen ist?


"Welches meiner T-Shirts mir am wichtigsten ist? Ich glaube, das ist das gelbe >>Tony Takitani<< Shirt. Nachdem ich es in einem Secondhand-Laden in einem kleinen Ort auf Maui entdeckt und für einen Dollar gekauft hatte, versuchte ich mir vorzustellen, was für ein Mensch dieser Tony Takitani wohl sein mochte, und machte ihn zum Helden einer Erzählung, die schließlich sogar verfilmt wurde. Dabei hatte es nur einen Dollar gekostet! Von allen Investitionen, die ich je in meinem Leben getätigt habe, war dies eindeutig die lohnendste."




Die schöne Hardcover-Ausgabe erstreckt sich in einem kompakten Format auf knapp 200 Seiten. Übersetzt wurde hier in gewohnt starker Qualität von Ursula Gräfe, die hier nicht weiter vorgestellt werden muss. Das spezielle Papier ist ebenso hochwertig und robust, die Abbildungen der Shirts kommen gut zur Geltung und glänzen in vollen Details.

Die Voraussetzung, dieses Buch zu schätzen und zu verstehen ist natürlich eng damit verknüpft, ob man das Werk des Autors mag und ihn natürlich auch als Person interessant findet. Murakamis teils sehr surreale Romane zu verstehen hängt auch oftmals damit zusammen, wie gut man ihn durch seine Non-Fiction Werke als Leser kennengelernt hat. Kennt man den Mensch Haruki Murakami etwas besser, findet man unweigerlich einen besseren Zugang zu seinen Romanen und Kurzgeschichten. Die besagten Romane und Kurzgeschichten sorgen hingegen dafür, den Mensch Haruki Murakami besser kennenlernen zu wollen. Manchmal ertappe ich mich bei seinen Non-Fiction Werken jedoch dabei, dass ich mir gar nicht mehr so sicher bin, ob ich wirklich ein autobiografisches Werk lese oder mich nicht in einer Geschichte von ihm befinde, die ich gerade wieder einmal erstaunt lese.


"Besonders an Abenden, an denen ich allein zu Hause bin und in Ruhe Musik höre, erscheint mir Whisky das gegebene Getränk. Bier ist zu wässrig, Wein zu elegant, Martini zu prätentiös, Brandy etwas zu gewöhnlich. Es kommt also gar nichts anderes infrage, als die Whiskyflasche hervorzuholen."








Abschließende Worte

In einer trüben Zeit war für mich "Murakami T: Gesammelte T-Shirts" die richtige Medizin. Haruki Murakami redet hier nicht nur über seine T-Shirts sondern auch über Gott und die Welt. Motivierend, entspannend und auch absolut exotisch. Ich hätte nichts dagegen, wenn er als nächstes über seine Whisky-Sammlung schreiben würde. Für Fans kann ich hier, besonders da die Hardcover-Ausgabe auch noch sehr schön ist, eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Ob das Buch in dieser Preisklasse etwas für Murakami-Neulinge ist, wäre wohl ein wenig riskant, hier eine Empfehlung abzugeben. Mit dem Werk und dem Autor als Person vertraut zu sein halte ich hier für essentiell wichtig, um Zugang zu diesem Buch zu finden. Wobei ich natürlich, wie immer, grundsätzlich nichts ausschließen möchte. Wer von Haruki Murakami bisher noch nichts gehört/gelesen hat, durch die Besprechung hier aber vielleicht nun neugierig geworden ist, der soll seinen Instinkten als Leser und Leserin folgen. Murakami T: Gesammelte T-Shirts wird in meiner Murakami-Sammlung selbstverständlich seinen Platz finden.
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So viel über T-Shirts zu lesen inspirierte mich auf alle Fälle dazu, nach Jahren mal wieder in meine eigene (ungebügelte) Sammlung zu stöbern und ich bin erstaunt, was da alles wieder zum Vorschein kam 👀
Jedes Shirt hat eine Geschichte, ein interessanter Denkanstoß.


Private Sammlung von Aufziehvogel -
 Kein Teil des hier besprochenen Buches

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