Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 15. Juni 2012

Review: Moonrise Kingdom



USA 2012
Kinostart: 24 Mai
Regie: Wes Anderson
Darsteller: Edward Norton, Bruce Willis, Bill Murray, Tilda Swinton, Frances McDormand, Jason Schwartzman, Harvey Keitel, Jared Gilman, Kara Hayward
Musik: Alexandre Desplat
Lauflänge: Circa 94 Minuten
Genre: Arthouse, Tragikomödie, Liebesfilm, Abenteuerfilm
Label: Tobis Film
FSK: 12


Trailer:





Der neue Film von Wes Anderson (The Darjeeling Limited) eröffnete am 16 Mai 2012 die 65. Filmfestspiele von Cannes. Die Kritik war wohlwollend für den Film mit namhafter Besetzung und seltsamen Titel.
Moonrise Kingdom ist von Kern her erstklassiges Arthouse-Kino. Ein Film, der nur eine kleine Kinoauswertung erhalten hat. Ein Film, dazu gemacht, nach all den CGI und Big Budget Projekten der vergangenen Zeit, uns endlich mal wieder die Magie des Films näher zu bringen. So gesehen ist Moonrise Kingdom viel mehr eine Demonstration anstelle eines Films. Eine Demonstration, wie man einen guten Film dreht. Und das Geheimrezept ist eigentlich ziemlich einfach. Man benutze lediglich erfahrene Schauspieler und packt lediglich eine Handvoll Debütanten dazu. Und gewagt ist das Projekt gleich umso mehr, denn wenn es sich bei den Debütanten auch noch um Jungschauspieler handelt, besser gesagt, Teenager, kann so etwas ziemlich nach hinten los gehen. Aber auch hier bewies Anderson ein glückliches Händchen. Denn nie hätte ich gedacht, dass einmal eine der ergreifendsten Liebesszenen der Filmgeschichte, von zwei Teenagern dargestellt wird.

Erzählerisch geht Anderson einen sehr klassischen Weg. Sein wahres Können zeigt er dafür bei Kamerafahrten und den Dialogen. Eröffnet wird der Film nämlich von einem alternden Mann, der über ein verschlafenes Dorf in Neuengland berichtet (wir schreiben das Jahr 1965), tief verankert in der Seele von Nordamerika. Danach fährt die Kamera in ein Haus von einer Familie, die auf dieser Insel lebt. Wir können sie bei ihren langweiligen Aktivitäten beobachten. Noch machen die Szenen keinen großen Sinn, ja, wir fragen uns sogar, was soll das alles? Doch schnell bemerkt man: Da stimmt etwas nicht. Die Familie scheint sehr Spleenig zu sein. Die kleinen Söhne hören allesamt eine seltsame Schallplatte, der Vater blickt gelangweilt drein, die Mutter scheint ihren Ehemann zu betrügen und die Tochter beobachtet sie dabei aus der Ferne mit einem Fernglas. Einer der Höhepunkte auf dieser Insel dürfte vermutlich sogar der Wechsel der Gezeiten darstellen. Nach der Eröffnungsszene startet der Film dann allmählich durch. Und diese ganze, beinahe schon bittersüße Tragödie, beginnt mit dem Verschwinden eines rebellischen Scouts (Jared Gilman) einer Pfadfindergruppe. In einem hinterlassenen Brief kündigt er kurz und knapp bei seinem Scout Master (Edward Norton) den Dienst. Der einzige Sherrif der Stadt (Bruce Willis) wird verständigt um nach dem Ausreißer zu suchen. Allerdings findet die Suche bei den Stiefeltern keinen Anklang. Diese entschuldigen sich eher noch dafür, dass der Junge schon wieder Ärger macht, und bitten die beteiligten, sobald sie ihn gefunden haben, nicht wieder bei ihnen abzuliefern. Sam aber hat sich nicht vorgenommen zurückzukehren. Und alleine durch die Lande wandern wollte er auch nicht. Es war ein ausgeklügelter Plan, geschmiedet per Briefpost mit seiner Freundin Suzy (Kara Hayward). Ein Mädchen aus wohlhabenden Elternhaus. Ein Mädchen, welches ihre Mutter, die ein Verhältnis mit dem Sheriff zu haben scheint, stets mit einem Fernglas beobachtet. Allmählich setzt sich das Puzzle auch für den Zuschauer zusammen. Schon bald wird auf der verschlafenen Insel pure Anarchie herrschen. Und lediglich die große Sintflut kann die Apokalypse noch aufhalten.

Moonrise Kingdom profitiert sehr von den vielen, unterschiedlichen Schauspielern. Zumal Anderson nur Darsteller ausgewählt hat, die vielseitige Talente besitzen, und in der Lage dazu sind, Situationskomik auch glaubhaft zu spielen. Ganz besonders freute es mich daher, dass auch der Meister der Situationskomik, Bill Murray, mit von der Partie ist. Sein herrlich trockener Humor sorgte bei mir mal wieder für die meisten Lacher. Als betrogener Ehemann, badend im Selbstmitleid und mit einer unfassbaren Gleichgültigkeit, stellte er meinen Favoriten unter den routinierten Schauspielern dar. Was nicht bedeutet, dass Edward Norton als verwirrter Scout Master einer Pfadfindergruppe, oder Bruce Willis als Sheriff in der Midlifecrisis, einen weniger guten Job abgeliefert haben. Es ist die Mischung, die den Unterschied macht. Denn keiner der hochbezahlten Stars (Tilda Swinton spielt eine Minirolle als Jugendamt-Beauftragte und Harvey Keitel den Kommandanten der Pfadfinder) belegt  in diesem Werk die Hauptrolle. Sie alle liefern ihren Beitrag ab und spielen nach Andersons Vision und dem Drehbuch von Roman Coppola. Doch die eigentlichen Hauptdarsteller sind zwei ganz unscheinbare Figuren. Zwei junge Debütanten die überhaupt das Geschehen im Film möglich machen. Jared Gilman spielt den Ausreißer. Stets widersetzt er sich den Befehlen von Erwachsenen und will immer mit zuerst mit dem Kopf durch die Wand. Seine Stiefeltern haben ihn längst aufgegeben.
Kara Hayward spielt Suzy. Ein depressives Mädchen. Aufgewachsen als ältestes Kind einer großen Familie, bemerkt sie, wie ihre Eltern (beide Anwälte) sich immer mehr auseinanderleben. Und obwohl die Situation längst klar ist, wird in ihrer Familie eigentlich alles totgeschwiegen. Zwei Schicksale fanden also zueinander. Nach einer ausgiebigen Brieffreundschaft beschließen die beiden Teenager, gemeinsam abzuhauen und alles hinter sich zu lassen. Es entwickelt sich eine Romanze. Beide verlieben sich ineinander. Und zu Le Temps De L'amour von Francoise Hardy wird dann auch schon einmal in trauter Zweisamkeit hinter romantischer Kulisse geknutscht und gefummelt. Es ist die wohl prägnanteste Szene des ganzen Films und ist in keinster Weise beladen mit Kitsch. Die beiden jungen Schauspieler machen das alles so routiniert, als würde dies bereits ihr fünfter Film sein. Möge ihnen eine vielversprechende Karriere bevorstehen. Ähnlich überzeugt haben mich auch die ganzen Nebendarsteller, die kompletten von Jungschauspielern dargestellt wurden.

Erst gegen kurz vor Ende driftet Anderson des öfteren mal ein wenig ins Absurde ab. Was er durch herrlich schräge Szenen und einem tollen Showdown aber wieder ausgleicht. Mir hingegen ist das Ende etwas zu zahm, aber auch ich hätte keinem der liebenswürdigen Charaktere ein böses Schicksal gewünscht.
Untermalt werden die vielen tollen Szenen durch einen sehr klassischen Soundtrack, komponiert von dem französischen Komponisten Alexandre Desplat (The King's Speech). Ich kann daher auch nur jedem empfehlen, sich den kompletten Abspann anzuschauen.

Fazit:

Ich mag es selbst kaum glauben, aber Moonrise Kingdom ist mein erster Kinofilm, den ich 2012 bislang gesehen habe. Was das Kino angeht, so kann ich in diesem Jahr bisher den Offenbarungseid in diesem Punkt ablegen. Denn selbst von Moonrise Kingdom habe ich erst erfahren, nachdem ein Freund ihn mir empfohlen hat. Hier enden die Ersten Male aber nicht. Denn zusätzlich war dieser Film auch mein erstes Wes Anderson Wek. Und Moonrise Kingdom stellte wohl die beste Bewerbung dar, auch die restliche Filmografie des Regisseurs nachzuholen. Denn, nur wenige Filmemacher trauen sich wohl, das Finale auf einem Leuchtturm stattfinden zu lassen. So setzt sich der Film am Ende zusammen, genau wie die Musik, die auf der Schallplatte der Kinder gespielt wird. Erst am Ende werden alle Instrumente wieder zusammengefügt und in das Lied eingefügt. Und genau auf die gleiche Weise, setzen sich auch die vielen Fragmente, in die der Film aufgeteilt war, am Ende wieder zusammen. Denn nur so kann etwas Komplettes entstehen.

Moonrise Kingdom ist Kino in Reinkultur. Handwerklich nahezu perfekt, weckt er auf sehr nostalgische Weise Gefühle bei den Kinogängern, und erinnert sie daran, warum sie überhaupt noch ein Lichtspielhaus besuchen. Ganz praktisch, spielt der Film selbst in einer Zeit, wo dieses Wort noch ein Begriff war. Ich hatte unheimlich viel Freude bei diesem Ausflug in die Sechziger. Von so etwas bitte wieder mehr. Lediglich ein Film reicht nicht aus, um die geschundeten Seelen der Kinogänger wieder mehr zu ermutigen, das Haus für einen Gang ins Kino zu verlassen. Moonrise Kingdom ist aber schon einmal ein Anfang. Schöner können die Filmfestspiele von Cannes eigentlich nicht eröffnet werden.


Wertung:

8,5 von 10 Punkte


1 Kommentar:

  1. Ich danke dir das du mich erwähnt hast :) das kino war auch Top .

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