Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 8. April 2018

Klassiker-Rezension: Frankenstein (Mary Shelley)







Großbritannien 1818

Frankenstein
Alternativ: Frankenstein oder der moderne Prometheus
Autorin: Mary Shelley
Verlag: Manesse
Übersetzung: Alexander Pechmann
Nachwort: Georg Klein
Genre: Drama, Grusel



Die Irrtümer der Menschheit hier aufzuzählen würde ein wenig den Rahmen sprengen. Zum einen wäre da aber die fälschliche Behauptung, die Erde sei flach. Eine weitere bekannte Behauptung, die sich über die Jahre fälschlicherweise etabliert hat, ist, das Monster mit den Daumenschrauben im Hals, vorzugsweise verkörpert von Boris Karloff, heiße Frankenstein. Tatsächlich aber hat dieser große, sensible Zeitgenosse keinen Namen und ist stattdessen die Schöpfung eines Forschers namens Victor Frankenstein. Frankensteins Monster gehört mit zu den wohl populärsten Figuren, die das Horror-Kino erschaffen hat. Sämtliche Verfilmungen von Mary Shelleys weltberühmter Gruselgeschichte hielten sich inhaltlich sehr frei an die Vorlage. Lediglich Multitalent Kenneth Branagh brachte 1994 eine treuere Adaption mit Robert De Niro als Monster auf die große Leinwand.

Was heute als großer Klassiker der Weltliteratur zählt, begann als eher beiläufige Geschichte unter Freunden während eines Ausflugs, wie die Autorin bescheiden im Vorwort anmerkt. Aus dieser Geschichte wurde jedoch mehr und ehe sie sich versah, hat Mary Shelley damals einen Roman verfasst, wie man ihn nur von einem Mann erwarten hätte. Doch sobald man die erste Seite Aufschlägt, wird die feine Feder deutlich, wie sie nur eine Frau zu führen vermag. Über den Inhalt ist in den vergangenen, rund 200 Jahren eine menge diskutiert worden und ich möchte in dieser Rezension auch nicht zu genau darauf eingehen. Interessanter für meine Rezension ist dann schon die hier vorliegende Fassung. Dazu gleich mehr.

Frankenstein wird oftmals dem Horror-Genre zugeteilt. Für die Filme mag das zutreffend sein, der Roman schlägt aber in eine andere Kerbe. Im Kern ist Frankenstein eine Gruselgeschichte, aber die Gesellschaftskritik steht hier wesentlich mehr im Vordergrund. Schon damals befassten die Menschen sich mit der Frage, ob es möglich ist, ob der Mensch in der Lage ist, ein anderes menschliches Wesen zu erschaffen. Das die Menschheit dazu eindeutig in der Lage ist, haben sie nun seit einigen Millionen Jahren bewiesen. Doch kann der Mensch anderes Leben ohne den Geschlechtsakt erschaffen? Eine zentrale Frage, womit sich dieser Roman befasst. So befasste sich die Autorin in diesem 1818 veröffentlichten Werk mit Themen wie Alchemie und einer Frühform des Steam Punk. So dreht sich die zentrale Frage in Frankenstein nicht darum, ob es möglich ist, ein menschenähnliches Wesen auf diese Weise zu erschaffen, sondern, ob man mit seiner Schöpfung zufrieden ist. Der gute Doktor Frankenstein ist es nämlich nicht und überlässt das Monster seinem Schicksal was gleichbedeutend mit seinem eigenen Untergang verbunden ist. So ist das zentrale Thema dann nicht der Grusel, sondern die Frage um Menschlichkeit und Existenz. Diese schwerwiegenden Fragen hat Mary Shelley aber unglaublich gut verpackt und so ist es möglich, diese Tragödie, dieses menschliche Drama auch als Gruselgeschichte anzusehen.

Bei der deutschen Ausgabe, die mir hier vorliegt, handelt es sich um eine neue Ausgabe, eine Jubiläumsausgabe, die ende vergangenen Jahres erschienen ist. Hier wird nicht nur das rund 200 jährige Bestehen dieses Werks gefeiert, der Verlag feiert hier auch gleichzeitig seine neue Manesse Bibliothek die hier die alte "Bibliothek der Weltliteratur" ersetzen wird. Doch nicht nur das Gewand ist hier neu und farbenfroh, auch der Inhalt ist es (natürlich nur von der Übersetzung her). Tatsächlich gab es hier nicht nur ein neues Cover und Design spendiert, auch die Ausgabe selbst unterscheidet sich in vielen Aspekten her der vorherigen Ausgabe, die, ebenfalls bei Manesse, in den 80ern erschienen ist.

Herausgegeben und neu übersetzt wurde der Roman von Alexander Pechmann. Als Ausgangsmaterial stand hier die Erstauflage aus dem Jahr 1818 Pate. Ziel der Übersetzung war es, den ursprünglichen Stil beizubehalten, die Geschichte jedoch in eine moderne deutsche Sprache zu adaptieren. Auch wenn der Text hier und da immer noch einige sehr geschwollene Passagen hat (was natürlich dem Stil Mary Shelleys zugrunde liegt), so war ich überrascht, wie flüssig und verständlich der Text sich liest. Zusätzlich gibt es noch ein ziemlich umfangreiches Register mit verschiedensten Erklärungen zum Roman und zur Epoche. Dieses Register befindet sich auf den letzten Seiten des Buches und bringen den Leser somit nicht aus dem Lesefluss.


"Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme", sagte er, "aber es hat keinen Zweck. Meine Bestimmung hat sich beinahe erfüllt. Ich warte nur noch auf ein letztes Ereignis, dann werde ich in Frieden ruhen. Ich verstehe Ihre Gefühle", fuhr er fort, da er merkte, dass ich ihm Ins Wort fallen wollte, "aber Sie haben unrecht, mein Freund - wenn Sie mir erlauben, Sie so zu nennen. Nichts kann mein Schicksal ändern. Hören Sie meine Geschichte, dann werden Sie begreifen, wie unwiderruflich alles vorbestimmt ist."



Resümee

Die vermutlich beste Gelegenheit, das Original in seiner ursprünglichen Fassung in einer modernen deutschen Adaption zu lesen, die, trotz ihrer flinken Sprache, nie zu modern wirkt. Der Staub wird von der Oberfläche entfernt, aber tief im Kern dieses Romans ist und bleibt es ein Klassiker der Weltliteratur. Zugänglicher als je zuvor und mit viel Hintergrundwissen hat sich diese handliche, hochwertige Jubiläumsausgabe einen Platz in meiner Sammlung an Klassikern verdient. So schnell und zufriedenstellend konnte ich vermutlich noch nie eine Rezension beenden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen