Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 5. November 2017

Aufziehvogel's Geschichtsstunde: Mein letzter Kampf (Game of Death)






Hong Kong 1978

Bruce Lee - Mein letzer Kampf
Originaltitel: Game of Death
Regie: Robert Clouse, Bruce Lee
Darsteller: Bruce Lee (Archivmaterial/Stock Footage), Kim Tai-jong, Yuen Biao, Colleen Camp, Dean Jagger, Gig Young, Hugh O'Brian, Samo Hung, Chuck Norris (Stock Footage), Robert Wall, Kareem Abdul-Jabbar
Lauflänge: Circa 100 Minuten
Verleih: Universum
FSK: Ab 16
Genre: Kampfsport, Action, Drama


Bruce Lee gehörte, ganz ohne Frage, zu den herausragendsten Persönlichkeiten zur späten zweiten hälfte des letzten Jahrhunderts. Kampfsportler, Philosoph, Schauspieler, Regisseur und Erfinder seiner eigenen Kampfsportart. Der sympathische Mann aus Hong Kong (bürgerlicher Name Lee Jun-fan 1940-1973) war ehrgeizig und wollte sein ganzes Leben lang hoch hinaus. Ein Ehrgeiz, der ihm letzten Endes zum Verhängnis wurde, denn noch vor seinem 33. Geburtstag verstarb Lee an einem Ödem im Kopf. Der Tod kam völlig überraschend und hat bis heute einen relativ mysteriösen Beigeschmack hinterlassen, der Verschwörungstheoretiker bis heute nährt. Die tatsächlichen Gründe werden für viele nur schwer zu akzeptieren sein. Lee brachte seinen Körper ans Limit, täglich und beinahe ein Leben lang. Die Überanstrengung des Körpers soll letztendlich für das Ödem verantwortlich gewesen sein.

Lee selbst machte nie ein Geheimnis daraus, die Filme, in denen er mitspielte, die sollten zur Unterhaltung dienen. Wer hier einen tieferen Sinn suche, der sei Fehl am Platz, so Lee. In der Hauptrolle eines Spielfilms sah man ihn nur ganze 4 male (man kann sich streiten, ob man das fünfte mal mitzählen kann). Viele Leser werden jetzt vermutlich aus allen Wolken fallen, haben sie Bruce Lee doch mindestens schon in 50 Filmen gesehen, die gerne mal nach 23 Uhr auf den privaten Fernsehsendern liefen. Weder spielte aber Bruce Lees rastlose Seele mit (atmet auf, Karate Tiger Fans), noch waren es Filme, die zu seinen Lebzeiten abgedreht wurden. Meistens war es jedoch ein asiatischer Schauspieler, der dem Maestro ähnlich sah und unter Namen wie "Bruce Li, Bruce Leigh, Bruce Lie" agierte. Da man so etwas in Deutschland nie so genau nahm, so lange man Geld mit einem bekannten Namen machen konnte, schrieb man meistens "Bruce Lee" aufs Cover und somit entstanden unzählige dieser Nachahmer, wohinter meistens ein billiger Actionfilm aus Hong Kong steckte.

Obwohl die Filme von Bruce Lee eher auf seichte Unterhaltung ausgelegt waren, so profitierten besonders die 3 Produktionen aus Hong Kong (The Big Boss, Fist of Fury, Way of the Dragon) von Lee's Präsenz und seiner Performance als Kampfsportler. Die Geschichten kamen nie über den Plot eines Bud Spencer und Terence Hill Filmes hinaus, doch genau darin lag der Charme. Alle warteten auf fliegende Fäuste und messerscharfe Tritte. Lee spielte meistens den zurückhaltenden Protagonist, der durch einen Schwur daran gebunden war, seine enorme Kampfkraft nicht zu benutzen. Jeder Film steuerte also auf den Höhepunkt zu, wo Bruce Lee's Charakter endlich die Fäuste sprechen ließ. Die gut choreografierten Kampfszenen fanden damals ihren Höhepunkt in "Way of the Dragon", wo sich Lee gegen einen schweigsamen Chuck Norris im Kolosseum einen Kampf auf Leben und Tod lieferte.

Ein vierter Film aus der Hong Kong Ära von Lee sollte 1972 folgen. Ein Film, wo Lee erstmals persönlich auf dem Regiestuhl platz nahm mit dem Ziel, den ultimativen Martial Arts Film zu erschaffen. Die Rede ist von Game of Death. In diesem Film sollte sich Lee als Hai Tien, ein Kampfsportler im Ruhestand, mit der koreanischen Unterwelt anlegen. Ziel der verbrecherischen Organisation war es, an einen besonderen Schatz zu gelangen, der in einer riesigen Pagode von den weltbesten Kampfsportlern gehütet wurde. Die koreanischen Verbrecher wollten dabei von Hai Tiens Kampfkünsten Gebrauch machen, der wiederum ablehnte. Als die Verbrecher Hai Tiens Geschwister kidnappten, wurde er dazu gezwungen, am tödlichen Spiel teilzunehmen.
Mitten während der Dreharbeiten bekam Lee jedoch das Angebot, an einem noch größerem Projekt mitzuwirken. Unter der Leitung von Warner Bros. mit namhaften Schauspielern und einem Budget,  welches Lee's bisherige Projekte maßlos in den Schatten stellte. Lee selbst würde bei diesem großen Projekt nicht nur Hauptdarsteller sein, er würde auch sämtliche Choreographien für die Kämpfe übernehmen. Das typische Angebot, was man nicht abschlagen kann. Lee nahm das Angebot an und Enter the Dragon (Der Mann mit der Todeskralle dt.) wurde nicht nur sein größter Film, er wurde auch einer der erfolgreichsten Filme des Jahres 1973 und gleichzeitig der letzte Spielfilm von Lee, der nur wenige Tage vor der Premiere des Films verstarb.

Lee wandte sich nach den Dreharbeiten zu Enter the Dragon wieder Game of Death zu. Rund 100 Minuten an Filmmaterial soll zu Game of Death existieren, das meiste davon sei jedoch in den Archiven der Filmproduktionsfirma Golden Harvest verloren gegangen. Ein Umstand, den viele Experten bis heute anzweifeln. Als 1978 der Film Game of Death anschließend für die Kinos angekündigt wurde, staunte man nicht schlecht.


Eines der zwei Double im Film


Der Tod von Bruce Lee lag bereits einige Jahre zurück und es war bekannt, dass das fertige Material nicht ausreichte, um daraus einen kompletten Spielfilm zu produzieren. Der Film, der am Ende entstanden ist, war so weit von Bruce Lee's wahrer Vision entfernt wie die Erde zum Mars. Winzige Bruchstücke des Plots wurden in das neue Script übernommen. Lee's Charakter Hai Tien wurde aus dem Script geschrieben und zu Billy Lo, einem aufstrebenden Schauspieler, umgebaut. Lee wurde von 2 Doubles verkörpert, die restlichen Szenen wurden nahezu dilettantisch zusammengesetzt aus Archivmaterial und Stock Footage aus vergangenen Filmen. In den 70ern gab es noch kein CGI um hier nachzuhelfen, doch die art und weise, wie man Lee hier doubelte, war selbst für damalige Verhältnisse amateurhaft und nah an der Grenze des guten Geschmacks (Szenen von Lee's tatsächlicher Beerdigung wurden hier ebenfalls verwendet). Als Regisseur setzte man hier Robert Clouse ein, der bereits bei Enter the Dragon Regie führte.

Am Ende landeten gerade einmal etwas über 10 Minuten aus dem echten Game of Death in dieser 1978 Version des Films. Man hätte nahezu problemlos Lee's Script übernehmen können und aus dem vorhanden Material mit besserer Tricktechnik hier ein wesentlich besseres Ergebnis abliefern können. Stattdessen entschied man sich bei Golden Harvest dazu, das letzte Andenken an Bruce Lee dafür zu verwenden, um eine Allegorie auf das Leben des verstorbenen Stars zu erschaffen, die auf eine recht penetrante art und weise das Filmgeschäft für Lee's Tod verantwortlich macht (und sich unter anderem deshalb bei vielen Fans die Theorie eingebürgert hat, dass Lee von gewissen Leuten vergiftet wurde).


Der Kopf aus Pappe ist eine der vielen Kuriositäten im Film


Warum ist dieser Film entstanden? Die Antwort hierauf ist relativ einfach. Vertraglich war Lee Golden Harvest mindestens noch einen weiteren Film schuldig. Verträge schützen vor dem Tod nicht und man konnte immer noch Lee's Frau dafür haften lassen, diesen Vertrag nicht mehr einhalten zu können. Woran liegt es aber, das dieser Film nicht in Vergessenheit geraten ist und von den Kritiken, Ausnahmen ausgenommen, nicht verrissen wurde? Zum einen hat Clouse hier zumindest handwerklich einen Film geschaffen, der für eine Hong Kong Produktion nicht billig wirkte. Auch die Choreografie der Kämpfe, die komplett unter der Leitung von Samo Hung stattfand, kann sich bis heute sehen lassen. Es ist aber auch die Kuriosität an sich, die dieser Film darstellt, wieso man sich an ihn erinnert. Spätestens seit der Dokumentation "A Warrior's Journey" weiß man, wie viel Material von Lee's ursprünglicher Vision noch existiert. Und trotzdem besitzt diese Version des Filmes eine durchaus gefestigte Fangemeinde. Wusste Bruce Lee wie man Baskettballer Kareem Abdul-Jabbar in einem Kampfsportfilm auftreten lässt, so wirkte Hugh O'Brian in der Version von 1978 in der Pagode des Todes wie ein Fremdkörper. Hier wurden namhafte Schauspieler verbraten, die zu keiner Zeit wirklich den Eindruck machten, als wüssten sie, wofür man sie angeheuert hat.

Tatsächlich lebt dieser Film davon, das er eine Kuriosität ist. Positiv hervorzuheben wäre hier noch die Performance von Colleen Camp, die mit "Will this be the song I'll be singing tomorrow" einen recht melancholischen Titelsong hinzusteuerte (komponiert von dem bekannten John Barry), der die Zuschauer durch den gesamten Film führt und gar nicht so deplatziert wirkt, wie man anfangs annehmen mag.


Der echte Bruce Lee im ikonischem Outfit


Die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem Nichts auf einmal eine Version von Lee's Version von Game of Death in Spielfilmlänge auftaucht, ist vermutlich noch wesentlich geringer als die finale Langfassung zu Segio Leones "Es war einmal in Amerika". Der Film, der stattdessen im Jahr 1978 entstanden ist, ist wahrscheinlich von allen Lösungen die schlechteste gewesen, dennoch wird der Film durch den ein oder anderen Aspekt davor gerettet, eine Existenz als Gurke zu führen. Obwohl mehr als 5 Jahre nach Lee's Tod durch die Lande gezogen sind, wirkt der Film oftmals aber unprofessionell und gehetzt. Ob Szenen von der Beisetzung von Bruce Lee hier einen Mehrwert des Films geschaffen haben oder eher als geschmacklos anzusehen sind, dies bleibt jedem selbst überlassen. 
In Deutschland hat man seit 2011 2008* wieder die Gelegenheit dazu, öffentlich darüber zu diskutieren. Denn genau wie Lee's andere Hong Kong Filme ist Game of Death unzensiert nach Jahren auf dem Index in die Kaufhäuser und TV-Sender Deutschlands zurückgekehrt und nun ab 16 freigegeben.

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