Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 30. Mai 2019

Im Rückblick: Spiral -The Ring 2 oder: Aufklärung mit Dr. Med Suzuki




But regardless of whether or not the mechanism Miyashita had suggested was actually how it had happened, the fact remained that Mai Takano had given birth to Sadako Yamamura a week after insemination. That seemed to be beyond question at this point. A week from insemination to birth was an awfully short time. Something must have served to hasten the process of cellurar diversion. A cell's nucleus contains chemical compunds called nucleic acids, and cellular division only occurs when the level of these nucleic acids exceed a certain level. Accordingly, the only way to drastically accelerate the frequency of cellurar division is to provide excess quantities of nucleic acids. Perhaps the ring virus had managed this somehow, making it possible to force an incredible rate of growth in the fetus.


Vorab muss ich um Verzeihung bitten, sämtliche ausgewählte Zitate in diesem Post basieren auf der englischen eBook-Ausgabe von Spiral - The Ring 2 (die übrigens auch in deutscher Übersetzung leider nur auf der englischen Übersetzung aus dem Japanischen basiert). Ich kann aber Entwarnung an all diejenigen geben, deren Englisch eingerostet ist oder der Sprache gar nicht mächtig sind: Das zitierte Geblubber ist auch in der deutschen Übersetzung kaum erträglicher.

Der Grund, wieso ich mir ausgerechtet jetzt die Ring-Saga vornehme, hat mit einem Ereignis zu tun, welches knapp zwei Jahre zurückliegt. Ende 2017 erschien die englische Übersetzung des vierten Teils der Ring-Saga von Koji Suzuki, der auf den schlichten Titel "S" hört und somit ein Albtraum für sämtliche Suchanfragen im Internet ist. Mit "Tide" erschien ein Jahr später ein fünfter Roman (mit der Kurzgeschichten Anthologie "Birthday" wären es insgesamt sogar sechs Bücher), der allerdings noch nicht in die englische Sprache übersetzt wurde. Von einer deutschsprachigen Übersetzung will ich gar nicht erst reden, denn das letzte Ring-Buch was Heyne veröffentlichte war "The Ring 0 - Birthday" und erschien im Jahr 2006. Sämtliche deutschsprachigen Ausgaben sind mittlerweile Out of Print und meiner Recherche nach nicht einmal digital als eBooks erhältlich. Ein Grund dafür könnte sein, dass Heyne nicht mehr die Rechte für die Reihe besitzt.

Die Geschichte über das gruselige, untote Mädchen aus dem Brunnen mit tragischer Hintergrundgeschichte ist weltweit bekannt. Ob man nun den Roman von Koji Suzuki kennt (der sich dennoch drastisch von sämtlichen Verfilmungen unterscheidet) oder lediglich die Filme, die Chance ist sehr hoch, dass man einmal mit Sadako oder Samara irgendwie in Kontakt gekommen ist. 1991, also vor knapp 28 Jahren löste der Roman in Japan eine Massenhysterie im Buchhandel aus. Die Verfilmung aus dem Jahr 1998 von Hideo Nakata war jedoch auch weltweit ein großer Hit und schwappte über nach Amerika. Und bekanntlich ist der Rest Geschichte.

Ungefähr zur Zeit wo Vertical "S" in englischer Sprache veröffentlichte, nahm ich mir das Original von Koji Suzuki vor. Die Unterschiede zur Verfilmung, auch wenn die Story ungefähr die gleichen Wege geht, erheblich. Asakawa, Protagonist und tragischer Held, ist im Buch ein Mann und Ryuji Takayama ein exzentrischer Misanthrop (also keine ergreifende Familiengeschichte). Auch die Backstory rund um Sadako, dem Mädchen aus dem Brunnen, wurde drastisch verändert in der Verfilmung, die wesentlich mehr wert auf Unterhaltung und Schockeffekte legt. Das Sadako ein Hermaphrodit ist und gleichzeitig noch vergewaltigt wurde, was zu ihrem düsteren Ende im Brunnen führte, ist in der Verfilmung kein Thema.

The Ring oder auch Ringu war ein kurzweiliges wie spannendes Abenteuer. Der Grusel funktioniert auch im Buch. Suzuki hat es geschafft Horror mit Mystery und Drama zu verknüpfen und durch die Unberechenbarkeit des Videos konstante Gefahr über die Charaktere herabregnen lassen. Eine Spannung, die sich auf den letzten Seiten entlädt und in ein unglaublich pessimistisches, aber sehr rundes, abgeschlossenes Ende mündet. Die Story hätte gewiss keine Fortsetzung gebraucht, aber falls doch, so hatte sich Suzuki ein Hintertürchen offen gelassen da sein Protagonist Asakawa noch einige verheißungsvolle Ankündigungen macht. Und sollte es eine Fortsetzung geben, so hätte Suzuki theoretisch nur seine Zauberformel fortführen und erweitern müssen.

Aber es sollte völlig anders kommen, denn Koji Suzuki hatte nie die Absicht, The Ring so fortzuführen, wie es normalerweise ein Sequel tut. 1995 erschien die Fortsetzung "Spiral" oder auch "Rasen" im Original genannt. Erschienen somit noch immer einige Jahre vor der ersten Verfilmung. Noch im Jahr 1998 hatte man es dann erstmals versucht, sich an Suzukis Fortsetzung Spiral zu setzen. Das Ergebnis war verblüffend ernüchternd, sowohl national als auch international generierte der gleichnamige Film keinen Hype und gilt heute als "Vergessen". Den Film habe ich Anfang der Jahrtausendwende gesehen und war mäßig begeistert über die wirre Handlung, schloss einige Jahre später aber halbwegs meinen Frieden damit. 2017 wagten sich die Amerikaner lose an Suzukis Fortsetzung, was allerdings in einem Fiasko für alle Beteiligten endete (der Film war gar nicht mal übel, wenn man mich fragt).

Obwohl die Verfilmungen von der Presse als Flops abgestempelt wurden, so scheint keiner dieser Herren und Damen jemals das Buch gelesen zu haben, was für Idee und Plot dieser Filme verantwortlich war. Und hier ist der springende Punkt, denn das Buch ist ein selbstverliebtes Sammelsurium an wirrer Science-Fiction gepaart mit Drama-Elementen und Philosophie. Zwar bewundere ich es einerseits, dass Kadokawa so zuversichtlich war und Spiral in diesem Zustand veröffentlicht hat ohne den Autor anscheinend in seiner künstlerischen Vision einzuschränken, andererseits frage ich mich, wie dieses Buch überhaupt entstehen konnte. Eine intelligente Fortführung der Geschichte wäre durch das etwas offene Ende des Vorgängers schon möglich gewesen, wieso Koji Suzuki jedoch den Weg gegangen ist, den er hier eingeschlagen hat, stellt für mich zumindest ein absolutes Rätsel dar.

Folgende Probleme begleiten diesen rund 300 Seiten langen Roman konstant:

- Medizinische Fachbegriffe bis zu einem Maß der Unerträglichkeit
- Plumper, langweiliger, besserwisserischer und in Selbstmitleid versinkender notgeiler Protagonist
- Teilweise widersprüchlich gegenüber dem Vorgänger
- Teilweise nur eine Nacherzählung des Originals
- Banale, in Möchtegern-Philosophie versinkende Dialoge


Intuition is all I have to go by regarding the changes in my body, but I know beyond a doubt that I am different from what I was before. I seem to have both a womb and testicles. Previously, I had no womb. Reborn, I have both. I am now a complete hermaphrodite. What is more, the man in me can ejaculate. I learned that as a result of what we did together.


Normalerweise bin ich ein großer Fan davon, wenn sich eine Fortsetzung nicht wiederholt. Wenn dabei aber so ein Plot-Durchfall bei herumkommt muss ich mich ernsthaft fragen, wieso der Autor nicht zumindest einen Kompromiss schließen konnte und eine Hälfte des Buches traditioneller, im Stile des Originals, hätte schreiben können. Spiral wird begleitet von konstanten Problemen in Sachen Pacing, die mangelnde Intelligenz sämtlicher Charaktere und widersprüchlichen Aussagen, die dem Original schaden.

Das zweite große Problem sind die medizinischen Fachausdrücke. Theoretisch müsste ich Spiral gemeinsam mit meinem Hausarzt lesen, um 30% des Inhalts folgen zu können. Viele Bücher entstehen in Zusammenarbeit mit Ärzten oder Gerichtsmedizinern. Diese Bücher entstehen jedoch meistens mit zwei Leuten vom Fach (Romanautor x Mediziner Kombination zum Beispiel). Bei Spiral könnte man meinen, Suzuki ist der Mediziner, jedoch nicht der Romanautor. Ich will nicht bezweifeln, das die Recherche für dieses Buch nicht aufwendig war und vielleicht teilweise auch in Zusammenarbeit mit einem Mediziner entstanden ist (leider habe ich zur Entstehungsgeschichte keinerlei Infos gefunden), wenn ein Buch jedoch in nahezu unaussprechlichen Fachbegriffen versinkt wirkt der Versuch dann doch eher überheblich, arrogant und herabblickend auf die Leser. Problem Nummer 2 führt gleichzeitig zum dritten großen Problem, Ando, unser Protagonist.

Ando ist Doktor der Medizin. Seine Schuld war es, dass sein kleiner Sohn vor einiger Zeit im Meer von der Strömung mitgerissen wurde und ertrank. Ando konnte gerade noch eine Haarsträhne des Jungen ergreifen. Danach ging Andos Leben, noch immer wenig verwunderlich, in die Brüche. Seine Ehe scheiterte und er lies sich gehen und verbringt seit dieser Schicksalhaften Zeit sein Leben grübelnd in einem kleinen Apartment und in der Arbeit versinkend. Als Ando auf einmal seinen ehemaligen Freund aus Studienzeiten, Ryuji, auf dem Obduktionstisch hat, beginnt für ihn und besonders für den Leser ein Albtraum. Denn wir, die Leser, müssen Ando und seine besserwisserischen Kommentare bis zum bitteren Ende ertragen. Wenn es im Buch mal keinen Abschnitt gibt, der sich mit Andos Selbstmitleid befasst, löst er entweder für den Leser kaum zu meisternde Rätsel, macht sich an sehr junge Frauen ran und mischt sich in Angelegenheiten ein, die ihn eigentlich nichts angehen. Begleitet wird Ando dabei von einem Arbeitskollegen, einen nicht weniger aufdringlichen, korpulenten Mann namens Miyashita. Hatten wir im Vorgänger noch mit Asakawa und Ryuji ein schlagkräftiges Duo, was sich auch noch gegenseitig ergänzt hat, haben wir es in Spiral mit zwei unglaublich unfähigen wie uninteressanten Protagonisten zu tun.


The man who had joined forces with Sadako to hunt down humanity for sport was in his room, watching how things went, laughing derisively at Ando for noticing too late to do anyting about it. 


Der Plot, so wirr uns unsinnig er auch letztendlich ist, lässt aber dennoch immer mal wieder Potential aufblitzen was tatsächlich in Suzuki steckt, wenn er über das schreibt, was er beherrscht. Den Leuten Angst einjagen. So gibt es zum Beispiel die Stelle im Buch, wo Ando alleine in Mai Takanos Apartment ist und eine unheimliche Präsenz spürt. Oder eine weitere Szene mit Ando (Überraschung), als er sich alleine auf dem Dach eines Hochhauses befindet und den Ort von Mais Verschwinden untersucht. In diesen Momenten wird Suzuki zu einem packenden Erzähler, der seine Leser erreicht und die Seiten im Buch sich beinahe automatisch umblättern. Leider haben wir es hier nur mit sehr seltenen Momenten zu tun, wo Spiral wirklich Potential offenbart. Die meiste Zeit jedoch dümpelt und plätschert die Story belanglos vor sich hin, wird mit langweiligen Rückblicken aufgebauscht und driftet gegen Ende in die völlige Banalität ab.

Spiral möchte Horror, Science-Fiction und Philosophie miteinander verschmelzen, opfert dabei aber nicht nur sämtliche Charaktere aus dem Vorgänger, sondern gleichzeitig auch die unheimliche, ikonische Gegenspielerin, Sadako Yamamura. Sadako verkommt in Spiral zu einer schwätzenden Samenbank, die nicht nur verstorbene Leute zurück ins Leben holen kann (Suzuki versucht dies wissenschaftlich und philosophisch zu erklären) sondern auch plant, die Bevölkerung der Welt durch Millionen von Sadakos auszutauschen. Mit anderen Worten, Sadako will die Weltherrschaft und dank Ando und ihrer Fähigkeit zur Reproduktion könnte dies ein Szenario einer nicht all zu fernen Zukunft sein.

Even if the Ring itself is destroyed, the media is going to be transformed by people who have contracted the ring virus. Just as that videotape mutated into a book, it's going to get into every stream: music, video games, computer networks. New media will crossbreed with Sadako and produce more new media, and every ovulating woman who comes in contact with them will give birth to Sadako.


Der Reiz an philosophischen und Science-Fiction Thematiken besteht darin, Theorien und unvorstellbare Möglichkeiten weiter zu spinnen und zu debattieren. Ein Autor, der dies auf verständnisvolle weise geschafft hat in grandiose Science-Fiction Geschichten umzuwandeln ist der chinesische Autor Cixin Liu, zu dessen Werke ich hier schon einiges geschrieben habe. Die Möglichkeiten der Science-Fiction sind nahezu unbegrenzt und müssen nicht zwanghaft immer etwas mit dem Weltraum und Laserpistolen zu tun haben. Science-Fiction ist allen voran auch, wie der Name sagt, Wissenschaft. Wissenschaft, die ebenfalls unbegrenzte Möglichkeiten bietet. Dazu ruft auch Spiral auf, besonders der Epilog zwischen Ando und Ryuji lädt dazu ein. Leider ist es mir dabei nur nicht möglich, ernsthaft über Frauen nachzudenken, die während ihres Eisprungs von einer übernatürlichen Macht per verschiedener Medien unserer Populärkultur befruchtet und anschließend die Welt mit ein und der gleichen Frau bevölkern werden. Es gibt Grenzen, an die meine Vorstellungskraft stößt und Koji Suzuki hat diese mit seinem Roman Spiral eindeutig gesprengt.

So wird mir Spiral als Roman über Frauen in Erinnerung bleiben, die sich in größter Gefahr begeben sobald sie ein spezielles Buch lesen oder einen beseelten Film schauen, während sie menstruieren.
Ich hatte bisher noch nicht die Motivation mit "Loop - The Ring 3" weiterzumachen. Das Buch ist eindeutig dicker als der Vorgänger und die Beschreibung des Inhalts klingt noch abenteuerlicher. Der Reiz, sich noch einmal ein Buch dieser art anzutun wird jedoch davon angespornt, zu beobachten, ob sich der Autor hier vielleicht doch wieder zu alter Stärke besinnt. Ob das nach Spiral überhaupt noch für mich als Leser möglich ist, die Geschichte rund um Sadako wieder ernst nehmen zu können, steht dabei auf einem anderen Blatt Papier.

The first thing to do was for Sadako to inseminate one of her own eggs. With both female and male functions, Sadako was the only one capable of implanting a fertilized egg in her uterine wall with no outside assistance. The next step was to remove this egg and replace its DNA with the DNA of the individual they wanted to bring back to life. True, it took delicate skill to extract the nucleus from one of the cells in Takanori's hair and switch it with the nucleus of Sadako's inseminated egg. But for a specialist, it wasn't all that difficult. Theoretically, it was possible even to resurrect long-extinct dinosaurs, as long as their DNA survived.


Es gäbe somit selbst für die Dinosaurier noch Hoffnung. Eine tröstende Spinnerei, die bei vielen Menschen für einen entspannten Schlaf sorgen dürfte.



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