Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 13. August 2019

Rezension: Die Liebe im Ernstfall (Daniela Krien)




Deutschland 2019


Die Liebe im Ernstfall
Autorin: Daniela Krien
Verlag: Diogenes
Genre: Slice of Life Drama




"In jenen Wochen erwähnte Ludger oft, wie glücklich er sei. Paula erschien es, als bezahlte sie den Preis für dieses Glück. Als lebte er von ihr. Je mehr Energie er hatte, umso schwächer fühlte sie sich. Je besessener er Pläne schmiedete, umso antriebsloser wurde sie.
Es war die Zeit, als er sich einen Bart stehen ließ, als er aufhörte, Fleisch zu essen und Insekten zu töten. Als er einen Wasserfilter installierte und eine Kornquetsche kaufte. Als er begann, einen erheblichen Teil seines Gehalts an Tierschutzorganisationen und Menschenrechtsverbände zu spenden und den Umzug ihres Bankkontos zu einer ethisch vertretbaren Bank organisierte. Und die Begründung für sein Handeln war so schlicht wie wahr: weil es nicht falsch sein konnte, das Richtige zu tun."



"Die Liebe im Ernstfall" wurde bereits zu seinem Erscheinen im März als der deutschsprachige Roman bezeichnet, der die Leser im Sommer begleiten könnte. Eine vielversprechende Aussicht, die der Literaturkritiker Denis Scheck erst kürzlich in seiner Sendung "Druckfrisch" noch einmal bestätigte.

Bereits 2011 erlangte die Autorin und zweifache Mutter Daniel Krien viel Aufmerksamkeit als ihr Roman "Irgendwann werden wir uns alles erzählen" erschien. Eine neue, deutsche literarische Hoffnung, die ausnahmsweise mal keinen Krimi schreibt. Dafür aber anscheinend einen Roman über frustrierte Frauen mittleren Alters, die unzufrieden mit ihrem Liebesleben sind. Und die Kerle sind sowieso immer an allem Schuld.
Es wäre tatsächlich so einfach, Daniela Kriens rund 300 Seiten langen Roman in eine Schublade zu packen. Schon auf den ersten Seiten könnte sich eine art Klischee breit machen, doch ich garantiere, diese ersten Seiten kratzen lediglich an der Oberfläche einer sehr interessanten Charakterstudie. Und diese kurze Zeit zur Entfaltung muss man dem Roman einfach geben. Selbstverständlich und vermutlich auch nicht ungewollt von der Autorin wurde "Die Liebe im Ernstfall" unter Lesern relativ kontrovers aufgenommen. Besonders das Schubladendenken des Lesers sehe ich hier jedoch als eine art Stilmittel an, welches die verschiedenen Geschichten rund um die fünf Frauen noch einmal intensiviert.

Paula, Judith, Brida, Malika und Jorinde teilen alle ein gemeinsames Schicksal. Sie sind teilweise sehr unglücklich, hatten über die letzten Jahre keine glücklichen Lose gezogen und immer wieder spielte Amor ihnen einen Streich. Die volle Breitseite zu spüren bekam Paula, mit der die Geschichte auch beginnt (siehe Zitat aus dem Buch). Brida hingegen muss schmerzlich erfahren, dass ihr Mann sie gegen eine jüngere Version ausgetauscht hat. Das Konzept der Geschichte ist klar, die fünf Frauen teilen ähnliche Schicksalsschläge. Die Geschichten selbst erzählt Daniela Krien meistens aus Rückblicken und wie es zu den jeweiligen Ereignissen kam. Die Autorin springt, ohne, dass es für den Leser verwirrend wird, vor und zurück in den zeitlichen Ereignissen und setzt sich ausgiebig mit ihren Protagonistinnen auseinander. Der Roman befasst sich, ohne aufgesetzt zu wirken, mit Themen wie Depressionen, Burnout aber auch einem gesunden Maß an Selbstfindung. Doch es ist auch eine Geschichte über zweite Chancen und den Weg, Krisen zu bewältigen. Dabei ist "Die Liebe im Ernstfall" sicherlich kein Lehrbuch oder ein Buch, welches stark zu nachdenken anregen soll. Allen voran will Daniela Krien hier eine kurzweilige Geschichte über die Höhen und Tiefen moderner Frauen zu erzählen. Beim lesen der Lektüre wusste ich es daher sehr zu schätzen, dass das Buch nicht auf irgendwelche Trends aufspringt und die Leser mit Feminismus-Tiraden penetriert. Die Männer sind Schuld, die Frauen aber auch. Die Geschichten werden aus der Sicht der fünf Frauen erzählt, jedoch glorifiziert die Autorin ihre Protagonistinnen nicht. Zwar insgesamt ein bekanntes Thema, allerdings aus einer frischen Sichtweise erzählt.

Ist denn Daniela Kriens Roman nur etwas für Frauen? Sicherlich nicht. Ich fand die Geschichte bis zur letzten Seite sehr interessant und der Schreibstil ist so kurzweilig, dass das Lesevergnügen sogar relativ schnell endete. "Die Liebe im Ernstfall" ist ein Roman, den man völlig unabhängig des eigenen Geschlechts lesen kann. Allerdings sollte man gefasst sein, dass das Buch auch einige pikante Themen aufgreift und vielleicht nicht die Stimmung aufheitert, wenn man einen schlechten Tag hatte.





Abschließende Worte

"Die Liebe im Ernstfall" gehört bereits jetzt zu meinen literarischen Überraschungen aus dem Jahr 2019. Obwohl ich in diesem Jahr als Blogger ein wenig kürzer trete, war es mir ein regelrechtes Bedürfnis, den Roman von Daniela Krien hier vorzustellen. Es ist eine Geschichte über die Liebe, aber kein Liebesroman. Es ist eine Geschichte über tragische Schicksale und gescheiterte Beziehungen, aber keine melodramatische Tragödie in mehreren Akten. Alles ist hier wunderbar dosiert, ohne von einer Zutat zu viel hinzuzufügen. Wenn also energischer Applaus aus den hinteren Reihen für "Die Liebe im Ernstfall" ertönt, der kommt von mir.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen