Wie beginnt man einen Abgesang auf einen Menschen zu schreiben, der mich, den Verfasser dieses Textes, weder kannte und somit nicht wusste, wie viel er mir gegeben hat. Oder eine ganz andere Frage: Wo beginnt man bei David Lynch überhaupt?
Am 15.01.2025 ist der amerikanische Filmemacher, der mit seinen Werken ganze Jahrzehnte prägte, verstorben. Erst vor einigen Monaten äußerte sich der Regisseur nach langer Abstinenz aus den Medien mal wieder selbst. Es waren traurige, bedrückende Worte, seinen trockenen Humor legte er aber auch da nicht ab. Für das rauchen, welches er fast sein ganzes Leben genoss, müsse er nun den Preis bezahlen. Zum Zeitpunkt dieser Worte hatte sich sein Gesundheitszustand bereits so rapide verschlechtert, dass er sein Haus nicht mehr eigenständig verlassen konnte.
Doch ein trauriger Nachruf auf David Lynch als Mensch wäre völlig deplatziert. Maximal würde er sich vermutlich darüber ärgern, dass das nun 5 Tage vor seinem 79. Geburtstag passiert ist. Was er uns aber hinterlassen hat, macht ihn und seinen Namen für immer unsterblich.
Mit Hollywood hat David Lynch allen voran in seinen letzten beiden Spielfilmen Mulholland Drive (2001) und Inland Empire (2006) abgerechnet. Spielfilme, so Lynch, hatte er da schon nicht mehr vor, zu drehen. Stattdessen wolle er sich nochmal einer TV-Serie widmen, was bereits mit Mulholland Drive gescheitert ist und der fertiggedrehte Pilotfilm stark erweitert und zu einem Kinofilm umgebaut wurde. 2017 dann die Sensation: In einem Serien-Event setzte Lynch Twin Peaks in einer dritten Staffel fort. Kontrovers, wundervoll gefilmt und mit einem Ende versehen, worüber noch lange diskutiert wurde. David Lynch machte das unmögliche möglich und holte einen großen Teil des Casts mit wenigen Ausnahmen zurück, entweder in größeren Rollen oder als kleine Cameos versehen. Diese dritte Staffel von Twin Peaks war zeitgleich auch ein Familientreffen, nicht nur was den Cast untereinander anging, sondern auch Millionen von Fans. Zeitgleich sollte es das letzte mal gewesen sein, dass die Darsteller noch einmal zueinander fanden und diese Serie zustande kam. Kurz nach den Dreharbeiten und wenige Jahre danach verstarben Warren Frost, Miguel Ferrer, Catherine E. Coulson, Peggy Lipton, Julie Cruise und Angelo Badalamenti, die beide den ikonischen Soundtrack der Serie geprägt haben. Nach diesem Revival gesellt sich nun auch Serienschöpfer David Lynch zur ewigen Ruhe. Diese Staffel sollte das Abschiedsgeschenk des großen Filmemachers sein.
Mit David Lynch ist ein weiteres Stück amerikanische Filmgeschichte von uns gegangen. Dabei wäre Hollywood auf ihn mehr angewiesen denn je, bröckelt die Fassade von Tinseltown doch viel zu sehr und schon seit einigen Jahren. Lynch eckte immer wieder an. Im Mainstream sah er sich nie (siehe das ganze Debakel rund um Dune), umso schwerer wurde es, für zahlreiche Projekte Geldgeber zu finden. Unter seiner Regie gelangten Schauspieler wie Kyle MacLachlan und Laura Dern zur Größe. Immer wieder kehrten etablierte Darsteller zu Lynch zurück, wenn er gerufen hat. Es wäre schön gewesen, wenn er im Zeitalter des Streamings noch ein letztes großes Projekt auf die Beine gestellt hätte, noch einmal allen gezeigt hätte, wie unkonventionelle Filmkunst geht.
Filmemacher wie David Lynch gibt es nur noch wenige. Aber dafür sind sie aktuell äußerst erfolgreich wie der griechische Regisseur Giorgos Lanthimos und Robert Eggers, aber auch ein Brandon Cronenberg, der vielleicht so wie kein anderer den Indie-Sprit von David Lynch derzeit verkörpert. Doch so wie diese aufgezählten Filmemacher alle eigenständig sind, so war, ist und wird es für immer David Lynch sein. In den nächsten Jahren wird sein Werk vermutlich relevanter denn je werden. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, färbt etwas davon auf den Zeitgeist der aktuellen Filmlandschaft ab. Zu wünschen wäre es uns Filmliebhabern, aber auch dem Erbe von David Lynch, allemal.