Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 22. Oktober 2017

Rezension: Eine heitere Wehmut (Amélie Nothomb)


(Foto: ©Catherine Cabrol)



Belgien/Frankreich 2012

Eine heitere Wehmut
Originaltitel:  La nostalgie heureuse
Autorin: Amélie Nothomb
Übersetzung: Brigitte Große
Genre: Slice of Life, Romantik



Dieser überraschend kurze Roman aus dem Jahr 2012 von Amélie Nothomb hört im französischen auf den Titel "La nostalgie heureuse", was plump übersetzt so viel bedeutet wie "Eine glückliche Nostalgie". Der deutsche Titel ersetzt die Nostalgie durch Wehmut, genau so gut hätte man hier aber auch die Melancholie verwenden können, denn all das trifft auf dieses wundervolle Kleinod von einem Roman zu.

"Wenn man mich so sah und nach dem Grund meines Kummers fragte, antwortete ich: >>Heimweh.>> Viel später erkannte ich, dass dieses Gefühl im Westen verachtet wird, da es als schädlich gilt, der Vergangenheit nachzutrauern. Die grausame Diagnose kurierte mich allerdings nicht davon. Meine Sehnsucht war unheilbar." 

Stark verbunden mit ihrer eigenen Lebensgeschichte schickt Amélie Nothomb sich mit einer heiteren Wehmut und einer menge trockenen Humor zurück in das Land, was sie so sehr liebt und vermisst. Japan. Dort lebte die Autorin tatsächlich viele Jahre und verbrachte dort eine glückliche Zeit. Worüber die Autorin hier berichtet ist dabei kein bisschen übertrieben. Ich selbst kenne aus eigenen Kreisen die Berichte alter Freunde und Weggefährten, die eine ähnliche Liebeserklärung an Japan abgaben, obwohl sie dieses Land nur für wenige Wochen besuchten. Das Land deiner Träume ist meistens nur so schön, wie es deine Phantasie zulässt. Obwohl ich nie in Japan war, so bekomme ich allmählich den Eindruck, dass diese gewisse Magie tatsächlich existent sein muss. Und so überträgt sich jene heitere Wehmut der Autorin auch direkt auf ihre Leser, zu denen ich natürlich seit Beendigung dieses Romans auch gehöre. Die Geschichte selbst besteht mehr aus den Monologen der Protagonistin als aus ausschweifenden Dialogen unter den Charakteren. Das macht den besonderen Charme des Romans aus, weil wir hier eine herrlich bodenständige Protagonistin erleben, die aber  auch eine erfrischende Naivität (im positiven Sinne) an den Tag legt.


 "Bis jetzt war meine Romanze mit Japan perfekt. Sie enthielt die unverzichtbaren Ingredienzien legendärer Lieben: eine betörende Begegnung in frühester Kindheit, Trennung, Trauer, Sehnsucht, Wiedersehen mit zwanzig, Intrige, leidenschaftliche Affäre, Entdeckungen, überraschende Wendungen, Zweideutigkeiten, Verlobung, Flucht, Vergebung, Nachwehen."


Würde es nicht schon einen gleichnamigen Film geben, so wäre auch hier der Titel "Die fabelhafte Welt der Amelie"  sicher keine verkehrte Wahl. Die im Buch 44 jährige Amelie erzählt abwechselnd über die Amelie im Grundschulalter und die Amelie in ihren Zwanzigern. So viele Jahre sind vergangen, und noch immer erinnert sie sich voller Sehnsucht an ihre Zeit in Japan, wozu auch ihre verflossene Liebe Rinri gehört, den sie, beinahe in einem Affekt, anruft und ihm berichtet, dass sie für eine kurze Zeit aufgrund einer Dokumentation nach Japan zurückkehren wird. Alleine an die Nummer des Verflossenen zu kommen glich einem Staatsakt und konnte am Ende dann schließlich durch die Amme aus Kindheitstagen realisiert werden. Rinri selbst scheint überaus euphorisch zu sein, nach so vielen Jahren von seiner alten Liebschaft zu hören.

Und habe ich schon darüber berichtet, wie die Protagonistin samt eines sterbenden Bonsais ein Kino besucht und ausgerechnet Martin Scorsese das sterbende Miniaturgewächs rettet? Nicht? Macht auch nichts, denn es ist eine von vielen kleinen Geschichten, in der die Protagonistin über Gott und die Welt zu plaudern scheint und die Leser erneut mit ihrer heiteren Wehmut für sich gewinnt. Eine großartige Passage, die ich jedoch bewusst nicht für diese Besprechung verwende, um die Einmaligkeit dieser Szene, die sich bildlich bei mir abgespielt hat, niemandem vorwegzunehmen.



Resümee

Der Titel des Buches ist ansteckend. Ich sehe mich als großen Liebhaber der japanischen Kultur und habe dem Land auch einen großen Teil des Themengebietes meines Blogs gewidmet. Amélie Nothomb macht diesen kurzen Roman zu einem Reiseerlebnis. In "Eine heitere Wehmut" folgt sie dem japanischen Motto "Mono no aware", der Vergänglichkeit der Dinge. Es ist durchaus nicht verboten, der Vergangenheit hinterherzutrauern, Heim- oder Fernweh zu haben oder sich von Emotionen aus der Kindheit überrumpeln zu lassen. Gleichzeitig ebnet sich die Autorin aber auch den Weg nach vorn, jene Vergänglichkeit der Dinge hinter sich zu lassen. In wunderbarer Weise verarbeitet die sympathische Autorin gleichmäßig diese beiden Aspekte und erschafft dabei ein besonderes Erlebnis für die Leser.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen