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Dienstag, 31. August 2021

Sommerlektüre 2021: Der Brand - Daniela Krien (Rezension)

 



Deutschland 2021


Der Brand
Autorin: Daniela Krien
Verlag: Diogenes
Veröffentlichung: 28.07.2021
Genre: Beziehungsdrama



"Peter sitzt in einem Abstand von einem guten Meter neben ihr. Er streichelt die einohrige Katze, die in monotonem Rhythmus mit dem Schwanz auf sein Hosenbein klopft. Ihr Schnurren ist so laut, dass es beinahe bedrohlich klingt. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt diesem reizlosen Tier. Früher hätten sie sich nach solch einem Essen verschwörerisch angelächelt, und dieses wissende Lächeln hätte ihre Einheit betont. Heute ist Peter vollauf zufrieden, wenn ein alter Gaul, eine lädierte Katze und ein pflegebedürftiger Storch ihm Gesellschaft leisten."


Bei meiner diesjährigen Sommerlektüre handelt es sich nicht um die gleichnamige Biografie des Fußballers, wo der Biograf auf einmal beim Titel vergessen hat, wie der Junge eigentlich geschrieben wird. Bei "Der Brand" handelt sich stattdessen um den neusten Roman der Schriftstellerin Daniela Krien, die mich bereits im vergangenem Jahr zur gleichen Zeit mit ihrem Roman "Die Liebe im Ernstfall" begeistern konnte, dementsprechend ist der Zeitpunkt für die Veröffentlichung meiner Besprechung ihres neusten Romans nicht ganz zufällig gewählt.

In "Der Brand" befasst sich die Autorin diesmal nicht mit einer Gruppe von Frauen und ihren unterschiedlichen Schicksalsschlägen, sondern mit einem Ehepaar, deren Ehe kurz davor ist, auszubrennen. In diesem Brennpunkt stehen Rahel (aus ihrer Sicht wird die Geschichte erzählt), eine Psychologin, und Peter, ein Professor an einer Uni. Entstanden sind aus der Ehe zwei Kinder. Über Jahrzehnte war das Ehepaar ein Bündnis, die eine Person hat die andere unterstützt. Doch vieles hat sich schleichend bei den beiden verändert. Rahel ist eine Frau in den Wechseljahren, die mit ihren Hormonen und Emotionen kämpft, Verlangen verspürt und mit ihren eigenen Problemen und Spleens alle Hände voll zu tun hat. Peter durchlebt eine Midlife Crisis, geriet bei seinem Posten an der Uni in einen Skandal und fühlte sich von Rahel während dieser Zeit missverstanden und, für ihn der wohl wichtigste Punkt, vernachlässigt. Peter distanzierte sich durch den Vorfall immer weiter von Rahel bis zu einem Punkt, wo besonders sexuelle Aktivitäten kein Thema mehr für Peter sind und ihr dies schonungslos mitteilt. Rahel versucht, ihre Ehe zu retten und plant mit Peter zu verreisen, nur sie zwei, weg von den Problemen, von dem Virus und von dem kompliziertem Verhältnis von Rahel zu ihrer Tochter Selma. Doch ein Brand sollte verhindern, dass die Destination das Ehepaar zu dem Ort hinführt, den Rahel und Peter eigentlich dafür nutzen wollten, ihre kriselnde Ehe wieder geradezurücken.

Wie eine Zen-Meisterin geht Daniela Krien das schwierige Thema in aller Gelassenheit und Ruhe an. Nimmt sich Zeit für jede Szenerie, für jede Gefühlssituation ihrer Charaktere und lässt ihnen besonders in den Dialogen Zeit, miteinander zu kommunizieren. Ich konnte mich nicht nur in das Ehepaar hineinversetzen, sondern auch in ihre Tochter Selma, die ihren Platz im Leben nie wirklich gefunden zu haben scheint und teilweise eine anstrengende, rastlose junge Frau ist. Die Geschichte entwickelt sich schnell zu einer interessanten Charakterstudie, die sicherlich nicht nur für Leute in einem reiferen Alter interessant sein dürfte. Die Geschichte von Rahel und Peter finde ich insofern interessant, weil sie authentisch ist und ohne viel Drama, Kitsch oder sonstigen Ablenkungen auskommt. Ich hatte zahlreiche Momente, wo ich mit Rahel mitfühlen konnte. Eine Frau, die sich nach dem sexuellen Verlangen ihres Ehemanns sehnt, genau so häufig aber fand ich auch Gelegenheiten, sie zu kritisieren und das gleiche gilt selbstverständlich auch für Peter. Hier spielt die Autorin all ihre Stärken aus, indem sie ihre Charaktere diesen Feinschliff verleiht. Und dieser Feinschliff besteht daraus, dass die Charaktere selbst ungeschliffen sind. Rahel, Peter wie auch Selma bringen all ihre Probleme und Unvollkommenheiten mit sich. Sie sind genau so wie die Personen, die gerade dieses Buch in den Händen halten. Nachdenklich, mit Ticks versehen und auf der Suche nach Zuneigung. Im Falle von Peter wird sehr schnell jedoch deutlich, wie weit er sich von seiner Frau entfernt, indem er Tieren mehr Zuneigung schenkt als seiner Frau, was insofern eine Ironie des Schicksals ist, da Peter mit Tieren nie etwas anfangen konnte und den Kindern nach unzähligem Versuchen des Bettelns nie ein Haustier gestattet hatte.

Daniela Krien ist hier noch einmal nach ihrem letzten Roman gewachsen, was auch daran liegt, dass sie sich hier auf deutlich weniger Figuren beschränken muss. Brachte "Die Liebe im Ernstfall" durch die vielen Protagonistinnen noch ein gewisses Chaos mit sich, verhält es sich in "Der Brand" komplett anders. Die Geschichte wirkt durch den Aufbau natürlich linearer, dies kommt der Geschichte aber stets entgegen. Eine Sache, die ich jedoch vielleicht ein wenig "ausgebrannt" finde, sind die Anspielungen auf Ost- und Westdeutsche Familien. Sobald die Autorin darauf anspielt, fühlt es sich ein wenig erzwungen an, einfach um des Willens, dieses Thema irgendwie einzubauen. Damit will ich das Thema nicht runterspielen da es besonders für das Verhältnis zwischen Rahel und ihrer Tochter Selma wichtig ist. "Der Brand" ist jedoch eigentlich eine Geschichte, die komplett ohne die alten Dämonen der Vergangenheit auskommt. Da ich jedoch aus einer anderen Generation stamme, habe ich natürlich hier eine andere Sichtweise.


"Ein Bild schießt ihr in den Kopf: Die winzige Selma, die in ihrem Gitterbettchen liegt und schreit. Doch niemand kommt, um sie zu trösten. Und sie erinnert sich an die stolzen Berichte von Peters Mutter: Mit sechs Monaten schlief Selma durch, mit achtzehn Monaten war sie tagsüber windelfrei, und sie lachte immer. So ein freundliches Kind, sagten die Nachbarn, so ein Sonnenschein."




Abschließende Worte

Daniela Krien ist mit "Der Brand" erneut ein großer Wurf gelungen. Diesmal noch strukturierter und geordneter als noch bei ihrem letzten Roman. Es ist eine Geschichte, mit der wir uns alle identifizieren können oder uns irgendwann mal damit identifizieren werden, ganz gleich wie alt wir sind oder welches Geschlecht wir haben. Sie schreibt hier über ein zeitloses Thema und baut glaubhafte Charaktere ein, die diese Zeitlosigkeit bestens vermitteln. Meine Sommerlektüre 2021, ganz und gar nicht ausgebrannt.

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